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Vorrede.

Ein alter Historiker fagt: er wolle nicht beschreiben

was geschehen sei, sondern wie es geschehen sei; und erklårt mit diesen wenigen Worten das Wesen der . Geschichte. Sie kann ihren Zweck: Belehrung, nur erfüllen, wenn sie, so weit es möglich ist, alle Ursachen der Ereignisse und deren Zusammenhang darlegt; doppelt nothwendig scheint dieß bei der Darstellung eines Krieges, deffen ganz unerwartete Resultate bis heut noch nicht in ihren veranlaffenden Ursachen aufgeklärt sind. Die öfter aufgestellte Meinung: daß Frankreich das erstaunenswürdige Glück, womit es diesen Krieg führte, der geistigen Überlegenheit seiner Heerführer verdanke, wird für die erste Periode durch die Ereignisse selbst wider= legt. Nur einer von allen französischen Genera= len war offenbar zum großen Feldherrn geschaffen,

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alle übrigen verdankten in den meisten Fällen ihre günstigen Erfolge weit weniger überlegner Fähig= keit, als überlegnen materiellen Mitteln; und dieß in einem Kampfe gegen die vereinten Streitkräfte des größeren Theils von Europa. Eine andre Ansicht daß die Begeisterung für die neue Frei= heit, im Gegensahe zu der passiven Nüchternheit der feindlichen Heere, den Sieg an die französi= schen Fahnen gefesselt habe, würde kaum Erwähnung verdienen, wäre sie nicht eben so allgemein verbreitet. Ihre Widerlegung liegt in den Ereignissen selbst, in dem Betragen der französischen Heere während der ersten und der lehten Kriegsjahrez in jenen håtte das Gefühl der Freiheit in dem Soldaten am lebhaftesten, in den legteren da= gegen gänzlich erstickt sein müssen.

Man hat vielfach versucht, die Räthsel, welche diese Erscheinungen darbieten, durch historische Darstellung des französischen Revolutionskrieges zu lösen, ohne daß es nach unserer Überzeugung auch nur entfernt gelungen wäre, Die meisten Schriften über den Gegenstand, welche sich Geschichte nennen, verdienen diesen Namen gar nicht, und liefern höchstens einzelne Materialien dazu; andere haben einen von der reinen Darstellung der

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Ereignisse ganz verschiedenen Hauptzweck, die militairische Kritik. In diese Classe gehört das Werk des General Jomini, eines der ausgedehntesten und zugleich das gerühmteste, was wir über den Revolu= tionskrieg besigen. An sich ist es aber schon mehr Abschrift der Quellen, als kritische Prüfung und Verbindung derselben, dann hat der Verfasser be= ständig sein System der einzig guten Kriegführung vor Augen, und opfert diesem wie uns scheint, mindestens etwas einseitigen Systeme alle anderen Rücksichten auf. Nach unserer Überzeugung gehört die Kritik der Handlungen und Ereignisse nicht in die Geschichte, am allerwenigsten in die militairische. Geschichte muß blos die Ereignisse mit ihren Ursachen im Zusammenhange erzählen; ist dieß treu und gut geschehen, so wird sich der Leser nach Maßgabe seiner Kenntnisse und Fähigkeiten bald ein Urtheil bilden, was dem jedesmaligen Stande der Wissenschaft angemessener sein kann, als das untergeschobene des Verfassers, und besonders seine Individualität.

Beweisen diese Betrachtungen den Mangel eines Werkes über den Revolutionskrieg, welches den Namen Geschichte verdient, so sind sie zugleich, geeignet, auf die Schwierigkeiten hinzuzeigen, die dem Unter

nehmen entgegen stehen; ob diese zu überwinden seien, und in wie weit man sich dem Ideale einer solchen Darstellung zu nähern vermöge, konnte nur der praktische Versuch selbst lehren.

Die Verfasser des vorliegenden Werkes theilten den Anfang der Geschichte des großen Kampfes zu= erst in einer Zeitschrift (Militairisches Taschenbuch, 1ster Jahrgang) mit; indeß dieser ersten Probe fehlte bei gründlicher Bearbeitung doch fast Alles, was den Leser davon überzeugen konnte. Ein zweiter Versuch (Geschichte des Vendéekrieges in den folgenden Jahrgången des Militair. Taschenbuchs) stellte vielleicht die kriegerischen Ereignisse, welche er be= schreibt, an sich genügend dar; allein dunkel blieb der Zusammenhang, dunkel gerade alles Wichtige, alles Ungewöhnliche, was in diesen Ereignissen lag, und besonders die Hauptursache fast aller Erfolge. Es ergab sich bei genauerer Prüfung, daß dieses Dunkel in der Geschichte großer Folgen nur durch die Ge= schichte der Ursachen zu entfernen sei. Wåre lettere begründet vorhanden gewesen, so håtte man den Leser darauf verweisen können; allein wer die neuere Geschichte kennt, wird gewiß die überzeugung theilen, daß an gründliche Bearbeitung bisher noch nicht einmal gedacht worden ist, obgleich, wie wir glau

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