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Einen Tag, nachdem zu Reichenbach der bedingte Beitritt von Oesterreich unterzeichnet ward, starb Scharnhorst. Ihm hatte das aufopfernde Be mühen um dieses Bündniß den Tod zugezogen. Seine Wunde von Großgörschen vergeffend, ging er im Mai nach Wien, um die Entscheidung herbeizuführen. Tag und Nacht eilte er nach der österreichischen Hauptstadt, erhielt aber, noch ehe er sie erreichte, die Andeutung, er solle nicht nach Wien kommen, um das Mistrauen der Franzosen nicht zu erwecken. Mit derselben Eile reiste er nun nach Prag zurück. „Ich gehe nach Prag, schrieb er am 23. Mai aus Znaim; da aber meine Wunde noch nicht rein ist, so bin ich in der übelsten Lage; ich weiß nicht, wann ich in Prag ankommen werde, und bitte mich in Allem aus der Rechnung bei allen Geschäften zu laffen; mein körperlicher Zustand erlaubt wenig und meine Wunde ist schlimmer, als ich anfangs dachte. Doch hoffe ich in vierzehn Tagen bis drei Wochen wiederhergestellt zu sein. Es ist ein großer, ein unverzeihlicher Fehler, daß nicht alle Wochen zweimal eine officielle Depesche nach Wien geht und jedes Evenement bei der Armee erzählt. Dadurch, daß dies nicht geschieht, gewinnen die Lügen einen Grad von Wahrscheinlichkeit.“

„Das Unglück will, schrieb er dann am Morgen des 27. Mai aus Iglau, daß meine Wunde sich so verschlimmert hat, daß ich hier in Fieber und Schmerz gestern liegen geblieben bin. Ich melde Ihnen dies, weiß aber nicht zu bestimmen, wann ich von hier in Prag werde ankommen können. In jedem Falle gehe ich morgen dahin ab, weiß aber nicht, wie weit ich kommen werde")."

Er sollte Prag nicht mehr verlassen, am 28. Juni erlag er dort seinen Leiden. Mit ihm ging eine köstliche Kraft für Deutschland verloren, unerseßlicher vielleicht noch für den Frieden, als für den Krieg. Und doch lag in diesem Tode fast etwas Beneidenswerthes. Zwar nicht die Frucht, aber die Blüthe seines stillen Wirkens hatte er in aller Herrlichkeit noch aufgehen sehen, und war unter den Opfern, die der großen Sache fielen, eines der ersten und das edelste. Keine Täuschung späterer Tage hat ihm den Frühling deutschen Erwachens verbittert.

Die Geschichte des Friedens - Congreffes, der in den ersten Julitagen zu Prag beginnen sollte, läßt sich in Kurzem zusammenfaffen; es ist die Geschichte einer Verhandlung, zu der die Betheiligten entweder ohne den auf richtigen Willen oder ohne die Hoffnung auf Frieden zusammengetreten sind. Napoleon, voll verhaltenen Grolles gegen die sich aufdrängende Vermittler macht, die er lieber züchtigen als belohnen mochte, war zu ernsteren Opfern für den Frieden auch jezt nicht geneigt, sondern stellte seine Hoffnung noch

*) Aus dem Briefwechsel mit Knesebeď.

immer auf das Gelingen der alten Künste. Preußen und Rußland, nun in schlagfertiger Rüstung, voll ungeduldiger Lust zum Kampfe, durch neue Hülfsmittel und neue Verbindungen verstärkt, konnten nichts Anderes wollen, als den Krieg; ihre einzige Sorge war nur die, es könnte der österreichischen Vermittlung gelingen, durch allzubescheidene Forderungen den Gegner zur Nachgiebigkeit zu bestimmen. Die vermittelnde Macht selbst, vom französischen Bündniß frei und mit einer fertigen Armee versehen, mit Napeleon unheilbarer entzweit, als es äußerlich schien, und an die Verbündeten durch einen Vertrag bereits gebunden, befand sich in einer Situation, die ihr selbst den Bruch schon wünschenswerther machte, als das Gelingen eines faulen Friedens. Die Hoffnung, den Imperator zu den Bedingungen, die sie ihm vorschlug, bewegen zu können, war nach den legten Erfahrungen so gut wie verschwunden.

Die schwache Aussicht auf eine friedliche Lösung, die übrig geblieben war, vollends zu vereiteln, hat Napoleon selbst das Meiste gethan. Nachdem erst Metternich in Erörterungen, die er mit den Alliirten über die österreichische Vermittlung, den Waffenstillstand und den Congreß pflog, eine Woche hatte hingehen lassen, und der Beginn des Congresses vom 5. auf den 12. Juli verschoben war, verließ der französische Kaiser (10. Juli) Dresden, angeblich um seine militärischen Stellungen an der Elbe zu inspiciren, in der That in der Absicht, einer raschen Verhandlung auszuweichen. In denselben Tagen kamen die Bevollmächtigten der Alliirten nach Prag; für Preußen Wilhelm von Humboldt, einer der Führer der nationalen Richtung, von der Friedensgedanken nicht zu erwarten waren, für Rußland Anstett, ein geborner Elsaßer, also nach bonaparte'jchen Staatsbegriffen ein Ueberläufer und darum dem französischen Kaiser eine besonders unwillkommene Wahl. Die beiden Abgesandten erschienen (11. Juli) in Prag, fanden aber dort keinen Vertreter Frankreichs. Napoleon besichtigte inzwischen die Elbfestungen, sein Minister Maret stritt sich mit Metternich darüber, wer die Schuld an der Verzögerung trage, griff aber selber zu immer neuen Vorwänden, um die Eröffnung der Friedensarbeit hinauszuziehen. Doch konnte der französische Kaiser, ohne sein Spiel zu offen zu verrathen, nicht länger säumen; er mußte wenigstens seine Bevollmächtigten bestellen. Am 15. Juli wurden Narbonne und Caulaincourt dazu ernannt. Aber dieser Schritt war kaum geschehen, so fanden sich neue Anlässe, die Verhandlung hinzuhalten. Es war im alliirten Hauptquartier ein Zweifel über die Verlängerungsfrist der Waffenruhe entstanden: ob dieselbe am 10. abgelaufen oder ob noch eine Kündigungsfrist von sechs Tagen hinzuzurechnen sei. Das war der Vorwand zu einer neuen Verzögerung. Zwar hatte sich Narbonne nach Prag begeben, aber ohne Instructionen, und Caulaincourt blieb ganz zurück; derselbe werde erst kommen, erklärte Napoleon, wenn die Differenz über die Dauer des Waffenstillstandes erledigt sei.

Nach diesen Anfängen ließ sich der Erfolg des Congresses ungefähr ermessen! Napoleon und sein Minister sahen in jeder neuen Ausrede nur die erwünschte Frist, die man für Vollendung der Rüstungen gewinne; Metternich und Kaiser Franz überzeugten sich mehr und mehr, daß ihre Vermittlung ein todtes Werk bleiben werde, im Hauptquartier der Alliirten wiesen diejenigen, die Napoleons Taktik von Anfang an richtig beurtheilt hatten, triumphirend darauf hin, daß er den Frieden nicht wolle und daß ihm nur daran gelegen sei, die Unterhändler und Vermittler so lange hinzuhalten, bis er in voller Rüstung zum Kampfe fertig stand. Das war auch die Meinung der beiden Männer, die Preußen und Rußland in Prag vertraten; ja Metternich selbst verlor nach der leßten Probe die Geduld und die Hoffnung einer glücklichen Vermittlung. Wir können, sagte er zu Narbonne, in dem Allen nichts sehen, als den Wunsch Ihres Kaisers, uns ohne Ergebniß hinzuhalten, bis der Waffenstillstand abgelaufen ist. Aber er soll sich nicht täuschen; er wird keine zweite Verlängerung der Waffenruhe erlangen. Ist der 10. August gekommen, so ist kein Wort mehr von Frieden zu reden; der Krieg wird erklärt werden, und er schmeichle sich nicht, daß wir dann neutral bleiben. Blieben wir das, so würden die Verbündeten wohl geschlagen werden, aber die Reihe käme dann an uns, und wir hätten nichts Besseres verdient. Bis zum 10. August ist darum Alles möglich, selbst noch in der letzten Stunde; ist der Tag vorbei, so hat er den Krieg mit aller Welt, auch mit uns."

"

Auf Napoleon machte dies wenig Eindruck; höchstens nahm er die Miene an, verlegt zu sein über den Ton, aus dem Oesterreich auf einmal rede. Er war völlig gefaßt auf den Kampf, auch mit Oesterreich; höchstens hoffte er noch, dasselbe hinzuhalten, daß es wenigstens nicht gleichzeitig mit Rußland und Preußen in den Kampf eintrat. Um indeffen die Dinge nicht zu allzu raschem Bruch zu drängen, gab er Narbonne die Weisung, die Unterhandlung zu beginnen, freilich ohne den Willen, sie zu einem Ergebniß zu zu führen. Ich schicke Ihnen, schrieb Maret, das getreue Echo seines Herrn, zwar Vollmacht, aber keine Macht; Ihre Hände werden gebunden sein, aber die Beine und der Mund frei. Sie können also doch spazieren gehen und effen.

Mit solchen Künsten sollten die Oesterreicher noch kurze Zeit hingehalten werden, damit er wenigstens im ersten Act des Krieges nur mit Preußen und Ruffen zu thun hatte. Die Verhandlung, die nun zu Prag durch Narbonne begann, bewegte sich lediglich um Formen; sie verlief in eine erműdende Debatte über die Art, wie man die Vollmachten austauschte und förderte das Wesen des Geschäfts um keinen Schritt. Vergebens haben damals die verschiedensten Männer, Narbonne wie Caulaincourt, Fouché wie Savary den Kaiser mit Bitten bestürmt, den Frieden rasch zu ergreifen; er blieb unzugänglich. Mit Ausnahme Marets, wurde Keiner der Vertrauten in die

Friedensvorschläge Desterreichs auch nur ehrlich eingeweiht; hätten sie dieselben gekannt, sie hätten ihre Bitten, fie anzunehmen, ohne Zweifel verdoppelt. Aber Napoleon beschränkte sich darauf, in allgemeinen Worten anzudeuten, daß sie Forderungen enthielten, die mit seiner Ehre unvereinbar seien. „Ich will den Frieden nicht, den mir meine Feinde dictiren wollen, sagte er zu den Friedensdrängern; was ich den Frieden nenne, ist die Entwaffnung meiner Gegner, was sie so heißen, ist meine Vernichtung. Ein Friede auf dem Festland allein wäre nichts als ein Waffenstillstand, den England zu immer neuen Coalitionen rührig benüßen würde. Wenn ich Deutschland preisgebe, so wird Oesterreich nur heftiger kämpfen, bis es auch Italien hat; wenn ich ihm Italien einräume, so wird es nur darauf drängen, mich auch aus Deutschland zu verjagen. So wird jede erste Concession in ihren Händen nur das Mittel werden, mir neue abzuringen." So zeichnete er selbst mit unwillkührlicher Offenheit die Gefahr und die Gewaltsamkeit seines Systems.

Von dem Trugbild, es ließe sich das Spiel von Tilsit wiederholen, vermochte er noch immer nicht zu lassen. Vielleicht, schrieb er am 22. Juli an Caulaincourt, ist es später möglich, wieder ein Bündniß mit Oesterreich einzugehen. Jetzt ist es meine Absicht einen Frieden zu verhandeln, der für Rußland glorreich ist und Oesterreich seine Treulosigkeit und seine Misgriffe durch den Verlust seines politischen Einflusses in Europa büßen läßt. Rußland hat gelitten, es hat Anspruch auf Vortheile; Oesterreich hat kein Opfer gebracht, es hat auch nichts verdient. Auch die Getreuesten unter seinen Vertrauten theilten diese Illusion nicht mehr. Caulaincourt, deffen Schicksal es war, jezt und 1814 die Kassandra seines Herrn zu sein, mahnte dringend, sich nicht länger in Täuschungen zu wiegen. Vollkommen richtig ermaß er die Noth der Lage, Oesterreichs Stellung, die wachsende Erregung der Völker und die Nothwendigkeit, den drohenden Sturm durch irgend ein Opfer zu beschwören. Nicht Desterreichs 150,000 Bajonnete, schrieb er kurz vor der Entscheidung, will ich allein vom Schlachtfeld fern halten, obwol auch dies der Erwägung werth ist, sondern die Erhebung Deutschlands, die ich E. M. beschwöre um jeden Preis zu vermeiden."

Aber des Kaisers Gedanken waren nicht auf Frieden gerichtet; ihn beschäftigten am meisten die koloffalen Rüstungen, die indessen gewaltig vorwärtsschritten, die Lücken vom Frühjahr deckten, die Zahl seiner Streiter zu einer imposanten Höhe steigerten, und manche Waffengattung, wie namentlich die Reiterei erst kampffähig ins Feld führten. Wie wenn die Unterhandlungen nicht drängten und die Frist zum Frieden nicht bereits auf drei Wochen verringert wäre, verließ er zum zweiten Male (24. Juli) Dresden, und begab sich nach Mainz. Indessen zankte man sich zu Prag um Formalien, Narbonne saß vereinsamt dort, Humboldt und Anstett wiesen jeden Versuch einer unmittelbaren Verhandlung, die nicht durch den Vermittler ging, zurück

und dem Vermittler selbst schwand mit jeder Stunde die Hoffnung mehr, daß hier noch für ihn etwas zu erreichen sei. Schon triumphirten auch die kriegerischen Gegner Metternichs im Lager der Verbündeten, daß seine Arbeit eine fruchtlose sei. Gottlob, äußerte einer von ihnen am 6. Juli aus Gitschin, Bonaparte weiß Alles, dürstet Rache und äußert sich höchst unbejonnen. Drei Tage später schrieb derselbe Mann: Nichts darf unterlassen werden, um die Leute hier zu ihrem eignen Heil in den Krieg hineinzu stürzen. *)

Am 26. Juli endlich erhielt Caulaincourt seine Instructionen, aber wie war ihr Inhalt! Die Grundlage der Verhandlung sollte der Besitzstand vor dem Kriege sein; im Uebrigen war nach dem Grundsatz zu verfahren, daß wohl für Rußland, aber nicht für Oesterreich Vortheile zugestanden werden dürften. Desterreich, heißt es, hat kein Opfer gebracht und nichts verdient, wenn es aus seinen gegenwärtigen Intriguen einen Vortheil zöge, so würde es neue Intriguen anspinnen, um neue Vortheile zu gewinnen. Seine Ansprüche an Frankreich sind unbegränzt, jede Concession, die man ihm macht, würde es zu neuen Forderungen ermuthigen. Darum liegt es in unserem Interesse, daß Oesterreich nicht ein Dorf gewinnt."**) Daß ein solcher Friede eine Unmöglichkeit sei, überschaute Caulaincourt im ersten Augenblick. Mit allen Gründen, welche die Vernunft, und mit aller Wärme, welche ihm die Anhänglichkeit an seinen Herrn eingeben konnte, machte er Gegenvorstellungen und zeigte prophetisch die drohende Gefahr; es war vergeblich. Als er in Prag angelangt alle seine Befürchtungen bestätigt sah, schrieb er noch drin gender um ausgedehnte Vollmacht, allein er erhielt nichts, als einigen Spiel raum in Formfragen. Er ahnte nicht, daß der Kaiser und Maret mit geheimer Schadenfreude die Zeit ohne Ergebniß verstreichen sahen und daß es in ihrer Correspondenz ganz offen gesagt ist, es gelte mit allen Verhandlungen nichts als Zeit zu gewinnen.***)

Am 4. August kehrte der französische Kaiser von seiner Rundreise nach Dresden zurück. Er fand die Lage des Congresses unverändert, man stand noch immer bei den formellen Vorfragen. Dringend verlangten seine beiden Unterhändler eingehendere Weisungen; er nahm das mit Verdruß auf und warf ihnen vor, daß sie sich von Metternich zu sehr drängen ließen. Er schickte ihnen eine Note, die sie gemeinsam zu überreichen hatten (6. August), und die nichts weniger als nachgiebig lautete. Vielmehr waren darin die alten Klagen und Vorwürfe wiederholt, die Schuld der Verzögerung auf die Alliirten und den Vermittler gewälzt und Rußland angeklagt, es habe die Verhandlungen nur eröffnet, um Desterreich zu compromittiren und das Un

*) Nugent in den Lebensbildern III. 162 f.

**). Lefebvre a. a. D. 555.

***) S. die Briefe Marets bei Thiers XVI. 155. Note, 169. Note.

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