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Eine Bemerkung Retzows führt auf die Fährte, was der König eigentlich beabsichtigte: »Bei einer angestellten näheren Rekognoszierung fand er endlich die einzige schwache Stelle, welche die österreichische Armee hatte, und diese war das Terrain über ihren rechten Flügel hinaus, Wo das Nádasdysche Korps stand. Es schien nicht ganz unmöglich, dieses zu vertreiben, sich dann in die rechte Flanke und den Rücken des Feindes zu schwenken und so die Stärke seiner Position ganz unnütz zu machen.«

Nicht umsonst wird betont, daß an der Verfassung des Angriffsplans der Gegend kundige Offiziere mitwirkten. Sie müssen den König darüber unterrichtet haben, daß die Přerowsky-Höhe einen schmalen, west-östlich laufenden Rücken bildete, daß sich aber in der rechten Flanke der Österreicher ein bei der Křečhoř-Höhe beginnender, nach Süden verlaufender Höhenzug befand. Gelang es, die preußische Armee hier aufmarschieren zu lassen, so war Dauns herrliche Stellung verloren, es war sogar nicht abzusehen, wie er seine Armee ohne gänzliche Zertrümmerung aus der Mausefalle bringen konnte, da ihm ein Abmarsch nach Westen durch die Teichlinie der Beczvarka verwehrt wurde.

Ein überraschendes Hinaufkommen auf die Křečhoř-Höhe schien bei dem bisherigen passiven Verharren der Österreicher in ihrer Stellung gar nicht so schwer. Rückte die Armee zunächst gerade in der Richtung gegen Kolin, so dachten die Österreicher, ähnlich wie sie es bei Prag getan und Friedrich wohl nachträglich von gefangenen Offizieren erfahren hatte, daß cine strategische Bewegung im Zuge sei, um ihre Rückzugslinie und die Magazine zu bedrohen. Bog Hülsen mit der Vorhut später, während die Späheraugen der österreichischen Husaren durch Zieten ausgeschaltet worden waren, nordöstlich Křečhož von der Straße ab, so blieb sein Vorgehen dem Gegner durch die vorliegende Höhe verborgen, bis diese nahezu erreicht und zu einer Besitznahme seitens der Österreicher keine Zeit mehr war. War die Höhe einmal gewonnen, so konnten sie die Österreicher selbst schwächeren Kräften nicht so leicht entreissen, da erstere, wie Bevern gewiß hervorhob, auf dem schmalen Rücken keine breite Angriffsfront zu entwickeln vermochten. Ehe sie aber andere Gegenanstalten einleiteten, konnte bereits das Gros der Armee herangekommen sein, die auf dem Höhenzug mehr Raum zur Entwicklung fand als sie bedurfte und in den Besitz einer trefflichen Stellung kam, gegen die den Österreichern ihre

Überzahl nichts nützte. Ließ man sodann eine größere Kavalleriemasse vom linken Flügel gegen den Raum los, durch den Daun seinen schwierigen Rückzug vollziehen mußte, so war eine schwere Niederlage der Österreicher ohne große eigene Opfer sicher.

Grundbedingung für das Gelingen des schönen Planes war zweifellos, daß Daun nicht vorzeitig die Absicht Friedrichs erriet und unbeweglich in seiner Stellung blieb. Hierzu war es nötig, daß auch die der Vorhut folgende Haupttruppe so lange auf der Kaiserstraße weitermarschierte, bis sie in den der Sicht entzogenen Raum nordwestlich Kutlir gelangte.

Wie die späteren Ereignisse lehren, war Friedrichs Angriffsentwurf*), so sehr er mit völliger Passivität des Gegners rechnete und gewissermaßen als allzu fein ausgedacht anmutet, keineswegs undurchführbar. Nur eine Reihe von Zufälligkeiten vereitelte das glänzendste Gelingen**), trotzdem als erschwerend in Rechnung gestellt werden mußte, daß der König erst vor wenig Wochen ein ganz ähnliches Manöver in Szene gesetzt hatte, das nur aus dem Grunde zu einem glücklichen Ende geführt hatte, weil die österreichischen Führer in der Schlacht bei Prag irrig den Raum in ihrer rechten Flanke als für Truppen unpassierbar gehalten hatten.

Im Sinne dieses Angriffsplanes ergingen die Dispositionen an die Generale

Als Einleitung des Angriffes war die Vertreibung von Nádasdys Husaren nötig, welche Aufgabe Zieten mit den 50 Husarenschwadronen übertragen wurde. Er hatte in der Folge die linke Flanke des Angriffes gegen Belästigungen seitens Nádasdys zu decken.

* Der Angriffsentwurf ähnelt sehr jenem des Prinzen Karl von Lothringen bei Soor. Der König durfte einerseits hoffen, daß seine Truppen das schwierige Manöver geschickter vollführen würden als damals die Österreicher, die übrigens unter dem erschwerenden Umstand eines Nachtmarsches litten, und anderseits war des Königs Annahme gerechtfertigt, daß sein Gegner sich nicht so schneidig aus der Affäre ziehen werde wie bei Soor die preußische Armee. **) Daß Friedrich sicher darauf rechnete, zeigen die an Warnay gerichteten Worte, als dieser mit seinen 500 Husaren von der Erkundung gegen die Suzawa während der Rast zurückkehrte: »Seien Sie mir willkommen; ich war schon in Sorge um Sie und habe nicht geglaubt, daß Sie rechtzeitig zur Schlacht eintreffen würden. Begeben Sie sich mit Ihrem Detachement an den linken Flügel der ganzen Armee und decken Sie die Flanke, wie Sie es bei Prag gemacht haben. Ich brauche Sie und die Husaren werden einen fetten Tag

haben..

Den Husaren sollte die Armee auf der Kaiserstraße folgen, der auf 1000× eine Vorhut unter GM. Hülsen vorauszugehen hatte. Sie wurde aus den 3 Grenadierbataillonen der rechten Flanke, die dieses Schutzes voraussichtlich entbehren konnte, den beiden Infanterieregimentern Münchow und Schultze sowie den Stechow-Dragonern des Reservekorps und 6 schweren Geschützen formiert. Das Heranziehen der 3 Grenadierbataillone, die am Morgen am Ostrand von Kauřim standen, war eine jener Verschiebungen, die österreichischerseits Aufmerksamkeit erregten. Eine andere entstand durch die den späteren Absichten entsprechende Verstärkung des linken Flügels mit Kavallerie auf Kosten des rechten.

Friedrich beorderte die Kürassierregimenter Kyau und Krockow sowie die Normann-Dragoner vom rechten auf den linken Flügel, so daß bei ersterem nur noch 16 Eskadronen verblieben. Aus den am entscheidenden Flügel massierten 45 Eskadronen wurden 3 Treffen formiert, die beiden vorderen, 30 Eskadronen, unter dem GLt. Penavaire, das letzte unter GM. Krosigk als spezielle Reserve. Einschließlich der Reiterei Zietens und der Vorhut konnte somit auf dem entscheidenden Flügel mit einer Masse von 100 Eskadronen gerechnet werden. Eingedenk der jüngsten Erfahrungen wollte der König die Kräfte seiner Kavallerie nicht vorzeitig verbraucht wissen, sondern sie zur Ausnützung des von der Infanterie angebahnten Erfolges zurückhalten. Die Reitergenerale erhielten entsprechende Weisungen, die hier umsomehr am Platze waren, da der Kavallerie beim geplanten Schlachtverlauf erst im Schlußakt eine entscheidende Rolle zugedacht war.

Beim Gros des Heeres sollte jedes Treffen eine Kolonne bilden; jene des 1. auf der Kaiserstraße, jene des 2. parallel etwa 300× nördlich; zwischen beiden, an der Tete der Infanterie, fügten sich als eigene Kolonne die 3 Grenadierbataillone der linken Flanke ein.

Diesen Dispositionen dürfte Friedrich einige Erläuterungen mit Hinweis auf die im Gelände sichtbaren bemerkenswerten Objekte gegeben haben. Dem GM. Hülsen wurde zweifellos Křečhoř als Direktion beim Vormarsch auf die Höhe bezeichnet, doch war weder von einem Angriff noch vom Eichenbusch die Rede, der nach der damaligen Auffassung für die Vorhut gar keine Bedeutung hatte. Dagegen mögen den Generalen der Haupttruppe dieses Wäldchen und Broditz gezeigt worden sein, um ihnen zu versinnlichen, in

welche Front die Armee nach dem Abschwenken von der Kaiserstraße zum Anstieg auf die Křečhoř-Höhe gelangen sollte. Mit dieser Linie war aber keineswegs der erste Aufmarsch gemeint, der sinngemäß zwischen Křečhoř und Kutliř durchgeführt werden mußte, noch weniger etwa die spätere Stellungnahme, da diese auf dem Höhenzug geplant war. Wohl aber hatte diese Linie, die ungefähr der Frontbreite der Infanterie entsprach, insofern Bedeutung, als nach ihrer Erreichung ein allgemeines Linksziehen erfolgen mußte, um in die Stellung auf dem Höhenzuge zu gelangen.

Aus diesen Bemerkungen und den späteren Vorgängen. reimte sich dann jeder der Berichterstatter den angeblichen Inhalt der Angriffs disposition zusammen, so daß diese völlig entstellt auf uns gelangte*).

Daß Friedrich selbst, der übrigens seine Darstellung unverkennbar der nach der Schlacht veröffentlichten und aus naheliegenden Gründen sehr dürftig gehaltenen preußischen Relation nachschrieb, sich seines ersten Angriffsplanes nicht mehr erinnern wollte, ist sehr begreiflich. Einerseits hätte er gestehen müssen, daß die Schuld an der Nichteinhaltung des Planes nur an ihm lag, während bei Verschleierung der Tatsachen Manstein als Sündenbock erschien, anderseits fürchtet jedermann nebst dem Schaden noch Hohn und Spott einzuheimsen, wenn bekannt wird, er habe mit einer schlau ange

*) In der neuen Bellona veröffentlichte ein Mitkämpfer, der die Schlacht im Stabe des Königs als Volontär mitmachte, im Jahre 1805 einen Beitrag, der zwar die merkwürdige und notorisch unrichtige Behauptung enthält, daß Friedrich während des ganzen Waffenganges stets hinter der Gruppe Hülsen blieb, aber bezüglich des Angriffsplanes sehr zutreffend ausführt, daß der König nach Ausgabe der Disposition zu den in einem anderen Zimmer wartenden Adjutanten kam und sprach: »Jetzt habe ich die Disposition zur Bataille gemacht. Dem General Hülsen habe ich befohlen, mit 7 Grenadierbataillonen voraus auf dem Kaiserweg zu marschieren. Die ganze Armee soll stets links ziehend folgen, die Anhöhen ersteigen und den rechten Flügel des Feindes mehr und mehr zu turnieren suchen, wodurch sie à portée bleibt, den General Hülsen desto nachdrücklicher soutenieren zu können. Bei meinen vorhin gegebenen Bataillen habe ich meine Kavallerie zugleich mit der Infanterie attackieren lassen, wodurch dieselbe so abgemattet wurde, daß, wenn der Feind völlig geschlagen, sie zum kraftvollen Nachsetzen zu sehr ermattet war. Diesem Fehler will ich jetzt ausweichen; habe daher der Kavallerie des linken Flügels befohlen, wenn der General Hülsen die Attacke angefangen, in einer passenden Entfernung hinter den attackierenden Korps ihre Stellung zu nehmen und nicht eher gegen den Feind heranzurücken, als bis derselbe in vollem Zurückweichen begriffen ist. Da der rechte Flügel refüsieren soll, habe ich, um das Nachsetzen desto wirksamer zu machen, den größten Teil der Kavallerie des rechten Flügels nach dem linken zu marschieren beordert. «

legten List so sehr Schiffbruch gelitten, daß man nach vollzogener Tatsache gar nicht begreift, wie er ein Gelingen überhaupt erhoffen konnte.

Die Fassung des Entschlusses, dann die zur Neuordnung des Heeres nötigen Verschiebungen, die drückende Hitze und die Erschöpfung der Truppen bedingten eine Rast bis 1t nachmittags, die der König mit seinen Generalen im Oberstock des Wirtshauses Zur goldenen Sonne verbrachte. Während er die Gelegenheit benützte, um beim Fenster Erläuterungen zu den nächsten Bewegungen zu geben, wurde ein österreichischer Reiteroffizier bemerkt, der sich dem Wirtshaus keck bis auf 200× genähert hatte. Er büßte dies rasch, da einige Ordonnanzhusaren, die angewiesen worden waren, auf ihn Jagd zu machen, ihm den Rückweg abschnitten und ihn gefangen einbrachten. Es war der Rittmeister Baron Kraus der Gelhay-Kürassiere, dessen Aussagen das bestätigten, was sich Friedrich ohnedies bereits dachte. Daun habe den ausdrücklichen Befehl, Prag um jeden Preis zu entsetzen, und werde noch heute, jedenfalls aber morgen angreifen.

Eine Entschlußänderung konnte durch diese Nachricht nicht bewirkt werden, wenn nachträglich auch angesichts des unglücklichen Ausganges der Schlacht die Meinung ausgesprochen wurde, der König hätte, da sein Gegner den Kampf suchte, das Schicksal nicht herausfordern, sondern lieber eine gute Stellung aufsuchen sollen, um den Angriff zu erwarten. Abgesehen davon, daß der Offizier vielleicht nur das wiedergab, was in der Armee gerüchtweise verlautete und sich mit den Absichten des Heerführers gar nicht deckte, konnte Friedrich angesichts der Überlegenheit des gegnerischen Heeres gar nicht an einen verteidigungsweisen Kampf denken, in dem die brutale Tatsache der Überzahl aller Voraussicht nach den Sieg errang. Das ungünstige Zahlenverhältnis konnte eben nur durch die im Angriff zu verwertende Geschicklichkeit der Führung und der Truppen wettgemacht werden und der eben verfaßte Angriffsplan verhieß diesbezüglich die besten Aussichten. Ja, Friedrich mußte durch die Aussagen des Rittmeisters vielmehr veranlaßt werden, den Beginn der Vorrückung nicht länger hinauszuschieben, da die Gefahr bestand, daß Daun eine Bewegung einleitete und sich unbewußt einer Situation entzog, die sich der König gar nicht besser wünschen konnte. Jedenfalls durfte die Dunkelheit nicht abgewartet

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