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6. Juli. Die Kammer genehmigt einen Geseßentwurf wegen Aenderung der Getränkesteuer und fordert die Regierung auf, binnen 6 Monaten einen Geseßentwurf zur Einführung des Alkoholmonopols vorzulegen. Ferner genehmigt sie den infolge des Falls Dreyfuß" entstandnen Gesezentwurf über Landesverrat und Spionage, wodurch für eine Sorte politischer Verbrecher die Todesstrafe wieder hergestellt und die Ueberweisung von Zivilpersonen in Friedenszeiten an die Militärgerichte eingeführt wird.

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8. Juli. Die Kammer erklärt einen Antrag für dringlich, durch den die Regierung aufgefordert wird, sobald wie möglich über einen Vertrag wegen eines ständigen Schiedsgerichts zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten in Verhandlung zu treten. Bei Beratung des Handelsvertrags mit der Schweiz empfiehlt Ministerpräsident Ribot die Vorlage, die auch einen politischen Erfolg darstelle, dessen sich Frankreich mit Recht freuen könne bei den vielen Ueberlieferungen der Freundschaft, die es mit der Schweiz verbinden. Der Vertrag wird angenommen.

11. Juli. Der Senat stimmt diesem Vertrage bei.

12. Juli. In der Kammer stellt Goblet eine Anfrage in Betreff eines Briefs, in dem der Erzbischof von Cambrai dem Kultusminister erklärte, er könne die Haltung seines Klerus in der Frage der Anfallsteuer nicht mißbilligen. Goblet bemerkt, man könne die Drohungen und die Auflehnung des Klerus unmöglich dulden, und bittet die Regierung, die Frage der Trennung der Kirche vom Staate zu prüfen sowie einen Geseßentwurf über die Freiheit der Vereinigungen einzubringen. Kultusminister Poincaré erwidert, die Republik begünstige keinerlei Angriffe auf die Freiheit der Katholiken, und tadelt die Agitation, die der Klerus gegen die Anfallsteuer organisirt habe; die Regierung werde dem Konkordat Achtung verschaffen und die wachsame Hüterin der öffentlichen Gewalt sein. Hierauf wird eine von Goblet beantragte Tagesordnung zu Gunsten der Trennung von Kirche und Staat abgelehnt und eine Tagesordnung, die das Vertrauen in die Festigkeit der Regierung, den bestehenden Gesezen Achtung zu verschaffen, ausdrückt, angenommen.

13. Juli. In der Deputirtenkammer stellt Pourquéry eine Anfrage wegen des Beschlusses des Rates der Ehrenlegion, durch den die Deforirung Eiffels aufrecht erhalten wird. Redner bemerkt, das Land verstehe diesen Beschluß nicht, nachdem Eiffel durch Richterspruch gebrandmarkt worden sei. Minister Trarieur erwidert, der Beschluß sei begründet durch die Entscheidung des Kassationsgerichtes, die das Urteil der Vorinstanz über Eiffel aufgehoben habe. Die Regierung könne sich nicht einmischen. Die Kammer nimmt

hierauf eine Tagesordnung an, durch die das Bedauern über den angeführten Beschluß des Rates der Ehrenlegion ausgesprochen und die Regierung ersucht wird, einen Gefeßentwurf zur Umgestaltung dieses Rates einzubringen. Die Session des Parlaments wird hierauf geschlossen.

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24. September. Die Budgetkommission der Deputirtenkammer tritt zusammen. Die Beratung dreht sich hauptsächlich um die Nachtragskredite für das laufende Jahr, etwas über 15 Millionen, die nach einer Mitteilung des Konseilspräsidenten Ribot be= schafft werden müssen. Dazu werden noch fünfzig oder mehr Millionen für die Madagaskarexpedition kommen, und ferner trägt die Thatsache, daß die Steuereinnahmen im ersten Halbjahr um 16 Millionen hinter den Voranschlägen zurückgeblieben sind, keineswegs dazu bei, die Lage in einem rosigen Lichte erscheinen zu lassen. Im Vergleich zu dem ersten Halbjahr des verflossenen Jahres find 5311⁄2 Millionen weniger eingegangen. — Cavaignac, Berichterstatter für das Kriegsbudget, erstattet einen ausführlichen Bericht, in dem alle möglichen schweren Mängel der Kriegsverwaltung vorgeführt und angesichts der schlimmen Finanzlage eine Anzahl von Reformen im Sinne von Ersparungen im Betrage von 24 Millionen Francs vorgeschlagen werden. Der Kriegsminister will nur 8 Millionen zugestehen. Cavaignac besteht darauf, daß energische Maßregeln getroffen werden, um dem Verwaltungsdienst eine neue Richtung zu geben; er kennzeichnet die mißbräuchliche Handlungsweise dieses Dienstes besonders durch Darlegung der Vorbereitungen zu den Märschen, beklagt das Fehlen jeder Verantwortlichkeit, wenn sich Mißstände zeigten, beantragt, das 19. Korps zurückzurufen, und ver= langt die Schaffung einer Kolonialarmee. Schließlich wirft er die Frage auf, behufs Herstellung des Gleichgewichts im Budget die Reste der geheimen Fonds, die seit mehreren Jahren zusammengespart wurden und ungefähr 2 Millionen Francs betrügen, zu benußen. Ein Artikel des Finanzgefeßes könnte der Regierung die Möglichkeit geben, sich durch ein einfaches Dekret diese Kredite in Höhe der 2 Millionen zu eröffnen.

25. September. Fortseßung. Cavaignac legt den Plan für die Reorganisation der Truppenmacht in Algerien dar. Hiernach soll der größere Teil der algerischen und tunesischen Truppen, zwei Infanterie- und eine Kavallerie-Brigade, nach Frankreich verlegt werden. Unter Hinzunahme dieser Truppen könne ein neues kontinentales Armeekorps gebildet werden, das möglichst nahe der Ostgrenze aufzustellen wäre. Die in Algier und Tunesien verbleibenden Truppen sollen mit den Kadres der gegenwärtig vorhandnen Kolonialtruppen verschmolzen werden und den Stamm einer

neuen Kolonialarmee bilden. Diese Armee würde dem Kriegsministerium unterstehen und in Frankreich, Algerien und den Kolonien durch Werbungen sowie Wiedereinstellung ausgedienter Soldaten rekrutirt werden; den Truppen sollen Dienstprämien gezahlt werden.

27. September. Vor dem Budgetausschlusse äußern sich der Ministerpräsident Ribot und der Kriegsminister General Zurlinden über den Bericht Cavaignacs. Ribot erklärt, die Kommission müsse sich vor übereilter Verallgemeinerung vereinzelter Thatsachen hüten, die die Kriegsverwaltung ungerecht in Verdacht bringen könnten. Man dürfe nicht den Glauben erwecken, daß ein Zusammenbruch bevorstehe, was ein falscher Eindruck wäre. Kriegsminister Zurlinden erklärt, die Meinung der ganzen Armee werde sich zu dem aus dem Berichte hervorgehenden Eindruck im Gegensaß befinden. Der Bericht baue seine Theorie auf einige außergewöhnliche Vorkommnisse auf und überschreite sein Ziel. Der dem Korps vorgeworfene kameradschaftliche Geist bilde die Ehre der Armee und habe keineswegs die ihr vorgeworfenen Mißbräuche veranlaßt. Was die Märsche anlange, so werde die Verwaltung nichts verabsäumen, um vorteilhafte kaufmännische Bedingungen zu erlangen. Die von Cabaignac vorgebrachten Thatsachen seien richtig, aber unter falschem Lichte dargestellt worden. Die Kommission beschließt, den Effektiv= bestand der Zuaven um 3000 Mann herabzusehen und die algerischen Schüßen um 3000 Mann zu verringern.

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16. Oktober. In der Budgetkommission spricht sich der Marineminister über die Frage der Schiffsneubauten aus. Er legt dar, der japanisch-chinesische Krieg habe die Notwendigkeit des Baues zahlreicher Kreuzer von großer Schnelligkeit, guter Armirung und genügendem Schuß erwiesen. Das neue Programm für den Bau von Panzerschiffen, Kreuzern und Avisos erfordre etwa 1 Milliarde Francs, die auf 12 Jahre zu verteilen wären. Der jährliche Be= trag der Kredite für Schiffsneubauten müßte demgemäß um etwa 10 Millionen Francs erhöht werden. Der Kriegsminister Zurlinden giebt die Erklärung ab, er sei bereit, die in Aussicht genommenen Abstriche von den Heeresausgaben zu erörtern, müsse jedoch einen Vorbehalt in Betreff derjenigen machen, die mit der Organisirung der Armee zusammenhängen, nämlich mit der Umgestaltung des 19. Armeekorps (Algerien) und der Fusion des Geniekorps mit der Artillerie. Ueber diese Fragen habe zunächst der Oberkriegsrat sein Gutachten abzugeben. Zurlinden widerseßt sich der Aufhebung des Invalidenhotels, weil sie entmutigend auf das Heer wirken würde und im Grunde eine sehr schwache Ersparnis wäre. Er bekämpft auch die Herabseßung des Kredits für die Offi

ziere, die dem Kriegsministerium zugeteilt sind, sowie die Ersparnis von 2 Millionen auf den Schießpläßen und die von 50000 Francs auf die Ausgaben für die Gendarmerie. Der Ausschuß läßt sich aber nicht belehren; denn nachdem der Minister sich entfernt hatte, bestätigt er seine früheren Beschlüsse. Nur hinsichtlich der Verschmelzung der Generalstäbe des Genies und der Artillerie ändert er seinen Sinn. Cavaignac erhält den Auftrag, in der Kammer zu erklären, die Reform werde sich demnächst von selbst aufdrängen, der Budgetausschuß glaube also nicht weiter darauf be= stehen zu sollen.

II.

Wahlen zu den Generalräten.

28. Juli. Diese 1443 Wahlen fallen überwiegend zu Gunsten der Republikaner aus; die Sozialisten und die Monarchisten erleiden eine starke Niederlage. 1013 fallen für die Republikaner aus.

4. Auguft. Die Stichwahlen fallen für 99 Republikaner, 26 Konservative und 14 Sozialisten aus.

III.

Erinnerungs-Feierlichkeiten.

7. Juli. In St. Quentin wird ein Denkmal zur Erinnerung an die Verteidigung von Saint-Quentin im Jahre 1557 feierlich enthüllt. Der Minister des Auswärtigen Hanotaur hält hierbei eine Rede.

Er erinnert an die traurige Lage des vom Feinde überzognen Frankreich im Jahre 1557 und fügt hinzu, Frankreich, das im Laufe seiner Geschichte wiederholte Schicksalsschläge erfahren, habe sich immer wieder erhoben, und es habe um sich mehrere mächtige Regierungen, deren Herrschaft unerschütterlich schien, zusammenbrechen sehen. Diese Lebenskraft verdanke Frankreich nicht allein seinem starken Patriotismus, sondern der unleugbaren Notwendigkeit seiner Rolle unter den andern Völkern, die ihm stets wertvolle Sympathien und thätige und ausdauernde Mithilfe eingetragen habe. Aber Frankreich müsse sich den ihm von seiner Bestimmung zugewiesenen Aufgaben treu erweisen und die wachsame Hüterin der edeln Ideen und der großen Grundsäße bleiben, die auf dem Rechte beruhen. Gesichert durch seine Stärke und das weise Haushalten mit seinen Kräften, sicher in seinen Freundschaften, fähig zur Begeisterung und zu Opfern, und auf der Hut gegen den Geist der Abenteuer, könne Frankreich mit Vertrauen der Zukunft entgegensehen.

16. August. Nationalfeier bei Mars la Tour zur Erinnerung an die Schlacht von 1870. Bischof Turinaz von Nanch sagt in der Festrede:

25 Jahre lang sind wir nun in Trauer und beweinen unsre Toten und unsre verlornen Länder; 25 Jahre arbeiten wir an der Wiederherstellung des Vaterlandes. Genug jezt der Trauer! Laßt uns unser Festgewand anlegen und den Blick erheben, denn heute können wir vorwärts marschieren! Heute dürfen wir laut von unsern nächsten Hoffnungen reden! Dann spricht der Bischof von der Jungfrau von Orleans, vergleicht die Lage Frankreichs zu jener Zeit mit der im Jahre 1870 und fordert die Jugend auf, dem Beispiel Jeanne d'Arcs nachzufolgen, deren Schlachtruf war Toujours en avant! um, wenn der Augenblick gekommen, freudig für die Befreiung unsrer Brüder das Leben zu lassen. Eine volle Stunde lang predigt er so die Revanche, immer auf die Jungfrau von Orleans, die Lothringerin, weisend, wie sie die Engländer zu Paaren trieb, und dabei die bevorstehende Möglichkeit ausmalend, daß sie in gleicher Weise für die Lothringer eintreten würde. Den annektirten Brüdern" ruft er zu: „Auf Wiedersehen!" und dankt insbesondre den so zahlreich erschienenen Vertretern der Stadt Mez und des pays Messois für ihre unwandelbare Treue zum alten Vaterlande. Alsdann appellirt er an die Einigkeit aller Franzosen, die es fertig bringen werde, dem Feinde, sollte er wiederum an der Grenze erscheinen, zuzurufen: Vous ne passerez pas, und wenn es sein muß: C'est nous qui passerons. Zum Schluß seiner Rede wendet sich der Bischof nochmals an ganz Frankreich, das jezt thatkräftig vorgehen müsse, um seine alte Ehre wiederzuerobern: es lebe Jeanne d'Arc, es lebe Lothringen, es lebe Frankreich!

Unter den Zuhörern befinden sich die deutschen Reichstagsabgeordneten Neumann aus Hayingen, gewählt in Diedenhofen, und Pfarrer Colbus aus Neunkirchen, gewählt in Saargemünd.

Anfang Oktober. In Nanch wird der Grundstein zu einem Kolossaldenkmal gelegt, das zur Erinnerung an den Besuch er= richtet wird, den der Großfürst Konstantin kurz nach den Kronstädter Festen dem Präsidenten Carnot in dieser Stadt machte. Dieses Denkmal wird einundzwanzig Meter hoch sein und auf einem monumentalen Untergrunde eine Pyramide tragen, an deren Vorder= seite das Medaillon Carnots prangen wird. Zwei Bronzefiguren von je drei Meter Höhe, die Frankreich und Rußland darstellen, reichen sich unter dem Bilde Carnots die Hände.

13. Oktober. In Le Puy findet die Einweihung des Denkmals für die vor dem Feinde gefallnen Soldaten der Armee an der obern Loire statt. Der Unterrichtsminister Poincaré hält eine Rede, in der er die Ausstellungen der Opposition hinsichtlich der Militärverwaltung erwähnt und hervorhebt, gewisse Mißbräuche hätten sich allerdings herausgestellt, aber man müsse angesichts der wirklichen Fortschritte gereizte Kritiken vermeiden. Die Regierung werde die Dienstordnung aufrecht erhalten, aber sie werde von der

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