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greifen; wenn man sich aber auf des Gegners Seite verseßte, konnte seine Lage doch nicht anders als sehr bedenklich erscheinen. Sein Plan, dem Blücherschen Heere einen Schlag zu versezen, war völlig mißlungen; die Tage von Craonne und Laon hatten ihm etwa 17,000 Mann gekostet, die zu er seßen schon seine Kräfte überstieg. Und doch war die Führung der Gegner kaum je schwächer gewesen, als eben jezt. Wie nahe hatte ihm eine völlige Katastrophe gestanden, wenn das Hauptquartier Blüchers so kühn und rastlos handelte, wie man es sonst von ihm gewohnt war! Auf allen Seiten schien aber das alte Glück von ihm zu weichen. Gerade in diesen Tagen drängten sich die Unglücksnachrichten aus Norden und aus Süden; dort war Holland nicht mehr zu halten, hier hatten gegen Augereau die Oesterreicher, gegen Soult die Engländer das Uebergewicht. Da und dort regten sich schon die Royalisten, Paris war offenbar nicht in der Lage und Stimmung, sich selber zu halten, von Chatillon gab Caulaincourt keine tröstlichen Berichte.

Ganz ohne Eindruck konnten diese vereinten Schläge auch an ihm nicht vorübergehen; wenigstens in den Weisungen an Caulaincourt war etwas mehr Neigung zur Nachgiebigkeit wahrzunehmen, aber äußerlich blieb die stolze Haltung des eisernen Mannes ungebeugt, der Ton seiner öffentlichen Kundgebungen klang so zuversichtlich wie je. Drei Tage nach dem Abzug von Laon hatte er sich wieder aufgerafft und stand bei Rheims, um sich auf ein Corps Russen und Preußen zu werfen, das St. Priest zur Verstärkung heranführte. Durch die Siegesnachricht von Laon in falsche Sicherheit gewiegt, hielt der russische General die Nähe Napoleons nicht für möglich; er glaubte ihn, was allerdings das Wahrscheinlichste war, von den Siegern bei Laon eifrig verfolgt und hatte darüber die Maßregeln der Vorsicht gegen einen Ueberfall versäumt. Napoleon`erschien (13. März) und sprengte in einem überlegenen Angriff von wenig Stunden das Corps auseinander. Von neuntausend Mann wurden kaum viertausend gerettet, der General felber hatte seine Sorglosigkeit mit dem Leben gebüßt.

Es gab sich eine Elasticität des Geistes in dem Allem kund, die an den jugendlichen Sieger von 1796 erinnerte. Aber die Umstände hatten sich ge wendet. War ihm damals das Schicksal in Allem hold gewesen, so daß selbst das Verwegenste und Ungewöhnlichste im Erfolg seine Rechtfertigung fand, so hatte sich jetzt das Glück von dem verwöhnten Liebling abgewendet und er war in einem vergeblichen Ringen begriffen gegen die Ungunst feindlicher Verhältnisse, die er selbst verschuldet. Das glänzende Licht einzelner Thaten schien nur bestimmt, den tiefen Abgrund aufzuhellen, an dem er angelangt war. So konnte auch der glückliche Schlag von Rheims die bittere Wahrnehmung nicht verdecken, daß die Truppen sich mit jedem Tage mehr er schöpften und minderten, die Generale den Muth verloren, die Mittel der Ausrüstung auf die Neige gingen. Aus Holland meldete Maison, daß er sich nicht mehr lange halten könne, bei Lyon ward Augereau im Schach ge

halten, im Süden Soult zum Rückzug genöthigt. Das Erscheinen der bourbonischen Prinzen drohte alle feindlichen Wünsche und Leidenschaften um die alte Dynastie zu sammeln, der Hauptstadt fehlte offenbar der Wille und die Kraft, sich der inneren und äußeren Gegner zu erwehren. Eben jest kamen neue Angstberichte über den peinlichen Eindruck, den das langsame Anrücken der großen Armee in Paris erweckte.

Er machte sich auf von Rheims, um sich auf die an der Aube im Marsch begriffenen Gegner zu werfen. Marmont und Mortier, durch nothdürftige Zuzüge ergänzt, blieben gegen Blücher zurück; mit dem Rest, den er noch zu verstärken hoffte, wollte er Macdonald, Oudinot, Gérard und die übrigen Reitercorps an sich heranziehen und so, vielleicht in der Stärke von mehr als 60,000 Mann, Schwarzenberg zum Rückzug zwingen. Am 17. März brach er von Rheims auf, um über Epernay die Aube zu erreichen.

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Die große Armee der Alliirten hatte sich indessen nur zögernd zu einer Bewegung entschlossen und dieselbe nur sehr bedächtig ausgeführt. Was man als Grund angab - die Schwierigkeit der Verpflegung, der hohe Krankenstand und die Feindseligkeit der Bevölkerung waren nicht die entscheidenden Ursachen; vielmehr standen sich im Hauptquartier die alten Gegensäge unversöhnt gegenüber; der russische Kaiser forderte ein rasches und energisches Eingreifen, das Obercommando zeigte dazu jezt so wenig Neigung wie früher. Vornehmlich von Blüchers Bewegungen und Erfolgen sollten die Operationen der großen Armee abhängen, nicht von der eigenen Stärke und dem Unternehmungsgeist ihrer Führer. Oder, wie Schwarzenberg in einer Disposition vom 9. März, selbst für den Fall, daß Napoleon geschlagen war, sich aussprach: der zur Entscheidung führende Vormarsch der ganzen Hauptarmee würde zu verschieben sein, bis dem Oberfeldherrn über die Verhältnisse der schlesischen Armee und über die Art ihrer Vorrückung genaue und bestimmte Daten zugegangen sein würden."*) Inzwischen hatte Alerander nicht nachgelassen, am 7., am 8., am 11. und am 12. März mündlich und schriftlich ein thätigeres Eingreifen zu befürworten; es war aber vorerst ohne Folge geblieben. Erst am 12. verständigte man sich in einer Berathung zu Troyes, an der Schwarzenberg, Diebitsch und Toll Theil nahmen, über eine Operation, die auf die drei möglichen Fälle Betracht nahm: einmal, daß Napoleon von Blücher geschlagen sei, dann, daß umgekehrt er diesen befiegt, oder drittens, daß er ohne eine Schlacht geliefert zu haben und folglich unerschüttert sich gegen die große Armee in Bewegung setzte. Für den ersten und günstigsten dieser Fälle war ein Vorrücken über die Seine nach Provins, Nangis, Melun festgesezt; falls dagegen Napoleon siegreich war, und den rechten Flügel der großen Armee bedrohte, wollte man ihm an die Marne nach Vitry entgegengehen, und wenn er endlich, ohne eine Schlacht geschlagen zu haben,

*) Desterr. Mil. Zeitschr. 1837. III. 65, 66.

herankam, war der Rückzug nach Chaumont beschlossen.*) Mehr war von Schwarzenberg nicht zu erlangen, und auch dies stand noch in Frage. Wenigstens hielt es ein tief eingeweihter Mann wie der russische General Toll für zweifelhaft, ob man im Falle einer Niederlage Blüchers überhaupt noch eine Schlacht wagen und nicht gleich über den Rhein zurückgehen werde!") Auch andere wohl unterrichtete Stimmen hielten, wenn Blücher eine Schlappe erlitt, den unaufhaltsamen Rückzug für das Wahrscheinlichste.

Nun kamen, am 13. März, die ersten Nachrichten von einem glücklichen Kampf bei Laon, und erhielten am 14. die officielle Bestätigung durch Blüchers Adjutanten, Major von Brünneck.***) Da wurde denn beschlossen, eine „Bewegung vorwärts" zu machen, aber in sehr gemessenem Tempo; man kam am 14. nicht viel über eine Meile weit vor und auch, als im Laufe dieses Tages unzweifelhafte Gewißheit über Blüchers Sieg erlangt war, blieb die Langsamkeit und die Scheu vor einer entschloffenen Operation ganz dieselbe. †) Wie mußte es erst

*) S. Desterr. Mil. Zeitschr. 1837. III, 71–73.

**) S. Tolls Denkwürdigk. IV. 652. Unsre Darstellung hatte in der ersten Auflage diese Dinge nicht eingehender besprochen, sondern nur von einer langsamen Be wegung Schwarzenbergs gesprochen. Da der Verfasser darüber in österreichischen Zeitschriften heftig geschmäht worden ist, glaubte er es sich selbst wie der historischen Wahrheit schuldig zu sein, dem unklugen Eifer dieser Stimmen gegenüber das Detail ausführlicher und nachdrücklicher erörtern zu müssen. Ob die von jenen Stimmen so hochgepriesene Führung dabei gewinnt, mag dann die unbefangene Kritik entscheiden. ***) In unserer ersten Auflage hatten wir nur kurz angedeutet, daß der Sieg von Laon das Vorwärtsgehen der großen Armee bestimmt habe; wir waren darüber von dem österreichischen Major Thielen (Militärz. 1857 No. 39.) hart angelassen und geradezu der Unwahrheit bezüchtigt worden, denn, so versichert derselbe, schon am 14. sei Schwarzenberg vorgerückt und doch habe er nicht früher als am Abend des 17. die erste Nachricht über die Ereignisse von Laon erhalten." Allein es ist schon aus Plotho (III. 309.) längst bekannt, daß bereits am 14. Nachmittags Major von Brünneck die officielle Nachricht überbracht hat. Aus Toll (IV. 656.) ist zudem zu ersehen, daß von St. Priest schon am 13. vorläufige Nachricht an Schwarzenberg gekommen war, und es liegt ein Schreiben vor, wonach der Lettere am nämlichen Tage „sehr dankte für die übersandten guten Nachrichten.“ Es steht darnach außer Zweifel, wem in diesem Falle die „Unwahrheit“, die um ihrer Dreistigkeit willen einen stärkeren Namen verdiente, zur Last fällt. Ueber die Sache selbst hat schon Plotho, der Augenzeuge und Adjutant des preußischen Monarchen, a. a. D. bei Erwähnung der Siegesbotschaft von Laon die Bemerkung gemacht: „erst von jezt war es bei dem Hauptheere entschieden, daß es den Angriff der feindlichen Hauptmacht erwarten wolle und vom Rückzuge wurde ferner nicht mehr gesprochen“

eine Meinung, von welcher abzugehen bis jetzt noch kein Grund vorgelegen hat. †) S. Bernhardi in Tolls Denkwürdigk. IV. 658 f. Eine der erwähnten öfterreichischen Stimmen ist sehr ungehalten über unsern Vorwurf der Langsamkeit u. s. w. und findet, „daß es einen Schriftsteller nicht ehrt“, sich gegen einen Feldherrn von

werden, als am Abend des 15. März die Nachricht von St. Priest's Niederlage bei Rheims eintraf! Machte sie doch nicht nur in den österreichischen Kreisen tiefen Eindruck, sondern auch Kaiser Alexander, der bis jest beharrlich die kühnere Kriegsweise verfochten, war sichtbar davon erschüttert und neigte, von düstern Sorgen gequält, fortan zu der furchtsameren Auffassung. Zwar kamen gleich am andern Morgen etwas tröstlichere Berichte, die meldeten, daß Blücher zwischen Chalons und Rheims stehe, indeffen der erste Eindruck von St. Priests Niederlage hat doch die nächsten Operationen bestimmt. Wohl ist im Detail ein gewisses Schwanken nicht zu verkennen, wie es die wechselnde Wirkung der glücklichen oder unglücklichen Nachrichten hervorrief; auch regen sich bei einzelnen Männern des österreichischen Hauptquartiers, wie namentlich bei Radeßky, die kühneren Gedanken, die auf eine Concentrirung bei Vitry und Arcis zur offenen Feldschlacht hinwiesen oder für den Fall einer neuen Schlappe Napoleons durch Blücher, vorschlugen, geradezu auf Meaux d. h. auf die Hauptstadt zu marschiren; allein das waren doch nur individuelle Ansichten, die auf die große Leitung der Operationen keinen Einfluß geübt haben. Unter jenem ersten Eindruck der Niederlage von Rheims hatte sich einmal die Ansicht gebildet, daß es nun Blüchers Aufgabe sei, Napoleon durch eine glückliche Offensive zu beschäftigen und wenn dies nicht gelang, man sich auf die Höhen von Trannes zurückziehen müffe. Dabei blieb es auch in der Hauptsache; die Dispositionen der nächsten Tage (16. 17. März) hatten, wie fich österreichische Berichte ausdrücken, die doppelte Grundlage: einmal die Armee so in Bereitschaft zu haben, daß man, im Fall Blücher fiegte, eine „kraftvolle Offensive" mit ihr ergreifen konnte, dann aber, wenn dieser glückliche Fall nicht eintrat, man in der Lage war, sich ungehindert in der Stellung von Trannes zu vereinigen.")

Eben in diesem Augenblicke hatte sich, was man am wenigsten erwartete, Napoleon direct gegen die große Armee in Bewegung gesetzt. Gegen Blücher ließ er Marmont und Mortier zurück; er selbst brach mit 16—17,000 Mann nach der Aube auf, um durch die erwarteten Zuzüge verstärkt, den Feind dort anzugreifen.**) Er dachte sich, wie es scheint, einen großen Theil des feindlichen Heeres über die Seine gegen Macdonald in Bewegung und

dem,,Genie" des Fürsten Schwarzenberg so verdächtigender Beiwörter" zu bedienen. Unseres Bedünkens ehrt einen Schriftsteller nichts mehr, als die ungeschminkte Wahrheit und der feste Wille, ihr weder aus Wohldienerei noch anderen äußeren Rückfichten das Geringste zu vergeben.

*) S. Schels Operationen der verbündeten Heere. II. 284. 285. 294.

**) Macdonald stand mit einigen 30,000 Mann zwischen Provins und Nangis, von Paris waren 10-11,000 Mann Verstärkungen auf dem Marsch; Alix stand mit 5000 Mann an der Yonne, allein alle diese Streitkräfte mußten erst noch vereinigt werden.

ging darum geradezu auf Troyes los, um so den vorgeschobenen Theil der Armee von den weiter rückwärts aufgestellten Corps zu trennen.*) Im verbündeten Hauptquartier wollte man anfangs nicht daran glauben, daß der französische Kaiser im Ernst eine solche Bewegung im Sinne habe; eher schien es, als habe er von Blücher noch nicht abgelassen, sondern suche durch seine neueste Bewegung nur eine Operation gegen diesen zu maskiren. Drum erfolgten (17. 18. März) Schritte, die zu dem wirklichen Plane des Feindes nicht paßten; und als sich derselbe Arcis näherte, stand die verbündete Armee ziemlich weit auseinandergezogen ihm gegenüber. Zwar reichte an Zahl wohl ein einziges Corps derselben hin, ihm die Spiße zu bieten; allein es fragte sich, ob man nicht wieder, wie es eben zu Laon geschehen war, die Stärke des Gegners überschäßte und sich durch sein persönliches Erscheinen über Gebühr imponiren ließ.**) Noch war man mit Bewegungen gegen die Marne beschäftigt, als (18. März) der Anmarsch Napoleons sich mit unzweifelhafter Gewißheit herausstellte. Jetzt ward Wrede angewiesen, über die Aube zurückzugehen und den Fluß so lange als möglich zu vertheidigen; Rajewsky sollte von Mery nach Troyes aufbrechen und sich bei dieser Stadt auf dem Wege nach Arcis aufstellen, um den Rückzug der Heertheile des Kronprinzen von Württemberg und Giulays zu decken. Der Zweck dieser rückgängigen Bewegungen, hieß es in der betreffenden Disposition, ist alle Abtheilungen der Armee bei Bar an der Aube zu vereinigen, Napoleon nach uns zu ziehen und dadurch dem General Blücher Gelegenheit zu geben, im Rücken Napoleons Angriffsoperationen zu beginnen. Indeffen schien es doch nicht nothwendig, bis Bar sur Aube oder auch nur wie es die früheren Ent würfe gewollt, bis Trannes zurückzugehen; da Napoleon noch nicht so nahe stand, hoffte der Oberfeldherr, die Vereinigung des Heeres noch früher vollziehen zu können. Ja bei genauerer Betrachtung ergab sich ihm, daß Napoleon viel schwächer sei, als es im ersten Augenblick geschienen und daß die früher gehegten Besorgnisse vor drohender Umgehung schon durch die Be

*) Tolls Denkwürdigk. IV. 674. 675.

**) In einer der angeführten österreichischen Entgegnungen (Militärz. No. 40.) wird mit Rücksicht auf unsere Darstellung die herausfordernde Frage aufgeworfen: „Wer kann behaupten, daß in dem Feldzuge von 1814 irgendwie der Name Napoleons entschieden oder nur gewirkt habe?" Wir sind so kühn, das aufs nach, drücklichste zu behaupten und berufen uns dabei, außer allem andern, namentlich auf die Tage von Laon und Arcis; dagegen besitzen wir die Kühnheit nicht, wie jener treffliche Autor, zu versichern, daß „Napoleons Name schon seit 1812 seinen Nimbus und seine Kraft verloren habe“ und daß er sich bei Brienne benahm, wie ein „Anfänger". Vielmehr finden wir es eben nur überaus bezeichnend für den stockblinden Eifer dieser Gattung Lobredner Schwarzenbergs, daß sie ihrem Helden damit zu dienen meinen, wenn sie den Gegner als einen Stümper schildern !

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