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der die Gnade hat die Wahrheit an den Tag zu bringen, darin nicht säumig zu sein, nicht zu erlahmen und nachzulassen im Kampfe gegen den Teufel, dem wir doch in der Taufe widersagt haben.

Dieses lezte Sendschreiben Hartmuths zeigt wider eine wesentliche Schwenkung, nicht in Religion und Glauben, wohl aber in seinen kirchenpolitischen Ansichten. Hartmuth ist milder geworden in seinen früheren Forderungen einer radikalen Konfiskation der geistlichen Güter und er ist demokratischer geworden in seinen Vorschlägen über die Verwendung derselben. Das erstere mag zusammenhängen mit den Erfahrungen, die Hartmuth inzwischen am eigenen Leibe gemacht hatte - das lettere mit dem völligen Schwinden des Vertrauens auf Kaiser Karl, in dessen Händen er doch früher die expropriierten geistlichen Güter vereinigt sehen wollte. Auch in seiner loyalen Gesinnung gegenüber der „Obrigkeit“ hat Hartmuth eine Schwenkung im demokratischen Sinne gemacht. Unverändert dagegen, in gleicher freudiger Ueberzeugung und Bekenntnistreue, steht Hartmuths Glaube, steht sein Bekehrungseifer; er hat sich nach und nach ein wenig in die Rolle des getreuen Eckart“ hineingelebt, der die Menschen warnt und mahnt, sich zu Gott zu wenden, um der bevorstehenden Strafe zu entgehen und zur Gnade Gottes und der Seligkeit zu gelangen, und fühlt sich offenbar in dieser Rolle troß der Leiden der Verbannung so zufrieden und glücklich, daß er jener Leiden fast völlig vergißt und um so leichter, als ihm diese Thätigkeit als Pflicht erscheint, deren Ausübung ihm wie jedem anderen wahren Diener Gottes obliegt. Und er scheint noch keineswegs geneigt, in der Zukunft diese seine Pflicht preiszugeben - irgend eine Andeutung dafür, daß er fortan schweigen will, findet sich in dem Sendschreiben nicht; wie es gekommen sein mag, daß er trotzdem fortan die Feder bei Seite legte, haben wir oben gesehen. Aber vielleicht giebt auch der vorliegende Brief selbst weniger durch seinen Inhalt, als durch seine Adresse noch einen weiteren Anhaltspunkt für Hartmuths Verstummen. In regelmäßiger Steigerung hat er sich mit seinen treu und ernst gemeinten Ermahnungen und Warnungen an die politischen Faktoren des Reiches gewandt: zuerst an den Kaiser, dann an dessen Statthalter und Vertreter, den Erzherzog Ferdinand, an

das Reichsregiment, den Reichstag und schließlich an alle Stände des römischen Reiches, das Volk in seiner Allgemeinheit. Die Aufgabe, die er sich selbst gestellt haben mochte, war damit zum Abschluß gekommen er hatte seine Pflicht gegen Deutschland erfüllt; fortan gab es keine politische Instanz mehr im Reiche, an die er sich hätte wenden können; er hatte kein Mittel unversucht gelassen, durch seine Stimme für die Sache seiner Ueberzeugung, für seinen Glauben zu kämpfen und zu wirken. In diesem Bewußtsein konnte er schweigen und darauf verzichten, der eignen Sache zu schaden durch öffentliches Wirken für die Reformation.

Ueberhaupt ist Hartmuths religiöse litterarische Thätigkeit, wenn man sie im Zusammenhange übersieht, keineswegs so planlos und zufällig, wie man gewöhnlich annimmt. Daß neben den Mahnungen an die politischen Faktoren des Reiches die Sendbriefe an Hartmuths nähere Freunde, an Sickingen, Walter von Kronberg, Jakob Kobel herliefen — noch manch' anderen Brief mag er geschrieben haben, der nicht gleich diesen veröffentlicht wurde, auf unfruchtbaren Boden fiel und deshalb verloren gegangen ist daß er überhaupt im engeren Kreise nach Kräften zu wirken suchte, ist bei seiner ganzen Geistesrichtung selbstverständlich, ebenso daß er im politischen Kampfe mit seinen Gegnern beim Werben um Bundesgenossen und Helfer in seinen Briefen an die Böhmen, die Schweizer, den Straßburger Rat - die religiöse Propaganda nicht vernachlässigte. Aber auch der größte Teil von Hartmuths anderen Schriften zeigt einen gemeinsamen Gesichtspunkt, ein planmäßiges Vorgehen, das vielleicht in naher Beziehung steht — in einem Falle ganz sicher zu dem gleichzeitigen Wirken eines anderen, weit berühmteren Glaubens- und Standesgenossen, zu dem Wirken Huttens: dem „Pfaffenkrieg". Hatte doch Hutten, nachdem sein rastlos und feurig vorwärtsdrängendes Streben auf der Ebernburg eine so herbe Enttäuschung erlitten durch Sickingens zauderndes Diplomatisieren, sich auf eigne Faust dem Kampfe gegen pfäffischen Uebermuth, gegen Hoffahrt und Weltlichkeit der Geistlichen gewidmet. 11) Der Ruf zur Sammlung und Kampfbereitschaft gegen Papst und Kurtisanen, den Hutten erhoben, der Geist eines erbitterten Pfaffenkrieges durchzieht auch Hartmuths Schriften an die beiden Päpste, an Peter Meyer, an den Erzbischof von Trier

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und so manches Andere. Seiner ganzen Individualität entsprechend führt Hartmuth zwar diesen Krieg größtenteils weniger persönlich, mehr von allgemeinen Gesichtspunkten aus wie Hutten, aber nicht minder energisch und nicht minder radikal. So tritt Hartmuth mit kräftiger Entschiedenheit neben Hutten auf den Kampfplay, kein ebenbürtiger Streitgenosse vielleicht dem Geiste, sicherlich aber dem Wollen nach. Daß Hutten aber zweifellos Einfluß, und zwar großen Einfluß auf Hartmuth geübt haben muß, das ist schon beim Wormser Reichstage hervorgetreten, während welchem, wie schon erwähnt, die beiden Ritter dem Kaiser Ehrenfold und Dienst aufsagten. Vielleicht läßt sich dieser Einfluß auch noch aus der lezten Lebenszeit Huttens nachweisen. Als Hartmuth zum ersten Male, im November 1522, nach Basel kam, traf er Hutten dort schon an, der noch vor dem unglücklichen Ausgang der Trierer Fehde von Sickingens Burgen gewichen war. Von Basel aus erließ Hutten dann seinen heftigen Brief gegen den Pfalzgrafen und in Basel findet auch Hartmuth, der in seinem Briefe an die Böhmen noch die drei Fürsten zu entschuldigen gesucht hatte, in seinem Sendschreiben an die Eidgenossen zum ersten Male heftige Worte gegen den Pfalzgrafen und den Erzbischof von Trier. Es ist wohl kaum Zufall, daß zwischen den beiden Briefen Hartmuths sein abermaliges persönliches Zusammentreffen mit Hutten liegt.

Daß Hartmuth von Kronberg durch seinen reformatorischen Eifer und seine litterarische Thätigkeit troß des Mangels an Gelehrsamkeit mit vielen Vorkämpfern der Reformation in freundliche Berührung kam, ist selbstverständlich. Der Eindruck, den sein frommer Eifer machen mußte, wurde offenbar noch verstärkt durch Hartmuths sympathische Persönlichkeit. Gerade aus der Zeit seines Basler Aufenthaltes liegen dafür zwei interessante Zeugnisse vor. Glareanus schreibt am 29. Dezember 1522 an Zwingli: „Hier befindet sich auch der wahrhaft edelgesinnte und wahrhaft christliche Herr von Kronberg; ich habe noch nie einen. Menschen gesehen, der vollkommenes Elend ruhiger getragen hätte. Denn obwohl er vom Pfalzgrafen völlig unschuldig - so sagt jeder seiner ganzen Güter beraubt und vertrieben wurde, so beklagt er doch diesen Verlust nicht im Geringsten, und die, welche

ihn eigentlich trösten sollten, denen wird er selbst hier zum Tröster.“ Und sogar Erasmus konnte sich dem Eindrucke von Hartmuths Persönlichkeit nicht entziehen; in seinem Briefe an Laurinus (1. Februar 1523) schreibt er: „Kronberg, Sickingens Schwiegersohn, 12) ist zweimal bei mir gewesen. Sein Wesen und sein Gespräch haben mich sehr erfreut; denn er erzeigte sich als ein einfacher Mensch ohne Falsch, aber mit großem Verstande begabt. Doch währte unsere Unterredung nicht lange und wurde vor Zeugen geführt." Wenn man bedenkt, daß Erasmus in seinem Briefe an Laurinus den Zweck verfolgte, von Luther und dessen Anhängern möglichst weit abzurücken, so wird das Lob, das er einem so eifrigen Lutheraner, wie es Hartmuth war, zu spenden nicht umhin fonnte, doppelt ehrenvoll für diesen.

Von den Vorkämpfern der Reformation, die Hartmuth von Kronberg im Sickingenschen Kreise kennen gelernt, waren es in erster Linie zwei, mit denen er in äußere Beziehungen trat: Cekolampad und Bucer. Seit dem März 1522 weilte Johann Dekolampad als Burgkaplan auf der Ebernburg. Schon längst war die kleine Verstimmung zwischen dem Schloßherrn und seinem Vetter Hartmuth wieder gehoben, und Beide pflegten zusammen mit Diether von Dalberg und Dekolampad eifrig Rat, wie der Gottesdienst auf der Burg am Besten den Bedürfnissen und dem Verständnis der Hörer anzupassen sei. Die Ritter wünschten, daß die Gewohnheit, Sonntags Messe und Predigt, Wochentags nur Messe zu halten, umgekehrt werde, und wollten täglich eine Predigt, Sonntags eine Messe hören. An sich hatte Dekolampad dagegen nichts einzuwenden; doch wollte er sich nicht allzuweit von den gebräuchlichen Formen entfernen, und schlug deshalb einen Mittelweg vor, für die er auch die Ritter gewann. Er beließ es bei der alten Einteilung, las aber Epistel und Evangelium in deutscher Sprache und bot den Rittern außerdem noch täglich eine Auslegung der Schrift im engeren Kreise. An die Austeilung des Abendmahles in beiderlei Gestalt wurde noch nicht gedacht die eigentliche deutsche Messe wurde auf Sickingens Gütern erst durch Johann Schwebel eingeführt. 13) Der in jener gemäßigten Form reformierte Gottesdienst wurde von Oekolampad mit einer Predigt eingeleitet, und später, wie schon erwähnt, von Hartmuth nach Kronberg verpflanzt.

Gleich Hutten und Hartmuth hat dann später auch Dekolampad nach der Wendung in Sickingens Schicksal seine Schritte nach Basel gelenkt, wo er der Reformation zum Siege verhalf. Er blieb auch dort in näherer Verbindung mit Hartmuth. Beide nahmen u. a. an einer Disputation Teil, die im Februar 1524 in Basel über die Rechtmäßigkeit der Priesterehe stattfand. Der Leutepriester von Liestal, Stephan Stör, wollte sich mit seiner Haushälterin verheiraten. Die Disputation war zur Rechtfertigung dieses Schrittes anberaumt. Stör hatte 5 Thesen über die Ehe an den Kirchenthüren und am Kollegium der Universität (die noch altgläubig war) angeschlagen und lud alle Christen dazu ein, die Verteidigung dieser Thesen anzuhören. Als dann zu der Disputation feine Gegner erschienen waren, ergriff auf Bitten Störs zuerst Cekolampad das Wort, um sein Einverständnis mit Stör zu erklären. Dann wurde auch Hartmuth von Kronberg aufgefordert, seine Meinung zu sagen; er antwortete kurz und einfach: „Obwohl ich nur ein Laie und an Einsicht der Geringste bin unter den hier anwesenden Brüdern, so haben und lesen wir Laien doch das h. Evangelium in gutem Deutsch und wissen folglich, daß das, was die würdigen Herren, unsere Brüder, mit vielen Anführungen der heiligen Schrift erzählt haben, die gründliche, göttliche Wahrheit sei. In welchen Stücken die Lehrer anders lehren, als das Evangelium Christi, darin sind sie falsche Propheten. Solches will ich als öffentliches Bekenntnis zur Steuer der Wahrheit allezeit sagen und, wie sichs gebührt, frei bekennen." Man sieht auch aus diesen Worten Hartmuths wieder, daß er sich auf theologische Einzelfragen nicht gern einließ und sich auch dabei mit einem allgemeinen Glaubensbekenntnis, mit dem Hinweis auf den Inhalt der Bibel und der leichten Verständlichkeit der h. Schrift begnügt. (Vgl. p. 58.) Im Jahre 1526 berichtet Capito dem Dekolampad von Straßburg aus über eine Zusammenkunft, die er mit Hartmuth von Kronberg gehabt. Cekolampad starb schon 1531.

Von größter Wichtigkeit für Hartmuth von Kronberg war die Verbindung, die er noch von der Ebernburg her mit Martin Bucer14) hatte. Bucer war zweimal in den Diensten Sickingens gewesen. Das erste Mal zur Zeit des Wormser Reichstages,

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