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reichs für den Frieden nicht entgegengetreten sei, sondern deffen Verwendung (entremise) angenommen habe. Desterreich werde suchen, theils durch überzeugende Gründe in Rußland und England für den Frieden zu wirken, theils durch eine imposante Haltung, die es als intervenirende Macht" einnehmen werde. Seine Rüstungen und Truppenaufstellungen bis zu hundert. tausend Mann würden Rußland und England zugleich imponiren; es verlange dafür nicht einmal die Unterstüßung an Geld, die Napoleon angeboten habe.

Dieser Brief zeichnet mit bemerkenswerther Feinheit den Gang der Wiener Politik. An die Stelle der Allianz mit Napoleon tritt erst die Friedensverwendung, dann wenige Zeilen weiter schon die Intervention Desterreichs. Die angebotenen Subsidien werden abgelehnt, um ja ganz unabhängig von Frankreich zu sein; die eifrigen Rüstungen der ganzen österreichischen Kriegsmacht, die schon gegen Napoleon so gut berechnet waren, wie gegen Rußland, werden durch die Betrachtung erläutert, daß eine intervenirende Macht Mittel haben müsse, den kriegführenden Alliirten zu imponiren. Von der Allianz zur Friedensverwendung, von da zur bewaffneten Intervention, das ist die Stufenleiter für die langsamen Uebergänge der österreichischen Politik. Und diesen diplomatischen Wendungen entsprechen auch schon die militärischen Thaten. Fast in den nämlichen Tagen, wo Kaiser Franz jenen Brief abgehen ließ, war Schwarzenberg mit seinem Corps, von den Russen kaum verfolgt, bis nach Pultusk zurückgewichen, brach dann von da am 25. Januar gegen Warschau auf, um vierzehn Tage später auch diesen Punkt vertragsmäßig den Russen einzuräumen.

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Daneben bot Metternich Alles auf, die erwachende Misstimmung Napoleons durch den Ton cordialster Freundschaft zu beschwichtigen; Otto wußte die Vertraulichkeit nicht genug zu betonen, womit Metternich gegen ihn sein Herz ausschüttete"). Eure Allianz mit Rußland, sagte ihm um die Mitte Februar der österreichische Staatsmann, war monströs; die unsrige gründet sich auf die natürlichsten, dauerndsten und heilsamsten Interessen; sie soll ewig sein, wie die Bedürfniffe, die sie haben entstehen lassen. Wir selber haben fie gesucht und haben uns wohl besonnen, ehe wir sie abschlossen. Wenn wir sie noch einmal zu schließen hätten, wir würden sie nicht anders machen, als sie ist." In den nämlichen Tagen war Schwarzenberg von seinem diplomatischen Feldzuge aus Polen nach Wien zurückgekommen; sofort beeilte. sich Metternich, dem französischen Gesandten mitzutheilen, daß der Fürst sich nach Paris begeben werde. „Es werde für Europa ein eclatanter Beweis der Gesinnungen Desterreichs sein, wenn der Führer des Hülfscorps in Paris bei seinem Chef erscheine, um dessen Befehle entgegenzunehmen." Aber in

„Effusion de coeur" ist der wiederholte Ausdruck Otto's. S. Fain S. 293. 303 f.

Paris war man doch nicht mehr ganz außer Sorge. Der leise Uebergang von der Allianz zur Verwendung, von der Verwendung zur bewaffneten Intervention oder Vermittlung schien nicht zu den Betheuerungen des österrei chischen Ministeriums zu passen; es kam darüber zu Erörterungen. Wiederholt versicherte Metternich: Wenn wir die Allianz heute auflösten, wir würden sie morgen von Neuem schließen. Frankreich hat uns viel Böses zugefügt, allein es liegt in unserem Interesse, das Vergangene zu vergessen. Wir wollen ihm in diesem Augenblicke nüßlich sein und denken, daß es uns zu anderer Zeit den gleichen Dienst leisten wird. Wir fürchten nicht Frankreich, sondern die Ruffen, deren Macht ihr selbst habt vermehren helfen." Indem er dann in lebhaften Worten das beunruhigende Wachsthum russischer Größe schilderte, wies er auf die Politik von Kauniß hin und meinte, nur ein Bund zwischen Frankreich, Desterreich und der Pforte sei dazu geeignet, gegen die russisch-britische Macht ein Gegengewicht zu bilden.

Das war die Stellung Desterreichs in dem Augenblick, wo in Preußen der Aufschwung des Volkes den König mit fortriß und ihn zum russischen Bündniß trieb. Der mächtige Gang der Ereignisse von Tauroggen, Königsberg, Breslau und Kalisch erregte ohne Zweifel am Wiener Hofe sehr gemischte Empfindungen. Mochte auch die Kriegsrüstung selbst nicht ungern gesehen werden, so war ihre Art um so unerwünschter. Diese freie Thätigkeit eines Volkes stimmte weder zu den Anschauungen des österreichischen Monarchen noch seines Ministers, und wenn Beide in irgend einem Punkte mit Napoleon völlig sympathisirten, so war es in dem Widerwillen gegen solch revolutionäre" Mittel. Als Schwarzenberg später nach Paris kam, versicherte er dem französischen Kaiser: „nichts widerstrebte seinem Monarchen mehr, als eine Wendung der Dinge, welche die geheiligten Bande zwischen Fürsten und Völkern aufzulösen strebte und, wie es in Preußen jezt der Fall sei, den Souverain nur an die Seite seines Volkes stelle!!" . „Man müsse alle Anstrengungen darauf wenden, die jakobinische Gährung zu ersticken, die sich täglich mehr ausbreite."

Nicht der absolutistische Instinct allein erzeugte diesen Widerwillen, man war auch vor der Ansteckung besorgt, die das Beispiel Preußens üben konnte. In der Bevölkerung Oesterreichs regten sich ähnliche Stimmungen, wie im deutschen Norden; die Erinnerung an 1809 war dort noch nicht erloschen, auch wenn sie dem Kaiser unwillkommen war. Jene Stimmungen im Volke reichten aber hoch hinauf bis in die Kreise der Aristokratie und der kaiserlichen Prinzen; man mochte am Hofe wohl fürchten, sie könnten in einem stürmischen Anlauf die Regierung wider Willen mit fortreißen und das ganze feine Gewebe Metternich'scher Vermittelungspolitik vor der Zeit zerstören. Darum wurde Justus Gruner verhaftet, auf die Actenstücke und Proclamationen von Breslau und Kalisch eifrig gefahndet. Eben jeßt bot sich ein neuer Anlaß, diese Gesinnung noch eclatanter zu bewähren. Mehrere von

den Führern des Tiroler Aufstandes von 1809, die sich in Wien befanden, sannen auf eine neue Erhebung; Hormayr und der Vorarlberger Schneider waren dafür thätig, Erzherzog Johann fagte seine Mitwirkung zu. Aus dem rheinbündischen Deutschland befand sich damals Gagern in Wien, gleichfalls bereit, an dem Aufstande Theil zu nehmen. Gelang - der Plan, so war Baiern im Schach gehalten, Desterreich durch die Diversion im Rücken genöthigt, sich rascher zu entscheiden. Da erhielt durch Verrath der Kaiser davon Kenntniß. Es mochte nicht schwer sein, den mistrauischen Franz glauben zu machen, sein Bruder Johann verfolge Ziele eines persönlichen Ehrgeizes. Er befahl, mit aller Strenge gegen die Theilnehmer einzuschreiten; Hormayr, Schneider und Andere wurden in der Nacht plötzlich aufgehoben und am 8. März nach Munkatsch gebracht, Gagern des Landes verwiesen. Ueberaus bezeichnend für die Lage war es freilich, daß der Lettere von Metternich ausdrücklich aufgefordert ward, sich ins russisch-preußische Hauptquartier zu begeben, um dort den ächten Verlauf darzustellen und Oesterreichs nahen Beitritt anzukündigen *). Dazu stimmte vollkommen, was Metternich später einem britischen Diplomaten versicherte: er habe den Russen, als sie noch an der Memel standen, sagen laffen, fie möchten nur an die Elbe und Oder vorrücken; Desterreich würde handeln, sobald es fertig wäre"). Ja gegenüber den Franzosen selber machte man sich aus der unbequemen Volksbewegung im Norden eine neue Waffe. Man wies halb besorgt halb drohend auf Ereignisse hin, die man nicht mehr bemeistern könne. Ich verblende mich nicht, sagte Metternich zu Otto am 19. Februar, über die Folgen dieser Volksbewegungen; hervorgerufen im Namen der Ehre und Unabhängigkeit Deutschlands werden sie bald alle politischen und socialen Bande zerreißen, und ich sehe darin die traurigen Vorboten der größten Unglücksfälle und der Umwälzung der Throne. Glauben Sie mir, daß in Kurzem der Aufstand in Preußen sich ausbreiten wird bis an den Rhein ***).

Indessen waren die Vermittelungsboten abgesendet worden, Wessenberg nach London, Lebzeltern nach Kalisch. Die Abreise des Ersteren hatte sich durch einen diplomatischen Zwischenfall bis zum 8. Februar verzögert; wie er nach Hamburg kam, ward er von der französischen Polizei festgehalten und seine Papiere durchsucht. Für die Friedensvermittlung war dies kein günstiger Anfang. Mochte Napoleon selbst unbetheiligt sein und nur unzeitiger Diensteifer untergeordneter Personen die Schuld tragen, in Wien hatte man nun Anlaß genug, sich gekränkt zu zeigen über diese Verlegung völkerrechtlichen Herkommens. Bis der Gegenbefehl aus Paris Weffenbergs Freilassung

*) Gagern, Antheil an der Politik I. 218.

**) Londonderry, Geschichte des Krieges von 1813 und 1814. Uebersezt von Edendahl I. 163.

***) Arm. Lefebvre a. a. D. 49.

verfügte, waren kostbare Stunden verloren und es fragte sich, ob es sich denn noch der Mühe lohne, nach England hinüberzugehen. Wenigstens fand das britische Cabinet schon die ganze Einleitung des Vermittlungswerkes höchst anstößig und schien in Zweifel darüber, ob man den österreichischen Unterhändler überhaupt zulassen solle. Sonst fehlte es nicht an regem Verkehr zwischen England und Oesterreich. Der Kaiser selbst correspondirte mit dem Prinz-Regenten und ein englischer Agent, Lord Walpole, saß in Wienden Augen französischer Spürer so wenig verborgen, daß Metternich selbst meinte, es sei besser, wenn er sich vorerst noch entfernt halte*).

Lebzeltern war ungehindert in Kalisch angekommen, allein auch seine Vermittlersendung nahm einen merkwürdigen Verlauf. Zuerst meldete er nur das Bedauern Kaiser Alexanders, daß Oesterreich diese Gelegenheit nicht ergreife, um sich für seine Verluste zu entschädigen, aber doch zugleich die Bereitwilligkeit des Czaren, die Intervention des Wiener Hofes anzunehmen. Ein zweiter Bericht übersandte eine russische Note vom 11. März, worin Rußland erklärte: es sei mit Großbritannien, Preußen und Schweden innig verbunden und werde die österreichische Verwendung für den Fall annehmen, daß seine Verbündeten das Gleiche thäten. Beide Erklärungen wurden dem französischen Gesandten in Wien mitgetheilt. Verborgen blieb ihm aber, daß Lebzeltern am 29. März zu Kalisch einen Vertrag mit Nesselrode unterzeichnete, der auf ewige Zeiten geheim bleiben und nur dem König von Preußen mitgetheilt werden sollte. Darnach wollten die Ruffen im Anfang April den in Polen früher mit den Oesterreichern abgeschlossenen Waffenstillstand kündigen und ihnen in Flanke und Rücken Truppen vorschieben, um sie so scheinbar zu zwingen, auf das rechte Weichselufer zurückzuweichen und nur die Uebergangspunkte Krakau, Sandomir und Opatowice befeht zu halten. So bald diese verabredete Bewegung durgeführt war, sollte ein neuer Waffenstillstand zwischen den Oesterreichern und Ruffen festgesezt werden. Die Fol gen dieses geheimen Abkommens stellten sich bald heraus. Vergebens ward von den Franzosen nachher Schwarzenbergs Nachfolger, Frimont, aufgefordert, mit Poniatowskis Corps, das den Oesterreichern zur Seite stand, in Uebereinstimmung zu handeln, vergebens Alles versucht, die Räumung des polnischen Gebietes zu verhindern oder aufzuschieben; Frimont richtete sich nach den geheimen Weisungen, die ihm in Folge der Uebereinkunft vom 29. März zugekommen waren.

Napoleon kannte nicht alle diese verschlungenen Fäden der Wiener Po

*) Castlereagh VIII 358 f. Cathcart commentaries on the war in Russia and Germany. S. 114. 115. Ueber Wessenbergs Aufträge hatte Münster am 17. März an Nugent geschrieben: l'idée seule est si absurde, qu'il est superflu de la discuter. La Prusse se déclare contre la France; cet événement et l'enthousiasme général de la nation entraînera l'Autriche. Lebensb. III. 160.

litik, aber er glaubte doch genug zu wissen, um ihr nicht allzuviel zu vertrauen. Sein Gesandter in Wien schien ihm dieser Staatskunst gegenüber zu arglos und unbeholfen; er entschloß sich ihn durch einen andern zu ersehen.

Zum Nachfolger Otto's war Graf Louis Narbonne ausersehen, ein Cavalier der altfranzösischen Zeit, geistreich, von anmuthigen Formen und mit der hohen Aristokratie persönlich enger verflochten, als sein bürgerlich geborner Vorgänger. "In Wien, sagte ihm Napoleon vor der Abreise, hat man drei verschiedene Stufen durchgemacht: erst die Anhänglichkeit an die Allianz, die Bubna mir betheuerte, dann das Drängen und die Vorschläge zum Frieden, zuleßt die Haltung einer vermittelnden Macht, aus der schon ein leiser Neutralitätsanspruch sich vordrängt. Sehen Sie sich das in der Nähe an; die Schleier müssen fallen, ich will wissen, mit wem ich zu thun. habe.“ Ein Bruch mit Oesterreich war ihm noch nicht wahrscheinlich; das Interesse wie die dynastische Verwandtschaft sprachen ihm dagegen. „Schlagen Sie die Familienfaite an, sagte er Narbonne beim Abschied; der Kaiser, mein Schwiegervater, ist weise, gemäßigt, verständig; aber die Hofintriguen, die Eitelkeiten der Salons und die kriegerischen Phantasien der Weiber find in Verschwörung *)."

Am 17. März traf Narbonne in Wien ein. Er sollte zunächst die Lage erforschen, das Mißverständniß wegen Weffenberg ausgleichen und den Preis erkunden, um welchen die thätige Mitwirkung zu erlangen war. Seine genaueren Instructionen enthielt eine Depesche Marets vom 27. März. Desterreich follte darnach die Friedensverhandlung mit den Kalischer Alliirten ohne Zögern vermitteln; war das fruchtlos, so schlug der französische Kaiser folgenden Weg vor. "Desterreich, sagte die Depesche, kann dann nicht umhin, den Untergang Preußens vorauszusehen. Die Bevölkerung der preußischen Monarchie beträgt fünf Millionen. Man würde daraus drei Loose machen. Eine Million am rechten Ufer der Weichsel bliebe Preußen; zwei Millionen kämen an Desterreich, die zwei übrigen an Sachsen und Westfalen. Der schönste Theil, Schlesien, würde an Oesterreich fallen." Aber dafür verlangte er auch rasche und thätige Theilnahme; Oesterreich sollte 100,000 Mann stellen und damit die sichere und schnelle Entscheidung herbeiführen. „Der Kaiser Napoleon würde so manöveriren, daß Schlesien von allen Verbindungen mit Rußland abgeschnitten und den Oesterreichern die Eroberung dieser Provinz erleichtert würde **)."

Narbonne überschaute bald die wahre Situation; hat sich doch Napoleon später auf St. Helena beklagt, sein Gesandter habe nur zu rasch ihm reinen Wein eingeschenkt und dadurch schneller als es ihm vortheilhaft gewesen, die Dinge zum Bruch getrieben. Er vergaß dabei nur, daß er ihn selber zu

*) Villemain Souvenirs I. 291.

*) S. Arm. Lefebvre a. a. D. 58 f.

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