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prüfen, dieselben in reifliche Erwägung ziehen und alles dasjenige auszuführen suchen, wovon Ich die Ueberzeugung gewinnen kann, daß es dem Wohle des Landes förderlich ist. In Ihrem angestrengten und opferwilligen Zusammenwirken mit Meiner Regierung erblicke Ich die sicherste Gewähr für das Gedeihen des Vaterlandes und halte Mich versichert, daß Sie Mir Ihre Mitarbeit bei allen auf das Heil der geliebten Heimat abzielenden Bestrebungen niemals versagen werden. Gebe Gott, daß in Ihren Beratungen stets ein hierauf gerichteter Geist, verbunden mit weiser und hingebender Mäßigung, herrschen möge. Dann wird ein ersprießlicher Erfolg für Württemberg in seiner innern Verwaltung und Entwicklung, wie für seine Stellung als Glied des großen Vaterlandes nicht ausbleiben. Dies ist Mein aus tiefstem Herzen kommender Wunsch.

13. März. Vertagung des Landtags bis zum 25. April.

26. April. In der zweiten Kammer beginnt die Beratung des Hauptfinanzetats. Dabei kommt der Minister v. Riecke auf die Reichsfinanzfrage also zu sprechen:

Im Reiche stehe man abermals vor der Frage, wie es mit der Tabakbesteuerung werden solle. In Württemberg sei die Tabakbesteuerung_eine "alte Liebe“ gewesen. Der Minister stehe nicht an, zu erklären, daß die Tabatfabrikatsteuer der richtigste Weg sei zur Erhöhung der Einnahmen. Die Regierung halte an dem im Reichstag eingebrachten Geseze fest. Ein weiteres ungünstiges Moment sei das Schwanken der finanziellen Leistungen des Reiches. Die Reichsverfassung sei in finanzieller Hinsicht unfertig geblieben. Als es sich darum handelte, in das Reich einzutreten, bemühte sich Württemberg, auch das finanzielle Verhältnis zum Reich zu klären. Das Reich rechne nicht mit Fehlbeträgen, erhöhe vielmehr die Matrikularbeiträge; aber diese bildeten Ausgabeposten im Budget der Einzelstaaten. Thatsächlich liege also der Schwerpunkt für die Aufbringung der Reichsbedürfnisse in den Bundesstaaten. Infolgedeffen sei auch die Stellung des Reichsschaßsekretärs seinen Reichskollegen gegenüber eine nicht sehr günstige. Man gebe ihm einen Rückhalt, wenn das Reich auch über die Beschaffung der Mittel nachdenken müsse. Die Regierung halte demnach an dem Finanzreformentwurf fest.

In der weitern Verhandlung verlangt Kiene Herstellung der Männerorden. Haußmann hält wünschenswert, daß die Regierung Stellung zum Antrag Kanit nehme.

3. Mai. Die zweite Kammer berät einen Antrag gegen die Umfturzvorlage. Hierzu bemerkt der Ministerpräsident v. Mittnacht:

Die Vorlage wurde sofort nach ihrer Einbringung sehr ungünstig beurteilt. Es wurde alsbald gesagt, mit dieser Vorlage werde die deutsche Freiheit begraben. Dies haben die Regierungen durchaus nicht wollen; aber sie wollten einem Mißbrauch der Freiheit energisch entgegentreten können. Gewaltsamen Umsturz, friedenstörende Beschimpfung, Aufforderung und Verherrlichung von Verbrechen, Untergrabung der Disziplin im stehenden Heer, diese Dinge wollte die Regierung treffen, nicht den freien Meinungsaustausch. Wenn es der Reichstag für notwendig hält, in dieser Beziehung Garantien in das Gesez einzuführen, so werden die Regierungen, das sei er überzeugt, hierin so weit gehen als nur möglich. Gegen ein Ausnahmegesez bestehe in der öffentlichen Meinung eine allgemeine Abneigung; wenn man dann auf das gemeine Recht übergehe, so seien wieder die verschiednen Parteien damit nicht einverstanden. Solche Gesezesvorlagen müßten auch nach der Zeit, nach den Verhältnissen, nach den Stimmungen betrachtet werden, in denen sie entstanden sind. Wenn

sie dann monatelang herumgezogen werden, nach dem verschiednen Parteistandpunkt zerpflückt werden und dann in ciner Weise abgeändert werden, die dem ursprünglichen Inhalt in keiner Weise entspreche, dann schließlich werde allerdings niemand befriedigt von dem jeßigen Zustand. Die leichtlebige Zeit habe die damaligen anarchistischen Verbrechen bereits vergessen. Damals habe auch in einem Teil der Bevölkerung die Stimmung bestanden, daß die Regierung der Ausbreitung der sozialrevolutionären Propaganda nicht länger zusehen könne. Die Regierungen hätten nichts wahrgenommen von Ueberwindung des Sozialismus durch geistige Waffen oder durch sittliche Größe, namentlich gar nichts vom Zusammengehen der bürgerlichen Parteien. Das Bürgertum habe einfach nichts gethan. Gleichzeitig sei Mangel an Vertrauen in die deutschen Gerichte entstanden, daß diese die Bestimmungen nicht richtig anwendeten. Wenn der Gejeßesvorschlag nach den Beschlüssen der Kommission angenommen würde, hätte die Regierung gewichtige Bedenten gegen die Zustimmung; weitere bindende Erklärungen könne er im jezigen Augenblicke nicht abgeben. Die Erklärung des Hauses werde bei der Regierung ihre volle Beachtung finden. Er gehe_noch auf die Bemerkung Haußmanns über die Entlassung Caprivis ein. Ein formelles Recht habe dieser nicht behauptet. Die Wahl des Reichskanzlers stehe dem Kaiser zu ohne Mitwirkung des Bundesrats; es sei lediglich Vertrauenssache zwischen dem Kaiser und dem betreffenden Beamten. Einige zwanzig Regierungen können nicht über Entlassung des Reichskanzlers gehört werden, der zudem zugleich preußischer Ministerpräsident sein solle.

Hierauf wird der Antrag gegen die Umsturzvorlage angenommen. Zu einem Antrage gegen die Wiedereinführung der Staffeltarife äußert Minister Pischek, daß eine Beunruhigung der landwirtschaftlichen Bevölkerung bestehe. Die Regierung habe sich auf den Standpunkt gestellt, daß die preußischen Staffeltarife für Württemberg nicht vorteilhaft seien, und dementsprechende Schritte schon früher gethan. Die Befürchtungen wegen der Staffeltarife hält der Minister gleichwohl für übertrieben; dagegen sei die Mühlenindustrie gefährdet. Ministerpräsident v. Mittnacht weist darauf hin, daß Sachsen, Baden, Württemberg und Hessen gegen die Staffeltarife aufgetreten sind, auch sei die Aufhebung als Vorausseßung der Aufhebung des Jdentitätsnachweises aufgefaßt worden. Der Minister hält darnach die Gefahr nicht für drohend. Uebrigens sei Preußen in Bezug auf seine Tarifpolitik selbständig, gerade wie auch wir uns nichts in unser Tarifwesen hineinreden lassen wollen. Eine Agitation im Bundesrate könne Württemberg nicht entfalten, dagegen wolle es freundschaftliche Vorstellungen bei Preußen erheben.

15. Mai. Dem Landtage werden Geseßentwürfe vorgelegt über 1. die Einkommensteuer, 2. die Kapitalsteuer, 3. Aenderungen des Gesetzes von 1873 über die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer, 4. die Wandergewerbesteuer.

16. Mai. Die zweite Kammer berät den Gesezentwurf über die Religions- Reversalien.

Kinn führt aus, die Einwände der Zentrumspartei richteten sich gegen die Bestimmung, nach der in der evangelischen Kirchenregierung drei

Mitglieder des Geheimen Rats sein sollen, die in erster Linie aus den Staatsministern und Chefs der Verwaltungsdepartements, in zweiter Linie aus den übrigen ordentlichen Mitgliedern des Geheimen Rats zu entnehmen sind. Diese Bestimmung stehe im Widerspruch mit den Staatsgefeßen. Es sei zuzugeben, daß thatsächlich schon aus Gründen der Maffe der Bevölkerung die größere Zahl der Minister aus Gliedern der evangelischen Kirche bestehen werde, aber das geseßlich festzulegen, gehe doch nicht an. Das bedeute einen Eingriff in das freie Ernennungsrecht des Königs. v. Schad weist diese Einwände als unbegründet zurück. Wenn je einmal ein katholischer König nur katholische Minister ernenne, dann habe sich das evangelische Volk loyal zu unterwerfen. Für diesen Fall enthalte das Gesez ja die Bestimmung, daß dann für die evangelische Kirchenregierung von den Ministern abgesehen werden soll und andre Mitglieder des Rats herbeigezogen werden sollen.

Die Vorlage wird an eine Kommission gewiesen.

21. Mai. In der zweiten Kammer stellen Gröber und Genossen die Anfrage:

Ob das Staatsministerium geneigt ist, im Bundesrat dahin zu wirken, daß die zur Zeit in Bearbeitung befindliche Militärstrafprozeßordnung für das deutsche Reich nach den erprobten Grundsägen der bürgerlichen Strafprozeßordnung für das deutsche Reich ausgearbeitet, insbesondre hierbei, soweit nicht für die Verhältnisse im Krieg eine Modifikation dieser Grundsäße unumgänglich ist, die Ständigkeit und Selbständigkeit der Militärgerichte, die Trennung der Aufgaben des Anklägers, des Verteidigers und des Richters, die Freigebung der Verteidigung in allen Straffällen, die Mündlichkeit und Oeffentlichkeit der Hauptverhandlung und die Einführung ordentlicher Rechtsmittel gegen die ergangnen Urteile gewährt werde.

Der Kriegsminister Schott v. Schottenstein giebt hierauf folgende Erklärung ab:

Die Staatsregierung hat zu der Frage der Einführung einer Militärstrafgerichtsordnung für das deutsche Reich, durch die, innerhalb der durch die Besonderheit der militärischen Verhältnisse, insbesondre im Felde, gezognen Grenzen, das Verfahren mit den wesentlichen Formen des bürgerlichen Strafprozesses umgeben würde, stets eine wohlwollende Haltung eingenommen. Bei zwei Kommissionen, welche behufs Aufstellung eines entsprechenden Entwurfs in den Jahren 1877/81 und dann wieder 1890 von dem deutschen Kaiser in Berlin niedergesezt waren, ist das Kriegsministerium durch Delegirte vertreten gewesen. In dem einen wie im andern Falle haben die Verhandlungen zur Herstellung vollständiger Entwürfe einer Militärstrafgerichtsordnung geführt. Diese Entwürfe sind indessen nicht an den Bundesrat gelangt: die königliche Staatsregierung war daher nicht in der Lage, zu_den= selben im ganzen wie im einzelnen Stellung zu nehmen. In welchem Stadium die Arbeiten wegen Aufstellung einer Militärstrafprozeßordnung für das deutsche Reich z. 3. sich befinden, darüber ist etwas Näheres zur Kenntnis der Staatsregierung nicht gekommen. Wie aber die Staatsregierung_bisher den Standpunkt vertreten hat, daß bei der in Frage stehenden Gesezgebungsarbeit mit der bereits bezeichneten Maßgabe ein thunlichster Anschluß an die Grundsäße der bürgerlichen Strafprozeßordnung an= zustreben und hierbei insbesondre dem Grundsaße der Mündlichkeit des Verfahrens, der Trennung des Anklageamts von Verteidigung und Richteramt, der freien Beweiswürdigung und Gewährung ordentlicher Rechtsmittel Geltung zu verschaffen sei, so gedenkt die königliche Staatsregierung diesen Standpunkt

auch bei den in Aussicht zu nehmenden weitern Verhandlungen über den Gegenstand festzuhalten.

Darauf wird die in einen Antrag umgewandelte Anfrage Gröbers (mit 80 gegen 2 Stimmen) samt dem Zusaße angenommen: Die Staatsregierung wolle, falls in absehbarer Zeit das Zustandekommen einer Reichsmilitärstrafgerichtsordnung nicht in Aussicht zu nehmen ist, bis zur Erledigung einer solchen eine Abänderung der geltenden landesrechtlichen Bestimmungen im Sinne der Anfrage der Abge= ordneten Gröber und Genossen herbeiführen.

12. Juni. In der zweiten Kammer stellt Haußmann die Anfrage, ob die Regierung geneigt sei, im Bundesrate dahin zu wirken, daß die Reichsregierung, unter Ablehnung der auf Aenderung der gesetzlichen Währung des deutschen Reichs gerichteten Bestrebungen, an der bestehenden Währung entschlossen festhalte. Hierauf erwidert der Finanzminister v. Riecke:

Von der Ueberzeugung geleitet, daß eine gesicherte Währung eine der Grundbedingungen für eine gesunde Volkswirtschaft bildet und in Würdigung der nicht zu bestreitenden Thatsache, daß das deutsche Reich eine solche seit Einführung der bestehenden Goldwährung bei einem Goldvorrat von mindestens 22 Milliarden Mark in Wirklichkeit besißt, ferner in der gerechten Besorgnis, daß jeder Versuch, hieran ernstlich zu rütteln, die empfindlichsten Umwälzungen in den wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen Deutschlands hervorrufen könnte, endlich in der Erwägung, daß auch keiner der zur Hebung und Befestigung des Silberwerts unter Festhaltung der Goldwährung gemachten Vorschläge nach den eingehenden Untersuchungen der erst im vorigen Jahre berufenen sogenannten „Silberkommission“ als zum Ziele führend hat erkannt werden können, ist das Staatsministerium der Ansicht, daß das deutsche Reich die Initiative zu einer Münzkonferenz behufs internationaler Regelung der Währungsfrage nicht ergreifen sollte und daher dem Beschluß des Reichstags vom 16. Februar d. J. keine Folge zu geben sei. Von dieser Auffassung abzuweichen haben wir feinen Grund.

Die Kammer spricht mit 49 gegen 24 Stimmen ihre Billigung dieser Erklärung aus.

9. u. 10. Juli. Zweite und resultatlose Beratung des Gesetzes über die Religionsreversalien.

11. Juli. Nach Ablehnung des Ortsvorstehergeseßes und nach Feststellung des Etats für 1895/96 auf 71573684 Mk., des für 1896/97 auf 71744375 Mt. wird die Session geschlossen. 4. Dezember. Der Landtag wird wieder eröffnet.

6. Dezember. Die Zweite Kammer spricht sich zu Gunsten der Feuerbestattung aus.

11.-13. Dezember. Die zweite Kammer billigt im Grundfaze die vom Finanzminister v. Riecke vorgelegten SteuerreformEntwürfe, wonach die Steuer auf das Berufseinkommen fortfallen und die auf Grund und Boden, Gewerbe, Gebäude und Kapitalien

liegenden Steuern von einem Saße von 3,9 Prozent bezw. 4,8 Prozent auf 2,6 Prozent ermäßigt, dafür aber eine allgemeine 4 prozentige Einkommensteuer eingeführt werden soll, wobei die Einkommen unter 500 Mt. freibleiben, die Schuldzinsen vom Steuerkapital abgezogen werden sollen und die Steuer für die höhern Einkommen sich in 32 ganz allmählich aufsteigenden Säßen bewegt.

21. Dezember. Nach Sicherung des Zustandekommens dieser Reform und nach Genehmigung eines Wasserrechtsgesezes wird der Landtag vertagt.

III.

Der König.

9. Mai. König Wilhelm richtet an den Schillerverein in Marbach ein Schreiben, in dem er die Ausdehnung des Marbacher Schillervereins zu einem Schwäbischen Schillerverein und die Ereichtung eines Schiller-Museums in Marbach anregt und sich als erstes Mitglied des neuen Vereins anmeldet.

9. Juni. Der König wohnt dem Bundestage des württembergischen Kriegerbundes in Biberach bei und erklärt in seiner Antwort auf den Toast des Ehrenpräsidenten, Prinzen Hermann van Sachsen-Weimar, daß er von der Treue der Kameraden überzeugt sei und ihnen sein herzlichstes und wärmstes Interesse entgegenbringt. Weiter ermahnt sie der König, die während ihrer Soldatenzeit erworbnen Gesinnungen festzuhalten. „Pflegen Sie die Geseze und Pflichten der Sitte, Religion und Ordnung, die Liebe zu Thron und Vaterland, dann werden die schweren über dem Vaterlande schwebenden Wolken vorüberziehen, denn unsre Sache ist edel, gut und gerecht." Die Rede schließt mit einem Hoch auf den „obersten Kriegsherrn," den Kaiser.

4. September. Der König besucht die Kruppsche Anstalt in Effen.

30. November. Der König hält eine patriotische Ansprache bei der Stuttgarter militärischen Feier des Gedenktages der Schlacht bei Villiers.

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