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werden, daß er sich so hartherzig gegen den verdienten Glaubensgenossen verhielt. So macht denn Lauze den Versuch, Hartmuths Ueberzeugungstreue zu verdächtigen, indem er behauptet, der Landgraf habe sich erst dann zu einer Versöhnung herbeigelassen, als Hartmuth sich so gestellt habe, als ob er „dem Evangelium heftig geneigt sei". Und auch der Landgraf, der doch durch Bucer ganz genau wußte, wie die Sachen standen, hat indirekt eine ganz ähnliche Beschuldigung gegen Hartmuth erhoben, indem er diesen noch am Tage vor Abschluß des Restitutionsvertrages einen Revers unterschreiben ließ mit der Verpflich= tung, die evangelische Religion in Kronberg aufrecht zu erhalten. Wenn eine solche äußerliche Bindung bei irgend Jemand überflüssig war, so war sie es sicherlich bei Hartmuth, der sich laut Bucers Zeugnis noch im Jahre 1540 auf dem Reichstag in Hagenau durch eifriges Eintreten für das Evangelium „mancherlei Ungnade" zugezogen hatte! Daß Hartmuth es nicht nötig hatte, Eifer für die Reformation zu heucheln, dafür legen ebensowohl seine Schriften wie sein ganzes Leben unwiderlegliches Zeugnis ab. Allerdings drängt sich die aktive Wirksamkeit Hartmuths für die Reformation in eine relativ kurze Zeit zusammen. Aber lehrte ihn denn auch die „schwer Not der Zeit" auf die öffentliche Vertretung seiner Ideale verzichten, im Herzen blieb er ihnen nicht minder getreu wie früher.

Wie schon kurz erwähnt, ist Hartmuth wahrscheinlich durch den Sickingenschen Kreis der Reformation zugeführt worden. Auf dem Feldzuge gegen Herzog Ulrich von Württemberg, der den engen Freundschaftsbund zwischen Sickingen und Hutten knüpfte (1519), und dann später im Feldlager bei Höchst, wo sich der rheinische Adel und die ritterlichen Herren aus der Umgebung von Frankfurt in hoher patriotischer Begeisterung für die Kaiserwahl von Maximilians Enkel Karl zusammengefunden, wurde jedenfalls auch die nähere Bekanntschaft zwischen Hartmuth und Hutten geschlossen. Als der lettere dann später auf Landstuhl den Schloßherrn für wissenschaftliche, religiöse und patriotische Fragen zu gewinnen verstand, mag auch Hartmuth von Kronberg häufig an ihren Gesprächen teilgenommen haben. Allerdings war damals Hutten noch in der Umwandlung vom reinen Humanisten

zum religiös- nationalen Reformator begriffen und sein Einfluß auf Sickingen kam in erster Linie Reuchlin, nicht Luther zu gute. Aber daß schon damals auch das Interesse für Luthers Bestrebungen sich bei Sickingen und seinen Freunden regte, bezeugen die wiederholten Einladungen, die zuerst von Landstuhl und später von der Ebernburg aus an den kühnen Wittenberger Mönch ergingen. Die Anteilnahme Hartmuths an den Reformbestrebungen Luthers hat also wohl ebenfalls hier ihren Ursprung; für die humanistischen Fragen dagegen, die Hutten in den neuen Freundeskreis hineingetragen, hat sich Hartmuth offenbar nicht sonderlich zu erwärmen vermocht, soweit sie nicht in die religiös-politischen Streitpunkte direkt eingriffen.

Man würde nämlich durchaus fehlgehen, wollte man den Anschluß Hartmuths an den Ideenkreis der Reformation auf eine humanistische Vorbildung desselben zurückführen.) Von einer solchen findet sich keine Spur. Es ist von vornherein unwahrscheinlich, daß Hartmuths ritterliche Erziehung am pfalzgräflichen Hofe von der allgemein üblichen abgewichen wäre. Daß bei dieser aber kein Raum für gelehrte Studien zu bleiben pflegte, ist be= kannt. Aber auch Hartmuths Leben und Schriften geben keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß er eine Ausnahme von der allgemeinen Regel gemacht habe. Wohl versteht sich Hartmuth recht gewandt mit der Feder auszudrücken und er zeigt ein lebhafteres Interesse an allgemein wichtigen Fragen verschiedener Art, als dies bei den meisten Standesgenossen der Fall war; ebenso darf wohl angenommen werden, daß er sich auch früher schon mit religiösen. Dingen, namentlich dem Studium der Bibel, beschäftigt habe. Darüber hinaus aber fehlt es an Anhaltspunkten für eine umfaffendere Vorbildung Hartmuths durchaus. In den Listen der Anhänger Reuchlins suchen wir seinen Namen vergeblich. Die historischen Kenntnisse, die Hartmuth ab und zu zeigt, sind nicht sehr tiefgründiger Natur und lassen sich durchaus zwanglos auf den Verkehr mit der humanistisch gebildeten Umgebung Sickingens oder auf die Lektüre der gleichzeitigen Litteratur zurückführen. Die Schulung strenger Logik, gedrungener Ausdrucksweise, übersichtlicher Gliederung seiner Sendschreiben, kurz alle litterarischen Qualitäten muß sich Hartmuth erst nach und nach erwerben;

durch Uebung gelingt ihm dies auch im Laufe seiner öffentlichen Thätigkeit so ziemlich; wäre er aber humanistisch gebildet gewesen, so hätte er diese Eigenschaften wohl schon von Anfang an gezeigt. Es ist sogar sehr unwahrscheinlich, daß Hartmuth lateinisch verstanden hat. In seinen Schriften finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür; alle an Hartmuth gerichteten Briefe gelehrter Männer sind in deutscher Sprache abgefaßt. Hartmuth schreibt ferner einmal an Luther, daß er sich eine seiner lateinischen Schriften von seinem Prediger in Kronberg verdeutschen lasse; er freut sich in einem Briefe an Spalatin darüber, daß er auf der Frankfurter Messe deutsche Ausgaben von einigen Schriften Luthers gefunden habe. Auch die Bibelkenntnis Hartmuths beruht auf deutschen. Uebersehungen der heiligen Schrift - das erwähnt er in seiner Antwort auf Luthers Missive ausdrücklich. Es ist ferner be= merkenswert, daß Hartmuths litterarische Thätigkeit in gelehrten Kreisen zum Teil recht abfällig beurteilt wurde. Luther muß sich einmal an Spalatin wenden, um von diesem eine Empfehlung für eine Schrift Hartmuths zu erlangen; ohne ein solches Fürwort kann Luther die Schrift nicht drucken lassen, „denn die Unseren haben sie allzusehr verachtet". Daß er von dogmatischen Streitigkeiten und Spitfindigkeiten absolut nichts wissen will, gehört wohl zum Teil ebenfalls hierher, wie auch sein strenges und unerschütterliches Festhalten an den Grundlagen der lutherischen Reformation in ihrer ursprünglichen Reinheit: der Rechtfertigung durch den Glauben allein, dem Zurückgehen auf die Bibel als der alleinigen Quelle des reinen Gotteswortes, der Rückkehr zur frühchristlichen Organisation des Klerus mit ihren nächstliegenden Konsequenzen. Auch die Naivetät, mit der Hartmuth bei seinen Schlußfolgerungen manchmal zu Werke geht, wäre schwer zu vereinigen mit einem durch humanistische Studien erworbenen Bildungsschaße. Hartmuths Denkweise in dieser Beziehung wird. boshaft, aber treffend charakterisiert durch die Bemerkung, die irgend ein Spötter der Unterschrift Hartmuths in einem Briefe3) beigefügt hat: „der fromme und christliche Bischof des ganzen Rheinstromes." Der Spott mag derselben Quelle entstammen, aus der die Verhöhnung Sickingens als „Gernkönig am Rhein", „Münsterscher König“, oder die Bezeichnung Luthers als „Pseudo

papst" geflossen sind; aber sie trifft, wie gesagt, Hartmuths Anschauungen nicht übel.

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Hartmuths Hinneigung zur Reformation beruht also vollständig auf religiösen Gründen. Dem entspricht denn auch die Tendenz und der Inhalt seiner Schriften durchaus, wie die treibende Kraft bei seiner litterarischen Thätigkeit überhaupt einzig und allein im Glaubenseifer gesucht werden muß. Man darf dabei nicht übersehen, welch' gewaltige Macht in reformatorischen Kreisen dem Worte zugeschrieben wurde. Wenn selbst ein Realpolitiker, wie Franz von Sickingen, einmal erklären konnte, er gäbe gern 2000 Gulden seines kaiserlichen Jahrgehaltes darum, wenn er Karl V. dazu brächte, Luthers Schriften zu lesen um wie viel näher lag es der innigen Gläubigkeit Hartmuths, fest auf die Kraft des Wortes zu bauen? Aus dieser Denkweise heraus erklärt sich zwanglos die Adressierung von Hartmuths Sendschreiben an Kaiser und Papst, an Statthalter und Regiment, an Reichstag und ganz Deutschland. Sein Wort war ihm das göttliche Wort, dessen unwiderstehliche Wirkung ihm über allen Zweifel fest stand; das gab ihm die Zuversicht, die Ausdauer, die Energie bei seiner litterarischen Thätigkeit. Den unmittelbaren Anstoß zu dem Entschluß Hartmuths, öffentlich für das Evangelium zu wirken, scheint der Wormser Reichstag gegeben zu haben. Wir haben schon erwähnt, das Hartmuth während desselben dem Kaiser eine Schuhschrift für Luther übergeben haben soll. Das erste Sendschreiben nun, das Hartmuth im Herbst 1521 ausgehen ließ, ist ein Brief an Kaiser Karl V. In demselben findet sich ebenfalls eine warme Verteidigung Luthers, wenn auch im Ganzen die Schrift natürlich auf allgemeinere Gesichtspunkte gestellt ist. Es ist keineswegs unwahrscheinlich, daß wir es in diesem Briefe mit einer Umarbeitung und Erweiterung der Hartmuthschen Schußfrist zu thun haben. Das zweite Sendschreiben Hartmuths ist an Franz von Sickingen gerichtet und gleichzeitig mit dem Kaiserbriefe vollendet worden. Die Adresse dieses Sendschreibens ist ziemlich auffallend. Franz von Sickingen stand doch fest genug im Glauben, um einer „Nachhilfe“ durch Hartmuth nicht zu bedürfen! Aber auch hier können wir wohl an die Vorgänge anknüpfen, die mit dem Wormser Reichstage in Verbindung stehen.

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Sickingen hatte den Radikalen unter der Reformpartei und zu diesen muß man Hartmuth von Kronberg unbedingt zählen eine schwere Enttäuschung bereitet, als er nach der Entscheidung des Reichstages gegen Luther sich nicht zum Losschlagen drängen ließ, sondern vorsichtige Zurückhaltung beobachtete, ja sogar den feurigsten und ungestümsten unter den Männern der That", Ulrich von Hutten, ziemlich deutlich von sich abzuschütteln versuchte. Nicht ohne gegenseitige Verstimmung löste sich damals der Kreis der rheinischen Akademiker“ auf der Ebernburg, und auch Hartmuth, der so eifrig auf die Bekehrung Sickingens zur „Lautterey“ hingearbeitet und durch den Verzicht auf die kaiserliche Pension so unzweideutig Stellung gegen die „gottlosen" Widersacher Luthers genommen hatte, trennte sich vorübergehend von seinem Freund und Vetter, der ihm doch in allen profanen Dingen Führer und Leitstern gewesen! Bei den Radikalen stand deshalb das Vertrauen auf Sickingen keineswegs mehr so fest wie früher, und wenn sie sich auch im Herbste 1521 mit der Vorsicht Sickingens einigermaßen ausgeföhnt haben mochten und durch die Berufung Sickingens unter die Fahnen des Kaisers im Feldzug an der Maaß auch auf „das jungadelig Blut" Karls V. neue Hoffnungen zu sehen begannen, so mochte doch gerade damals ein Scharfmachen“ Sickingens im Glauben nicht eben überflüssig erscheinen. „Lieber Vetter“, so schließt der Brief, „diese Erinnerung, die ich in mir stecken gehabt, habe ich dir zu thun nicht erlassen wollen, in der Hoffnung, du werdest Solchem weiter und Gott gefälliger und fruchtbarer nachdenken, denn ich in meinem einfältigen Verstande zu bringen vermag." So vorsichtig diese Worte auch ge= faßt sein mögen, so widersprechen sie der erwähnten Annahme keineswegs. Man wird also, wie gesagt, die unmittelbaren Wurzeln von Hartmuths Eingreifen in die litterarische Bewegung zu Gunsten der Reformation in den Nachwirkungen der Wormser Vorgänge zu suchen haben.

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Von jezt an aber geht Hartmuth auch ohne speziellere Veranlassung stetig auf dem einmal betretenen Wege weiter. In rascher Folge erscheinen seine Sendschreiben zur Verteidigung der lutherischen Lehre. Dem Jahre 1521 gehören noch an der Brief an Walter von Kronberg und der an Papst Leo; aus dem

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