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gegenwärtigen Zeit gültige Gewichtsverhältniß weit herabzugehen. Man erwartete von der Kammer, daß sie das raschere Zusammenbrennen der in einen kleinen Raum eingeschlossenen Ladung begünstigen und dadurch in ähnlicher Art wie bei den Wurfgeschüßen eine größere Kraftäußerung hervorbringen werde und gründete darauf die Zulässigkeit einer kleineren Ladung und der Erleichterung der Röhre.

Die Holstmannschen Kammerkanonen des 3-, 6- und 12pfdgen. Kalibers von 1742 erhielten bei 16 Kugeldurchmessern Seelenlänge und / kugelschwerer Ladung nur 100 Pfd. Metall pro Pfund der Kugel und bei dem 24pfdgen. Kaliber ging man sogar auf 12 Kugeldurchmesser Seelenlänge, . kugelschwere Ladung und 60 Pfd. Metall pro Pfund der Kugel herab. Wir werden sehen, daß man mit dieser Erleichterung des Rohrgewichts nur deshalb nichts Dauerndes schuf, weil die angenommene schwache Geschüßladung eine Verringerung der Wirkung herbeiführen mußte.

Wollte man in der Herabsehung des Rohrgewichts bis zu den angegebenen Grenzen gehen, so sah man sich zwar zu einem so geringen Ladungsverhältnisse genöthigt, weil ein stärkeres, vermöge des sehr heftigen Rückstoßes des leichten Rohrs, zu zerstörend auf die Laffete eingewirkt haben würde, allein dann mußte man auch auf geringere Schußweite und Trefffähigkeit gefaßt sein, weil glatte Feldkanonen kugelschwerer Ladung bedürfen, wenn sie einen rasanten sichern Vollkugelschuß und kräftigen Kartätschschuß gewähren sollen. Es ist nicht wahrscheinlich, daß diese Verhältnisse den damaligen Artillerie-Offizieren unbekannt gewesen wären, selbst wenn Belidor's 1739 zu La Fère angestellte Versuche, die darüber bereits das nöthige Licht verbreiteten, ihnen nicht zugänglich gewesen sein sollten; dagegen wohl anzunehmen, daß die Inferiorität, welche die österreichische Artillerie in dem eben beendeten Feldzuge gezeigt hatte, Veranlassung wurde, die Beweglichkeit auf Kosten der Wirkung immer mehr zu begünstigen. Daß man die Ladung von . kugelschwer für die Vollkugel für zu schwach hielt, geht daraus hervor, daß die 12- und 24pfdgen. Kammerkanonen anstatt der Vollkugeln Granaten erhielten. Sie sollten als leichtere Geschosse größere Schußweiten geben und die Mitnahme größerer Munitionsquanta gestatten. Es ist zweifelhaft, ob diese Granaten eine Sprengladung erhielten oder mit einem Holzpfropf verschlossen, blind verfeuert Zweiunddreißigster Jahrgang. LXIII, Band.

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wurden, da sich die Nachrichten darüber widersprechen. Aber die damalige concentrische Granate war nicht im Stande, den Verlust an Treffwahrscheinlichkeit und Schußweite zu ersehen, den man gegen den Vollkugelschuß mit / kugelschwerer Ladung erlitt, und da auch die einseitige Herabseßung des Rohrgewichts unter jedes zulässige Maß die erstrebte größere Beweglichkeit der Geschüße nur in sehr unvollkommener Weise gewährte, weil sie mit der Erleichterung der Laffeten und den Vortheilen einer guten Bespannung nicht Hand in Hand ging, so hatte man an Wirkung mehr verloren als an Beweglichkeit gewonnen. Die Laffeten waren schwer und mußten um so schwerer gemacht werden, je leichter die Röhre wurden, sie hatten starke Holzdimensionen, schwere Eisenbeschläge, hölzerne Achsen, niedrige Räder und obwohl die leichten 1742 Kastenprogen erhielten und nach dem noch heute bei uns üblichen Balancirsystem gebaut waren, so gewährten sie doch nur eine geringe Fahrbarkeit. Die Technik stand vor hundert Jahren noch zu tief, um die Bestrebungen der Artillerie durch eine leichte und bewegliche, dabei haltbare Laffetirung unterstüßen zu können. Dazu kam, daß diese Unvoll= kommenheit des Materials nicht durch die Güte der Bespannung ausgeglichen ward, vielmehr grade in deren Mängeln der schwächste Punkt der damaligen Feldartillerie lag. Die Artillerie besaß im Frieden keine Bespannung, sondern erhielt dieselbe erst bei eintretender Mobilmachung durch den Ankauf roher Pferde, deren Zahl mit größter Dekonomie berechnet war und nur für eine Fortbewegung der Geschüße nach Art des gewöhnlichen Transportfuhrwesens, nicht aber für irgend welche Manövrirfähigkeit als taktischer Körper, nach Art unserer heutigen Batterien, hinreichend war. Die Geschirre waren von mangelhafter Beschaffenheit, die Fahrer vom Lande ausgehobene sogenannte Stückknechte ohne militairische Erziehung und Disciplin, ohne Uebung im Fahren und unzuverlässig im Gefecht, und standen unter, von der Kavallerie abgegebenen Unteroffizieren, den sogenannten Schirrmeistern, denen ebensowenig rühmliche Eigenschaften nachgesagt werden können.

Diese uns kaum mehr begreiflich scheinenden Einrichtungen konnten nur genügen, weil die anderen deutschen Artillerien sich in einer gleichen, wo möglich noch schlechteren Lage befanden. Wenn aber dennoch, trok der Ungunst dieser Verhältnisse, unsere Vorfahren in dieser Waffe Thaten verrichteten, die uns zur lebhaftesten Bewunderung hinreißen,

so müssen wir einestheils den Eifer, die Hingebung und Pflichttreue eines Offiziercorps hervorheben, dem die Ueberwindung dieser Hindernisse möglich war, um sich als höchste Belohnung das Lob und die Zufriedenheit seines Königs zu erwerben; anderntheils aber auch allen Tadel über die ungenügende Wirksamkeit und Schwerfälligkeit der Artillerie, womit man stets so freigebig gewesen ist, als einen ungerechten zurückweisen, der weniger die Waffe an sich, als ihre unvollkommenen, zu ökonomisch bemessenen, Einrichtungen trifft.

Eine sehr wichtige Verbesserung des Materials war die Einführung der von dem Major Holzmann erfundenen Kastenproße und des damit zusammenhängenden Balancirsystems. Man führte diese Proße aber nur bei den leichten 3- und 6pfdgen. Geschüßen ein und beließ den schweren ihre bisherigen Sattelproken. Indem der Dreipfünder 100 und der Sechspfünder 54 Schuß incl. 20 Kartätschen in seinem Progkasten mitführte, wurden diese Geschüße im Gefechte unabhängiger von ihren Munitionswagen und konnten, da die bereits im ersten schlesischen Kriege üblichen Zeugkartuschen das Geschoß mit der Ladung verbanden, ein rascheres und anhaltenderes Feuer abgeben, als andere Artillerien, bei denen diese Einrichtungen nicht existirten. Auf den Kartätschschuß legte man großen Werth und alle Feldgeschüße waren damit bis auf 1⁄2 der Schußzahl ausgerüstet, dagegen war das Haubißfeuer noch ebensowenig angesehen, als im ersten schlesischen Kriege, zu welchem man nur 18 Haubigen mobil gemacht hatte. Es wurde ein zweites Bataillon Feldartillerie errichtet und die Beschaffung von Kammerkanonen eifrig betrieben, demungeachtet ist anzunehmen, daß sich unter den 226 Geschüßen, welche für den zweiten schlesischen Krieg ausgerüstet wurden, noch eine große Anzahl ordinairer Kanonen befunden habe.

Die Artillerie im zweiten schlesischen Kriege.

Der Feldzug von 1744 bot der Artillerie wenig Gelegenheit, sich auszuzeichnen, der Rückzug aus Böhmen war für sie mit großen Schwierigkeiten verknüpft und führte manche Verluste herbei; die Schlacht von Hohenfriedberg, 4. Juni 1745, aber sollte die in den schlesischen Winterquartieren wieder hergestellte Schlagfertigkeit glänzend bewähren. Beide Armeen hatten eine etwa gleiche Stärke von 76,000 Mann, die Stärke und Eintheilung ihrer Artillerie ist

aber wie in den Berichten jener Zeit gewöhnlich bei keiner von ihnen angegeben. Die Infanterie und Kavallerie erhielten vor der Schlacht die genauesten Dispositionen, über die Verwendung der Artillerie wurde aber preußischerseits nichts bestimmt. Sie war indeß ohne Zweifel den Infanterietreffen zugetheilt und eröffnete das Gefecht bei dem rechten Flügelcorps des Generals du Moulin auf dem südlichen Abhange des Georgberges mit einer Batterie schwerer Ge schüße um 4 Uhr Morgens mit solcher Wirksamkeit gegen die überraschten sächsischen Grenadier-Bataillone, daß diese, fast vernichtet die Anhöhe verließen, bevor die ihnen von dem Herzoge von Weißenfels gesandte Unterstüßung eintreffen konnte. Da der preußische General die verlassene Anhöhe sogleich mit Infanterie und jener schweren Batterie besezte, so litt die sächsische und österreichische Kavallerie des linken Flügels schon bei ihrer Formation außerordentlich, während die eigene sich unter dem Schuße dieses Feuers formiren konnte. Dies Beispiel, daß eine schwere Batterie der Positionsartillerie im Feuer avancirte und selbst gegen Kavallerie gebraucht wurde, steht ganz vereinzelt da. Die auf der ganzen Linie des ersten Treffens vertheilten Bataillonskanonen begleiteten während des Avancirens ihre Infanterie und erschütterten durch ein ununterbrochenes Kartätschfeuer die des Feindes, bahnten somit den beispiellosen Erfolg mit an, den das Regiment Bayreuth-Dragoner in seiner berühmten Attaque erreichte.

Die Schlachten von Sohr, 30. September 1745, und Kesselsdorf, 15. Dezember 1745, sind insofern für den Gebrauch der Artillerie bemerkenswerth, als sie die ersten Beispiele großer Batterien in defensivem Sinne auf Seiten der Oesterreicher und Sachsen, durch Zusammenziehung von Bataillonskanonen und schweren Geschüßen, unter guter Terrainbenußung, darbieten.

Nach dem Eindruck, den Material, Organisation, Gebrauchsweise und Erfolge noch jetzt machen, ist ohne Zweifel die preußische Artillerie der österreichischen in den beiden ersten schlesischen Kriegen überlegen gewesen. Sie war mit ihren leichten Geschüßen beweglicher, hatte beffere reglementarische Einrichtungen, feuerte lebhafter und wurde in mehr offensiver Weise gebraucht. Der König bezeichnete den Zustand der österreichischen Artillerie geradezu als pitoyabel, und es ist nicht zu verkennen, daß man ihren Wirkungen mit einer gewissen Gering

schätzung begegnete. Wie sehr der König dagegen mit dem Verhalten seiner Artillerie zufrieden war, ergiebt sich aus nachstehender A. K.-D. vom 1. Juni 1746 an den Generallieutenant von Linger:

Mein lieber General der Artillerie von Linger!

Da der Krieg sich nunmehr geendigt hat und Ich während der Zeit, daß derselbe gedauert, mit dem braven und rechtschaffenen Benehmen Meiner Offiziers umsomehr zufrieden zu sein Ursache gehabt, als dieselben sammt und sonders ihr Devoir in allen Occasionen dergestalt erwiesen, daß den Preußischen Waffen dadurch ein fast unsterblicher Ruhm erworben worden, so werde Ich meines Orts solches gegen Meine Offiziers in allen Gelegenheiten zu erkennen nicht ermangeln, dabei Ich aber das gewisse und fichere Vertrauen zu den Chefs und Kommandeurs der Regimenter sowohl, als zu den Stabs- und Oberoffizieren habe, daß sie nichts negligiren werden, um die gute Ordnung und Disciplin, durch welche Meine Armee bis Dato unüberwindlich gewesen, auf alle Art und Weise wieder völlig einzuführen und zu erhalten, allen Fleißes bemüht sein werden.“

Der General von Linger, an welchen dieser dem Offiziercorps der Artillerie zu stetem Ruhme gereichende Allerhöchste Dank gerichtet war, stand damals an der Spize der Waffe. Aus einer alten Artilleriefamilie stammend, hatte er seine Laufbahn schon unter dem großen Kurfürften begonnen und sich 1715 bei der Belagerung von Stralsund ausgezeichnet. Seit 1728 Generalmajor, seit 1741 Generallieutenant, organisirte er die Feld artillerie im Jahre 1742, suchte durch unermüdliche Thätigkeit die Ausbildung der ihm anvertrauten Waffe zu fördern, so wie deren Erleichterung durch Construction neuer Geschüße zu heben und leitete dieselbe in den ersten schlesischen Kriegen mit großem Erfolge. In jener Zeit herrschte überhaupt eine ganz ungewohnte Thätigkeit auf allen Gebieten der Artillerie, weil der König sich für die Verbefferung ihres Materials persönlich sehr interessirte. Der König wies so leicht keine neue Erfindung von der Hand, nahm von allen Vorschlägen, mochten sie neue Geschüße, Laffeten, Munitionswagen, die Salpetererzeugung oder die Pulverfabrikation betreffen, bis in die Details Kenntniß, befahl die damit anzustellenden Versuche, ließ sich die Resultate vorlegen und entschied schließlich über ihre Annahme oder

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