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sondern gnädig zu halten. Ich habe darum meinen Räten befohlen, dir meine Ansichten mitzuteilen; und wenn du nicht gar zu „prächtig" bist und den alten Adam in dir hast, zu heischen, so wird in dieser Sache wohl guter Rat gefunden werden, sie ohne Schaden für dich und Nachteil für deine Ehre zu vertragen. Du magst mir wirklich glauben, daß ich dir mit der That vergebe, denn ich hätte wohl weiter gegen deinen Leib und deine Güter zu handeln gehabt. Ich will dir hiermit Gnade in Gott wünschen, daß du dich in diesem Handel deinerseits so christlich und verträglich, wie das der Liebe nach sich gebührt, hältst, wie ich es denn auch zu thun geneigt bin; und was ein Christ von mir begehrt, ist er auch selbst zu thun schuldig. Gott befohlen, der uns allen seine Gnade und seinen Geist gebe." Gleichzeitig läßt der Landgraf Hartmuth durch seinen Statthalter in Kassel mitteilen, daß Hartmuth seine Besizungen als hessisches Mannslehen zurückerhalten solle, wenn er die kaiserliche Einwilligung beibringe eine Bedingung, die Hartmuth, wie schon früher erwähnt, wegen des Widerstandes seiner Verwandten wie des Kaisers nicht erfüllen konnte. Immerhin war doch wieder ein Anstoß zu neuen Verhandlungen gegeben, die denn auch schließlich zum Ziele führten. Der Landgraf mochte wohl fühlen, daß er es sich mit der schroffen Abfertigung Hartmuths ein wenig sehr leicht gemacht hatte und daß seine ironisierende Widerlegung Hartmuths vielleicht von seinem fürstlichen Standpunkte aus gerechtfertigt sein mochte, aber kaum vom christlichen. Andererseits ist zu beachten, daß sich Hartmuth in seinem Schreiben trog aller christlichen Demut noch nicht dazu versteht, eine direkte Bitte um Entschuldigung und Gnade auszusprechen, wie sie der stolze Fürst wohl erwartet haben mochte; daß sie nicht kam, sondern daß Hartmuth sich gewissermaßen gleich auf gleich dem Landgrafen entgegenstellte, mag wohl nicht zum wenigsten mit den Worten „Pracht und Hoffart" gerügt sein. Eine solche Bitte wäre aber wieder gegen Hartmuths Ueberzeugung gewesen, der ja bis zulezt von der Gerechtigkeit seiner Sache überzeugt war und dem es so wie so hart ankommen mußte, seinem scharfen Gegner bittend zu nahen. Daß unter diesen Umständen ein innerer Ausgleich zwischen den beiden Gegnern unmöglich sein mußte, liegt auf

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Hartmuth von Kronbergs Lebensabend ist im Großen und Ganzen ungetrübt verlaufen. Auf seinen Besitzungen herrschte die evangelische Kirche, und Hartmuth hatte sogar die Genugthuung, daß auch der für die evangelische Sache so unglückliche schmalkaldische Krieg daran nichts änderte. Als Prediger stand Hartmuth der Usinger Johann Brendel zur Seite, der allerdings der Mainzer Visitation von 1548 weichen mußte, während die Gemeinde im Uebrigen unangetastet blieb. Auch späterhin wurde die evangelische Confession in Kronberg aufrecht erhalten, trog der kräftigsten Anstrengungen, die der wieder katholisch gewordene und zum Grafen und Erzbischof von Mainz erhobene Enkel Hartmuths, Johann Schweickart von Kronberg, dagegen machte. Es ist fast ein tragisches Geschick zu nennen, daß des Reformators eigener Stamm, in dem sich noch dazu sein eigen Blut mit dem Franz von Sickingens mischte denn Johann Schweickart war der Sohn von Hartmuths ältestem Sohne gleichen Namens und von Franz von Sickingens Enkelin Barbara - das Lebenswerk des Großvaters zu vernichten drohte. Hartmuths und seiner Gattin gemeinsames Grabdenkmal zeigt ein Kruzifig mit den knieenden Gestalten der beiden Entschlafenen. Nach einer alten Beschreibung stand über dem Haupte Hartmuths auf einer viereckigen Tafel folgende Inschrift:

Du lamb Gottes welches hinnam
aller welt Sund am Creußstam
durch den todt ist ewigs leben.
allen glaubigen gegeben
daruf ich dan mein Hofnung stelt
da ich noch lebt in dieser welt.

Ueber dem Haupte von Frau Anna stand:

Mitler zwischen Gott und mir

lob ehr und danck sei darum dir
bist für uns sünder gestorben
an dem Creuz und uns erworben
verfönung gen den Vatter dein
und uns erlost von Hellischer pein.

Ueber dem Kruzifix war in zwei Zeilen zu lesen:

Hi hankt am Creuß mein gelibter son

an dem ich ein wolgefallen hon
Wer in hört und sein wort glaubt
wird meiner genaden nit beraubt
sondern haben ewigs leben

werd auch von seint wegen geben.

In der Stadtkirche hing zur Erinnerung an Hartmuth ein Schild des Kronenstammes mit der Aufschrift: „Anno Dni 1549 den 7. Augusti starb der Edel und Ernvest Hartmut von Kronberg der Elther, hat vielen Leuden guds gethan. Got wolt zue in sein gnaden han." Das Monument ist zerschlagen und war nur noch in Stücken erhalten. Insbesondere sollen katholische Fanatiker im vorigen Jahrhundert die Köpfe und Hände des Denkmals zerstört haben. Neuerdings sind die Bruchstücke zusammengefügt und ergänzt worden, natürlich, da authentische Porträts fehlten, nach der Phantasie. Die Gruft selbst ist verschwunden. Das Grab soll in der französischen Revolutionszeit erbrochen und die Leichen sollen ihrer Kostbarkeiten, der Körper Hartmuths insbesondere der silbernen Sporen beraubt worden sein. In diesem Jahrhundert wurde lange Zeit in der Stadtkirche zu Kronberg ein Schädel als derjenige Hartmuths gezeigt; irrtümlicher Weise, da dieser Schädel in einer Gruft der Stadtkirche gefunden ist, während Hartmuth in der Schloßkirche beigesetzt war.

Kein großer Mann" im Sinne der Geschichte, kein weltumspannender Geist aber eine jener Erscheinungen, in denen sich die Empfindungswelt ihrer Zeit in bevorzugter Weise geltend macht, in denen sich die Reflexe jener Spanne Zeitgeschichte, die ihnen Gegenwart ist, wie in einem Brennspiegel konzentrieren und die deshalb, nicht in der wuchtig elementaren Kraft der führenden Geister, aber in dem bescheidenen Rahmen ihrer natürlichen Fähigkeiten das wärmende Feuer nähren und mehren helfen, aus dem die unaufhaltsam vorwärts drängende Entwicklung der menschlichen Kultur ihre stetigste und nachhaltigste Kraft gewinnt so stellt sich Hartmuth von Kronberg dem rückschauenden Blicke dar. Ein Mensch und ein Kind seiner Zeit, mit mancherlei Schwächen, wie sie eben diese Doppeleigenschaft bedingt aber

auch mit Vorzügen, die ihn wieder hoch über viele dieser Schwächen emporheben, darf Hartmuth den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, daß er in seinem Streben und Wirken wohl die Summe dessen erschöpft hat, was ihm die Natur an Leistungsfähigkeit und Entwicklungsmöglichkeit verliehen hatte - daß er sein Pfund nicht vergraben, sondern nach seiner Kraft damit gewuchert hat im Dienste seiner Ideale. Und lag seine Begabung mehr auf dem Gebiete des Wortes als auf dem der That, so hat er doch der treibenden Kraft seines Wortes noch das eigene Beispiel gesellt, es dadurch eindringlicher und wirksamer gestaltend. Mag ihm daher auch Manches versagt geblieben sein, wonach er gestrebt seinem zähen Willen ist doch mehr geglückt, als Manchem von Natur weit reicher Begabten. Und vor Allem trägt sein Streben und sein Wirken den Stempel idealer Begeisterung und sittlicher Kraft; aus den reinsten, uneigennüßigsten Motiven heraus erhebt er seine Stimme, um vor den Mitlebenden laut und öffentlich Zeugnis abzulegen für das, was seinen Sinn erfüllt, sein Herz bewegt. Freudig will er Gut und Blut zum Opfer bringen, die Qualen eines schrecklichen Todes auf sich nehmen für seine Ueberzeugung unentwegt und ungebeugt hält er an seinem Glauben fest auch dann, als ein hartes Geschick ihn ereilt und ihm das bittere Loos der Verbannung bereitet. Seine demütige Ergebung in den Willen Gottes, seine fromme Zuversicht auf die Vorsehung hält unerschütterlich Stand auch in Not und Elend die Lauterkeit seines Charakters wird durch keine Prüfung, durch keinen Wechsel des Glückes ins Wanken gebracht, durch keinen Schatten getrübt. Was in Hartmuth von Kronberg lebte und ihn mit unwiderstehlicher Gewalt vorwärts trieb, das ist der Idealgehalt seiner Zeit: religiöse Begeisterung, die Reaktion gegen Lüge und Heuchelei, gegen sittliche Verwilderung und Ausartung, das Erwachen des Nationalgefühls, das sich der erreichten geistigen Großthaten der Deutschen mit Stolz bewußt zu werden beginnt.

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Ein lebhaftes Standesgefühl und Pflichtbewußtsein verbindet sich in Hartmuth mit unerschrockener Offenheit und Standhaftigkeit, mit Geradheit und Biederkeit, mit Thatkraft und tiefer, echter Frömmigkeit zu einem Charakterbilde sympathischster Färbung. Ein

gesunder Menschenverstand, der sich troß des Mangels durchgreifender Schulung nicht ohne Erfolg auch an tiefere geistige Probleme heranwagt, der sich nicht damit begnügt, aufzusammeln, was vom Tische Reicherer gefallen, sondern darnach strebt, selbst= ständig die empfangenen Keime weiter zu entwickeln, individuell zu durchdringen und zu beleben; ein, wenn auch nicht allzuweitgreifendes, doch das Durchschnittsmaß übersteigendes Darstellungsvermögen, das durch hohe Schaffensfreudigkeit und unermüdliche Lernbegierde weiter entwickelt und zu beachtenswerter Höhe gesteigert wurde das sind die Eigenschaften, die es Hartmuth ermöglichten, selbst in den gewaltigen Geisteskampf seiner Zeit nicht ohne Erfolg einzugreifen. Und mag er auch nicht frei gewesen sein von Einseitigkeit und Naivetät, von Uebereifer und Unbesonnenheit sein Wollen war gut, sein Streben lauter, sein Leben rein! Der Kern seines Wahnes mutet uns an wie die verkörperte Innerlichkeit der ersten, begeisterungsfrohen Jugendzeit der deutschen Reformationsbewegung; mit ihrem Maßstab muß Hartmuth von Kronberg gemessen werden.

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