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Die Schriftstücke ergeben, daß deutscherseits mit Nachdruck das gefordert und erlangt worden ist, was sich gebührte: Genugthuung durch die Erklärung des Bedauerns und durch das Versprechen der Aburteilung des Kommandanten Lothaire seitens eines ordentlichen Gerichts; Leistung eines Schadenersazes von 100000 Franks an die Leute des Stokes und einer weitern Entschädigung von 1000 Mk. für jeden Träger derselben, der etwa nicht an die Küste zurückkehren würde. Ferner hat die deutsche Regierung den ausdrücklichen Verzicht des Kongostaates auf die fernere Zahlung der Prämien erreicht, die der „Kongostaat" bisher seinen Angestellten für ihre Einkäufe von Elfenbein, Gummi und andern Produkten zahlte, und wodurch die Konkurrenz der privaten Händler sehr erheblich erschwert wurde; es hat, wie der Schriftwechsel ergiebt, eines ernsten Tones bedürft, um den Winkelzügen ein Ende zu machen, die der Staatssekretär" des Kongostaates in dieser Hinsicht versuchte. Dabei ist ihm auch bemerkt worden, daß nach einem Telegramm des Gouverneurs v. Wissmann „die Kongobeamten und insbesondre der Kommandant des Tanganika-Distrikts ihr illoyales Verhalten. fortseßen, und daß sich die kaiserliche Regierung nach dieser Richtung hin bis nach Eingang näherer Nachrichten alle weitern Schritte vorbehält."

II.

Innere Angelegenheiten.

1.

Schlußsteinlegung zum neuen Reichsgerichtsgebäude.

26. Oktober. In Leipzig findet die feierliche Schlußsteinlegung zum neuen Gebäude des Reichsgerichts statt in Gegenwart des Kaisers, des Königs von Sachsen, des Reichskanzlers, des Staatssekretärs des Reichsjuftizamts und der sächsischen Minister. In den Schlußstein wird folgende Urkunde gelegt:

Wir Wilhelm 2c. thun kund und fügen hiermit zu wissen: „Das Haus, zu dem Wir am 31. Oktober des Jahres 1888 in Gegenwart Unsers erhabnen Verbündeten, des Königs von Sachsen, den Grundstein gelegt haben, ist mit Gottes Hilfe vollendet. Dem obersten Gerichtshofe des Reiches ist damit für seine Thätigkeit eine bleibende und würdige Stätte bereitet. An dieser Stätte wird, wie Wir erwarten, das Reichsgericht, als gewissenhafter Hüter der deutschen Rechtseinheit, auch ferner für die Wohlfahrt und für den Ruhm des Reichs zu wirken bemüht sein. Die von uns bei der Feier der Grundsteinlegung kundgegebne Hoffnung, daß dem Verlangen des deutschen Volkes nach größerer Einheit seines Rechts durch ein gemeinsames bürgerliches Gesezbuch in nicht zu ferner Zeit entsprochen werde, geht ihrer Erfüllung entgegen. Es gereicht Uns zur Genugthuung, daß zugleich mit dem Einzuge in dieses Haus dem obersten Gerichte die bestimmte Aussicht erwächst auf eine weitere Entfaltung seines Wirkens im Sinne der großen, ihm bei seiner Begründung durch die verbündeten Regierungen und den Reichstag gestellten Aufgabe. Durchdrungen von der Bedeutung, die der energischen und gerechten Handhabung der Geseze für die Erhaltung des

innern Friedens und für die Hebung des Wohlstandes der Nation zukommt, haben Wir beschlossen, im Namen der verbündeten Fürsten und freien Städte in dem neu errichteten Bau gemeinsam mit dem Könige von Sachsen, als dem Gebietsherrn, und unter Mitwirkung von Vertretern des Reichstags den Schlußstein zu legen. Gottes Segen ruhe auf diesem Hause! Möge die Rechtsprechung, die sich hier vollziehen wird, dazu helfen, daß Recht und Gerechtigkeit überall zur Geltung gelange, und daß die Treue in allen deutschen Landen wachse!".

Nachdem der Bundesratsbevollmächtigte v. Leonrod und der Reichstagspräsident v. Buol-Berenberg Ansprachen gehalten haben, thut der Kaiser die drei Hammerschläge mit den Worten: "Im Namen des dreieinigen Gottes! Recht soll Recht bleiben!" Nachdem die andern hohen Herrschaften ebenfalls die Hammerschläge gethan haben, hält der Präsident des Reichsgerichts Wirklicher Ge= heimer Rat v. Delschläger eine Ansprache.

2.

Urteil bezüglich des Dampfers „Elbe.“

Im November. Der betreffende Gerichtshof in Rotterdam giebt über den Zusammenstoß des englischen Kohlendampfers „Crathie“ mit dem infolgedessen untergegangnen Norddeutschen Lloyddampfer „Elbe" sein Urteil dahin ab, daß die Crathie allein die Schuld trage, der „Elbe" weder eine Begehungs- noch eine Unterlassungshandlung zum Vorwurf zu machen sei, und daß sich alle von der deutschen Schiffahrtsgesellschaft gemachten Angaben als wahr erwiesen haben. Der zuständige Londoner Gerichtshof hatte durch Urteil vom 17. Juni d. J. anerkannt, daß das Unglück durch die nicht streng seemännische Steuerung der Crathie herbeigeführt worden sei, er hatte aber zugleich feststellen zu dürfen geglaubt, der diensthabende Offizier der Elbe hätte, troß der reißenden Schnelligkeit, mit der die Crathie auf sie einrannte, die Geschwindigkeit vermindern können.

3.

Konferenzen zur Vorbereitung von Gesetzen.

Anfang Juli. In Berlin findet eine Konferenz der Vertreter deutscher Innungsverbände und Ausschüsse statt.

31. Juli. Der Reichsanzeiger" teilt darüber mit:

"

Die Regierungsvorlage basirt auf dem Prinzip der Zwangsinnung, und die Konferenz hat sich diesem Prinzip angeschlossen unter Befürwortung einer Erweiterung desselben. Nach der Regierungsvorlage sollen Deutscher Geschichtskalender 1895. II.

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alle diejenigen Handwerker der Jnnung zwangsweise beitreten, die Gesellen und Lehrlinge beschäftigen; die Konferenz hat nun diese Bestimmung dahin erweitert, daß auch der Großbetrieb, der handwerksmäßig ausgebildete Gesellen beschäftigt, nach Maßgabe der Zahl dieser Gesellen Beiträge leisten soll zu den Unkosten, die den Innungen erwachsen aus Wohlfahrtseinrichtungen für Gesellen und Lehrlinge. Der Vertreter des Reichsamts des Innern hat sich mit dieser Erweiterung einverstanden erklärt. Die Forderung des Befähigungsnachweises, auf den die Mitglieder der Konferenz an sich sehr großen Wert legten, was auch offen zum Ausspruch kam, wurde zunächst noch fallen gelassen, nachdem die Regierungsvertreter auf das Bestimmteste erklärt hatten, daß die Regierung zur Zeit unter keinen Umständen gewillt sei, sich auf den Befähigungsnachweis einzulaffen. In Sachen des Meistertitels beschloß die Konferenz unter Annahme der diesbezüglichen Regierungsvorlage, daß den Meistertitel nur der führen dürfe, der das Gewerbe erlernt und die vorgeschriebnen Prüfungen abgelegt habe. Der Konferenz wird auch eine Vorlage, betreffend die Handwerkerkammern, unterbreitet.

29. Oktober. Im Reichsamt des Innern findet eine Konferenz, betr. den Terminhandel in Kammzug, statt.

4. November. Im Reichsamt des Innern wird eine Konferenz von Sachverständigen eröffnet, die berufen sind, über die bezüglich der Arbeiterversicherung schwebenden Fragen ein Urteil abzugeben. Es wird ihr ein Gesezentwurf über die Revision des Invaliditäts- und Altersversicherungsgeseßes zur Beratung vorgelegt.

22. November. Im Reichsamt des Innern findet die erste Sizung einer Konferenz über die Revision des Handelsgefeßbuchs statt.

10. und 11. Dezember. Eine im Reichsamt des Innern tagende Kommission für Arbeiterstatistik einigt sich über folgende Punkte:

Die Kommission hält eine Regelung der Arbeitszeit in den offnen Ladengeschäften für notwendig und durchführbar. Sie befürwortet den Erlaß einer Vorschrift, wonach die Läden, von vorübergehenden Ausnahmen abgesehen, in der Zeit zwischen 8 Uhr abends und 5 Uhr morgens geschlossen sein müssen und die Handlungsgehilfen und Lehrlinge und Geschäftsdiener außerhalb der Zeit, während der die Läden geschlossen sind, in der Regel zur Arbeit für das Geschäft nicht herangezogen werden dürfen. Die Kommission hält ferner Bestimmungen für erforderlich, die den Angestellten der offnen Ladengeschäfte die zur Einnahme der Hauptmahlzeit notwendige Zeit sichern. Zur Förderung der Fortbildung der Lehrlinge bringt die Kommission die Aufnahme einer Bestimmung in Vorschlag, wonach an Orten, wo eine vom Staate oder der Gemeinde anerkannte Fach- oder Fortbildungsschule besteht, den Handlungsgehilfen und Lehrlingen unter achtzehn Jahren nicht nur die zum Besuche der Fortbildungsschule, sondern auch die zum Besuche der Fachschule erforderliche Zeit zu gewähren ist.

Neunter Abschnitt.

Militärische Angelegenheiten.

I.

Landheer.

15. Auguft. Erlaß des Kriegsministers an die Generalkommandos, betr. das militärische Beschwerderecht:

In neuerer Zeit ist zur Sprache gekommen, daß bei einzelnen Truppenteilen die Mannschaften unter Strafandrohung verpflichtet worden sind, jede Mißhandlung durch Vorgeseßte sofort zur Anzeige zu bringen. Mit Allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers und Königs wird darauf aufmerksam gemacht, daß eine derartige Anordnung im Widerspruch steht mit den von Allerhöchstdemselben unterm 14. Juni 1884 genehmigten Bestimmungen über die Beschwerdeführung der Personen des Soldatenstandes des Heeres vom Feldwebel abwärts, indem es nach Ziffer I 1 in Verbindung mit Ziffer II 1 dieser Bestimmungen jedem Soldaten ausdrücklich nur gestattet, nicht anbefohlen ist, sich über eine erlittene Mißhandlung zu beschweren.

Im September. Das Generalkommando des Gardekorps bringt deffen Truppenteilen folgenden an den kommandirenden General des Gardekorps General der Infanterie v. Winterfeld gerichteten königlichen Kabinettsbefehl zur Kenntnis:

Mein Gardekorps hat auch bei den diesjährigen Manövern, wie ich es von demselben gewohnt bin, Meinen Erwartungen voll entsprochen. Ich habe sowohl bei der vorzüglichen Parade an dem denkwürdigen 2. September wie bei den spätern Uebungen, namentlich auch an den Tagen, an denen Ich die Freude hatte, Meine Garden vereint mit Meinen Brandenburgern zu führen, stets Anlaß zu besondrer Zufriedenheit gehabt. Ueberall fand Ich einen hohen Grad friegstüchtiger Ausbildung, der nur durch treueste Pflichterfüllung aller Chargen, musterhafte Disziplin und Anspannung aller Kräfte erreicht werden konnte. Ich nehme daher heute die Ueberzeugung mit, daß Mein Gardekorps seine Aufgabe, ein Vorbild für die ganze Armee zu sein, unentwegt festhalten wird, und spreche dies jezt besonders gern aus, wo die Erinnerung an die unvergänglichen Ruhmesthaten des Korps wieder lebhaft wachgerufen wird. Ihnen selbst aber, dessen persönliches Verdienst an den erreichten Erfolgen Mir sehr wohl bekannt ist, wünsche Jch Meinen Königlichen Dank dadurch besonders zum Ausdruck zu bringen, daß Ich Ihnen beifolgend den Stern der Komture Meines Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern am Ringe verleihe. Gleichzeitig beauftrage Jch Sie, den sämtlichen Generalen, Regimentskommandeuren und Offizieren Meinen Dank für ihre Hingebung und erfolgreiche Thätigkeit auszusprechen, den Mannschaften Meine volle Anerkennung für ihre Leistungen zu erkennen zu geben und die in der Anlage befindlichen Gnadenbeweise bekannt zu machen.

14. September. Ueber den Inhalt einer Ansprache, die der Kaiser am lezten Manövertage in Pommern nach der Kritik ge= halten hat, melden nachträglich österreichische Blätter:

Der Kaiser erklärte, er fühle sich glücklich, daß seine Armee unter den Augen seines verbündeten Freundes und des Königs von Sachsen ein Zeugnis ihrer Tüchtigkeit ablegen konnte. Die Fahnen der österreichischungarischen Armee waren in der jüngsten Vergangenheit trauerumflort; von dieser Trauer wurde nicht minder auch die deutsche Armee betroffen. Der Kaiser von Desterreich und König von Ungarn habe bei Güns zuerst ein glänzendes Beispiel gegeben, das hier nachgeahmt wurde. Im Namen seiner Armee rufe er ein Hurra auf den Kaiser von Desterreich und König von Ungarn. Begeisterte dreimalige Hochrufe folgten. Kaiser Franz Josef hielt eine längere Rede; er habe sich sehr gefreut, die wunderbaren Truppen seines untrennbaren Verbündeten gesehen zu haben; er fordere die Anwesenden auf, ein Hoch auf den Kriegsherrn auszubringen. Ein dröhnendes, dreimaliges Hoch folgte diesen Worten.

15. September. Der Kaiser teilt durch Schreiben vom Bord des Hohenzollern" dem Kaiser Franz Josef mit, daß er die Würde eines Generals der Kavallerie als besondre Auszeichnung entgegennehme und in dieser Ernennung nicht nur eine Auszeichnung für sich, sondern auch für die deutsche Armee erblicke, die mit der österreichischen durch unlösliche Waffenbrüderschaft verbunden sei. König Humbert von Italien richtet an den Kaiser Wilhelm ein herzliches Telegramm, in dem er ihm für die Ernennung des Prinzen Viktor, Grafen von Turin, zum Major dankt und von neuem seinen freundschaftlichen Gefühlen für den Kaiser Ausdruck giebt.

Der kommandirende General des neunten Armeekorps, Graf Waldersee, 63 Jahre alt, wird zum Generalobersten der Kavallerie mit dem Rang eines Feldmarschalls ernannt.

Anfang November. Bei den Kontrollversammlungen in Westpreußen wird den Mannschaften ein Korpsbefehl bekannt gegeben, wonach Reservisten der Besuch von Lokalen verboten ist, in denen sozialdemokratische Versammlungen stattfinden oder der Wirt des Lokals sozialdemokratische Gesinnungen gezeigt hat. Ferner wird verboten das Halten, Lesen und Verbreiten sozialdemokratischer Schriften, die Beteiligung an Geldsammlungen zu sozialdemokratischen Zwecken und die Teilnahme an sozialdemokratischen Aufzügen und Festlichkeiten. Jeder Reservist wird verpflichtet, Uebertretungen dieses Befehls der Militärbehörde anzuzeigen. Die Uebertretungen sollen nach der ganzen Strenge der Militärgesetze bestraft werden.

9. und 10. Dezember. Eine deutsche militärische Abordnung wird vom 3aren und den Großfürsten empfangen.

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