Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Endlich geben uns freundliche Aufzeichnungen des damaligen Adjutanten der III. FußAbtheilung noch die Möglichkeit, von dem Leben im Regiment in jener Zeit zu erzählen:

Der Winterdienst unterschied sich im großen Ganzen wenig von dem der jeßigen Batterien. Die Reiterei wurde eifrigst gepflegt und wurden Anforderungen gestellt, welche uns heute übertrieben vorkommen. Der berittene Artillerist trug die lange Reithose mit Lederbesat, „Blechhose" genannt. Bei zu kurzen Beinkleidern half man sich durch Verlängerung der Sprungriemen, so daß bei einer-Reitbesichtigung der Regimentskommandeur sich zu dem Ausruf veranlaßt sah: „Herr Hauptmann, Jhre Leute haben mehr Strippen, als Hosen an den Beinen!"

In der Offizier-Reitstunde wurden Hieb und Stich nach Strohpuppen eifrig geübt; im Frühjahre fanden Fechtübungen mit Säbel zu Pferde von je zwei Offizieren gegen einander statt. Der Fahrübung, welche Anfangs April begann, ging zur praktischen Orientirung eine ebensolche sämmtlicher Lieutenants voran, welche eine entsprechende Zahl bespannter Geschütze als Fahrer beseßten. Sowohl die Fahrvorschrift, als auch das Exerzir-Reglement enthielt einen solchen Reichthum von Bewegungen, daß es kaum möglich war, alles einzuüben. Nächst der Reit- und Fahrausbildung wurde der größte Werth auf das Exerziren zu Fuß gelegt, endlich kam die manchmal etwas stiefmütterlich behandelte Ausbildung in der Geschüßbedienung und im Schießen.

Was das außerdienstliche Leben anbetrifft, so gehörte Wittenberg zu den angenehmsten der kleinen Garnisonen; zwei Bataillone des 20. Infanterie-Regiments und eine mit der Garnison auf freundschaftlichstem Fuße stehende Civilbevölkerung boten Gelegenheit zu angenehmem kameradschaftlichen und gesellschaftlichen Verkehr. Im Garnisonkasino, kurz vorher in einem vom Staate angekauften Hotel eingerichtet, nahmen beide Offizierkorps ihr Mittagessen ein. Im geräumigen Saale desselben tanzten Offiziere und junge Beamte mit den Damen des Städtchens; die der Tanzlust weniger Huldigenden fanden Zuflucht in beiden Ecken, welche der große Kachelofen bildete. Sie seien zum Festhalten des Ofens kommandirt“, behaupteten böse Zungen. Allerdings gerieth derselbe durch die Erschütterung des Tanzbodens in dem alten Hause nicht selten in beängstigende Schwankungen.

Zahlreiche Gesellschaften brachten Abwechselung in das Leben der Garnison; besonders das Haus des Abtheilungskommandeurs zeichnete sich aus durch gewinnende Gastfreiheit, mit welcher besonders die Offiziere der Abtheilung jederzeit willkommen geheißen waren. Die übrigen Abende brachte der unverheirathete Offizier regelmäßig im „Bums“ zu, einem Bierlokal, in welchem bereits Luther sein Töpfchen getrunken haben soll.

Seinen Abschluß finde dieses Kapitel wie das vorhergehende, indem wir die Zugehörigkeit unserer Batterien zu den einzelnen Abtheilungen der Uebersicht halber nochmals wiederholen wie folgt:

Vor Beginn des Krieges 1870 standen bei der

I. Abtheilung in Torgau die zweite 4pfündige und zweite 6pfündige (heute 4. und 5.) Batterie, II. Abtheilung in Jüterbog die vierte 4pfündige (heute 8.) Batterie,

III. Abtheilung in Wittenberg die fünfte und sechste 6pfündige (heutige 1. und 2.) Batterie.

Sechstes Kapitel.

Die Zeit von 1870 bis 1872.

Der deutsch-französische Krieg.

Erster Abschnitt.

Vom Beginn der Feindseligkeiten bis zur Schlacht bei Gravelotte.

In tiefem Frieden war das Jahr 1870 angebrochen. In gewohnter Weise hatten die Truppen an ihrer Ausbildung gearbeitet und das einzige, für die Regimentsgeschichte anzuführende Ereigniß ist eine Namensänderung sämmtlicher Batterien, indem im Anfange des Juli die 6pfündigen schwere", die 4pfündigen leichte“ Batterien genannt wurden.

Es würde zu weit führen, die Ursachen des französischen Krieges hier zu erörtern, in der Nacht zum 16. Juli ging den Truppen die Depesche zu: „Auf Allerhöchsten Befehl ist die norddeutsche Bundes-Armee planmäßig mobil zu machen, der 16. d. M. ist der erste Mobilmachungstag."

Tags zuvor sollte unsere zur Schießübung zusammengezogene Brigade Vorstellung vor Prinz Friedrich Carl haben. Beunruhigende Gerüchte durchschwirrten mehrfach die Luft, jedermann befand sich in gewisser Aufregung. Die Paradeaufstellung wurde eingenommen in der Hoffnung, durch den Prinzen etwas Genaueres zu erfahren, eine halbe Stunde verging in ungewohntem Warten plötzlich kam die Depesche, daß die Besichtigung wegen der politischen Verwickelungen ausfallen müsse. Natürlich fand jedermann hierin eine Bestätigung der umlaufenden Gerüchte, aber der direkte Befehl, mobil zu machen, war noch nicht da, so vereinigte sich an jenem Tage noch einmal das gesammte Offizierkorps im Pavillon auf dem Schießplatz Die begeisterte Erwartung der kommenden Tage fand in zündender Rede des Regimentskommandeurs ihren Ausdruck, es war dies das lette Zusammensein vor dem Feldzuge, der so viele Opfer fordern sollte, gleichzeitig das letzte Zusammensein unserer Brigade in der damaligen alten Form.

[ocr errors]

Wiederum in eine höhere Kommandostelle berufen und mit der Führung der II. Armee beauftragt, erließ Prinz Friedrich Carl am 20. Juli folgenden Korpsbefehl:

Die 4. und 5. Batterie.

Soldaten des III. Korps!

Während der Dauer des mobilen Verhältnisses ist mir vom Könige ein höheres Kommando übertragen. Mein bewährtes Armeekorps bleibt dabei unter meinen Befehlen.

In der Person des Generallieutenants Constantin von Alvensleben II. habt Ihr einen neuen kommandirenden General an meiner Stelle.

Ich kenne ihn.

Uebertragt auf diesen bewährten und tapferen Führer dasjenige Vertrauen, das Ihr zu mir habt. Er verdient es und wird Euch ein tüchtiger Führer und sorgender Freund sein.

Geht in den neuen Krieg mit altem Muth, zeigt besonders dieselbe Hingebung im Ertragen von Entbehrungen und Strapazen, die unausbleiblich sind, dieselbe Freudigkeit in der Gefahr, dieselbe Geschicklichkeit, Ruhe und Entschlossenheit, welche Euch bisher von Sieg zu Sieg führten und den Ruf und Ruhm meines lieben Korps in zwei Feldzügen ausmachten. Seid dann mit Gott des Sieges gewiß.

Auf Wiedersehen!

Es lebe der König!

Friedrich Carl, General der Kavallerie. Am 22. Juli übernahm Generallieutenant von Alvensleben das Kommando mit folgendem

Korpsbefehl:

Mit fester Zuversicht zu den kriegerischen Tugenden der brandenburgischen Truppen trete ich an ihre Spize. Für die Liebe und das gerechte Vertrauen, mit welchem das Armeekorps zu der hohen Person und der ruhmvollen Führung seines kommandirenden Generals aufblickt, giebt es keinen Ersaß; aber die Frucht dieser Führung, der Geist, die Schule und die Siegesgewohnheit bleibt unter uns. Auf sie, wie auf die Pflichttreue des preußischen Soldaten zähle ich und darf ich zählen, kraft des Vertrauens unsers Allergnädigsten Königs und Herrn, das mich auf diesen Platz gestellt hat.

von Alvensleben, Generallieutenant, beauftragt mit der Führung des III. Armeekorps.

Anlage 5 des Generalstabswerkes giebt uns die ordre de bataille der II. Armee. Zum dritten Male in einem Zeitraum von weniger als 10 Jahren durften hier das III. Armeekorps und in ihm unsere Batterien ihrem bewährten Führer ins Feld folgen. Die gleiche Anlage 5 zeigt, daß die Zutheilung unserer Abtheilungen zu den anderen Truppen dieselbe war, wie im Jahre 1886. Der 5. Infanterie-Division von Stülpnagel war wiederum die I. Fußabtheilung, unter Major Gallus, zugewiesen; die 6. Division von Buddenbrock erhielt wieder die III. Abtheilung, unter Major Beck; die II. Abtheilung, unter Major von Lynker, trat zur Korpsartillerie unter dem Kommando des Regimentskommandeurs, Oberst von Dresky.

Unter den Hauptmann und Batteriechef Vollbrecht standen bei der 2. leichten Batterie die Lieutenants Borchert und Schröder; 19 Unteroffiziere, 1 Trompeter, 4 Ober: gefreite und 86 Mann bildeten mit 39 Dienstpferden den Bestand der Batterie.

« ZurückWeiter »