Wilhelm von Humboldt's gesammelte Werke, Band 6

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Häufige Begriffe und Wortgruppen

Beliebte Passagen

Seite 38 - Die Sprache ist gleichsam die äußerliche Erscheinung des Geistes der Völker; ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache ; man kann sich beide nie identisch genug denken.
Seite 201 - Die Menschen verstehen einander nicht dadurch, daß sie sich Zeichen der Dinge wirklich hingeben, auch nicht dadurch, daß sie sich gegenseitig bestimmen, genau und vollständig denselben Begriff hervorzubringen, sondern dadurch, daß sie gegenseitig ineinander dasselbe Glied der Kette ihrer sinnlichen Vorstellungen und inneren Begriffserzeugungen berühren, dieselbe Taste ihres geistigen Instruments anschlagen, worauf alsdann in jedem entsprechende, nicht aber dieselben Begriffe hervorspringen.
Seite 42 - Sie selbst ist kein Werk (Ergon), sondern eine Thätigkeit (Energeia). Ihre wahre Definition kann daher nur eine genetische sein. Sie ist nämlich die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes, den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedankens fähig zu machen.
Seite 66 - Erst im Individuum erhält die Sprache ihre letzte Bestimmtheit. Keiner denkt bei dem Wort gerade und genau das, was der andre, und die noch so kleine Verschiedenheit zittert, wie ein Kreis im Wasser, durch die ganze Sprache fort. Alles Verstehen ist daher immer zugleich ein Nicht -Verstehen, alle Übereinstimmung in Gedanken und Gefühlen zugleich ein Auseinandergehen.
Seite 42 - Denn in dem zerstreuten Chaos von Wörtern und Regeln, welches wir wohl eine Sprache zu nennen pflegen, ist nur das durch jenes Sprechen hervorgebrachte Einzelne vorhanden, und dies niemals vollständig...
Seite 104 - Von dem ersten Elemente an ist die Erzeugung der Sprache ein synthetisches Verfahren und zwar ein solches im ächtesten Verstande des Worts, wo die Synthesis etwas schafft, das in keinem der verbundenen Theile für sich liegt.
Seite 38 - Individuen hinausgeht. Für die praktische Anwendung besonders wichtig ist es nur, bei keinem niedrigeren Erklärungsprincipe der Sprachen stehen zu bleiben, sondern wirklich bis zu diesem höchsten und letzten hinaufzusteigen und als den festen Punkt der ganzen geistigen Gestaltung den Satz anzusehen, dass der Bau der Sprachen im Menschengeschlechte darum und insofern verschieden ist, weil und als es die Geisteseigenthümlichkeit der Nationen selbst ist.
Seite 305 - Wie es überhaupt ein Gesetz der Existenz des Menschen in der Welt ist, dafs er nichts aus sich hinauszusetzen vermag, das nicht augenblicklich zu einer auf ihn zurückwirkenden und sein ferneres Schaffen bedingenden Masse wird, so verändert auch der Laut wiederum die Ansicht und das Verfahren des inneren Sprachsinnes.
Seite 52 - Wie das Denken in seinen menschlichsten Beziehungen eine Sehnsucht aus dem Dunkel nach dem Licht, aus der Beschränkung nach der Unendlichkeit ist, so strömt der Laut aus der Tiefe der Brust nach aussen und findet einen ihm wundervoll angemessenen, vermittelnden Stoff in der Luft, dem feinsten und am leichtesten bewegbaren aller Elemente, dessen scheinbare Unkörperlichkeit dem Geiste auch sinnlich entspricht.
Seite 66 - In der Art, wie sich die Sprache in jedem Individuum modificirt, offenbart sich, ihrer im Vorigen dargestellten Macht gegenüber, eine Gewalt des Menschen über sie. Ihre Macht kann man (wenn man den Ausdruck auf geistige Kraft anwenden will) als ein physiologisches Wirken ansehen ; die von ihm ausgehende Gewalt ist ein rein dynamisches.

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