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hielt sich der Feind wenigstens in der Vorstadt, bis frische Bataillone, von Bülow gesendet, ihn auch von hier vertrieben. Aber auf der Ebene Fuß zu faffen, wollte den Preußen nicht gelingen; es empfing fie dort ein verheerendes Artilleriefeuer, während ihr eigenes Geschüß zum größten Theil auf den Höhen jenseits des Flüßchens aufgestellt und darum unwirksam war. Abermals drangen unter der Macht dieses Feuers die Franzosen mit frischen Truppen in die Kalauer Vorstadt ein; nur am Thore, das in die innere Stadt führt, leisteten die Preußen gegen alle erneuerten Angriffe ausdauernden und glücklichen Widerstand.

So hatte der Kampf mit äußerster Heftigkeit bis zum Nachmittag fortgedauert, aber keine Entscheidung gebracht. Die Franzosen fingen jezt an, Granaten in die Stadt zu werfen; bald stand die Kalauer Vorstadt in hellen Flammen, vergebens suchten die Preußen aus der Stadt dem Feinde Reiterei und Geschüt entgegenzuführen, das Feuer unterbrach jede Verbindung und verzehrte die unglücklichen Verwundeten beider Theile, die in den Häusern Zuflucht gesucht. Die Schlachtstätte bot ein graufenvolles Bild; ein Officier, der Augenzeuge war und die Kriege bis 1815 mitgemacht hat, versichert, selbst der Anblick der Schlachtfelder von Leipzig und Waterloo habe ihm keinen so entseßlichen Eindruck hinterlassen, wie die verwüstete, blutgedüngte Vorstadt von Luckau mit ihren halbverbrannten Leichen. Gegen 5 Uhr Abends traf westlich Boyen mit seiner Brigade ein; nun war nur noch Borstell östlich von Lübben her zu erwarten. Um ihm die Verbindung zu sichern, ließ Bülow die Brigade Oppen durch frische Truppen ablösen und den linken Flügel verstärken. Mit der Reiterei sollte dann Oppen dem Feinde in die rechte Flanke fallen. Der Auftrag ward glücklich ausgeführt; in einem kecken Angriff warf Oppen ein feindliches Reiterregiment, nahm ihm einige Geschüße und wich erst, als er auf überlegene Massen Fußvolk stieß. Bei Luckau selbst dauerte der Kampf fort, bis die Nacht und Ermüdung ihm ein Ziel seßte. Von der Erfolglosigkeit seiner Angriffe überzeugt, trat Oudinot in der Nacht den Rückzug an. Am Morgen traf nach einem anstrengenden Marsche auch Borstell ein.

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Die Preußen hatten 500 Todte und Verwundete, die Ruffen hundert; den Franzosen hat der Angriff wohl kaum weniger gekostet, als den Verbündeten. Weber 700 Gewehre für die Preußen jezt eine besonders werthvolle Zugabe waren erbeutet, bei der Verfolgung noch über 900 Gefangene gemacht worden. Für einen Kampf, der nach so furchtbaren Märschen und fast ohne Geschüß ausgefochten ward, war dieser Erfolg alles Ruhmes werth. Ihn weiter zu verfolgen, waren die Sieger erst durch große Erschöpfung und Mangel an Lebensmitteln, dann durch die Nachricht vom Waffenstillstand gehindert. Aber der Kampf von Luckau behielt darum doch seine Bedeutung. Er hatte Berlin geschüßt und schloß nach so vielen trüben Eindrücken der jüngsten Tage den Feldzug vom Mai in erhebender Weise ab.

Das erste blutige Vorspiel der beiden großen Schlachten, die bei Großbeeren und Dennewitz um die Beschüßung der Mark geschlagen wurden, war er zugleich eine treffliche Probe für die Armee; der Soldat fühlte sich nach allen den ermüdenden Hin- und Herzügen gehoben, gegen den Feldherrn verstummten jest die ungeduldigen Tadler. Gern wären beide im vollen Gefühle ihrer Stärke nun weiter vorgedrungen und hier wie anderwärts ward die Kunde vom Waffenstillstand, als sie am 7. eintraf, mit Sorge und Unwillen aufgenommen.

Während des großen Kampfes in Sachsen und der Laufiß war zugleich im Rücken Napoleons von kühnen Parteigängern ein kleiner Krieg geführt worden, der die Verbindung der Franzosen mit der Heimath störte, ihre Cor respondenz unterbrach, Transporte auffing und den Schrecken vor den ver bündeten Waffen über das Schlachtfeld an der Elbe und Spree weit hinaustrug. Daß Napoleon diesen kleinen Krieg nicht zu unterdrücken vermochte, war nicht etwa nur aus seinem Mangel an Reiterei zu erklären, sondern legte zugleich ein sprechendes Zeugniß dafür ab, wie die Stimmungen hinter ihm waren.

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Zu den merkwürdigsten Fahrten dieser Art gehörte die Unternehmung des Rittmeisters von Colomb*). Bis 1806 bei den Zieten-Husaren dienend und während der Feldzüge der neunziger Jahre im kleinen Kriege trefflich geschult, hatte Colomb, um nicht als überzähliger Rittmeister zu Hause die Reserve einüben zu müssen, eine Schwadron freiwilliger Jäger zu organisiren angefangen. Mit schwerem Herzen," wie er selber sagt; denn er konnte sich als Soldat der alten Schule nicht denken, wie man mit jungen Leuten aus den gebildeten und wohlhabenden Ständen, denen alle Dreffur noch abging, etwas Tüchtiges herstellen könne. Wie war er überrascht durch die Hingebung, womit die Jugend Alles ertrug und selbst die ungewohntesten Geschäfte, die der Reiterdienst forderte, pünktlich und voll Eifer vollzog! Dekonomen und Referendarien, Studenten, Kaufleute und Justizräthe Alles fügte sich wunderbar rasch zu einem Ganzen, und obwol auf dem Marsche erst vollends eingeübt, ward die Schwadron, als sie Colomb im April zur großen Armee führte, über alle Erwartung gut gefunden. Aber des Rittmeisters Sinn und Art ging auf den leichten Krieg eines Parteigängers; er hatte schon im Jahr 1807 Aehnliches versucht. Selbst Blücher hielt es für ein gewagtes Ding, mit so kriegsungeübtem Material dergleichen zu versuchen; nur widerstrebend gab er auf Gneisenau's Fürsprache die Einwilligung mit den Worten: „Wenn er denn zum Teufel fahren will, so fahre er." Mit achtzig Jägern und zehn Husaren machte sich in der Nacht vom 7-8. Mai der Rittmeister

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*) S. aus dem Tagebuche des Rittmeisters von Colomb. Berlin 1854.

auf den Weg, überschritt die Elbe und schlich sich mitten unter feindlichen Aufstellungen durch das Erzgebirge in's Voigtland, fing gelegentlich französische Officiere ab und begann dann an der thüringisch-fränkischen Gränze seinen kleinen Krieg. Rastles, verschlagen und kühn hatte die kleine Reiterschaar unglaubliche Erfolge. Der Mittelpunkt von Colombs Streifzügen war vornehmlich Neustadt an der Orla; in der Nähe mehrerer wichtigen Straßen, durch die Schlupfwinkel des Waldgebirgs gehegt und von dem regen Eifer der Bevölkerung wirksam unterstüßt, ward er den Transporten und kleinen Truppenzügen, die aus Franken und Baiern kamen, so furchtbar, daß die bairische und sächsische Regierung ernstlich darüber verhandelten, was für Maßregeln zu treffen seien, um mit den neunzig Reitern fertig zu werden. Musterhaft war die Wachsamkeit von Colombs Anordnungen; gleich einer Feldwache fütterte von der ganzen Schaar stets nur die Hälfte; ihr Aufenthalt war wo möglich der Wald oder ein hochgelegener Punkt, von dem man die Gegend übersehen konnte, Einquartierung erfolgte nur in größeren Trupps; Nachtmärsche und vielfältige Ortsveränderungen sorgten dafür, daß der Aufenthalt der Schaar stets ungewiß blieb. Das glänzendste Probestück Colombs und seiner verwegenen Reiter war der Ueberfall eines großen Transports von Geschüß und Train, der am 29. Mai nicht weit von Zwickau ausgeführt ward. Achtzehn Kanonen, sechs Haubißen, 36 gefüllte Munitionswagen und anderer Train, im Ganzen 72 Fahrzeuge wurden da weggenommen und zerstört, von der zahlreichen Bedeckung 300 Mann und 6 Officiere gefangen genommen. Glücklich machte auch nach dem Waffenstiffstand die tapfere Schaar ihren Rückweg; es war schon in der zweiten Hälfte des Juni und der Feind überall im Wege, als sie nach geringem Verlust die Elbe überschritt. Keine harte und ungroßmüthige That war in den Zügen dieser „Brigands" zu verzeichnen; Monsieur, fagte einer der gefangenen französischen Officiere, erstaunt, daß er nicht entkleidet und ausgeplündert ward, zu dem Führer: vous faites votre métier comme un honnête homme. Dagegen war aus dem Munde aller feindlichen Soldaten, die nicht Nationalfranzosen waren, die Ermüdung und der Widerwille an dem Bonaparte'schen Dienst herauszuhören; die Bevölkerung vollends zeigte den wärmsten Eifer und bei vielen Anlässen gab sich die Sympathie für die gute Sache in wahrhaft rührenden Zügen fund.

Neben Colomb haben sich unter den Preußen besonders der Major Helwig, der sich schon 1806 bemerklich machte, der Rittmeister Friß von Blankenburg und die Reiter Lüßows durch ähnliche Streifzüge hervorgethan. Die russischen Verbündeten mit ihrer zahlreichen leichten Reiterei trieben die gleiche Kriegsweise im größeren Stil. General Tschernitschef sette am Abend des 28. Mai mit 1200 Reitern und wenigen Geschüßen über die Elbe und eilte in scharfem Ritt gegen Halberstadt, wo der westfälische General Ochs, 1600 Mann stark, mit einem ansehnlichen Transport von Geschüßen und

Munition stand. In einem verwegenen Angriff erstürmte (30. Mai) der russische General die Wagenburg, hinter der sich die zahlreiche Bedeckung aufgestellt, und nahm den General mit 10 Officieren und gegen 600 Mann, 14 Kanonen und 80 Pulverwagen gefangen. Die ganze Beute ward unverfehrt über die Elbe gebracht. Von den Blokadetruppen bei Magdeburg ging Obristlieutenant Borisow mit 150 Uhlanen und einem Kosakenregiment auf das linke Ufer der Elbe, griff nicht weit von Halle eine Schaar von 600 Mann französischer Reiter an und nahm den größten Theil mit dem General Poinçot gefangen. Ein Wagentransport und eine Kriegscaffe, die vorausgegangen, ward gleichfalls die Beute der Sieger. Als der Waffenstillstand schon geschloffen, aber noch nicht bekannt war, unternahmen Woronzoff und Tschernitschef mit einer größeren Abtheilung Ruffen und Lüßower (7. Juni) einen Streifzug auf Leipzig, um dort einige tausend Mann französischer Erfaßtruppen, Artillerie und Vorräthe wegzunehmen. Bei Taucha gelang es ihnen auch, eine französische Reiterschaar zu überfallen und 5-600 Gefangene zu machen, aber sie erhielten zugleich die Nachricht vom Waffenstillstand, die zu ihrem lebhaften Verdruß allen weiteren Unternehmungen ein Ziel feßte.

Unglücklich in diesem kleinen Kriege waren nur die Lüßower.) Sie hatte das Glück von Anfang an am wenigsten begünstigt, was um so leb hafter empfunden ward, je kühnere Erwartungen sich gerade an sie geknüpft. Es mochte dazu wohl neben der Persönlichkeit des Führers, der mehr solda tische Bravour als organisatorisches Talent besaß, die Zusammensetzung der Truppe selbst beitragen, die für einen Armeekörper zu klein und für ein rafches, leichtbewegliches Streifcorps zu groß war. Aber es hatten doch auch ganz unverschuldete Verhältnisse dazu mitgewirkt, die Thätigkeit der Lüßower zu verkümmern. Vor dem Anfang des Maifeldzugs waren fie, 1400 Mann Fußvolk und 3—400 Reiter stark, nach Sachsen aufgebrochen und erhielten nachher noch namhaften Zuwachs; ihre Infanterie stieg bis auf 2000 Mann, an Artillerie zählten sie neun Geschüße. Daß die Idee, welche das Corps geschaffen, eine Anziehungskraft übte, bewies der Zuzug, der nicht nur aus Preußen und dem Norden, sondern auch aus weiter entlegenen Gebieten, z. B. aus Tirol erfolgte. Gelang es dem Corps, durch eine glückliche und imposante That seine Bahn zu öffnen, so war ein ansehnlicher Zuwachs ge wiß und man konnte dann hoffen, mit Hülfe der Einverständnisse in den noch rheinbündischen Gebieten größere Diversionen auszuführen. Aber eben die Gelegenheit zu einem glänzenden Erfolg ward von der Mißgunst des Schicksals versagt. Der Plan, nach Westfalen hereinzubrechen und dort die Insurrection anzufachen, ward vorerst verschoben, da man das Corps an der Unterelbe wünschte. Ende April brach es zum großen Theil dahin auf und

*) S. d. Geschichte des Lüßow'schen Freicorps von Ad. S. Berlin 1826. Geschichte des L.'schen Freicorps von J. F. G. Eiselen. Halle 1841.

focht zum Schuß von Hamburg in Ehren mit. Wie dann Woronzoff und Tschernitschef ihren Anschlag auf Leipzig faßten, bewogen sie die Schaar zur Mitwirkung. Neunhundert Fußgänger und 300 Reiter von den Lüßowern schloffen sich unter Major von Petersdorf dem Zuge an, voll freudiger Ungeduld, endlich Anlaß zu finden zu einem glänzenden Coup. Wie die Nachricht vom Waffenstillstand alle diese Hoffnungen peinlich vereitelte, ist 'oben erzählt worden.

Indeffen hatte Lüßow selbst mit einem Theil der Reiterei einen Streifzug in den Rücken des Feindes unternommen. Etwa 400 Mann stark war er gegen Ende Mai über die Elbe gegangen, streifte nach Halberstadt, dann den Harz entlang gegen Weimar hin, ohne daß es ihm gelang, einen erwünschten Schlag auszuführen. Erst in den thüringischen Thälern, wo er auch mit Colomb zusammentraf, war er glücklicher; bei Roda traf er 400 Mann Rheinbundstruppen, die sich sofort ergaben und in seine Dienste traten; in Schleiß gelang es ihm, eine andere Abtheilung zu überfallen. Dort und bei Plauen trieb er sich in den ersten Tagen des Juni herum, als der Waffenstillstand geschlossen war. Bei einem Streifzug, den ein Theil seiner Truppe nach Hof unternommen, erfuhren die Lüßower die unerwünschte Neuigkeit (9. Juni). Es ist nicht ganz zu ermitteln, ob ihnen auch die Bestimmung fund ward, die festseßte, daß am 12. Juni die neue Linie beider Heere bezogen sein müßte. Man darf wohl daran zweifeln, wenn man Lüßows geringe Eile beim Rückzug wahrnimmt.*) Weder die Hoffnung auf Desterreichs nahen Beitritt, noch eine nußlose Verwegenheit oder gar das Vertrauen auf des Feindes Großmuth konnte ihn dazu veranlaffen. So kam er erst am 17. Juni in die Nähe des Lüßener Schlachtfeldes, als ihm Abends beim Dorfe Rißen eine starke feindliche Reitercolonne entgegentrat. Den Franzosen war natürlich die Sorglosigkeit, womit Lüßow wie mitten im Frieden von sächsischen Marschcommissarien geführt und sehr bedächtig seinen Weg machte, ein erwünschter Anlaß, für manche bittere Einbuße, die sie durch die Streifzüge erlitten, an dieser verhaßtesten Freischaar blutige Rache zu nehmen. Napoleon selbst gab dem General Arrighi in Leipzig Befehl, die „,brigands“ zu vernichten. Der sandte ihnen die ganze Reiterdivision Fournier und zwei württembergische Jägerregimenter entgegen viertausend Reiter gegen vierhundert! Neben Fournier commandirte der württembergische General Normann, einer von den charakterlosen Landsknechten jener Tage, wie sie sich in den rheinbündischen Heeren nicht selten fanden. Er ist nachher — Niemandem zu Dank bei Leipzig von Napoleons Fahnen zu den siegreichen über

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*) Es liegt uns ein handschr. Bericht von der Hand Fischers, des Adjutanten von Lüßow (d. d. 21. Juni), vor, worin es nur heißt, man habe am 12. Juni die Reiter bei Plauen gesammelt; theils um Erkundigung über die Aechtheit des Waffenstillstandes einzuziehen, theils um auszuruhen, sei man bis zum 15. dort geblieben.

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