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brigade Samsun den deckenden Höhenkamm, während die 1. Nizamdivision etwas zurückgeblieben war und erst eine halbe Stunde später auf dem Höhenrücken erschien. Inzwischen waren die Schwarmlinien der Redifbrigade Samsun bis auf 800* an die Schützengräben der Westpartei vorgedrungen; der rechte Flügel derselben, durch das Zurückbleiben der 1. Nizamdivision entblößt, befand sich hierbei in sehr gefährlicher Situation. Diesen Moment benützte General Abdullah Pascha zu einem Gegenangriff auf diesen Flügel der Brigade Samsun, wodurch das Vorgehen derselben ins Stocken geriet. Es entwickelte sich nun ein stehendes Feuergefecht, bis gegen 1h nachmittags die 1. Nizamdivision (Ost) auf dem Gefechtsfelde erschien und sich nördlich des Weges Evrejin Sakiz-Lüle Burgas gegenüber der feindlichen Schwarmlinie etablierte. Die Redifbrigade Samsun, deren rechter Flügel hierdurch wieder Luft bekommen hatte, begann erneuert vorzudringen und drohte, mit zwei hinter dem linken Flügel zurückgehaltenen Bataillonen den südlichsten Flügel der Westpartei zu umfassen.

In diesem Momente traf die Westkavalleriebrigade, von Norden kommend, am rechten Flügel der eigenen Armee ein und erhielt sofort vom Parteikommandanten den Befehl, die gerade zur Umfassung ansetzende Infanterie (Reserven der Brigade Samsun) zu attackieren. Oberst Ibrahim Bey, der Kommandant der Westkavalleriebrigade, ließ vorerst seine beiden reitenden Batterien auf einer Anhöhe unweit der A 108 auffahren und das Feuer auf die zu attackierende Infanterie eröffnen. Die folgende Attacke von 12 Eskadronen wurde von den Schiedsrichtern als nicht gelungen bezeichnet, weil sie im eigenen Artilleriefeuer und durch die eigenen Schwarmlinien geritten wurde. Während die Westkavalleriebrigade zurückging und sich hinter dem rechten Flügel der eigenen Armee sammelte, erfolgte um ca. 1h 301 nachmittags, ohne daß das Eingreifen der Redifdivision Brussa (Ost) abgewartet wurde, das Signal Abblasen, womit die Armeemanöver beendet wurden.

Nach dem Abblasen versammelten sich sämtliche Generale und Stabsoffiziere auf der Höhe nördlich der A 108 zur Besprechung.

Am 27. Oktober fand auf der Höhe östlich der Station Sejidler eine große Revue vor dem Sultan statt, welcher auf dem Bahnhofe vom Kriegsminister, dem Chef des Generalstabes, den Behörden und sonstigen Notabilitäten und Deputationen feierlich empfangen wurde. Zur Revue waren, mit Ausnahme der von der Cholera heimgesuchten 2. Nizamdivision, alle Truppen ausgerückt, welche an den Manövern teilgenommen hatten. Es waren dies im ganzen 57 Bataillone, 26 Eskadronen, 40 Batterien, 4 Maschinengewehrkompagnien, 1 Kriegs

brückentrain, 1 Telegraphenkompagnie und 1 Sanitätsambulanz mit einem ungefähren Stande von 35.000 Mann, 1700 Reitern, 16 Maschinengewehren, 160 Geschützen und 44 Fuhrwerken. Die Truppen waren in zwei Treffen aufgestellt; im ersten standen die gesamte Infanterie, Genie, Sanität und 4 Maschinengewehrkompagnien, im zweiten zuerst die Telegraphenkompagnie (mit 24 Fuhrwerken, das waren 8 Stations-, 16 Materialwagen), dann der Kriegsbrückentrain (6 Ponton-, 8 Balkenwagen), die Ambulanz (6 Blessiertenwagen), weiters 26 Eskadronen und 40 Batterien.

Samtliche Truppen waren in der khakifärbigen Uniform in Marschadjustierung ausgerückt; die Ostpartei trug den roten Fez oder das rote Feindesabzeichen.

Um ca. 12h 151 nachmittags traf der Sultan mit großem Gefolge und begleitet vom Thronfolger Jussuf Izzedin, nächsten Thronanwärter Prinz Vaheddin, weiters dem Großwesir, Kriegsminister, Chef des Generalstabes etc. auf dem Paradefeld ein und fuhr im Galawagen, begrüßt von brausenden Padischahimiz tschok jascha, beide Treffen ab. Die nun folgende Defilierung wurde von der Infanterie in Bataillonsmassen, der Artillerie in Batteriefronten (entwickelte Linie) und von der Kavallerie in Eskadronsfronten durchgeführt. Aussehen, Richtung und Schritt waren recht gut, alle Truppen machten einen sehr guten militärischen Eindruck. Allgemeine Bewunderung und lauten Beifall erregte die Redifbrigade Samsun, welche die sechsmonatigen Operationen in Albanien mitgemacht hatte und deren Mannschaften (Lazen von der Nordküste Kleinasiens), lauter hochgewachsene, schlanke Gestalten, mit ihren wettergebräunten Gesichtern einen vorzuglichen Eindruck machten. Nach Beendigung der Parade, die ungefähr drei Stunden gedauert hatte, fand zu Ehren des Sultans ein Festmahl statt, an welchem ca. 300 Personen teilnahmen und bei welchem der Kriegsminister General Mahmud Scheffket Pascha in einer Rede zuerst dem Sultan für sein Erscheinen dankte, dann in temperamentvoller Weise jene Umstände erwähnte, welche die Entwicklung der ottomanischen Wehrmacht bisher verhindert hatten, und ferner darauf hinwies, daß der Verfall der Türkei mit dem Momente begonnen habe, in welchem die Sultane nicht mehr an der Spitze ihrer Heere ins Feld zogen. Mit der Bitte, der Sultan möge auch in Zukunft der Armee gewogen bleiben, damit dieselbe ein mächtiges Friedensbollwerk in den drei Weltteilen werden könne, endete Mahmud Scheffket Pascha mit einem dreimaligen Tschok jascha seine Rede.

Allgemeine Bemerkungen über die Manöver. Die Anlage der Manöver und die Annahmen sind kurz, einfach und natürlich. Die für beide Parteikommandanten erteilten defensiven Aufträge:

Deckung einer Belagerung, beziehungsweise Sicherung der Versammlung einer Armee, hatten auf die Entschlußfassung keine ungünstige Rückwirkung, da beide Parteikommandanten ihre Aufgabe in offensivem Sinne auffaßten und demgemäß handelten. Die Anlage der Manöver ist ausschließlich das Werk des Chefs des türkischen Generalstabes, General Izzet Pascha, im Gegensatze zu den vorjährigen großen Manövern bei Adrianopel, wo die Anlage und Leitung der Manöver dem deutschen General von der Goltz anvertraut war.

Die Durchführung der Manöver war in ähnlicher Weise wie bei uns vollständig kriegsmäßig geplant und angeordnet; die Parteikommandanten sollten in ihren Anordnungen volle Freiheit besitzen und Unnatürlichkeiten bloß durch die Einflußnahme der Schiedsrichter verhindert werden. Daß diese Absicht nicht überall und immer Platz greifen konnte, ist natürlich und die Erklärung darin zu suchen, daß die geringen Trainvorsorgen und die nicht kriegsgemäße Verpflegsart (die Truppen faßten aus Verpflegsdepots, die im Manöverraum entsprechend verteilt waren) die Maßnahmen der Parteikommandanten und die Bewegungsfähigkeit der Truppen hindernd beeinflussen mußten.

Über die höhere Führung und die Mitwirkung des Generalstabes wurde von Seite der maßgebenden Persönlichkeiten sehr günstig geurteilt, speziell letzterer hat seit dem Vorjahre sehr große Fortschritte gemacht; sowohl bezüglich Anlage der Manöver als auch während der Operationen haben sich keine Friktionen fühlbar gemacht.

Die Gefechtsausbildung der Infanterie, so wie sie bei den Manövern zum Ausdrucke kam, muß als eine sehr gute bezeichnet werden. Die Entwicklung zum Gefechte erfolgte im allgemeinen auf der richtigen Distanz vom Gegner, die Schwarmlinien arbeiteten ruhig und sicher; die Reserven folgten, wenn sie in die Wirkungszone des feindlichen Feuers gelangten, stets in offenen, dünnen Linien. Geschlossene oder gar massierte Formationen im Bereiche des feindlichen Artillerie- oder Infanteriefeuers wurden äußerst selten angewendet. Im Feuergefechte benahm sich die Infanterie unter der Leitung der immer sehr gut orientiert gewesenen Kompagniekommandanten und Kompagnieoffiziere ruhig und sicher. Das Feuer, im richtigen Momente abgegeben, dann je nach den verschiedenen Gefechtsphasen bald verstärkt, vermindert oder ganz eingestellt, zeigte von einer sehr guten Feuerleitung; große Aufmerksamkeit und Interesse bei Beobachtung der Vorgänge beim Gegner und das Bestreben, jede Gelegenheit zu einem Feuererfolg auszunützen, konnte überall deutlich wahrgenommen werden.

Ebenso wie die Infanterie machte auch die Artillerie einen sehr guten Eindruck. Das Auffahren erfolgte wo nur möglich gedeckt und wurden meist Positionen für indirektes Feuer gewählt. Mußte in

Ausnahmsfällen direkt geschossen werden, so fuhren die Batterien hinter der Höhe gedeckt auf und es wurden dann die Geschütze maskiert in die Stellung vorgeführt, so daß die Eröffnung des Feuers fast stets eine Überraschung für den Gegner war. Offiziere und Mannschaft der gesamten ausgerückt gewesenen Artillerie zeigten sich recht gut instruiert und fachtechnisch ausgebildet.

Von der flüchtigen Verstärkung des Terrains wurde wiederholt und mit großem Geschick Gebrauch gemacht; die Schützengräben waren im Terrain richtig angelegt und immer sorgfältig maskiert.

Sämtliche Truppen waren mit der neuen khakifärbigen Uniform bekleidet. Zur Unterscheidung der Parteien trug die Westpartei khakifarbigen, die Ostpartei roten Fez; die Kavallerie und Artillerie der letzteren auf dem Kalpak ein rotes Feindesabzeichen. Die Schiedsrichter waren durch ein weißes Zeichen auf dem Fez, beziehungsweise Kalpak, die Unparteiischen durch eine weiße Armbinde gekennzeichnet. Adjustierung und Ausrüstung der Fußtruppen und der Artillerie war in jeder Beziehung recht gut und bestand zum größten Teil aus ganz neuen Sorten. Der Infanterist hatte zwei Paar Fußbekleidungen bei sich, ein Paar landesübliche Sandalen mit Tschorabs (Filzstrümpfen) und ein Paar Schnürschuhe. Die Offiziere trugen die Säbelscheiden mit Khakistoff umwickelt; Säbel wurden im Gefechte nicht gezogen. Die Waffen waren überall tadellos. Auch bei der Kavallerie war ein sehr großer Fortschritt bemerkbar; auf gute Wartung der Pferde und gleichmäßige Packung war stets sichtlich viel Mühe verwendet worden.

Zu erwähnen wäre noch, daß die bei den Manövern verwendeten Redifformationen, trotz ihrer geringen Ausbildungszeit, ebenso gut manövrierten wie die Nizamtruppen und diesen auch bezüglich innerer Disziplin, Bekleidung, Ausrüstung etc. in gar keiner Weise nachstanden.

Vergleicht man die Resultate der abgelaufenen Manöver mit jenen des Jahres 1909, so ergibt sich, daß die türkische Armee in diesem Jahre wieder einen bedeutenden Fortschritt zu verzeichnen hat; was überhaupt zu leisten möglich war, das hat sie geleistet. Nicht nur in türkischen, sondern auch in anderen Kreisen werden die Resultate der Manöver als ein voller Erfolg angesehen. Für das türkische Offizierskorps und für die Truppe können diese Erfolge nur ein neuer Ansporn werden, auf dem betretenen richtigen Pfade auszuharren und unter der bewährten Leitung ihres vorzüglichen Kriegsministers und Chef des Generalstabes an der weiteren Ausgestaltung und dem Fortschritte der ottomanischen Wehrmacht unermüdlich fortzuarbeiten.

Κυ.

C. Serbien.

Mit 1 Skizze.

Die im verhältnismäßig kleinen Maßstabe abgehaltenen serbischen Manöver fanden vom 4. bis 8. Oktober im Bereiche der MoravaDivision (Stabsquartier Niš) im Raume Niš-Leskovac-Pirot statt. Es wurden zwei voneinander vollkommen unabhängige Detachementsübungen durchgeführt; die erste spielte an der Straße Niš-Pirot und umfaßte den 4. Oktober, während die Manöver vom 5. bis 8. Oktober in der Richtung Niš- Leskovac mit einer geänderten Annahme sich abspielten.

Ausgangssituation und Ordre de bataille der beiden Parteien am 3. Oktober ist aus der Skizze zu ersehen.

Annahme. Ostpartei. Die eigene Hauptkraft greift Pirot von Osten an. Einer Division ist es gelungen, Babušnica und die dortigen Befestigungen zu nehmen und hat dieselbe als weiteren Auftrag, Pirot von der Westseite einzuschließen; sie entsandte noch am 3. Oktober abends ein Detachement in der Stärke von 4 Bataillonen, 1 Eskadron, 3 Batterien nach Bela Palanka. Am 4. Oktober, 51 früh, erhält der Kommandant dieses Detachements den Befehl: Ein Vorgehen feindlicher Kräfte von Niš her zu verwehren und die Zernierung Pirots im Westen zu sichern.

Westpartei. Die eigene Hauptkraft, welche sich in Niš konzentriert, sendet am 4. Oktober früh dem Kommandanten eines östlich vorgeschobenen Detachements (8 Bataillone, 3 Eskadronen, 7 Batterien, 3 Maschinengewehrabteilungen) den Befehl: Gegen Bela Palanka vorzurücken, um den eigenen Truppen das Überschreiten des Ploča-Sattels zu sichern.

Ereignisse am 4. Oktober. Der Kommandant der Westpartei, Obstit. Milanović, erhielt den Befehl in Banja um 5h früh. Er befahl hierauf dem Kommandanten des 1. Kavallerieregiments, mit 3 Eskadronen, der reitenden Batterie, Maschinengewehrabteilung und der Telegraphensektion sofort abzurücken, um den Ploča-Sattel und wenn möglich auch die Höhen bei Špaj in Besitz zu nehmen. Das Regiment marschierte um 5h 451 früh ab, erreichte ohne Kampf um 8h30 früh Špaj und besetzte die südöstlich vorgelagerten Höhen. Beim Ostgegner rückte die Hauptkraft des Detachements auf der Straße Bela Palanka-Niš, eine Nebenkolonne - 1 Bataillon, 1 Batterie

über Novoselo auf Glogovac vor. Um 8h301 früh erreichen die Kolonnenteten die Kote A 350, beziehungsweise Vrgudinar und werden in diesem Momente mit Karabiner-, Maschinengewehr- und Geschützfeuer überraschend angefallen. Diesen Feuerüberfall vollkommen ignorierend, setzen beide Kolonnen der Ostpartei die Vorrückung in Marschkolonne fort. Der Westgegner, welcher durch die auf Glogovac

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