Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Erstes Kapitel.

Die Zeit von 1807 bis 1812.

Geschichte des Feld-Art.-Rgts. General-Feldzeugmeister (18.)

[ocr errors][ocr errors][merged small]

Die preußische
Artillerie im

Der er 9. Juli 1807, dieser Tag der tiefsten Erniedrigung unseres Vaterlandes, an welchem durch den Tilsiter Frieden die durch den großen Friedrich errungene Stellung Jahre 1807. Preußens unter den Großmächten Europa's vernichtet, an welchem sein ehemalig so stolzes, erprobtes Heer in den Staub getreten wurde, traf wohl keine Waffe unserer Armee so hart, wie die Artillerie.

"

Bitter rächte sich an der Armee der in ihr groß gewordene Uebermuth, welcher das preußische Heer für unüberwindlich hielt und noch im Sommer 1806 auf der Parade in Potsdam es öffentlich aussprechen ließ: Generale wie der Herr von Bonaparte hat die Armee Seiner Majestät mehrere aufzuweisen." Bitter rächte sich namentlich auch an der Artillerie die stiefmütterliche Behandlung, welche gerade ihr zu Theil geworden. Nach dem Mobilmachungsplan von 1799 übernahmen die meisten Batterieführer beim Ausrücken ins Feld Batterien, welche sie vorher kaum oder gar nicht gesehen hatten; leßtere wurden erst in diesem Moment mit rohen Pferden bespannt und für diese die nöthigen Stückknechte ausgehoben. Dabei ließ das Material an Schwerfälligkeit und sonstigen Mängeln nichts zu wünschen übrig; „Zimmermann und Grobschmied hatten daran gepfuscht, nicht ein Rad war dem andern gleich, nicht ein Rohr paßte in eine andere Affüte und oft nur so eben in seine eigene.“ 1)

Rechnet man hierzu noch die Unkenntniß der damaligen Artillerie mit dem praktischen Felddienst im allgemeinen und dem der andern Waffen, mit welchen sie im Frieden nie zusammen geübt hatte, denen sie aber bei der Mobilmachung batterie und geschüßweise überwiesen wurde im besonderen, erwägt man endlich noch, daß die Ansichten über die Gefechtslehre der Artillerie bei allen drei Waffen gleich ungeklärt waren, so kann man sich ein ungefähres Bild von dem Zustande machen, in welchem die preußische Artillerie in den Feldzug von 1806 zog. Sie bestand damals aus 4 Regimentern Fuß-, 1 Regiment reitender und 1 Korps Festungsartillerie; die ersteren zerfielen in je 10 Kompagnien, deren jede nicht nur eine Batterie und eine Parkkolonne mobil machte, sondern noch Abgaben zur Formirung einer Haubitzbatterie, Handwerks-, Laboratorien- und Modderbrücken-Kolonnen, Pferde-Depots u. s. w. zu stellen hatte, wiederum ein Beweis der damaligen unvollkommenen Organisation.

1) Decker, Geschichte des Geschüßwesens, 1819.

Die Wiedergeburt der Artillerie.

Chef derselben.

Der Ausgang des Feldzuges von 1806 ist bekannt,

für die Artillerie bedeutete er in personeller und materieller Hinsicht die völlige Zerstückelung. Nach den Angaben des Oberst von Decker 1) sind der allgemeinen Auflösung der Fuß-Artillerie überhaupt nur 9 Batterien entronnen, von der Festungs-Artillerie waren nur noch die Batterien der wenigen, dem Feinde nicht übergebenen Plätze vorhanden.

Somit beginnt die Geschichte unserer heutigen Artillerie mit dem Jahre 1807; nur wenige Regimenter können die Entstehungsspuren einzelner ihrer Theile bis in eine frühere Zeit zurückverfolgen, - von den Batterien unseres Regiments vermag dies keine.

Aber mit Stolz können wir sagen, daß das traurige Ende der Artillerie des Bring August vorigen Jahrhunderts der Anfang einer schnellen und doch kräftigen Wiedergeburt war. An Stelle des hochbetagten General-Inspekteurs, Generallieutenants von Merkay trat der Oberst von Neander; der Schöpfer unserer heutigen Artillerie aber, der sich unsterbliche Verdienste um dieselbe erworben, ist der Prinz August, und zu stetem Dank ist unsere Waffe verpflichtet für die Allerhöchste Kabinets-Ordre, welche denselben an ihre Spize stellte:

Durchlauchtigster Prinz,
Freundlich lieber Better!

Die Artillerie hat sich in dem letzten Kriege sowohl im freien Felde, als in den Festungen durch ihr gutes Verhalten Meine Achtung in dem Maße erworben, daß Ich zu dem Wunsche bestimmt worden bin, derselben einen auszeichnenden Beweis Meiner Huld und Guade zu geben.

Diese Absicht kann Jch unstreitig wohl nicht vollkommener als dadurch erreichen, daß Jch bei derselben in Euer Liebden Person einen Prinzen Meines Hauses anstelle, der in dem Feldzuge von 1806 ebenfalls sich durch eine rühmliche Entschlossenheit hervorgethan hat. Ich übertrage demnach Euer Liebden hiermit den Befehl über diese Waffe in dem Verhältniß als Brigade-General, ernenne Sie auch zugleich zum Chef des Ostpreußischen Artillerie-Regiments und thue solches mit desto größerem Vergnügen, weil Jch dadurch auch Denenselben Meine Erkenntlichkeit für Ihre guten Dienste bezeugen und zugleich zu erkennen geben kann, wie sehr Ich Ihrer wissenschaftlichen Applikation Gerechtigkeit widerfahren lasse. Ich halte Mich überzeugt, daß es Euer Liebden angenehm sein wird, einem so ehrwürdigen Korps, als die Artillerie ist, vorzustehen und darf Mir bei Ihren guten militairischen Eigenschaften von Ihrer Fürsorge für Meine Artillerie wesenlichen Nußen versprechen.

Uebrigens bemerke Jch nur noch, daß der Oberst von Neander die bisher zu Meiner ganzen Zufriedenheit geführte Inspektion der Artillerie behalten, dabei auch das Kommando unter Euer Liebden in obenerwähnten Verhältnisse führen foll. Mit wahrer Hochachtung und Freundschaft beharre Jch Euer Liebden freundwilliger Better

Königsberg, den 8. August 1808.

An des Prinzen August von Preußen Liebden.

Friedrich Wilhelm.

Fürwahr, wir können stolz sein auf diesen Befehl, nicht nur weil er den in trüber Zeit erprobten Prinzen an die Spite der Artillerie beruft, sondern vor allem darauf, daß

1) von Decker, Formation der preußischen Artillerie, 1865.

er die lettere von jedem besonderen Vorwurf, der sie treffen konnte, freispricht und ihr Benehmen in dem unglücklichen Kriege rechtfertigt.

Prinz August, der 1779 in Berlin geborene dritte Sohn des Prinzen Ferdinand, war gleich seinem ritterlichen Bruder Louis Ferdinand von Begeisterung für die Sache des geknechteten Vaterlandes erfüllt. Mit Leib und Seele Soldat und durch ungewöhnliche förperliche und geistige Vorzüge hierzu geeignet, trat der Prinz 1797 als Hauptmann in die eigentliche militärische Laufbahn, ward 1803 Major und Bataillonskommandeur, verrieth als solcher durch die Musterausbildung seiner Truppe seine hervorragende Begabung und war 1806 Einer Derjenigen, welche am ungeduldigsten dem Kampfe gegen den Unterdrücker entgegensahen. Es ist bekannt, wie glänzend sich der Prinz in dem unglücklichen Feldzuge auszeichnete, wie er durch seinen hervorragenden persönlichen Muth die wankenden Reihen wiederholt zum Stehen brachte, wie er nach dem unglücklichen Tage von Jena und Auerstädt bei der allgemeinen Kopflosigkeit des Rückzuges allein unerschütterlich blieb und immer wieder es aussprach: „So lange er als Königlicher Prinz gegenwärtig sei, verbitte er sich, etwas von Kapitulation zu reden". Und gerade ihm spielte das Geschick so tragisch mit, stets in der Nachhut erschöpfte sich der Prinz in beispiellosen Anstrengungen, in steten Kämpfen mit dem nachdrängenden Gegner, bis er endlich bei Prenzlau verwundet und mit den Trümmern seines tapferen Bataillons durch eine erdrückende Uebermacht gefangen genommen wurde. Nach dem unglücklichen Friedensschluß kehrte Prinz August im Oktober 1807 nach Berlin zurück,,,seine Gefangenschaft war höchst ehrenvoll zu nennen, und er gehörte zu denjenigen Führern in der damaligen unglücklichen Zeit, deren Muth und Heldenruhm gänzlich unangetastet von den Zungen der Verleumdung und den Stürmen des Schicksals blieb."1)

[ocr errors]

Dies Wenige zur Charakteristik des Mannes, der 1808 an die Spitze der Artillerie berufen wurde, welcher er 35 Jahre lang vorgestanden und die er neu geschaffen hat.

Mit der ihm eigenen Energie ging der Prinz an das Werk, die Trümmer der ihm anvertrauten Waffe zu sammeln, und den Plan zu einer neuen, zeitgemäßen Organisation derselben zu entwerfen. In edler Bescheidenheit, fern von aller Selbstüberschätzung, wandte er sich hierbei an Scharnhorst mit der Bitte, ihn mit seiner Kenntniß und Erfahrung zu unterstützen, und ein reger Briefwechsel Beider legt Zeugniß ab von der schönen Einmüthigkeit, mit welcher der Schöpfer der neuen preußischen Heeres-Organisation und der von begeistertem Eifer erfüllte jugendliche Prinz Hand in Hand gingen, das Wohl unserer Waffe zu fördern.

Bereits im November 1808 erfolgte als vorläufige Maßregel die Eintheilung und Formirung der Artillerie in drei Brigaden, die Ostpreußische, die Brandenburgische und die Schlesische, und nach rastloser, ununterbrochener Arbeit konnte dann der Prinz im Anfang des folgenden Jahres dem Könige den nunmehr fertigen Organisationsplan vorlegen, welcher unter dem 21. Februar 1809 sammt der im Verein mit Scharnhorst neu aufgestellten Rangliste des Offizierkorps der Artillerie genehmigt wurde.

des Jahres 1809.

Es würde zu weit führen, wenn wir die Einzelheiten dieser Reorganisation weiter die Organisation verfolgen wollten; es erübrigt, anzuführen, daß jede der genannten Brigaden zu 15 Kompagnien formirt wurde, daß diese Feldkompagnien an Stelle der eingegangenen FestungsArtillerie die in ihrem Bereich liegenden Festungen mit je 1 bis 2 detachirten Kompagnien

1) Schaller, Denkwürdige Momente aus dem Leben des Prinzen August, 1846.

« ZurückWeiter »