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schen Garden; von Blüchers Armee Langeron, Sacken, York und Kleist, Dem französischen Kaiser die Operation zu verbergen, ward ihm Winzingerode mit achttausend Pferden nachgesendet, andere Reiterschwärme streiften theils zwischen der Marne und Aube, theils erhielten sie nach Süden und Norden hin die Verbindung. Was nach Paris zog, war ohne Winzingerode eine Masse von mehr als 170,000 Mann, lauter Kerntruppen, die der ent scheidende Entschluß zum Aufbruch mit Freude und Siegeszuversicht erfüllte. Gleich am ersten Tage des Marsches stieß die Reiterei Pahlens und die vom Corps des Kronprinzen nicht weit von Fère Champenoise auf Marmont und Mortier. Die beiden Marschälle suchten die Vereinigung mit dem Kaiser; von der Schlacht bei Arcis und der Division nach Osten hatten sie ebenso wenig eine klare Vorstellung, als sie ahnten, daß sie sich fast in der Schußweite der ganzen Macht der Alliirten befanden. Hielten diese das Gefecht so lange hin, bis ihre Massen heran waren, so wurden wahrscheinlich beide Corps (zusammen etwa 25,000 Mann stark) völlig erdrückt und Paris war dann ohne Schwertstreich zu gewinnen. Die Ungeduld der Verbündeten ließ es dazu nicht kommen; sie griffen ohne Säumen an und gaben dadurch den Gegnern noch Zeit, der Uebermacht zu entrinnen. Aber schwere Verluste brachten darum die Kämpfe doch, die am 25. März bei Fère Champenoise gefochten wurden. Während die Marschälle nur in ununterbrochenem Gefecht und mit beträchtlichem Verlust ihren Rückzug bewirken konnten, gerieth zur Seite eine Division, die General Pacthod zur Vereinigung heranführen wollte, mitten in die Maffen der Feinde; sie ward von den Reitern und Geschüßen so furchtbar mitgenommen, daß ihr nach tapferster Gegenwehr nichts übrig blieb, als sich zu ergeben. Die Franzosen selbst geben zu, daß ihnen dieser Tag 5000 Todte und Verwundete, 4000 Gefangene und 60 Geschüße gekostet; die Angaben der Verbündeten sind natürlich noch höher. Und wie wenig hatte gefehlt, so ward die letzte schwache Schußwehr der Hauptstadt schon zermalmt. Gelang es doch den Marschällen nur mit äußerster Anstrengung und nicht ohne bedeutende Einbuße, zwischen den schon auf allen Seiten dicht herandrängenden feindlichen Massen noch nach Paris durchzukommen, das ohne sie fast wehrlos war. Den Marsch der Feinde aufzuhalten, war aber nicht mehr möglich. In der Nacht vom 27— 28. März hatten die Preußen von Blüchers Armee schon Meaur erreicht, am andern Tage drängte ihre Vorhut bis Claye. Eine französische Abtheilung unter Compans leistete tapfern Widerstand, mußte aber weichen. Auch die Armee Schwarzenbergs war jetzt herangekommen. Blüchers Massen wandten sich rechts auf die Straße von Soissons, um Raum zu geben; ihre Stelle nahmen die ersten russischen Corps der großen Armee ein. Alexander konnte seine Ungeduld, die Hauptstadt des Gegners zu erreichen, nicht mehr bemeistern; er wollte noch am Abend in ihrer Nähe sein Lager aufschlagen. So brach man auf und, wie es der Czar gewünscht, stand am Abend

des 29. März das große Hauptquartier in Bondy, zwei Stunden von Paris.

Napoleon zog indessen nach Osten. Am 23. März befand er sich in St. Dizier, zwei Tage in Bar sur Aube, also auf den Verbindungen der großen Armee. Er lebte der festen Zuversicht, daß in seinem Rücken nichts zu besorgen sei. Winzingerode's geräuschvoller Anmarsch und die Kriegslist, emsig Quartier zu bestellen für die Monarchen, befestigte den Kaiser in dem Glauben, daß die Verbündeten ihm nachziehen würden. Wer einen anderen Ver dacht laut werden ließ, fand wenig Gehör. Am 26. wandte er sich gegen die Reiterschwärme, die ihm den Marsch der Gegner maskirten, und warf sie bei St. Dizier glücklich über die Marne zurück. Dies deutete freilich nicht darauf hin, daß ihm die Hauptmacht der Gegner gegenüberstand. Die Ausfagen der Gefangenen ließen vollends keinen Zweifel darüber; fie berichteten übereinstimmend, daß die großen Armeen Schwarzenbergs und Blüchers nach Paris gezogen seien. Wenn Napoleon jest ohne Säumen aufbrach und in Eilmärschen die Gegner zu erreichen suchte, so ließ sich wohl denken, daß die bloße Nähe seines Erscheinens wenigstens einen Theil der gegen Paris auf gebrochenen Streitkräfte gelähmt hätte; allein er vermochte es noch immer nicht zu glauben, daß die Gegner mit einem Male so kühn geworden seien. Darum feßte er am anderen Tage (27.) sein Heer gegen Vitry in Marsch; eine Bewegung, die ihn kostbare Stunden verlieren ließ. Er hatte die Stadt erreicht, als ihm am Mittag die Nachrichten zukamen, die alles Gefürchtete bestätigten: den Rückzug der Marschälle, die Niederlage bei Fère Champe noise und den Marsch auf Paris. Nun blieb auch ihm keine andere Wahl, als zu glauben, wogegen er sich bis zuleßt gesträubt.

Daß die Hauptstadt dem ersten Stoße des Feindes erliegen werde, mochte er nicht denken, obwol ihn die Briefe seines Bruders Joseph seit Monaten auf solch eine Wendung vorbereiten mußten. Darum hätte er auch jezt noch lieber sich nach den Vogesen geworfen, durch den dort regen Bonaparteschen Eifer der Bevölkerung sich verstärkt und die Garnisonen aus den lothringischen Plätzen an sich herangezogen, um dadurch die alliirten Heere zur Trennung und zu einem eiligen Rückzug in entgegengesetzten Richtungen zu zwingen; aber der Kriegsrath seiner Generale, den er ungewohnter Weise be rief, bestand darauf, daß der Kaiser die Hauptstadt decken müsse, denn dort allein liege die Entscheidung. Noch am nämlichen Tage brach er auf; Märsche von beispielloser Schnelligkeit sollten die verlorenen Stunden erseßen. Rastlos trieb und drängte er, mahnte die Getreuen zur Ausdauer und ver hieß seine nahe Ankunft; allein er kam zu spät, um Paris zu retten. Schon am ersten Tage (28. März) erreichten ihn unweit Bar Nachrichten, die es sehr zweifelhaft machten, ob die Reste von Mortiers und Marmonts Corps im Stande seien, die Stadt bis zu seiner Ankunft zu behaupten. Den Truppen ward zwar das Aeußerste zugemuthet, aber sie waren doch erst eine

Strecke über Troyes hinausgekommen, an dem Tage, wo der Kampf um die Hauptstadt schon entbrannt war. In fieberhafter Ungeduld war der Kaiser den Seinen vorausgeeilt, um über Sens und Fontainebleau Paris zu erreichen. Es war gegen Mitternacht (30. März), als er der Stadt bis auf wenige Stunden nahe gekommen war und schon die Wachtfeuer der Gegner erblickte; aber hier sank auch die lette schwankende Hoffnung zu Boden. Der Kampf vor den Mauern von Paris hatte bereits unglücklich geendet; eben jest ward die Capitulation unterzeichnet, die den Verbündeten am kommenden Morgen die Thore der Hauptstadt öffnete.

Napoleon hatte es früher wiederholt ausgesprochen, den Fall von Paris werde er nicht erleben; er mochte sich damals solch eine Katastrophe als den legten Act eines verzweifelten Kampfes vorstellen, in dem er erst selber glorreich fechtend untergegangen wäre. Nun war ihm der Mittelpunkt und Schlüffel seines Reiches wie durch einen Handstreich weggenommen worden, in einem Augenblick, wo er sich mit neuen Angriffshoffnungen trug. Und doch hätte er auf diesen Fall nicht unvorbereitet sein sollen. Der Bruder, der ihn in Paris vertrat, hatte ihm schon Wochen lang vorher eine solche Wendung als die drohendste Gefahr vorgehalten; seine Briefe sind voll von Schilderungen der unzulänglichen Vertheidigungsmittel, des Mangels an Menschen, Waffen und Geld, des übeln Willens und der Unlust zu jedem hartnäckigen Widerstand. Die Dinge sind stärker als die Menschen," hatte er ihm schon im Anfang Februar geschrieben; „darum wenn Sie Frieden schließen können, schließen Sie ihn um jeden Preis; können Sie es nicht, so müssen Sie entschloffen zur rechten Stunde untergehen, wie der letzte Kaiser von Byzanz." Mit diesem Briefe kreuzte sich damals ein Schreiben Napoleons (vom 8. Febr.), worin der Entschluß eines solchen Ausganges in kaltblütigen Worten verkündet war. Wenn es dazu kommt," sagte er über den Fall von Paris, so werde ich nicht mehr sein; es wird sich da nicht mehr um meine Person handeln. Ich wiederhole es, Paris wird nie besegt werden, so lange ich lebe; ich darf wohl fordern, daß die mir glauben, die mich hören. . . Verlasse meinen Sohn nicht, hatte er noch vierzehn Tage vor der Uebergabe geschrieben, und denke daran, daß ich ihn lieber in der Seine wüßte, als in den Händen meiner Feinde; das Loos des Astyanar ist mir immer als das unglückseligste in der Geschichte erschienen.“*)

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Das Schicksal hatte sich grausamer gewendet, als es seine düsterste Ahnung ihm vorgespiegelt. Er lebte noch, während die Feinde in seine Hauptstadt einzigen. Dem Sohne, dem er einst die Krone der Welt in die Wiege gelegt, war ein milderes, aber kein besseres Geschick bestimmt, als dem unglücklichen Königskinde von Troja. Und die Prinzessin, die er zu sich emporgehoben, hatte kein Gefühl davon, was es hieß, Hektors Gattin zu sein.

*) S. Mémoires du Roi Joseph X. 28 f. 33, 78 f.

Der lezte Kampf um die Hauptstadt war noch hartnäckig und blutig genug, obwol die Vertheidigung fast nur von dem bescheidenen Rest von Marmonts und Mortiers Truppen geführt ward. Das waren nach französischen Berichten sechszehn., nach deutschen noch einige 20,000 Mann Truppen, die man im freien Felde verwenden konnte.") Die übrigen Anstalten zur Vertheidigung, die Rüstung der Nationalgarden, die Bewaffnung, Alles war mangelhaft, die Mittel erschöpft, freiwilliger Eifer und Hingebung im Volke verschwunden. Das Erscheinen der feindlichen Heere verbreitete panischen Schrecken; unter den Vornehmen entstand eine jähe Flucht, die Kaiserin selbst und ihren Sohn ließ Joseph Bonaparte nach Tours bringen, nachdem der Kaiser wiederholt feinen unzweideutigen Willen kund gegeben, diese beiden Pfänder seiner Dynastie überall sonst lieber zu wissen, als in den Händen der Feinde.

Am Morgen des 30. März rückten die verbündeten Heere an die Stadt heran; das schlesische, als rechter Flügel der großen Angriffslinie, ward auf der Nordseite und gegen den Montmartre hin erwartet; im Centrum gegen die Dörfer Pantin und Nomainville standen schon Najewski's Corps und die Garden unter Barclay; als linker Flügel, gegen Vincennes und Charenton, näherte sich der Kronprinz von Württemberg, hinter ihm Giulay. Schon in den frühen Morgenstunden war der Kampf in der Mitte entbrannt, erst später kamen auch die Corps auf den Flügeln heran.**) In der Mitte hatte

*) Nach den Tabellen bei Schels II. 163 f. und Damit III. 2. 482 zählte Marmont 12,300, Mortier über 11,000 Mann; dazu kamen die unter Moncey stehenden Nationalgarden in der Stärke von 15,000 und sonstige Posten in der Nähe des Schlachtfeldes 2270 Mann. Die Angaben Marmonts VI. 241. 356 f. find wohl zu gering. Nach den nämlichen Quellen II. 169 ff. und III. 2. S. 476 ff. zählten die Verbündeten etwa 100,000 Mann vor Paris (der Kronprinz 15,000, Ginlay 10,000, Rajewski 12,000, Barclay 16,000, Langeron 17,000, York 10,000, Kleist 8000, Woronzoff und Stroganoff 12,000 Mann). Wrede mit 20,000 Mann stand bei Meaux, Kaisaroff, Seslawins 6000 Kosaken und Fürst M. Liechtensteins leichte Division (4000 M.) waren rückwärts detachirt, Sacken mit 10,000 M. stand bei Trilport, Bülow mit 17,000 M. bei Soissons, Winßingerode (7000 M.) war Napoleon gefolgt. Zählt man die 17,000 Nichtcombattanten hinzu, die Schels berechnet, so kommen die 181,000 Mann zusammen, mit denen man acht Tage vorher gegen Paris aufgebrochen war. Von den 100,000 Mann, die vor Paris standen, kamen Blüchers Heer und der Kronprinz erst gegen Mittag zum Gefecht, Giulay erreichte ebenfalls erst spät das Schlachtfeld. Das Verhältniß der Kräfte war also bis Mittag nicht gar ungleich, der Kampf darum so hartnäckig und verlustvoll. Damit (a. a. D. 368 f.) nimmt an, daß anfangs gleiche Kräfte gegen einander fochten, dann seit 10 Uhr etwa 40,000 Verbündete gegen 30,000 Franzosen, erst am Nachmittag wuchs die Schlachtlinie der Ersteren auf 60,000 an.

**) Das Einzelne über die Oertlichkeiten und den Kampf selbst s. bei Beißke III. 472 ff. Vgl. Damit III. 2. 250 ff. Den muthmaßlichen Grund der eigenthümlichen

Rajewski Pantin besezt und den Rand des Plateau's erstiegen, auf dem Romainville liegt; hier leistete ihm aber Marmont heftigen Widerstand, bis nach einem Kampfe von mehreren Stunden die Ruffen den Ort behaupteten und auf dem Plateau sich ausbreiteten. Bei dem Dorfe war anfangs nur eine russische Division zurückgelaffen worden, die sich zwar, durch weitere Abtheilungen Ruffen und Preußen verstärkt, bis gegen Mittag mit großer Ausdauer hielt, aber doch nicht allein ausreichte gegen das mörderische Kreuzfeuer, wodurch der Feind den eingehenden Winkel bei Pantin beherrschte. Den bisher geschonten preußischen Garden, an die sich das Grenadierbataillon der badischen Garde anschloß, sollte hier Gelegenheit werden, es ihren andern Kameraden gleich zu thun. In glänzenden, wiewol verlustvollen Angriffen erstürmten sie mit dem Bajonnet die Stellung des Feindes und nahmen seine Geschüße. So hatten in der Mitte die Vertheidiger schon Terrain verloren, ehe noch die Hauptmacht der Angreifer herangekommen war. Erst nach Mittag rückte auf der Rechten Blüchers Heer zum Angriff gegen den Montmartre vor; um dieselbe Zeit näherte sich der Kronprinz von Württemberg dem Walde von Vincennes. Nun wurde auf der ganzen Linie der Kampf mit allem Nachdruck aufgenommen. Die beiden Marschälle leisteten den äußersten Widerstand, aber die Gegner gewannen mit jeder Stunde Boden, schon drängten einzelne Divisionen bis an die Barrièren der Stadt vor. Es war jetzt ein hoffnungsloser Kampf. Bereits um Mittag hatten die Marschälle von Joseph Bonaparte ein Schreiben erhalten, welches um zehn Uhr ausgefertigt fie ermächtigte, im Nothfall mit den Verbündeten in Unterhandlung zu treten und ihre Truppen über die Loire zurückzuziehen. Nach drei Uhr schien der Zeitpunkt gekommen, davon Gebrauch zu machen.*) Man kam zunächst Aufstellung erörtert Bernhardi IV. 772 f. 774. Ueber die Verspätung der schlesischen Armee s. Schulz, Geschichte der Kriege XIII. 1. 124 f. 166. Da der Bote Schwarzenbergs erst Abends zwischen zehn und eilf Uhr abgefertigt ward und sich in der Nacht in unbekannter Gegend den Weg mühsam suchen mußte, war es rein unmöglich, daß Blücher, wie die Disposition des Oberfeldherrn befahl, Morgens um fünf Uhr den Montmartre angriff. Um diese Zeit konnte er noch nicht einmal aufbrechen. Das veranlaßt Schulz zu der richtigen Bemerkung, daß diese überspannte Eile eben so sehr auf den Besorgnissen des Oberbefehlshabers, wie auf der Ungeduld Alexanders beruhte.

*) So erzählt Marmont VI. 244 ff. 351 ff. In den Mémoires du Roi Joseph X. 23 ist dagegen das fast gleichlautende Billet von ein Viertel auf ein Uhr datirt, und zugleich behauptet, Marmont habe vorher einen Zettel mit Bleistift an Joseph gesandt, worin er erklärte, den Widerstand höchstens noch einige Stunden fortseßen zu können. Dem widerspricht Marmont entschieden. Es wird schwer sein, diese Zeugnisse zu vereinigen, zumal sich in Frankreich jeder Zeit der Parteigeist in die Frage eingemischt hat und bemüht gewesen ist, auch hier wieder für eine unvermeidliche Katastrophe den obligaten „Verrath" ausfindig zu machen. Daß von solch einer Beschuldigung keine Rede sein kann, sondern es sich höchstens darum handelt, wer in einer verzweifelten Lage die peinliche Initiative ergriffen hat, liegt in der Natur der Sache.

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