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in der Front und im Rücken überfallen und wich nach einem verlustvollen Gefecht in verworrener Eile gegen Berggieshübel zurück. Die bedrohte Basis feiner Operationen zu decken, mußte Napoleon abermals nach Böhmen aufbrechen. Außer St. Cyr, den Garden und Latour-Maubourgs Reiterei zog er Victors und Marmonts Corps heran, um mit Macht den Feind zurückzuwerfen. Am 15. Sept. schob er auf der großen Straße und zur Seite seine Truppen wieder vor; am Mittag kam es bei Hellendorf zum hißigen Gefecht gegen die Ruffen und Preußen. Nur mit Anstrengung gelang es den Franzosen vorzudringen; am andern Morgen sollte der Kampf mit aller Ueberlegenheit erneuert werden. Es war Kleist die Aufgabe zugewiesen, die Ruffen abzulösen und mit seinen preußischen Truppen den Andrang des Feindes aufzuhalten. Mit Macht angegriffen, wich er gegen Peterswalde und Nollendorf zurück, feßte anfangs nur mit der einen Brigade des Prinzen August, dann durch die Zietens verstärkt, dem feindlichen Stoß den zähesten Widerstand entgegen und deckte, nicht ohne heißen Kampf und Verlust, aber doch mit allen Ehren, den Rückzug gegen Kulm. Hier war man gegen das weitere Vordringen des Feindes gerüstet. Während Kleists Truppen bei Kulm und Tellniß, auf dem bekannten Schlachtfelde der Augusttage, Stellung nahmen, standen auf den Höhen rechts Wittgenstein und Colloredo, links Giulay und die österreichischen Reserven. Von Teplig her waren die preußischen und russischen Garden im Anmarsch. So stand der größte Theil der böhmischen Armee schlagfertig, dem Feinde den Durchgang zu verwehren.

Am Morgen des 17. September war in dem blutgedüngten Thale von Kulm der Kampf abermals entbrannt. Von den Nollendorfer Höhen brach Napoleon vor, drängte, wenn auch erst nach einem Kampfe von mehreren Stunden, die Vorhut der Verbündeten, Zietens Brigade, mit überlegener Macht zurück und ging auf Kulm los. An denselben Stätten, die am 29. und 30. Aug. das Schlachtfeld gewesen waren, entspann sich jest ein neuer erbitterter Kampf. Aber die Verhältnisse waren anders geworden. Es rang diesmal nicht eine kleine Heldenschaar gegen den gewaltigen Andrang eines stärkeren Feindes, sondern der französische Kaiser hatte fast die ganze Macht der großen Armee gegen sich, die er noch weniger zu durchbrechen vermochte, als Vandamme vorher Ostermanns Corps. In der Mitte bei Kulm leisteten Wittgenstein und Kleist energischen Widerstand, auf Napoleons linker Flanke unterhielt Colloredo ein verheerendes Feuer, das seine Reiterei vergebens zum Schweigen zu bringen suchte; auf seine Infanterie warf sich mit Macht die preußische Reservecavallerie. Wenn es Colloredo gelang, wie es den Anschein hatte, in seiner Flanke noch weiter vorzudringen, so mußte er, wie Vandamme, sich den Rückzug erkämpfen. Noch gelang es ihm, diese Gefahr abzuwenden, aber ein Erfolg war nicht zu erfechten. Als beim Anbruch des Abends ein strömender Regen dem Kampfe ein Ende machte, war er schon entschlossen, ihn nicht zu erneuern. Die Verbündeten standen den ganzen andern Tag

(18. Sept.) zur Schlacht gerüstet, aber sie warteten vergebens auf den Angriff. Es blieb bei Vorpostengefechten; Napoleon nahm einen Theil seiner Armee zurück. Der Versuch, der böhmischen Armee einen Schlag beizubringen, war ebenso mißlungen, wie der Zug gegen Blücher. Beide mieden entweder, wenn sie schwächer waren, den Kampf, oder sie standen in so starker Zahl und Stellung, daß ein Angriff erfolglos war.

Was irgend rastlose Thätigkeit vermochte, das hat Napoleon in diesen vierzehn Septembertagen aufgeboten. Er spannt seine letzten Kräfte an, um das Neß zu durchreißen, das ihn immer enger und dichter umzieht. Aber hier weicht ihm die eine feindliche Armee aus und zieht ihn sich nach, während im Rücken eine andere die Grundlagen seiner Stellung bedroht; dort findet er einen festen Gürtel überlegener Kräfte, den zu durchbrechen er vergebens seine ganze Energie aufbietet. Ohne Zweifel konnten die Gegner Manches rascher, kühner und eingreifender durchführen, als sie es gethan, allein die Grundgedanken ihres Trachenberger Kriegsplanes waren doch richtig festge halten und vollzogen worden. Sie schließen den Gegner in einem immer engeren Gitter ein, Blücher und Schwarzenberg rücken beide schon näher an Dresden heran, und immer peinlicher drängen sie ihn in die Alternative, entweder durch raftlose Hin- und Herzüge seine Kräfte aufzuzehren oder sich in einen ungünstigen Kampf gegen überlegene Maffen einzulassen. Das Mißlingen der Züge nach Schlesien und Böhmen, wenn dieselben gleich durch keine Niederlage bezeichnet waren, bedeutete doch so viel, wie eine verlorene Schlacht. Dies ruhelose Hin- und Herführen der Truppen von der Elbe an die Neiße, von der Neiße an die Elbe, von da nach dem Erzgebirge und wieder zurück nach Dresden und dann abermals nach dem Erzgebirge hätte bei günstigstem Wetter und bester Verpflegung nachtheilig sein müffen; so wie die Verhältnisse jezt waren, erschöpfte es die Kraft der besten Truppen, die ihm noch geblieben waren. Wenn er noch eine Woche so fortfährt, spottete Müffling, so laufen sich seine Soldaten die Veine zwischen Baußen und Dresden ab." Napoleons Situation war aber von der Art, daß er seine Kräfte sorgsam zu Rathe halten mußte.

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Auch dem verbündeten Heere hatten die angestrengten Märsche bei schlechtem Wetter und unregelmäßiger Verpflegung Opfer gekostet, allein seine Lage war doch unzweifelhaft beffer, die Kräfte reicher. Die gewaltigen Anstrengungen und Mühen vermochten hier nicht das große Ziel zu verrücken, sie erzeugten höchstens mehr Bedürfniß der Ruhe und ein langsameres Vorgehen. So war schon am 13. September der Beschluß gefaßt worden, mit der gro ßen Armee links abzumarschiren und die Richtung nach Chemniß und den Ebenen von Leipzig einzuschlagen. Barclay sollte mit den Corps von Wittgenstein und Kleist die Gebirgsübergänge nach Böhmen decken, Bennigsens erwartete Armee ihn dabei unterstützen und Schwarzenberg mit den Oester reichern, den russischen und preußischen Garden und den Reserven links über

Brix und Kommotau in der Richtung auf Chemniß aufbrechen. Die Bewegung sollte schon am 17. beginnen. Zwei Tage nach diesem Beschluffe war auch das Verhältniß mit Blücher geordnet und ihm die gewünschte Einwilligung gegeben zum Abmarsch nach der Elbe und zur Vereinigung mit Bernadotte. So war also seit Mitte September der Plan, der die Entscheidung herbeiführte, fertig und seine ungefäumte Vollziehung befchloffen ; nur die den Truppen nöthige Ruhe und Erholung und wohl auch der Eindruck der leßten heftigen Angriffe Napoleons, deren Wiederholung doch denkbar schien, veranlaßte noch eine Verschiebung. Man wollte warten, bis Bennigfen herangekommen war.

Indessen hatte sich Napoleon nach dem mißlungenen Zug in's Erzgebirge entschlossen, noch einmal auf Blücher loszugehen, und zwar lag es anfangs in seinem Plane, sich mit Macht auf das schlesische Heer zu werfen, dessen einen Flügel zu schlagen und sich dann rasch gegen die Nordarmee zu wenden ; allein die schlechte Witterung und übertriebene Nachrichten über die Stärke und die Bewegungen der Gegner ließen ihn davon abstehen. Er mußte sich damit begnügen, Macdonalds hart mitgenommenes Corps gegen die schlesische Armee heranzuführen, und als er sich überzeugte, daß ein Vortheil damit nicht zu erlangen sei, beschloß er, wieder umzukehren nach Dresden und die Anstalten zur Räumung des rechten Elbufers zu treffen. Am Mittag des 22. Sept. sah sich die Vorhut des schlesischen Heeres unerwartet bei Bischofswerda lebhaft angegriffen und zurückgedrängt; man erkannte an dem Angriffe, daß es der Kaiser selbst war, der gegenüberstand. Blücher entschied sich auch diesmal dafür, einem größeren Kampfe auszuweichen, zumal die Entscheidung auf anderem Wege nahe bevorstand. Napoleon aber hatte sich schon jezt überzeugt, daß er mit den Streitkräften, die er mit sich führte, einen mächtigen Angriff gegen das schlesische Heer nicht unternehmen könne; fein weiteres Vordringen hatte darum mehr den Zweck, den eigenen Rückzug zu verdecken, als sich in ernstliche Kämpfe einzulaffen. Am 23. Sept. schlug er sich bei Roth-Nausliß und Gödau mit den Vortruppen der schlesischen Armee, mit Oberst Kazeler und der Avantgarde des Langeronschen Corps hißig herum; ein kräftig und geschickt ausgeführter Angriff der preußischen und russischen Reiterei kostete ihm ansehnliche Opfer, während sein Erfolg fich darauf beschränkte, daß die Vortruppen wenig bedrängt auf die Hauptstellung bei Baußen zurückwichen. Blücher dachte schon daran, die Feinde, deren Angriffskraft sichtbar nachließ, durch einen unerwarteten Schlag zu überfallen, aber sie kamen ihm durch ihren Abmarsch zuvor. Zu wenig zahlreich, um sich mit der schlesischen Armee zu meffen, durch die letzten Märsche bei abscheulichem Wetter und schlechter Verpflegung auf's Neue geschwächt und von allen Seiten immer schärfer eingeengt, entschloß sich der französische Kaiser,

das rechte Ufer der Elbe zu räumen. Am 24. Sept. war er wieder in Dresden; sämmtliche Truppen sollten ihm dahin folgen.

In dem Augenblicke, wo Napoleon so mit seinem letzten schon matteren Stoß gegen Schlesien abgeglitten war, erfüllte sich zugleich die Voraussetzung, an welche der große Marsch Schwarzenbergs nach der fächsischen Ebene und Blüchers nach der Elbe geknüpft war. Bennigfen war mit einem Heere von mehr als 57,000 Mann und 200 Geschüßen hinter der schlesischen Armee angelangt und rückte eben jetzt über Zittau nach Böhmen ein. Am 28. September erreichte er das große Lager bei Teplit.

Nun bestand für das schlesische Heer kein Grund mehr, länger zu warten. Die letzten Bewegungen des Feindes stellten dessen Schwäche und Verlegenheit außer Zweifel; schon meldeten die Vortruppen, daß Alles über die Elbe zurückweiche. Es ließ sich kaum besorgen, daß Napoleon, nachdem ihm dreimal der Versuch, Blücher anzufaffen, mißlungen war, ihn noch einmal wiederholen werde. Vielmehr schien es an der Zeit, ohne längeres Säumen die Entscheidung vorzubereiten. Der Rechtsabmarsch nach der Elbe krönte erst die Erfolge der letzten Wochen; er sette dem zögernden Bernadotte einen scharfen Sporn zur Thätigkeit ein, er bestimmte den schwerfälligen Körper des großen böhmischen Heeres zum ungefäumten Aufbruch und vereinigte dann die gesammte Macht der Alliirten in den Ebenen von Leipzig zu einem letzten Entscheidungskampfe über die Bonaparte'sche Herrschaft in Deutsch

land.

Auch in Böhmen war man nicht mehr geneigt, zu warten, seit Bennigsen angelangt war. Seinen Reserven und den österreichischen Corps von Colloredo und Bubna fiel jezt die Aufgabe zu, die Gebirgsübergänge zu decken; die übrige Macht der Oesterreicher, die Preußen und Russen konnten indeß ihren Linksabmarsch nach der sächsischen Ebene antreten. Am 28. September und in den folgenden Tagen begannen die Operationen der Ablösung und des Abmarsches; wie sich bei einer solchen Masse erwarten ließ, langsam genug und durch die Art des Oberbefehls noch zögernder, als es die Ver hältnisse mit sich brachten; es dauerte zehn Tage, bis die Heeresmaffen Chemnig und Penig erreichten. Ihr Marsch bietet außer den natürlichen Schwie rigkeiten, die in der Aufgabe, der Masse und der Art der Leitung gelegen waren, nichts Außergewöhnliches; wir unterlassen es darum, ihn Schritt vor Schritt zu begleiten. Die entscheidende Bewegung erfolgte auch diesmal nicht von der böhmischen Armee; es war wieder das schlesische Heer, dem der schwierigste Theil der Aufgabe zufiel und das sie am glänzendsten gelöst hat.

Am 26. September begann dasselbe den Abmarsch aus Schlesien; ein kleines Corps blieb zurück, den Feind irre zu leiten und zu beschäftigen, die Hauptmasse, nahezu 70,000 Mann, setzte sich am Morgen des genannten Tages nördlich gegen die Elbe in Bewegung. Noch war es nicht ausgemacht, wo der Uebergang erfolgen sollte; doch hatten Ermittelungen, die man ein

Die Vereinigung der Verbündeten bei Leipzig vorbereitet.

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zog, die Stelle, wo die schwarze Elster in die Elbe mündet, nicht weit vom Dorfe Wartenburg, das zwischen Torgau und Wittenberg, doch näher beim legteren liegt, als geeignet erscheinen lassen. Es galt nicht allein, einen Punkt des Uebergangs zu finden, wo man im Angesicht einer feindlichen Armee den Strom passiren konnte, wie dies an der genannten Stelle thunlich war, sondern man brauchte auch, wenn der Strom überschritten war, jenseits ein geeignetes Terrain, um sich zu verschanzen und im Nothfall einem überlegenen Andrange widerstehen zu können.

Diese natürlichen Schwierigkeiten waren aber nicht die einzigen, die sich der folgenreichen Bewegung entgegenstellten. Im eigenen Lager war die Ansicht über die Vortrefflichkeit des Rechtsabmarsches an die Elbe keineswegs so allgemein und unzweifelhaft, wie unter den leitenden Personen des Hauptquartiers, und als jezt plößlich die bisher in strengstem Geheimniß bewahrte Operation offenbar ward, erwachten vielfache Bedenken; es wurde als ein Wagniß bezeichnet, Schlesien ohne Weiteres preiszugeben. Es bedurfte der ganzen Entschiedenheit, die in der Person des Oberfeldherrn lag, um der zum Theil ziemlich ungestümen Opposition Schweigen aufzulegen. Die Zustimmung des großen Hauptquartiers war freilich nach einigen Mühen durch Rühle's Sendung erlangt worden, indeffen wer bürgte dafür, daß dort nicht wieder andere Meinungen die Oberhand gewannen? Das böhmische Heer machte sich zwar eben fertig, nach der sächsischen Ebene aufzubrechen; allein es paßte ganz zu der ängstlichen Vorsicht der dortigen Kriegsleitung, daß, sobald diese Bewegung begonnen war, man sich in Flanke und Rücken unheimlich fühlte und die unter Bennigsen zurückgebliebenen Streitkräfte nicht mehr für genügend ansah. In der That brachte, ehe der Aufbruch begann, diese Sorge alle früheren Verabredungen in Vergessenheit und auf dem Marsche erhielt Blücher ein Schreiben des russischen Kaisers, das ihn zur Unterstüßung Bennigfens und zu einer Diversion an der obern Elbe veranlassen sollte. Zum Glück war Blücher seit Anfang des Sommerfeldzugs daran gewöhnt worden, die Weisungen aus dem großen Hauptquartier mehr wie Rathschläge als wie Befehle anzusehen, und noch jüngst war ihm gestattet worden, seine abweichende Meinung durchzusehen; so war er denn auch diesmal nicht bedenklich, den Inhalt des Schreibens, das nicht im Tone straffen Gebietens abgefaßt war, zu ignoriren und das Begonnene weiter zu führen.

Aber nun stand noch eine Schwierigkeit bevor: Bernadotte und seine Kriegführung. Es war Blüchers erste Sorge gewesen, über den Plan des Abmarsches nach der Elbe, außzer Kaiser Alexander, sich mit dem Kronprinzen zu verständigen, und er hatte bei ihm auch günstige Aufnahme gefunden. Der Kronprinz klagte zwar über die Länge der Linie (von Torgau bis Hamburg), die er zu decken habe, und wie er nichts hinter sich habe, als Spandau; Spandau sei aber eine Cloake. Es stehe dem Feinde durch den Besit der Uebergänge über den Strom ein außerordentlicher Vortheil zu Gebot;

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