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rung, Anarchie zu predigen. Sie haben sich zu Aposteln aller Verbrechen gemacht....... In einem einzigen Tage habt ihr alle diese vatermörderischen Complote vereitelt. Ihr habt euch wohl verdient gemacht um das civilisirte Europa. Italien, Frankreich und Deutschland werden euch dafür Dank wiffen!"*)

Es bedurfte der Lügen und Schmähungen nicht, um die Welt zu überzeugen, daß er der Sieger war. Nach einer Niederlage, die ihres Gleichen nicht hatte, erglänzte noch einmal die verblaßte Glorie früherer Tage in frischen Farben. Dem Soldaten war sein Selbstvertrauen wiedergegeben, der Rheinbund noch auf einige Zeit fest gekittet, Sachsen beim Bunde festgehalten. Wohl war dieser Sieg theuer erkauft, ungeheure Opfer hatte er gekostet und doch war der Feind nicht einmal entschieden überwunden, nur ein Schlachtfeld war vorerst gewonnen, ein Schlachtfeld ohne Beute, ohne Gefangene, ohne Trophäen. Indeffen auch dies war nicht zuviel für den nächsten Erfolg. Eine Niederlage am 2. Mai hätte wahrscheinlich schon jezt eine gewaltige Katastrophe veranlaßt; der Sieg hielt die Schwankenden noch fest und gab die Mittel zu einem Kampfe, von dessen Art und Dauer freilich der 2. Mai eine erschreckende Probe aufwies.

Am Abend des Kampfes traf im verbündeten Hauptquartier die Nach richt ein, daß Bülow an diesem Lage Halle genommen habe. Der General war in den letzten Tagen des April, nachdem ihn Woronzof bei Magdeburg abgelöst, beschäftigt gewesen, den Elbübergang bei Roslau und die Straßen nach Berlin zu decken. Als der Entschluß zur Schlacht fest stand, hatte er von Wittgenstein den Befehl erhalten, eine Demonstration gegen Halle zu machen und den Angriff der Hauptarmee durch die Wegnahme dieses Ortes zu unterstüßen. Es lagen von Franzosen vier Bataillone, ein Detachement Reconvalescenten und 6 Geschüße in der Stadt und diese selbst war mit Mauern und Thoren versehen, welche die Vertheidigung erleichterten. Was Bülow am frühen Morgen des 2. Mai zum Angriff heranführte, betrug 5000 Mann und 24 Geschüße.**) Rasch waren die Vorstädte genommen, aber an den Thoren der inneren Stadt, die meistens verrammelt waren, entspann sich ein hartnäckiger und zweifelhafter Kampf. Der General scheint einen Augenblick daran gedacht zu haben, das Gefecht abzubrechen, allein seine Leute hatten sich mit solcher Hiße in den Kampf verbissen, daß es schwer gewesen wäre, den Befehl auszuführen. Namentlich am Galgthore hatte sich das heftigste Gefecht entsponnen. Das dritte Bataillon vom 3. ost

*) S. die angeführten Stellen bei Goujon Bulletins officiels II. 160. 162.

169. 175.

**) S. Militärwochenblatt 1835. S. 5464 ff. Prittwig II. 7 ff.

preußischen Regiment, unter Major von Uttenhoven, anfangs allein, dann noch von einem andern Bataillon unterstüßt, war hier troß des heftigen Feuers bis an das Thor vorgedrungen; ein paar Schwadronen westpreußischer Dragoner unter Obristlieutenant von Treskow zwangen die feindlichen Geschüße zum Rückzug, indessen Uttenhoven seine Leute mit dem Bajonnet stürmen ließ und zugleich mit dem Feinde in die Stadt kam. Auch durch zwei andere Thore waren um dieselbe Zeit die Preußen eingedrungen und vergebens suchten die Franzosen in einem hißigen Straßengefecht das verlorene Terrain wiederzugewinnen. Drei Stunden, nachdem der Angriff begonnen, hatte der Feind die Stadt geräumt. Ueber vierhundert Gefangene und andere Trophäen blieben in den Händen der Sieger. Das tapfere Bataillon, das am meisten zum Siege beigetragen, war an diesem Tage zum ersten Mal, und zwar durch einen Nachtmarsch ermüdet, ins Feuer gekommen. Seine Gewehre waren so schlecht, daß Viele sich erst im Gefecht vom Feinde beffere eroberten. Am Morgen noch ohne Tschakos und kalblederne Tornister equipirten sich die Tapferen mit der feindlichen Bekleidung und erschienen nach dem Siege mit französischen Tschakos und Tornistern.

Mit der Botschaft von diesem Siege kam am Abend der Schlacht zu gleich die andere in's Hauptquartier: daß Kleist, von Lauristons Uebermacht gedrängt, sich habe zurückziehen und Leipzig dem Feinde überlassen müssen. Ward die Schlacht am andern Tage erneuert, so konnte der französische Kaiser etwa 40,000 Mann frische Truppen in's Gefecht werfen; die Verbündeten hatten nur noch auf Miloradowitsch und 14 frische Bataillone russischer Garden zu rechnen. Zudem erklärte der Commandant der russischen Artillerie, Fürst Jachmil, es sei nicht mehr Munition genug vorhanden für eine zweite Schlacht. Es erwachte die Sorge, man könne eine wirkliche Niederlage erleiden und von der Elbe abgeschnitten werden. Im preußischen Lager zwar sprach sich offene Mißstimmung aus beim Gedanken an einen Rückzug, „fo viel Blut foll vergebens geflossen sein", rief der verwundete Blücher und zeigte Lust, noch in der Nacht die Franzosen zusammenzuhauen."*) Indessen

*) Es liegt uns ein handschr. Brief Blüchers an den König d. d. Colditz 4. Mai vor, worin es heißt: „Als ich am 3. in der Nacht vom vorliegenden Schlachtfeld zurückkehrte, fand ich zu meiner Verwunderung, da wir vom Feinde nichts zu befürchten zu haben schienen, bereits alle sowol russische als preußische Truppen abmarschirt der Feind, der in der Schlacht außerordentlich gelitten haben soll und der wie ein Besiegter sich betragen hat, wagte es nicht, uns zu verfolgen. Dies bestätigt die von allen Seiten eingegangenen Nachrichten, daß der Kaiser Napoleon bereits seine Anstalten zum Rückzug getroffen hatte. Den unwiderleglichsten Beweis dazu liefert aber der Umstand, daß gestern noch Halle von Bülow und Leipzig von den Truppen Kleists besetzt waren, und der Feind bis dahin noch keine Miene gemacht hatte, durch ein rasches Vordringen auf irgend einem Punkte unsere Communication zu unterbrechen.“

auch sehr muthige Männer haben wenigstens später den Rückzug für nothwendig gehalten; er ward nicht als eine Folge der Schlacht, sondern als eine Folge der feindlichen Ueberlegenheit angesehen. Der Feind hatte vielmehr selbst in der Nacht sich ein Stück weit zurückgezogen und wartete der Erneuerung des Kampfes am folgenden Tage. Wollte man nun, so urtheilt Clausewitz, gegen eine dreifache Ueberlegenheit der feindlichen Infanterie nicht das Lezte auf's Spiel sehen, so mußte man sich zurückziehen, um sich seinen Verstärkungen zu nähern, und mit so wenig Terrainverlust als möglich den Zeitpunkt der österreichischen Kriegserklärung herankommen laffer. Auch lag in der Art, wie der Rückzug geordnet und unverfolgt angetreten ward, ein beredtes Zeugniß für den Kampf, der vorausgegangen war.

In der ruhigen Betrachtung späterer Tage mochte man wohl mit Recht so urtheilen; aber jetzt unter dem unmittelbaren Eindruck der Kämpfe des denkwürdigen Tages war ein tiefer Unmuth wohl gerechtfertigt. Voll von Streitlust, zumal nach einer Heldenprobe, wie er sie eben abgelegt, konnte der preußische Soldat den Gedanken nicht faffen, daß er vor dem Feinde zurückweichen solle. Der König selbst theilte diese Stimmung. Ihn hatte die Schlacht mit froher Zuversicht erfüllt; er konnte nicht aufhören, die Bravheit seiner Truppen dankbar anzuerkennen. Er und seine Umgebung hatten sich in der festen Meinung zur Ruhe begeben, daß am andern Morgen das Treffen fortgesezt würde.") Wie peinlich war er überrascht, als noch in der Nacht Kaiser Alexander zu ihm kam, um ihn auf die Nothwendigkeit des Rückzugs vorzubereiten! Den sichtbar verlegenen Erörterungen des Czaren feste er anfangs die unverblümte Weigerung entgegen; „das kenne ich schon,“ sagte er voll Unmuth, wenn wir erst anfangen zu retiriren, so werden wir bei der Elbe nicht aufhören, sondern auch über die Weichsel gehen und auf diese Weise sehe ich mich schon wieder in Memel." Wie Alexander lebhafter ́in ihn drang, brach er das Gespräch in brüsker Weise ab und meinte, als der Kaiser sich entfernt: „das ist ja wie bei Auerstädt!" Zögernd gab er zuleht nach, ohne indessen seinen Verdruß über diese unerwartete Wendung zu verhehlen.

Entmuthigt waren freilich die Stimmungen nicht. Die Begeisterung im Heere und im Volke nährte sich an dem Heldenkampfe des 2. Mai und der patriotische Eifer ward unter dessen Eindruck eher höher gespannt, als gelähmt. Aber das schlichte Gefühl der Massen war doch auch nicht versucht, das Mißlingen des Tages von Großgörschen zu leicht zu nehmen und sich mit der Illusion eines glorreichen Sieges zu beruhigen, neben dem der vorübergehende Rückzug nicht viel zu bedeuten habe. Wie der König, so empfanden es Tausende mit ihm, daß ein kostbarer Moment unwiederbringlich verloren war. Die Hoffnungen auf eine rasche Erhebung der ganzen Nation waren

*) S. Henckel von Donnersmark, Erinnerungen S. 185 ff.

vorerst vereitelt; es blieb unser Verhängniß, auch in diesem glorreichen Augenblick unserer Wiedergeburt halbirt zu sein. Der Rheinbund blieb noch be stehen und fuhr fort, der fremden Tyrannei zu dienen. Jener frischen, hinreißenden Macht des öffentlichen Geistes, wie sie sich im Februar und März im Norden und Osten angekündigt, war vorerst nach Süden und Westen hin ein Damm entgegengestellt, den nur neue blutige Kämpfe erschüttern konnten. Nicht mit den Waffen allein, auch mit Concessionen mußten vielleicht die widerstrebenden Regierungen des Rheinbundes gewonnen werden; den kühnsten Hoffnungen auf eine vollständige Verjüngung der deutschen Dinge ward auf dem Lüßener Schlachtfelde die erste Beschränkung auferlegt. Dringender noch als vorher erschien jeßt Desterreichs Hülfe. Der russische Beistand hatte in dieser ersten furchtbaren Probe den Erwartungen, die man gehegt, nicht ent=" sprochen; das größte Verdienst, aber auch die größte Wucht des Kampfes lag auf Preußen; alles Hemmende und Störende, von Kutusows Oberbefehl an bis zu der fehlenden Munition herab, war von den Ruffen ausgegangen. So war Preußen in einen Krieg eingetreten, in dem ruhmvoll, aber vielleicht rettungslos die lezte Kraft der Nation sich verblutete, einen Krieg, den Rußland matt unterstüßte, dem Oesterreich unthätig zusah und in dem vierzehn Millionen Deutsche noch an der Seite des fremden Unterdrückers fochten.

Je düsterer diese Aussichten waren, desto mehr mußte das russische Bündniß geschont, der Anschluß Oesterreichs möglich erhalten werden. Das Erstere war nach dem Kampfe vom 2. Mai nicht leicht. Ein Gefühl des Unwillens über die russische Führung war in den Preußen nicht zu unterdrücken; einzelne Verkehrtheiten auf dem Rückzuge weckten es nur auf's Neue.*) Und doch mußte man diese vordringliche russische Leitung ertragen, mußte den gerechten Groll über die Kutusow und Wittgenstein in der Brust verschließen, damit nicht ein unzeitiger Zwiespalt das Bündniß gefährdete.

In zwei Colonnen erfolgte der Rückzug; die Preußen zogen über Borna, Coldig und Döbeln auf Meißen zu, die Russen über Frohburg und Rochlig nach Dresden. Am 6. und 7. Mai trafen beide an diesen beiden Elbübergängen ein. Man wollte sich nicht zu weit von Oesterreich entfernen und hoffte in dieser Richtung am ersten die Verstärkungen, die man erwartete (Barclay's und Sackens Corps), zu erreichen. Der Rückmarsch war so gut geordnet, die Reiterei so überlegen, daß es dem Feinde nicht gelang, ihn zu beunruhigen. Es kam wohl zu einzelnen hartnäckigen Gefechten bei Coldig, Esdorf, Wilsdruf und Keffelsdorf (5—8. Mai), allein die Energie, womit

*) In einem Schreiben d. d. Königsbrück 10. Mai, das uns vorliegt, beschwert fich z. B. Gneisenau über die Art, wie die Russen ihre Verbündeten als Arrièregarde gebrauchten und es ihnen überließen, in vorher ausgesogenen Gegenden sich ihre Subsistenz zu schaffen. „Das Blüchersche Corps würde so hinten vom Feinde gedrängt und an Lebensmitteln zugleich Noth leidend sich auflösen und verschwinden."

die Corps von York und Miloradowitsch Widerstand leisteten, ließ dem Feinde keinen Vortheil; die Elbe ward ohne Hinderniß überschritten und die Uebergänge zerstört, so daß der Feind außer Stande war, rasch zu folgen.

Zunächst entschied sich jetzt das Schicksal Sachfens. Wir erinnern uns, wie Friedrich August, als Preußzen ihn zum offenen Bunde einlud, um die Gefahren, aber auch die Ehre der deutschen Sache zu theilen, den Beitritt ausschlug. Er suchte eine Anlehnung an Oesterreich und deffen bewaffnete Vermittlung. Zu Ende April faß General Langenau in Wien, um gemeinfame Schritte zu verabreden; der König war indeffen nach Prag gegangen. Die Forderungen Napoleons wurden nun ebenso abgelehnt, wie früher die Anträge der Verbündeten. An den König von Preußen schrieb Friedrich August (29. April), er habe sich den Maßregeln Oesterreichs und dessen bewaffneter Vermittlung völlig angeschloffen. Ein drohendes Gebot Napoleons, sich offen zu erklären, wenn er nicht Alles verlieren wolle, schien keinen Eindruck zu machen; vielmehr ward noch am 5. Mai an Thielmann die Weisung gegeben: Torgau den Franzosen nicht zu öffnen, auch wenn die Kriegsereignisse Napoleon an die Elbe zurückführen sollten. Indessen war aber die Ent fcheidung von Großgörschen gefallen. Am 6. Mai kam der französische Gefandte mit der Siegesnachricht und zugleich mit dem Befehle nach Prag, der König habe sich ohne Verzug an Frankreich anzuschließen. Spätere Boten drangen darauf, daß Torgau augenblicklich geöffnet, die sächsische Armee mit der französischen vereinigt werde; wenn nicht binnen sechs Stunden die Entscheidung erfolge, habe der König das Schlimmste zu gewärtigen. Von der Siegesbotschaft überwältigt, von Oesterreich rathlos gelassen, ohne irgend einen Mann von Muth und Character an der Seite, versprach der schwache König ungefäumte Rückkehr, um dem fremden Herrn seine Truppen und seine Schäße zur Verfügung zu stellen. Er überließ es seinen schwer compromittirten Unterhändlern und Feldherren, zu sehen, wie sie sich vor Napoleons Rache schüt ten. Thielmann, der die Erbitterung des Imperators am meisten erregt, fuchte preußische Dienste; Langenau und Senfft-Pilfach gingen in österreichische.")

Indessen hatte sich Napoleon (8. Mai) der sächsischen Hauptstadt ge= nähert; der Deputation, die ihm entgegengeschickt ward, hielt er im herben Tone des Gebieters die Sympathien vor, welche die Bevölkerung für die Sache des deutschen Vaterlandes an den Tag gelegt. Ihr verdientet, daß

*) Am 10. Mai hatte Thielmann (wahrscheinlich an Kleist) geschrieben: „Ich bin destituirt, der König von Sachsen hat auf eigne Hand, ohne aller seiner Diener Wissen, seinen Frieden mit Frankreich gemacht. Wäre es Zeit, daß Sie binnen hier und wenig Stunden kommen könnten, so würde ich Ihnen noch die Festung zu übergeben im Stande sein, aber man hat mich so gefaßt, daß ich nichts mehr thun kann. Können Sie nicht kommen, so ist Alles verloren. Die Generale find gegen mich ich verlasse Armee, Vaterland, Alles, und flüchte zu Ihnen, um mit Ihnen zu sterben." S. Allg. Zeit. 1858 Beil. 202.

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