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zugehen, als Napoleon es sich gefallen lassen mußte. Dabei rechnete er darauf, daß alle Deutschen sich erheben würden, sobald Napoleon die Fürsten nicht mehr zwingen könnte, seine Vasallen zu sein. Kaiser Alexander ließ sich in Kalisch für diesen Plan gewinnen und gab Zusagen, daß alsbald die Bewegung nach der Elbe beginnen sollte; allein nach Scharnhorsts Entfernung blieb Kutusow wieder dabei, daß „die Hauptarmee einstweilen noch als allgemeine Reserve bei Kalisch stehen bleiben sollte." Bis in die erste Woche des April verweilte er dort in aller Ruhe. Es scheint in der That, als sei die alle Erwartung übertreffende Schwäche der russischen Macht, vielleicht auch die Sorge vor ruffenfeindlichen Regungen in Polen der Hauptgrund dieses Verfahrens gewesen und als hätten die Ruffen nur eben gethan, wozu die Umstände sie zwangen. Gewiß ist freilich, daß auch bei günstigeren Verhältnissen Kutusows Ansicht und Wille allem dem widerstrebte, was auf deutscher Seite als Zweck und Mittel des großen Krieges betrachtet ward.*)

Jetzt begann erst (gegen Ende März) die Bewegung nach der Elbe, wo der Vicekönig von Italien, auf Magdeburg gestüßt, den Strom deckte, bis Napoleon selbst heraukam. Von Polen und Schlesien rückten Kutusow und Blücher nach der fächsischen Hauptstadt heran, aus der Mark Wittgenstein, um die Elbe zu überschreiten und nach Sachsen vorzudringen.**) Die Franzesen hatten die Flußübergänge; Wittenberg und Magdeburg waren in ihren Händen. Es ließ sich erwarten, daß sie das feindliche Heer nicht ruhig würden den Strom paffiren lassen. In der That kam es nicht weit von der Elbe, bei Möckern, zum heftigen Zusammenstoß, dem ersten, womit auf diesem Kriegsschauplatz der große Kampf eröffnet worden ist.

Der Vicekönig ging von Magdeburg mit den Corps von Grenier und Lauriston am 2. April auf das rechte Ufer der Elbe. Er nahm eine Stellung zwischen Burg und Gommern, welche die Straße von Magdeburg nach Möckern durchschnitt; der Mittelpunkt seiner Linie war an dieser Straße bei Königsborn und Nedlit. Seine Aufstellung war in der Front durch die Ehle gedeckt, ein Flüßchen, das weder breit noch tief ist, aber durch seine morastigen Ufer den Uebergang erschwert. Auch die ganze Umgebung ist mit vielen Gräben durchschnitten.***) Die Franzosen zählten 37,000 Mann, von Wittgensteins Corps waren etwas über 20,000 Mann herangekommen, nämlich

*) S. Müffling, Aus meinem Leben S. 31. 32. Toll S. 411. 412. Ueber die russische Schwäche s. Clausewitz VII. 266. 267.

**) Wie man im Hauptquartier über Wittgensteins Bewegungen unzufrieden war und es offen aussprach, daß eine Vorwärtsbewegung des Hauptheeres nutzlos sei, s. bei Toll II. 423. 424. Ebenda ist auch eine Denkschrift Tolls vom 9. April mitgetheilt, woraus hervorgeht, welch wunderliche Nachrichten und Vorstellungen über die Operationen des Feindes dort cursirten.

***) S. preuß. Militärwochenblatt 1833 S. 4975, wo sich eine ausführliche Beschreibung des Gefechts bei Danigkow findet.

nahezu 6000 unter York, ungefähr die gleiche Zahl von Bülows und Borstells Truppen und 8000 Ruffen unter Berg.*) Wittgenstein traf rasch die Anstalten zum Angriff, als er am Morgen des 5. April erfuhr, der Feind wolle sich gegen Magdeburg zurückziehen. Bülow und Borstell sollten gegen Zehdenik, York gegen Gommern, Berg in gleicher Richtung zu Yorks Unterstüßung aufbrechen.

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Yorks Avantgarde zwei Bataillone des ersten ostpreußischen Regiments, zwei Schwadronen von den Leibhusaren, das zweite Dragonerregiment, 1 Pulk Kosaken und eine reitende Batterie war bereits am Abend zuvor gegen Leißkau vorgerückt; sie führte jest um Mittag (5. April) General Hünerbein auf der Straße gegen Gommern vor. Bei Danigkow entspann sich das Gefecht; die französische Cavallerie und die Tirailleurs wurden geworfen, aber im Dorfe fanden die Preußen hartnäckigeren Widerstand. Zweimal griffen fie die große Straße und Brücke erfolglos an; erst eine dritte Attake, energisch mit dem Bajonnet auf die Brücke unternommen, während die Tirailleurs durch die Ehle wateten, überwältigte den Feind, der sich nach preußischem Zeugniß mit vieler Bravour schlug. Das Gefecht hatte vier Stunden gedauert, bis der Feind zum Weichen kam; jezt langte auch York mit dem Gros seiner Truppen an und besetzte das eroberte Dorf mit frischen Bataillonen.

Indessen war nicht weniger heftig eine Strecke nordwärts bei Vehliz gefochten worden.**) General Borstell, dessen Colonne aus dem pommerschen Grenadierbataillon, zwei Bataillonen des ersten pommerschen Regiments, den Füsilieren des vierten ostpreußischen, dem Regiment Königin - Dragoner und anderthalb Batterien bestand, war in den Nachmittagsstunden von Zeppernik aufgebrochen, um auf die linke Flanke und den Rücken der französischen Aufstellung, die York angriff, zu operiren. Die Kanonade, die immer stärker zu seiner Linken von Danigkow her ertönte, beschleunigte seinen Marsch; er fandte die Dragoner und einen Theil des Geschüßes im Trab gegen Vehliz vor. Das Dorf war vom Feinde stark besezt und wurde, als Borstells Reiter und Geschütze ankamen, eben von der russischen Reservedivision Bergs lebhaft beschoffen. Die Kanonade hatte eine Zeit lang gedauert, bis die Infanterie herankam und von York der Befehl eintraf, anzugreifen. Borstell richtete die ostpreußischen Füsiliere und die pommerschen Grenadiere gegen die linke Seite des Dorfes, zwei Bataillone von dem pommerschen Regiment gegen die rechte. Berg diente als Reserve und unterstüßte den Angriff zur Linken, eine Reiterabtheilung unterhielt gegen Zehdenik hin die Verbindung mit Bülow. Der Angriff war schwierig; die Ehle ist hier 4-5 Fuß tief und zwanzig breit, die einzige Brücke bei Vehliz lag im Bereich der feindlichen

*) S. Prittwiß, Beiträge I. 337.

**) S. außer dem Militärwochenbl. 1833 S. 4978 ff. Mach, Gesch. des k. pr. zweiten Infanterieregiments 1843 S. 230 ff.

Geschüße, das Terrain ringsum war fumpfig und durchschnitten, nur ein Damm in der Nähe des Dorfes konnte mit Geschütz befahren werden. Die ostpreußischen Füsiliere gingen aber, troß des mörderischen Feuers der Feinde, muthig durch den Fluß; ein Theil drang mit dem Bajonnet auf vier feindliche Kanonen ein, von denen rasch zwei auf eine sinnreiche Weise vernagelt wurden, indem die Füsiliere ihre Bajonnete in die Zündlöcher stießen und abbrachen. Das zweite pommersche Bataillon ging indessen in ganzer Fronte durch den Fluß; kaum jenseits angelangt, ward es von einem Schwarın Reiter empfangen, der 800-1000 Mann stark in vollem Rennen auf die preuzische Flanke anstürmte. Die braven Pommern formirten sich augenblicklich in ein Viereck, ließen die Reiter herankommen und begrüßten sie auf eine Entfernung von vierzig bis funfzig Schritt mit einer wohlgezielten Salve. Die preußischen Dragoner und die Russen zersprengten dann vollends die feindliche Reiterschaar. Das Dorf ward vom Feinde in voller Flucht verlassen. Jezt hatte auch das erste pommersche Bataillon den Fluß durchwatet, war in das Dorf vorgedrungen und setzte sich gegen den nahen Windmühlenberg in Bewegung, der vom Feinde noch stark besetzt war. Zugleich drängten die Füsiliere, die links vom Dorfe den Fluß durchschritten, nach dieser Höhe; ein lehter hartnickiger Kampf zwang den Feind auch hier zum Weichen.

Indessen hatte auch Bülow bei Zehdenik ein ruhmvolles Gefecht geliefert. Er war mit 5 Bataillonen, 8 Schwadronen und 3 Batterien am frühen Morgen aufgebrochen und hatte den General von Oppen mit dem Leibhujarenregiment bis Hohenziaz vorgeschoben. Oppen war nach alter Ritterfitte von seinem Landgute Siede bei Berlinchen zu Pferde aufgebrochen und kam mit einem halbmilitärischen Ucberrocke und einer Müße bekleidet, einen breiten Säbel umgeschnallt am 20. März in Bülows Lager. Der hieß ihn als alten Bekannten herzlich willkommen. Da haben wir einen bekommen," fagte er nachher zu seiner Umgebung, „der das Einhauen liebt und alle Tage einhauen wird."*) Er sollte jetzt eine Probe davon liefern. Er war gegen Möckern und Zehdenik vorgegangen und stieß hier auf eine ansehnliche feindliche Colonne, die 3 Bataillone und 1200 Pferde nebst einer Batterie stark hinter einem breiten Graben aufgestellt war. Oppen fandte an Bülow, er möge ihm das Dragonerregiment, das aus dem litthauischen und zweiten westpreußischen combinirt war, zur Unterstüßung senden. Mittlerweile hielten die Husaren mit großer Kaltblütigkeit das feindliche Feuer aus. Die Sonne war eben am Untergehen, als die Verstärkung eintraf. In vollem Trabe ging Major von Platen, der „tolle" Platen, mit den Dragonern zum Angriff, die Husaren folgten, nur eine Schwadron blieb zur Deckung der Geschüße zurück. Der Feind, im Vertrauen auf den breiten Graben, wartete den Angriff ab; Platen seßte aber rasch hinüber mit dem Rufe: „das Regi

*) Prittwit I. 294. Vgl. 343,

ment mir folgen", die andern folgten, wie es eben gehen wollte. Nach kurzem Handgemenge wurde die feindliche Cavallerie zersprengt, viele niedergehauen, ungefähr 100 Mann gefangen.*)

Wir durften uns wohl gestatten, den Verlauf dieses Treffens etwas ausführlicher, als es im Plane unserer Darstellung liegt, zu erzählen. Es war, neben dem Gefechte von Lüneburg, das drei Tage vorher Dörnberg gewonnen, die erste namhafte Waffenthat des großen Krieges von 1813. Das neue preußische Heer hatte hier seine erste glorreiche Bluttaufe empfangen. Fast nur die Preußen nahmen an dem Kampfe Theil; ihre stürmische Bravour warf an drei Stellen einen überlegenen Feind zurück, nahm ihm Trophäen und gegen tausend Gefangene ab und zwang ihn zum Rückzug über die Elbe. Auf allen Seiten machte diese erste Begegnung tiefen Eindruck. Die Franzosen waren betroffen von dieser überwältigenden Energie der Gegner, den Russen imponirte sie, in Preußen selbst und den benachbarten westfälischen Gebieten erhoben sich die patriotischen Hoffnungen an diesem ersten glänzenden Probestück.

Unmittelbar große Vortheile aus dem Erfolg bei Möckern zu ziehen, gestattete die ganze Lage nicht. Noch lagen Spandau, Magdeburg, Wittenberg und Torgau im Rücken; die Masse der Streitkräfte, die von Osten her erwartet wurden, stand entweder noch mit Kutusow bei Kalisch oder war durch dessen Saumseligkeit an rascherem Vordringen gehindert. Selbst wenn Blücher mit seinem Corps schneller herankam und sich mit Wittgenstein vereinigte, war es nicht rathsam, ohne die Ankunft der übrigen Streitkräfte zu Angriffsoperationen zu schreiten.**) Es war für die Verhältnisse Kühnheit genug, daß Wittgenstein, während Bülow und Borstell bei Magdeburg, Kleist vor Wittenberg blieb, mit Yorks und Bergs Truppen bei Roslau die Elbe überschritt (8. bis 10. April) und bei Köthen und Deffau eine Stellung nahm.

Es war dabei freilich mehr auf moralische Erfolge, als auf weitere Unternehmungen abgesehen. So lange das russische Hauptheer noch nicht einmal Dresden erreicht hatte, durfte eine Armee von 30,000 Mann, die im Rücken mehrere Festungen und sich gegenüber einen überlegenen Feind hatte, nicht allzuviel auf eigene Hand wagen. Aber vielleicht war auf die Volks stimmung in Sachsen und Westfalen zu wirken und die schwankenden Zustände dort zu einer klaren Entscheidung zu bringen. Möglich auch, daß die sächsische Armee in Torgau sich bei der Annäherung des verbündeten Heeres für die deutsche Sache erhob, oder das jüngst erst rasch befestigte und von den Franzosen besetzte Wittenberg unter dem Eindruck der legten Erfolge

*) S. außer dem oben angeführten Militärwochenbl. 1846 S. 132 und 1847 S. 3-4.

**) S. die Bemerkungen von Clausewitz VII. 263 f.

seine Thore öffnete. Diese Umstände wurden mit in Betrachtung gezogen, als jest Kleist mit 5000 Mann Preußen und 2000 Russen, also mit sehr mäßigen Kräften, einen Angriff auf Wittenberg machte (17. April); er fand heftigeren Widerstand, als er erwartet, und der Versuch ward abgeschlagen. Dagegen lieferte der Festungskrieg auf den weiter rückwärts liegenden Gebieten manch erwünschten Zuwachs. Am 4. April waren Ezenstochau und Thorn gefallen; damit wurden Sackens und Barclays Truppen für die späteren Kämpfe verwendbar. Am 27. April fiel auch Spandau und machte Thümens Brigade frei. Schon vorher war eine russische Colonne unter Woronzof, die vor Küstrin abgelöst worden, an der Elbe angelangt, eine andere traf bei Wittenberg ein. So konnte Wittgenstein wenigstens die Corps von Bülow und Kleist auf das linke Ufer der Elbe an sich heranziehen. In der Stärke von ungefähr 30,000 Mann stand er in den letzten Tagen des April auf der Linie von Köthen nach Halle und Leipzig und sah der Vereinigung mit Blücher entgegen.

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An der obern Elbe hätten die Verbündeten mit größerer Raschheit im März leicht Meister werden können, aber Kutusows Zaudern gab dem Feinde Zeit, die dringendste Gefahr abzuwenden. In der zweiten Woche des März standen nur etwa 5000 Mann bei Dresden vereinigt, mit denen General Reynier aus der Lausiß nach der Elbe zurückgewichen war. Es waren ge= mischte Truppen, meistens Sachsen, Baiern und Würzburger, deren Sympathie für den Bonaparte'schen Dienst wenigstens zum Theil erschüttert war. Auch in der Bevölkerung regte sich der Widerwille gegen die fremden Gebieter; als Reynier Anstalten traf, einen Pfeiler der Elbbrücke zu unterminiren, entstand in der fächsischen Hauptstadt eine kleine Emeute; das Volk unterbrach die Arbeiten, insultirte französische Officiere und drängte in Masse mit dem Rufe die Franzosen fort!" vor Reyniers Wohnung.") Der General hatte die Mittel nicht, solche Ausbrüche mit der rechten Strenge zu unterdrücken und zu strafen. Erst wie Davoust am 13. März mit Verstärkungen eintraf, welche die Dresdener Besaßung auf 12,000 Mann brachten, kehrte Alles ins gewohnte Geleis zurück. Einzelne Anwandlungen eines Widerstandes schüchterte der Marschall durch Martialgeseße ein, für deren rücksichtslose Vollziehung schon Davousts Name Bürge war. Jeßt endlich näherte sich die Vorhut der östlichen Streitkräfte, etwa zehntausend Mann, meistens Reiterei, die Winzingerode führte; am 18. März streiften die ersten Kosaken am rechten Ufer der Elbe. Davoust war vom Vicekönig angewiesen, Dresden gegen überlegene Streitkräfte nicht zu vertheidigen, nur die Flußübergänge zu zerstören: Ohne Säumen ließ daher der Marschall, als die Ankunft des Feindes sich ankündigte, am andern Tage zwei Bogen der Elbbrücke sprengen, ohne daß der stille Groll der Bevölkerung es diesmal gewagt hätte, dem

*) S. After, Schilderung der Kriegsereignisse in und vor Dresden. 1844. S. 21 f.

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