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zuexperimentieren. Vor allem legte er an die Grundlagen des Wehrsystems Hand an.

Den Truppen wurde im allgemeinen die alte erprobte und eingewöhnte Organisation wieder gegeben, die Mack gerade vor dem letzten Feldzug durch sein Reformprojekt ersetzt hatte. Nur machten die großen Gebietsverluste einige Reduktionen erforderlich. So wurde bei den ungarischen Regimentern die 4. Bataillone reduziert und auch sie zu 3 Bataillonen à 6 Kompagnien organisiert, das Tiroler Feldjägerregiment, dessen Ergänzungsbezirk an Bayern abgetreten werden mußte, wurde in 9 selbständige Divisionen aufgelöst, die im Kriegsfalle den Stamm zu ebensoviel Bataillonen abgeben sollten, ebenso die beiden Garnisonsregimenter in 4 selbständige Garnisonsbataillone; auch sämtliche Freikorps verfielen der Auflösung.

Hingegen wurden die Grenzregimenter durch Errichtung von je 1 Reserve bataillon zu 4 bis 6 Kompagnien, die Regimenter der kroatischen und Banater Militärgrenze außerdem durch 1 Landesbataillon zu 6 Kompagnien verstärkt und die Pioniere, in 9 selbständige Divisionen à 2 Kompagnien gegliedert, nunmehr auch im Frieden beibehalten. Die Zahl und Gattung der Formationen ist in der Tabelle auf Seite 1074 und 1075 ersichtlich.

Die Armee hatte einen Friedensstand von 313.500 Mann und 37.500 Pferden.

Dieser Friedensstand von mehr als 1.3% der Bevölkerung erscheint für moderne Begriffe freilich geradezu erschreckend hoch. Aber damals war man diesbezüglich weniger wehleidig. Friedensstände von 1 bis 11⁄2 vom Hundert der Bevölkerung waren damals etwas ganz Gewöhnliches, das kleine Preußen Friedrichs des Großen hielt sogar ständig mehr als 2 vom Hundert der Bewohnerzahl unter Waffen. Heute erreichen, beziehungsweise übertreffen nur das Deutsche Reich und Frankreich den Prozentsatz von 1 vom Hundert der Bevölkerung beim Friedensstande ihrer Heere.

Selbstverständlich erforderte der Unterhalt einer so bedeutenden Streitmacht auch ansehnliche Geldsummen. Während heute in den europäischen Militärstaaten im allgemeinen 20 bis 25% der Staatseinkünfte, in Österreich-Ungarn wenig mehr als 12% derselben, für Wehrauslagen verwendet wurden, opferte man damals in Österreich unbedenklich die Hälfte der Staatseinkünfte für Wehrzwecke. Aber auch das war damals ganz etwas Gewöhnliches.

Um die Wehrmacht der Monarchie trotz der Unmöglichkeit, neue Truppenkörper aufzustellen, ausgestalten zu können, schlug Erzherzog Karl einen ganz neuen Weg ein. Entgegen den bisherigen Anschauungen sollte das Heer nicht der alleinige Repräsentant der Wehrkraft des Staates sein, sondern gewissermaßen nur deren Stamm. Durch allerhand Aushilfen sollte ein System von Reserven und milizartiger Formationen geschaffen werden, welche es ermöglichten, ohne die militärischen Lasten für die Bevölkerung im Frieden ansehnlich zu steigern, dennoch einen Kriegsstand von über 700.000 Mann aufzubringen.

Erzherzog Karl ging hierbei in folgender Art vor, seine Maßnahmen der Eigenart des Wehrgesetzes der einzelnen Staatsteile anpassend:

Innerhalb der konskribierten Provinzen blieben sämtliche der Konskription unterworfenen Leute von ihrem 18. bis zu ihrem 40. Lebensjahr aushebungspflichtig und konnten, auch wenn sie nicht ausgehoben worden waren, jederzeit zum Dienst herangezogen werden. Aus diesen Leuten bildete Erzherzog Karl bei den Infanterie- und Kavallerieregimentern der erbländischen Provinzen und Galiziens eine sogenannte »Reserve", welche sich teilweise mit den heutigen Begriffen der Reserve, teilweise mit jenem der Ersatzreserve deckte. In die sogenannte erste Reserve kamen Leute, welche einige Zeit gedient hatten, aber aus irgend welchen Gründen vorzeitig entlassen wurden. Diese war im Verein mit den Urlaubern und Ergänzungsrekruten zur Komplettierung der Regimenter auf den Kriegsstand und zur Abgabe von Kaders für Neuformationen, Freiwilligenkorps und die neu zu schaffende Landwehr bestimmt. Ihre Stärke betrug bei der Infanterie rund 60.000, bei der Kavallerie 3000 Mann. Die sogenannte »zweite Reserve bestand aus jenen Leuten, die nicht zur langen Dienstzeit herangezogen worden waren. Die ihr Angehörigen wurden auf 4 Wochen zur Ausbildung einberufen und sollten dann jährlich eine dreiwöchige Waffenübung mitmachen. Diese über 70.000 Mann starke zweite Reserve war vornehmlich zur Bildung der Depot-(Ersatz-)divisionen, beziehungsweise später Depotbataillone bestimmt und ist also mit der heutigen Ersatzreserve identisch. So hatte der Erzherzog-Generalissimus, seiner Zeit vorausgreifend und weit über das altpreußische System der Überkompletten und Überüberkompletten hinausgehend, sich eine Reserve von über 130.000 Mann ganz oder teilweise ausgebildeter Leute gesichert, von welcher auf jedes

sogenannte deutsche Regiment ca. 1300 Mann »erste Reserve « und 1600 Mann »zweite Reserve«, auf jedes schwere Kavallerieregiment 60, auf jedes leichte deutsche Kavallerieregiment 96 Mann Reserve entfielen.

Die Konskription brachte jedoch nur einen Teil der wehrfähigen Bevölkerung der konskribierten Provinzen unter die Waffen. Die zahlreichen, von der Konskription Befreiten, konnten ein zahlreiches Material wehrhafter und besonders auch intelligenter Leute für die Verteidigung des Vaterlandes zur Verfügung stellen. Um die Kräfte auszunützen, wurde im Jahre 1808 in den konskribierten Provinzen mit Ausnahme Galiziens die Institution der Landwehr eingeführt. Ihr hatten alle wehrfähigen Leute, ohne Unterschied des Standes vom 18. bis zum 42. Lebensjahr anzugehören. Die Landwehr durfte sich ihre Offiziere zum Teil selbst wählen, doch mußte diese Wahl vom Kaiser bestätigt werden. Alle Kommandanten wurden ernannt. Die Landwehroffiziere waren teilweise nichtaktive oder pensionierte Offiziere des Berufsstandes, teilweise. hiefür geeignete Beamte, Standesherren u. dgl. Auch ein kleiner Bruchteil aktiver Offiziere wurde in die Landwehr eingeteilt. Ihre Unteroffiziere waren ehemalige aktive Unteroffiziere oder Soldaten der ersten Reserve. Die Wehrleute hatten jeden Sonntag in ihrer Zugstation im Zuge oder Halbzuge, einmal monatlich in der Kompagniestation in der Kompagnie zu exerzieren. Auch das Schießen sollte gepflegt und jährlich eine dreiwöchige Lagerübung im Bataillonsverbande durchgemacht werden. Die Landwehr hatte in den obgenannten. Provinzen 152.000 Mann in ihren Listen, welche in 150 Bataillone zu 4 bis 7 Kompagnien formiert waren. So war Erzherzog Karl auch hier seiner Zeit vorausgeeilt. Diese Landwehr, welche wohl eher mit dem heutigen Landsturm als mit der heutigen österreichischen oder ungarischen Landwehr verglichen werden kann, hatte ihre Feuertaufe bereits empfangen, bevor man in Preußen, welchem auf diesem Gebiete meistens die Priorität zugeschrieben wird, an die Errichtung der Landwehr schritt.

Galizien, das noch nicht lange der Monarchie angehörte und auf welches sich die allgemeine Kriegsbegeisterung weniger erstreckt hatte, wurde der Landwehrinstitution nicht unterworfen. Hier begnügte man sich mit der Heranziehung einer größeren Anzahl Rekruten im Kriegsfalle, von welchen auch Aushilfen an nicht galizische Regimenter abgegeben wurden.

Ungarn, welches der Konskription nicht unterworfen war und dessen Truppen sich durch freie Werbungen ergänzten, konnte natürlich ebenfalls nicht zur Bildung der Landwehr herangezogen, auch die Institution der Reserve nicht aut dasselbe ausgedehnt werden. Die Ergänzung der ungarischen Truppen unterlag infolge der Freiwerbung und der Abneigung der Bevölkerung gegen den Waffendienst, speziell gegen jenen bei der Infanterie, überhaupt immer großen Schwierigkeiten. Die Reihen der ungarischen Regimenter waren daher im Frieden nie vollzählig. Besonders die Infanterieregimenter wiesen große Lücken auf. Um die Reihen der ungarischen Regimenter von Zeit zu Zeit oder aber vor Beginn eines Krieges zu komplettieren, wurden daher vom ungarischen Reichstage ausnahmsweise Rekrutenaushebungen angefordert. Diese Aushebung wurde vom Reichstage auf die einzelnen Komitate repartiert. Die Komitate benützten dann diese Gelegenheit, um sich aller unbequemen und gefährlichen Ele

zu entledigen; die Komitatsgefängnisse wurden entleert, Razzias auf Landstreicher, Betyáren und Zigeuner veranstaltet und alle übel Beleumundeten, alle Rauf- und Trunkenbolde aufgehoben und unter die Soldaten gesteckt. Es ist bezeichnend für die heute so viel bejammernde Disziplin der damaligen Zeit, daß es ihr gelang, selbst aus solchem Material nicht nur brauchbare Soldaten, sondern in der Folge sogar nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft zu machen.

An die Stelle der Landwehr hatte in Ungarn auch weiterhin die noch verfassungsgemäße Insurrektion zu treten.

Auch das Gebiet der Militärgrenze war der Landwehrinstitution nicht unterworfen. Aber hier war ohnedies jeder Mann Soldat, eigentlich sogar die Weiber und die Kinder. Die Militärgrenze stellte daher auch ein gewaltiges Kontingent von Kämpfern ins Feld. Außer den eigentlichen Feldbataillonen à 1400 Mann stellte jedes Regiment nach dem neuen Grenzstatut von 1807 noch ein Reservebataillon und jedes kroatisch-slawonische oder Banater Regiment noch ein Landesbataillon von ungefähr gleicher Stärke und einer Sereschanerdivision ins Feld. War der Regimentsbezirk bedroht, so konnten auch noch die Populace (Landsturm) etwa 1500 Mann pro Regimentsbezirk und zum Train und Arbeitsdienst sogar Greise, Weiber und Kinder aufgeboten werden. Im Laufe des Krieges von 1809 traten sämtliche Bataillone und Aufgebote der Militärgrenze teils innerhalb, teils außerhalb ihrer Gebiete in Aktion.

Grenztruppen

Artillerie

Extrakorps

Infanterie

Gattung der

Truppe

Das Ergebnis all dieser organisatorischen Arbeiten war schließlich tatsächlich ein Aufgebot von über 700.000 Mann im Kriege.

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