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Schon die Persönlichkeiten von Davoust und Vandamme waren bezeichnend genug; sie hatte Napoleon zu diesem Werke eigens ausgesucht, doch waren sie nur die Werkzeuge der Vollziehung; die Maßregeln selbst waren vom Herrn und Meister ausgesonnen*). Es mag zu seiner Charakteristik genügen, einen Befehl an Davoust mitzutheilen, der sich den Actenstücken von 1793 ebenbürtig anreiht. „Sie werden, ließ er am 7. Mai dem Marschall schreiben, auf der Stelle alle hamburger Unterthanen verhaften lassen, die unter dem Titel Senatoren Stellen angenommen; Sie lassen sie vor eine Militärcommission stellen und die fünf schuldigsten davon erschießen. Sie schicken dann die Andern unter guter Bedeckung nach Frankreich, um sie in ein Staatsgefängniß zu sperren; ihre Güter stellen Sie unter Sequester und erklären fie für confiscirt. Sie lassen die Stadt entwaffnen, alle Officiere der hanseatischen Legion füfilliren, und alle andern, die in der Legion gedient haben, schicken Sie nach Frankreich auf die Galeeren. Sobald Ihre Truppen in Schwe rin angekommen sind, suchen Sie sich des Fürsten und seiner Familie zu bemächtigen und schicken sie nach Frankreich in ein Staatsgefängniß. Sie stellen eine Liste der Rebellen auf und verzeichnen die 1500 reichsten Individuen der 32. Militärdivision, die sich am schlechtesten benommen haben. Sie lassen sie verhaften und ihre Güter mit Beschlag belegen. . . . Cie werden auf Hamburg und Lübeck eine Kriegssteuer von 50 Millionen legen. Vergessen sie vornehmlich alle die Hamburger Häufer nicht, die · sich übel benommen haben und deren Gesinnungen schlecht sind; man muß das Eigenthum wechseln, sonst wird man dieses Landes nie sicher sein. . . . Alle diese Maßregeln sind streng zu vollziehen; der Kaiser erlaubt Ihnen nicht, auch nur eine davon zu modificiren."

Nach diesem kaiserlichen Befehl, deffen sich die Urheber der jakobinischen Blutthaten nicht hätten zu schämen brauchen, ließ sich das Schicksal Hamburgs erwarten. Davoust war der Vollstrecker- und selbst Davoust ist eher hinter den Weisungen seines Herrn zurückgeblieben, als daß er sie überboten hätte. Alles was nun folgte, die Verhaftung der Senatoren, die Confiscation ihrer Güter, die Auflegung riesiger Contributionen, die Umwandlung einer Handelsstadt in eine Festung und die grausame Nöthigung der Bewohner, durch Frohnarbeit selbst diese Festung herzustellen – das Alles waren Napoleonische Erfindungen, die Davoust nur vollziehen ließ. Erst wurden

*) Das hat Davoust in der Denkschrift (die sich auch mit den Beilagen in den europ. Annalen 1814. III. IV. abgedruckt findet) zur Genüge dargethan. Der obige Befehl ist zuerst im Mémorial topographique et militaire von 1826 und nach ihm vom preuß. Militärwoch. 1828 S. 3960 veröffentlicht. Neuerlich hat auch Thiers XV. 435 gezeigt, daß er das Aktenstück kennt; entschuldigend fügt er hinzu, die „honnêteté et sagesse". Davoufts sei aber eine Bürgschaft dafür gewesen, daß es nicht allzu streng genommen ward!?

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Hamburg und Lübeck besetzt und entwaffnet, dann begann der Marschall zu verhaften und zu verfolgen. Auch eine sogenannte Amnestie, die nachher erlassen ward, nahm 28 Personen aus, die auf ewig verbannt, deren Güter confiscirt und die, wenn sie ergriffen wurden, dem standgerichtlichen Erschießen verfallen waren. Am 7. Juni ward Hamburg eine Contribution von 48 Mill. Francs auferlegt, und als die Zahlung Schwierigkeit fand, wurden Geiseln gefangen abgeführt und die allmälige Entrichtung in baarem Gelde und in Vorräthen erzwungen. Später wurden auch die Baarvorräthe der Bank geplündert. Es wurden umfassende Befestigungen angefangen, die Stadt verwüstet, Häuser niedergeriffen, Bäume und Gärten rasirt. Die Arbeiten geschahen auf Kosten des außer Gesetz" stehenden Gebietes.*) Alle erwachsenen männlichen Einwohner waren pflichtig, bei den Verschanzungen selbst mitzuarbeiten oder um hohen Preis Ersaßmänner zu stellen. Ungeheure Vorräthe wurden aufgehäuft, und damit es im Winter nicht an Lebensmitteln fehle, 20-25,000 Einwohner der ärmeren Claffe aus der Stadt ins Elend getrieben. Das verhaßte Treiben französischer Polizei, Spionage und persönliche Verfolgung, blutige Executionen fehlten natürlich nicht in diesem Nachtstück Bonaparte'scher Schreckensherrschaft.

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Unter Allen, die zu dieser Katastrophe beigetragen, war Bernadotte derjenige, den der schwerste Vorwurf traf. Um seiner norwegischen Prätenfion willen hatte Dänemark in die Arme der Franzosen getrieben und Hamburg preisgegeben werden müssen. Gleich im ersten Augenblick bewährte sich Steins Voraussicht, daß dies schwedische Bündniß nur verderblich auf die deutschen Dinge einwirken könne; jezt wie später war es keine Hülfe, nur ein Hemmschuh des Gelingens. Damit der Leser ganz klar sehe über die Stellung des schwedischen Kronprinzen, wollen wir gleich hier, wo sein Auftreten die erste verhängnißvolle Wirkung übt, aus unsern Quellen sein Verhältniß zu dem großen Kriege, meistens nach seinen eigenen Aeußerungen, erläutern.**)

Als sich das schwedische Heer der norddeutschen Küste näherte, hoffte zuerst Bülow, den Kronprinzen für eine rasche Betheiligung an dem Kampfe zu gewinnen. Die Schlacht vom 2. Mai war geschlagen, die Verbündeten auf dem Rückzug, Berlin bedroht. Um sich der schwedischen Hülfe zu ver sichern, wandte sich Bülow in einem schmeichelhaften, auf die Eitelkeit Bernadotte's berechneten Schreiben an ihn (12. Mai). „Nach meiner Meinung, schrieb darüber Bülow am nämlichen Tage an den König, ist dies für den Augenblick das einzige Mittel, unfern Angelegenheiten eine vortheilhafte Wen

*) Schon im April war, gleichfalls nach dem Muster der jakobinischen Schreckenszeit, die 32. Militärdivision „hors la loi" erklärt worden.

**) Die folgenden Mittheilungen sind der handschr. Correspondenz Bülows ent

nommen.

dung zu geben. Ich habe geglaubt, alle Mittel anwenden zu müssen, um auf den Charakter zu wirken, und habe dem Kronprinzen von Schweden, der als Franzose wahrscheinlich leicht zu exaltiren sein dürfte, vorgestellt, daß er gegenwärtig, ein zweiter Gustav Adolf, als Retter Deutschlands auftreten könne."

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Zugleich fandte Bülow den Major Kalkreuth nach Stralsund, um durch persönliche Bearbeitung auf Bernadotte einzuwirken. Kalkreuth traf dort ein, als der Kronprinz eben ankam (18. Mai); er fand eine sehr höfliche Aufnahme, aber keine klare und bestimmte Zusage. Wenn ich von Berlin sprach, schrieb er an Bülow, hat man mir von Norwegen gesprochen." Ber= nadotte plauderte viel über die Operationen in Sachsen, erläuterte ausführlich die Fehler, die Wittgenstein bei Großgörschen gemacht; wie aber Bülows Abgesandter ihn um seine Hülfe anging, antwortete er mit Beschwerden gegen Rußland. Rußland habe ihm versprochen, Norwegen erwerben zu helfen, bis jetzt denke es aber noch nicht daran, Wort zu halten. Kalkreuth meinte, das sei ja eine abgemachte Sache, die höchstens bei den Dänen Widerspruch finden könne eine Aeußerung, die dem Kronprinzen ein Lächeln abzwang. Auch die Bemerkung, daß er Norwegen am besten in Deutschland erobern könne, schien wenig Eindruck auf ihn zu machen.

Während so der Abgesandte Bülows auf eine Mitwirkung zum Schuße von Berlin hinarbeitete, wurde Bernadotte von anderer Seite lebhaft bestürmt, Hamburg zu schützen; die Engländer, Wallmoden, Tettenborn und der russische Diplomat Alopäus waren vornehmlich in dieser Richtung thätig. So arbeiteten sich die Verbündeten selbst einander entgegen. Wenn Kalkreuth die Bedrohung Berlins nachdrücklich betonte, suchten die Andern diese Gefahr als eine eingebildete darzustellen und die schwedische Hülfe nach der untern Elbe hinzuziehen. Dadurch ward es Bernadotte ziemlich leicht gemacht, ein Verlangen durch das andere zu bekämpfen und sich schließlich beiden zu entziehen. Die Ruffen waren gleich bei der Hand, an die Zerstörung Moskaus zu erinnern, und meinten, man dürfe auf Berlin nicht mehr Rückficht nehmen. Die Artigkeit erfordert, äußert bei diesem Anlasse Kalkreuth, daß man ihnen nicht antworten kann, Hunger und Frost würden nicht unsere Retter sein; indeffen habe ich mir doch erlaubt zu erwiedern, daß jenseits der Oder noch keine Wüsteneien vorhanden wären. In diesem Punkte freilich, fügt er hinzu, würden die Ruffen am ersten Rath zu schaffen wissen."

Im Ganzen empfing der preußische Abgesandte gleich jezt den Eindruck, daß der Kronprinz ein sehr verschlungenes Spiel selbstsüchtiger Intereffen spiele und in jedem Falle nicht geneigt sei, viel zu unternehmen. Im höchsten Falle, meinte er, könne man ihn bis an die Elbe bringen," vielleicht würde er sich bereit finden laffen, Stettin zu belagern. Allein diese Festung in feine Hände zu liefern, ist doch auch ein eigen Ding." Im Uebrigen tauge die englisch-russische Ansicht, nicht gegen Berlin, sondern gegen die untere Elbe sich zu wenden, insofern „in seinen Kram“, als sie seinen feindlichen

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Absichten gegen Dänemark die wahre Richtung gebe. Es sei ihm durchaus unerwünscht gewesen, zu hören, daß die Dänen hatten Hamburg mit vertheidigen helfen; „denn wo bliebe seine Aussicht auf Norwegen, wenn Dänemark unferer Coalition beiträte?"

Doch wurde in den lezten Tagen des Mai, gerade während Hamburg verloren ging, noch eine Unterhandlung mit Dänemark versucht. Am 30. Mai schifften sich die Engländer Thornton und Hope, der schwedische General Suchtelen und der Hofkanzler Wetterstedt nach Kiöge ein; der Gedanke war, den Dänen vorzuschlagen, fie möchten das Stift Drontheim sogleich an Schweden abtreten, mit dem übrigen Norwegen sollte dann bis zum Ende des Krieges gewartet werden, wo die Dänen durch Besißungen in Deutschland entschädigt werden könnten.*) Diese Sendung, auch wenn ihre Vorschläge den Dänen erwünschter gewesen wären, kam in jedem Falle zu spät; Dänemark hatte sich eben rückhaltlos den Franzosen in die Arme geworfen. So blieb denn auch der Versuch ganz zwecklos; schon am 4. Juni war die Mission unverrichteter Sache nach Stralsund zurückgekehrt.

Die Gespräche, die Bernadotte mit Oberst Kalkreuth und später mit dem Grafen Hacke führte, erläutern aber nicht allein sein Verhältniß zu Dänemark; sie sind auch in anderer Richtung characteristisch. Vor Allem machte der Kronprinz mit Nachdruck seinen Wunsch geltend, durch ein preusisches Corps von 15-18,000 Mann verstärkt, ein selbständiges Commando zu führen, das von russischer wie von preußischer Führung unabhängig sei. "Ich will nicht von den Launen der Herren von Wittgenstein oder Araktschejeff abhängen.“ Die Centralverwaltung der eroberten Gebiete war natürlich den Bernadotte'schen Combinationen nicht erwünscht und dafür fand er an England eifrige Zustimmung.**) Steins Antheil hatte noch weniger feinen Beifall. Der Oberst Kalkreuth, selbst ein heftiger Gegner Steins, bemerkte mit Befriedigung, daß der Kronprinz den unbequemen Staatsmann „sehr richtig“ beurtheilte. Seiner vertraulichen Versicherungen zufolge war er geneigt, auf Magdeburg loszugehen und es mit Sturm zu nehmen. Durch diesen Schlag glaube er schön zu debütiren und die Meinung in ganz Deutschland wieder zu beleben. An die andern Festungen müßte man durch Parlamentäre Proclamationen senden, wonach man die französischen Besaßungen, welche die Pläge noch vertragswidrig besest hielten, wie Räuber auf offener Heerstraße behandeln werde. Wolle man das nicht, so könne man allenfalls funfzig bis hundert Häuser zusammenschießen und die Einwohner dadurch be

*) Ueber den Antheil, den England an diesem Vorschlag hatte, s. Castlereagh lettres and despatches VIII. 344.

*) Wie unbequem die Centralverwaltung und ihre Bestimmung den Engländern war, zeigen die Mittheilungen bei Castlereagh VIII. 364. 365. 368. Third series I. 6.

stimmen, daß fie über die Garnison herfielen und sie massacrirten. Das feien freilich gewaltsame Mittel, aber - fügte er hinzu on ne prend pas des places fortes avec des bonbons."

In seinen Plaudereien mit dem preußischen Abgesandten ließ sich Ber nadotte scheinbar völlig gehen, sprudelte mit gasconischer Leichtfertigkeit Klagen und Schmeicheleien in buntem Wechsel hervor, allerdings mit der unverkennbaren Absicht, den Preußen eine vortheilhafte Meinung von sich und seinen politischen Absichten einzuflößen. In den nachdrücklichsten und lebhaftesten Farben klagte er die Politik Napoleons an, beschwerte sich über die Doppelzüngigkeit Rußlands und die Schwäche des Czaren und zeigte die Nothwendigkeit, Preußen wieder zu einer Macht ersten Ranges zu erheben. Nach seiner Ansicht, so betheuerte er, müsse Preußen sich über den Harz bis nach Kurhessen und längs der Lahn bis Coblenz ausdehnen, von da längs des Rheins bis Mannheim, um dann bis zu den alten fränkischen Befihungen und der böhmischen Gränze ein zusammenhängendes Gebiet zu haben. Alles, was mitten inne läge, namentlich ganz Sachsen, solle an Preußen fallen; jedoch könnten Heffen und die thüringischen Gebiete etwa preußische Lehensfürstenthümer werden. Er wolle, äußerte er ein anderes Mal gegen Graf Hacke, nicht eher die Waffen niederlegen, als bis Preußen in eine Stellung gekommen sei, in der es keine anderen Verbündeten brauche, als England, Schweden und die Türkei. Mit Oesterreich solle es in gutem Vernehmen bleiben, so lange diese Macht offen handle; dahin könne er freilich die Aufforderung nicht rechnen, die ihm von Seiten Cesterreichs durch Graf Neipperg im März gemacht worden sei: er möge sich doch mit Frankreich und Desterreich verbinden. Als einen Fehler tadelte er es, daß Preußen nicht gleich Polen besezt habe. Man hätte einen Bruder oder Neffen des Königs als Statthalter nach Polen senden sollen, bei dieser Gelegenheit aber ja nicht den Polen ihren Namen rauben dürfen. Gegen die Ruffen zeigte er überall seine Verstimmung; die Art, wie sie den Krieg führten, fand an ihm einen herben Beurtheiler. Die Generale November und December, sagte er einmal, können ihnen jest nicht helfen." Dringend lag er den Preußen an, ihm ganz zu vertrauen, und gab dabei unverblümt zu verstehen, daß er fich auf Rußland nicht verlasse. „Die großen Maßregeln des Feindes, fo endigte er eines der Gespräche, entmuthigen mich niemals, denn darauf muß ich gefaßt sein, im Gegentheil es hebt meine Seele. Aber wenn ich Wortbruch, Doppelzüngigkeit und Feigheit auf Seiten derer sehe, die mit mir vereint sein sollten, dann werde ich niedergeschlagen und mein Muth gebeugt. Mein Feuer ist nicht das der Einbildungskraft und der Jugend, sondern das der Gefahren und Kriegszüge."

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Seinen Zweck zu erreichen und die freie Verfügung über ein ansehn. liches Armeecorps zu erlangen, wurden die mannigfaltigsten Mittel in Bewegung gefeßt. Erst vor wenig Tagen, äußerte er, habe ihm Napoleon durch

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