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beseßten und daß durch diese Formirung die im Tilsiter Frieden vertragsmäßig festgeseßte Zahl von 6000 Artilleristen erreicht wurde.

Neben der Festungs-Artillerie wurde auch die Regiments-Artillerie aufgelöst; ferner durfte jede Kompagnie nur eine Batterie oder Parkkolonne besetzen, durch Anlage von Handwerksstätten wurde der Grund zu den heutigen technischen Instituten gelegt, jährliche Schießübungen wurden angeordnet, die Artillerie- Prüfungs-Kommission zur letzten Begutachtung der eingegangenen Vorschläge und Entwürfe gebildet, da, wie der Prinz äußerte, ‚er selbst wegen seiner über diese Gegenstände noch mangelhaften Kenntnisse und geringen Erfahrungen nicht im Stande sei, alle Vorschläge gehörig beurtheilen zu können", endlich wurde durch Brigadeschulen die theoretische Ausbildung der Offiziere gehoben und ein neues Exerzir-Reglement ausgearbeitet.

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Dies einige Grundzüge der neuen Organisation, auch hier zeigt der Briefwechsel des Prinzen mit Scharnhorst1) das segensreiche Zusammenwirken Beider in ge= meinsamer reformatorischer Thätigkeit, stets unter dem Gesichtspunkte arbeitend, eine freiere und fessellosere Bewegung herbeizuführen, das Handwerksmäßige und den Kastengeist zu verbannen und den Uebergang in den eigentlichen Geist einer Waffe zu fördern.

Das für den Augenblick Wichtigste der ganzen Organisation war aber, daß der Gedanke des Krümpersystems voll und ganz in Anwendung gebracht wurde. Die ununterbrochene, von der Hoffnung auf Abrechnung mit dem Erbfeinde gehobene Arbeit wurde dann auch von Erfolg gekrönt, denn als im Jahre 1812 diese Hoffnung festere Gestalt annahm, befanden sich bei jeder Brigade 13-15000 ausgebildete Krümper, welche durch die Kabinets - Ordre vom 12. Januar 1813 einberufen, und aus welchen 28 provisorische Kompagnien gebildet wurden. Und als dann im Frühjahr die allgemeine Erhebung des Volkes stattfand, als der Aufruf des Königs bis in die fernsten Winkel des Vaterlandes drang und begeisterten Widerhall fand, da blieb die Artillerie nicht zurück, Ehre und Dank dem Prinzen, dessen rastlose Thätigkeit ihr dies ermöglichte!

Die 28 provisorischen Kompagnien, deren Zahl bald auf 45 gebracht wurde, lieferten neben den Stamm-Fußkompagnien das Material, aus welchem in fliegender Eile neue Batterien mobil gemacht wurden, und hier finden wir in den ersten provisorischen Kompagnien der Brandenburgischen und der Preußischen Brigade und in den aus diesen hervorgegangenen 6pfündigen Batterien Nr. 25 und 26 die ersten Anfänge unserer heutigen 4. und 5. Batterie.

1) Vergl. v. Schöning, historisch - biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch - Preußischen

Artillerie, 1845.

Zweites Kapitel.

Die Zeit von 1813 bis 1816.

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Die 1. provisorische Kompagnie der Brandenburgischen Brigade.

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In den ersten Tagen des Jahres 1813 begannen auf allen Punkten der preußischen Das Jahr 1813. Monarchie Kriegsrüstungen, welche ein ganz eigenthümliches provisorisches Gepräge trugen, um ein offenes Hervortreten derselben zu verhindern. Es mag den Leitern der allgemeinen Volkserhebung schwer gewesen sein, die lettere noch für einige Zeit zurückzuhalten, aber bis zur offenen Kriegserklärung mußte der Druck der Abmachungen des Tilsiter Friedens ertragen werden.

So errichtete die Infanterie Reserve-Bataillone, die Kavallerie Reserve- und Marsch-Eskadrons, die Artillerie provisorische Kompagnien, welcher Name auch beibehalten wurde, nachdem die Kriegserklärung Preußens den Dingen eine feste und entschiedene Gestalt gegeben hatte und bisherige Rücksichten fortfielen.

Die Stärke dieser provisorischen Kompagnien schwankte zwischen 200 und 300 Köpfen; ihre Rekrutirung erfolgte auf die verschiedenartigste Weise, die Avancirten waren theils altgediente Leute, die vielfach schon lange verabschiedet gewesen waren, theils ganz junge Unteroffiziere. Das Kommando der Kompagnien wurde aktiven Offizieren übertragen, ihre Errichtung und vielfach höchst mangelhafte Einkleidung geschah in festen Pläßen oder größeren Artillerie-Garnisonen.

So wurde in der Mitte des Januar 1813 die 1. provisorische Kompagnie der Brandenburgischen Artillerie-Brigade unter dem Kommando des Stabs-Kapitäns Post in Colberg formirt. Die Mannschaft bestand aus Pommern und Westpreußen; unter den Avancirten, welche erst nach und nach vollzählig wurden, waren nur drei alte Unteroffiziere, von welchen zwei längere Zeit bei Garnison-Kompagnien gestanden hatten. Von den Offizieren hatten die Lieutenants von Damit und von Cardell 1806 bei anderen Waffen gestanden und waren dann bis 1813 außer Dienst gewesen, letteres war auch bei dem später noch hinzutretenden Lieutenant Woltersdorf der Fall, doch hatte dieser wenigstens schon früher als Artillerist gedient.

Bekleidet wurde die Mannschaft mit einer grautuchenen Jacke, leinenen Hosen und einem strohgeflochtenen, mit Wachstuch überzogenem Czakot. Statt des Tornisters wurde

Die Blockade
Stettins.

der Brodbeutel, oder ein den Leuten gehöriger Quersack benutzt. Nur die Avancirten erhielten die vorgeschriebene Montirung, Tuchhosen und Seitengewehre mit Gehenk.

Bereits im Februar erreichte die Kompagnie ihre etatsmäßige Stärke, wurde in verschiedene Dörfer der Umgegend Colbergs verlegt und versuchte den Mangel an artille: ristischen Ausbildungsmitteln durch theoretische Instruktionen zu ersetzen, deren Werth natürlich nur gering anzuschlagen war. Am 2. März kehrte sie nach Colberg zurück und nahm nun die artilleristische Ausbildung mit großem Eifer auf. Die dürftigen Hülfsmittel erhöhten die Anstrengungen, aber der ausgezeichnet gute Wille der Avancirten und der Mannschaft erleichterte die Ueberwindung aller Hindernisse. So war die Kompagnie Ende des Monats in einer Verfassung, welche bei ihrer Verwendung dem Feinde gegenüber gute Erfolge versprach, erhielt am 1. April den Befehl zum Abmarsch nach Stettin und trat am 3. d. Mts. den Marsch dorthin an.

Stettin war seit 6 Jahren von den Franzosen okkupirt und zur kräftigsten Vertheidigung vollständig vorbereitet. Die Munitionsvorräthe waren allerdings nicht sehr bedeutend, und Lebensmittel nur für etwa 5 Monate vorhanden.

Bereits am 15. Februar 1813 erklärte der Gouverneur, General Grandeau, die Festung in Belagerungszustand, und am 15. März ließ er auf den Plätzen und in mehreren Straßen Geschüße auffahren, da ihm die Stimmung der Einwohner bedenklich erschien. Lettere hing wohl mit der Annäherung peußischer Truppen zusammen, denn am 12. März war ein Beobachtungskorps unter General von Bülow bis in die Gegend von Freienwalde herangerückt, und nach erfolgter Kriegserklärung ließ Letterer schon am 18. März die Festung durch General von Thümen einschließen.

Jm März wurden dann diese Truppen durch solche des Generals von Tauenţien abgelöst, und zu diesen Blockadetruppen wurde unsere 1. provisorische Kompagnie kommandirt.

Die Franzosen hatten die Stettiner Werke wesentlich verstärkt, auch die Stadt Damm mit Vertheidigungsanlagen umgeben und für eine gesicherte Verbindung beider Punkte gesorgt. Ihnen gegenüber standen etwa gleich starke, aber neu formirte preußische Truppen, durch die Oder und den Damm'schen See von einander getrennt, ohne Brückenübergänge, also dem Vertheidiger gegenüber in großem Nachtheil. Besonders hinderlich war auch der Mangel an genügender Munition, und so erfolgte im April der Befehl des Königs an General von Tauenzien, von einer förmlichen Belagerung Abstand zu nehmen, sich auf eine strenge Blockade zu beschränken und aus dieser bei günstiger Gelegenheit zum gewaltsamen Angriff überzugehen.

Daher wurde eine Reihe von Feldverschanzungen angelegt 1), welche die Landzugänge zur Festung sperrten und den Belagerern einen Anhalt gegen die später häufig stattfindenden Ausfälle gaben. Vor allem aber kam es darauf an, die Wasserwege zu sperren, und dies geschah auf der oberen Stromseite ebenfalls vom Lande aus, auf der unteren Seite mit dem Damm'schen See durch eine Flottille, welche aus Zollwachtschiffen und anderen armirten Booten zusammengestellt und im Laufe der Blockade durch schwedische Kriegsfahrzeuge verstärkt wurde.

Zu dieser Flottille hatte die 1. provisorische Kompagnie schon vor ihrem Eintreffen vor Stettin den Lieutenant von Cardell mit 28 Unteroffizieren und Mannschaften abgegeben; die Kompagnie selbst traf am 7. April vor der Festung ein, wurde auf das linke Oderufer

1) Plan der Festung Stettin in Strotha's Geschichte der 3. Brigade.

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