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Reichstags kümmert uns dabei nicht. Wir haben den Reichstag als solchen eingeladen, und es freut uns, daß sich der Reichtag in unsern Mauern wohl gefühlt hat.

26. November. An Stelle des ausscheidenden Bürgermeisters Luermann wählt der Senat den Senator Pauli zum Bürgermeister bis zum Jahre 1899.

Lübeck.

13. Februar. Der Staatshaushaltsetat wird für 1895-96 auf 3694507 Mark Einnahme und 4095 085 Mark Ausgabe fest= gestellt, sodaß ein Fehlbetrag von 402577 Mark entsteht, zu dessen teilweiser Deckung der Senat eine Erhöhung der Erbschaftssteuer um 80000 Mark und der Einkommensteuer um 280000 Mark empfiehlt.

14. Februar. Der Senat lehnt einen Antrag auf Einführung einer Staatslotterie ab.

2. März. Abschluß eines Vertrags wegen Aufnahme einer Staatsanleihe von 10 Millionen zum Bau des Elbe-TraveKanals.

15. Mai. Die von Senat und Bürgerschaft eingesezte Kommission nimmt die Vorschläge des Senats auf Erhöhung der Einkommensteuer an.

31. Mai. In Lübeck findet die Feier der Grundsteinlegung zum Elbe-Trave-Kanal statt.

3. Dezember. In Lübeck findet eine militärische Feier zur Erinnerung an die Schlacht von Loigny statt.

Elsaßz-Lothringen.

I.

Landesausschuß.

28. Januar. Der Landesausschuß wird in Straßburg vom Statthalter Fürsten Hohenlohe-Langenburg eröffnet.

In seiner Ansprache giebt er ein Bild der Finanzlage. Dieselbe sei für das laufende Etatsjahr noch befriedigend, dank den wachsenden Erträgen und der eignen Einnahmequellen und infolge des Umstandes, daß die endgiltige Abrechnung mit dem Reich voraussichtlich sich erheblich günstiger stellen

werde, als bei der Aufstellung des Etats angenommen wurde. Die weitere Gestaltung sei in der Hauptsache davon abhängig, daß das Finanzverhältnis zwischen dem Reich und den Einzelstaaten derartig geregelt würde, daß die Landes-Fonds von der Zuschußleistung an das Reich entbunden würden. Sollte ein befriedigender Ausgleich der finanziellen Beziehungen zwischen Reich und Einzelstaaten nicht stattfinden, so sei zu befürchten, daß das LandesEtatsjahr 1895/96 trop Einschränkung der Ausgaben mit einem Fehlbetrag abschließen würde. Weiter berührte der Statthalter den Geseßentwurf über die Gebäudesteuer. Die Neueinschäzung des Ertrags der Gebäude sei vollendet, und auf Grund derselben könne die neue Gebäudesteuer eingeführt werden, die bestimmt sei, an Stelle der bisher mit der Grundsteuer vereinigten Ge= bäudesteuer zu treten. Einen allgemeinen Wunsch entsprechend solle die veraltete Thür- und Fenstersteuer wegfallen.

5. Februar. Unterstaatssekretär v. Schraut leitet die Etatsbe= ratung ein.

Er führt aus, die Finanzlage der Reichslande sei zwar noch befriedigend, fie werde sich aber erheblich verschlechtern, wenn weitere Zuschüsse an das Reich gefordert werden. Der Finanzausgleich zwischen dem Reich und den Einzelstaaten sei dringend nötig. Redner erörtert sodann die Vorschläge der Regierung, betreffend die Errichtung eines Technikums in Straßburg, die Erweiterung des Kanalneßes, die Hebung der Pferdezucht in Lothringen, die Ausführung großer_landwirtschaftlicher Meliorationen, ferner betreffs der diesen Sommer in Straßburg abzuhaltenden Industrie- und Gewerbe - Ausstellung. Petri fordert die Abschaffung des Diktaturparagraphen, den das Volk als ein Mißtrauensvotum der Regierung betrachte. In keinem deutschen Staate gebe es ein ruhigeres Volk als die Elsaß - Lothringer. Selbst die deutschunfreundlichen Kreise wollten keine Aenderung der Lage auf Grund eines Krieges. Spieß wendet sich, nachdem er die Lage des Groß- und Kleinhandels als sehr schlecht bezeichnet hat, gegen die Rede des Ministers v. Köller im Reichstag. Wenn dieser glaube, man sei mit der Lage hier zufrieden, so sehe er die Bevölkerung durch eine gefärbte Beamtenbrille an. Es gebe noch viel zu thun. Redner fordert die Rückkehr der Redemptoristen. Winterer stellt dieselbe Forderung, die er als ein dringendes Bedürfnis bezeichnet. Staatssekretär v. Puttkamer stellt die Notwendigkeit der Redemptoristen in Abrede und verspricht, die milde Handhabung des Diktaturparagraphen sowie die Gleichstellung Elsaß-Lothringens mit den übrigen Bundesstaaten im Auge behalten zu wollen.

23. April. Der Landesausschuß genehmigt ein Geseß, betreffend die Gebäudesteuer. Es stellt eine Ausgleichung und eine gerechtere Verteilung der bestehenden Gebäudesteuer her und hebt die drückende Thür- und Fenstersteuer auf.

II.

Kirchliches.

15. Januar. Der Bischof von Straßburg erläßt ein Kundschreiben, in dem die Geistlichen ersucht werden, von ihrem Rechte, dem Schulunterrichte beizuwohnen, fleißig Gebrauch zu machen. Dieses Recht ist eines der Zugeständnisse, die der Statthalter v. Man

Deutscher Geschichtskalender 1895. II.

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teuffel dem Klerus machte, in der nicht eingetroffnen Erwartung, ihn für die deutsche Sache zu gewinnen.

16. Juni. Nachdem ein Teil der katholischen Geistlichkeit und Presse Lärm darüber geschlagen haben, daß die Regierung den Redemptoristen angeblich die Niederlassung verweigere, sagt die amtliche Straßburger Korrespondenz," daß die Regierung in Konzessionen bereits weiter gegangen sei, als sie nach der bestehenden Gesetzgebung berechtigt oder wenigstens verpflichtet sei.

"

ΠΙ.

Maßnahmen.

Mitte September. Die elsaß-lothringischen Ortsvorstände der Union vélocipédique de France werden wegen Zugehörigkeit zu einem nicht genehmigten Verein zu Geldstrafen verurteilt.

15. Oktober. Das Weitererscheinen des „Offenburger Volksfreund" wird verboten, weil er unternommen hatte, an Stelle der unterdrückten „Elsaßz-Lothringischen Volkszeitung" in Mülhausen für die Ausbreitung der sozialistischen Gedanken im Reichslande thätig zu sein, und weil er dabei sich nicht darauf beschränkt hatte, die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Lage der Arbeiter in sachlicher Weise zu besprechen, sondern seine Zwecke hauptsächlich dadurch zu erreichen gesucht, daß er die an der Spize bestimmter einzelner Firmen stehenden Industriellen persönlich verunglimpfte und verdächtigte.

IV.

Parteibewegung.

18. Oktober. Der Reichstagsabgeordnete Haas legt sein Mandat nieder. Von Nanch aus teilt er dies seinen Wählern mit dem Bemerken mit:

In lezter Zeit haben sich in unserm Lande bedauerliche Schwächen fund gegeben. Ich habe die Ueberzeugung, daß Sie in Lothringen nur einem selbständigen Manné auftragen werden, Sie im Reichstage zu vertreten, der gewillt ist, der Sache des Rechtes und der Gerechtigkeit nicht auszuweichen und die Drohungen sowohl wie Versprechungen unbeachtend, ohne Gnade und Barmherzigkeit gegen das Regime der Unterdrückung und der Willfür, das allen Völkerrechten zum Hohn noch nach 25 Jahren Annexion auf Elsaß-Lothringen lastet, protestiren wird.

23. Oktober. Der Reichstagsabgeordnete Preiß, Anwalt in Colmar, erklärt im Pariser „Petit Journal":

Die elsässische Frage ist derzeit kein Gegenstand internationaler Verhandlungen, oberflächliche Beobachter können sie deshalb leugnen. Sie besteht je

doch in den Thatsachen ebensowohl wie in den Geistern. Die Rechtslage ist die, daß Frankreich und Deutschland einen Vertrag geschloffen haben, dem Elsaß- Lothringen nicht beigetreten ist, der also für uns ungiltig ist. Wir sind nicht gebunden, denn man hat uns nicht befragt. unsre leste öffentliche Handlung, der lezte Ausdruck unsrer Gefühle und unsers Willens ist unsre Verwahrung in Bordeaux. Nur eine gleichwertige Handlung kann diese Verwahrung aufheben, deshalb fordern wir ohne Unterlaß die Volksabstimmung. Die Germanisirung macht nicht den geringsten Fortschritt. In 100 Jahren wird es eben so sein wie heute und vor 25 Jahren. Die Elsässer fordern Achtung für ihr Recht; sie blicken nach Frankreich und glauben nicht, daß Frankreich die erhaltenen Prügel als endgiltig betrachtet, daß es seine Verluste und Demütigung, namentlich den Einzug in Paris, vergißt. Wäre Frankreich anders, als wir glauben, würde es sein Ansehen in der Welt verlieren und seine Rolle in der Geschichte aufgeben.

30. Oktober. Preiß erklärt in der Straßburger Bürgerzeitung," er habe nicht gesagt, wir schauen nach Frankreich und fordern es gewissermaßen zu gewaltthätigem Vorgehen auf. Eine Aufforderung zum Kriege sei ihm nie in den Sinn gekommen. Er werde Gewaltmitteln nie das Wort reden und stachle nicht auf, sondern bekämpfe den Chauvinismus auf deutscher wie französischer Seite. Er habe nicht gesagt, die gegenwärtige Lage sei nicht der Friede, was widersinnig sei. Er habe niemals Veranlassung gegeben, anzunehmen, wir könnten geneigt sein, von auswärts uns beeinflussen zu lassen. „Wir holen unsre Parole weder von Paris noch Berlin, sondern entschließen uns nach eigner Ueberzeugung.“

Anfang November. Der katholische Oberstaatsanwalt Rassiga in Colmar wird zum Unterstaatssekretär für Justiz und Kultus ernannt.

V.

Gedenkfeier.

30. November. Das in Straßburg in Garnison liegende 8. württembergische Infanterieregiment begeht eine Feier der Erinnerung an die Schlachten bei Villiers-Champigny, unter Teilnahme des Großherzogs von Baden, der eine patriotische Ansprache hält.

Oesterreichisch-ungarische Monarchie.

A.

Desterreich.

I.

Reichsrat.

1. Juli. Das Abgeordnetenhaus beendet die allgemeine Beratung des Budgets. Der Finanzminister stellt fest, daß während

der dreitägigen Beratung am Budget selbst keine Kritik geübt worden sei, was ein überaus günstiges Zeichen für die Vortrefflichkeit des Budgets sei. Er selbst habe kein Verdienst daran. Es wäre unrichtig, diesen vor Europa bedeutsamen Umstand mit Bescheidenheit totzuschweigen. Die Annahme des Budgets sei kein Vertrauensvotum, sondern eine Staatsnotwendigkeit. Der Minister hofft, daß recht viele Abgeordnete der Regierung wenigstens darin vertrauen werden, daß sie in dem zur Tradition gewordnen Geiste der österreichischen Beamtenschaft, nämlich im Geiste der Unparteilichkeit und der treuen Pflichterfüllung, ihr Amt erfüllen werde.

6. Juli. Beratung des Budgets des Landesverteidigungsministeriums in der Abgeordnetenkammer.

Der betreffende Minister erklärt, die Entziehung der Arbeitskräfte für die Armee in Oesterreich-Ungarn sei bedeutend geringer als in andern Großstaaten. Der Präsenzstand beträgt nur die Hälfte der Präsenzstärke gleich großer Staaten. Wir stehen unter dem Zeichen des bewaffneten Friedens, und man muß der österreichisch ungarischen Regierung das Zeugnis geben, daß sie in ihren Anforderungen nicht zu weit geht und diese auf das Mindeste reduzirt." Der Minister bittet alle, dahin zu trachten, daß die bewaffnete Macht recht stark werde, die allgemeine Wehrpflicht möglichst durchgeführt werde, und daß womöglich alle der Wehrpflicht unterzogen werden und die Schule der Armee durchmachen, die ja eine Schule des Gemeinsinnes und der patriotischen Pflichterfüllung sei.

9. Juli. Beratung des Unterrichtsbudgets. Beim Titel „Mittelschulen“ einschließlich des Postens für die slowenischen Parallelklassen am Gymnasium der deutschen Stadt Cilli bringt Hallwich den Standpunkt der deutschen Linken zum Ausdruck, indem er betont, daß die Errichtung utraquistischer Schulen in deutschen Gemeinden der erste Schritt zur Slawisirung sei; er tadelt ferner die Haltung der Deutschkonservativen, die zu spät einsehen würden, daß fie die gute Sache schädigten. Es sei für ihn eine nationale Pflicht, gegen den Posten Cilli“ zu stimmen. Vosnjak erklärt, die Slowenen könnten von ihrer Forderung nicht abgehen; er spricht den Wunsch aus, daß bei der Abstimmung über „Cilli“ sich alle Gruppen der Rechten vereinigen möchten, und daß diese Gruppirung zur Regel werde. Um dies zu ermöglichen, müsse die Regierung eine Parteigruppirung schaffen, wie sie in früheren Jahren bestand.

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10. Juli. Der Budgetposten „Cilli" wird mit 173 gegen 143 Stimmen genehmigt.

Dagegen stimmen: die „Vereinigte deutsche Linke“ (mit ihr Graf Wurmbrand), der Klub der Deutschen Nationalpartei," die Deutschkonservativen Lienbacher und Schider, die deutschnationalen „Wilden," Foregger, v. Kraus und Morré, die deutschnationalen Antisemiten Hauck und Döß, der CoroniniKlub und die christlich-sozialen Antisemiten. Nur die deutschen Klerikalen des Hohenwartklubs stimmen zu Gunsten des Slowenentums mit der Mehrheit.

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