Herzensergiessungen eines kunstliebenden Klosterbruders

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Insel-Verlag, 1921 - 243 Seiten
 

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Beliebte Passagen

Seite 188 - Erwartungsvoll harrte er auf den ersten Ton der Instrumente - und indem er nun aus der dumpfen Stille, mächtig und langgezogen, gleich dem Wehen eines Windes vom Himmel hervorbrach und die ganze Gewalt der Töne über seinem Haupte daherzog - da war es ihm, als wenn auf einmal seiner Seele große Flügel ausgespannt, als wenn er von einer dürren Heide aufgehoben würde, der trübe Wolkenvorhang vor den sterblichen Augen verschwände und er zum lichten Himmel emporschwebte.
Seite 112 - Worte, durch Künste des Verstandes, ein strenges System, und wollt alle Menschen zwingen, nach euren Vorschriften und Regeln zu fühlen, - und fühlet selber nicht. Wer ein System glaubt, hat die allgemeine Liebe aus seinem Herzen verdrängt! Erträglicher noch ist Intoleranz des Gefühls, als Intoleranz des Verstandes; — Aberglaube besser als Systemglaube.
Seite 122 - O traurige Afterweisheit! O blinder Glaube des Zeitalters, daß man jede Art der Schönheit und jedes Vorzügliche aller großen Künstler der Erde zusammensetzen und durch das Betrachten aller und das Erbetteln von ihren mannigfachen großen Gaben ihrer aller Geist in sich vereinigen und sie alle besiegen könne ! — Die Periode der eigenen Kraft ist vorüber; man will durch ärmliches Nachahmen und klügelndes Zusammensetzen das versagende Talent erzwingen, und kalte, geleckte, charakterlose Werke...
Seite 198 - Marter dulden! Gottes Sohn! um Deiner Wunden willen, Kannst Du nicht die Angst des Herzens stillen? Kannst Du mir nicht Offenbarung schenken, Was ich innerlich soll wohl bedenken? Kannst Du mir die rechte Bahn nicht zeigen? Nicht mein Herz zum rechten Wege neigen? Wenn Du mich nicht bald zu Dir errettest, Oder in den Schoß der Erde bettest, Muß ich mich der fremden Macht ergeben, Muß, geängstigt, dem zu Willen leben, Was mich zieht von meines Vaters Seite, Unbekannten Mächten Raub und Beute!
Seite 129 - Gefühle von denselben mit kühner Verfechtung ihres Rechtes aus ihrer Brust verstoßen. - Vermag der schwache Mensch die Geheimnisse des Himmels aufzuhellen? Glaubt er verwegen ans Licht ziehen zu können, was Gott mit seiner Hand bedeckt? Darf er wohl die dunkeln Gefühle, welche wie verhüllte Engel zu uns herniedersteigen, hochmütig von sich weisen? - Ich ehre sie in tiefer Demut; denn es ist große Gnade von Gott, daß er uns diese echten Zeugen der Wahrheit herabgesendet. Ich falte die Hände...
Seite 141 - Das Kunstgenie soll, wie ich meine, nur ein brauchbares Werkzeug sein, die ganze Natur in sich zu empfangen, und, mit dem Geiste des Menschen beseelt, in schöner Verwandlung Wiederzugebären. Ist er aber aus innerem Instinkte und aus überflüssiger, wilder und üppiger Kraft ewig für sich in unruhiger Arbeit, so ist er nicht immer ein geschicktes Werkzeug, vielmehr möchte man dann ihn selber eine Art von Kunstwerk an Schöpfung nennen.
Seite 211 - Der Kunstgeist ist und bleibt dem Menschen ein ewiges Geheimnis, wobei er schwindelt, wenn er die Tiefen desselben ergründen will; - aber auch ewig ein Gegenstand der höchsten Bewunderung: wie denn dies von allem Großen in der Welt zu sagen ist.
Seite 125 - Vergleichung ist ein gefährlicher Feind des Genusses; auch die höchste Schönheit der Kunst übt nur dann, wie sie soll, ihre volle Gewalt an uns aus, wenn unser Auge nicht zugleich seitwärts auf andere Schönheit blickt.
Seite 109 - Blöden Menschen ist es nicht begreiflich, daß es auf z unserer Erdkugel Antipoden gebe, und daß sie selber ' Antipoden sind. Sie denken sich den Ort, wo sie stehen, immer als den Schwerpunkt des Ganzen, — und ihrem Geiste mangeln die Schwingen, das ganze Erdenrund zu umfliegen, und das in sich selbst gegründete Ganze mit einem Blicke zu umspielen.
Seite 116 - Haufen herauskennen würde; ein jeglicher so aus der Mitte der Natur genommen, daß er ganz und gar seinen Zweck erfüllt. Keiner ist mit halber Seele da, wie man es öfters bei sehr zierlichen Bildern neuerer Meister sagen möchte; jeder ist im vollen Leben ergriffen, und so auf die Tafel hingestellt.

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