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Erst Donnerstag den 28. ging der Kaiser zur Armee, nach Meß. Unmittelbar vorher hatte er folgendes, die Situation kennzeichnendes Schreiben. an den Commandanten der Nationalgarde des Seine Departements gerichtet: »Ich bitte Sie, der Pariser Nationalgarde auszudrücken, wie sehr Ich auf ihren Patriotismus und ihre Hingebung rechne. In dem Augenblick wo Ich zur Armee abgehen will, halte Ich darauf, ihr das Vertrauen zu bezeugen, das Ich in sie sehe, um die Ordnung in Paris aufrecht zu erhalten und über die Sicherheit der Kaiserin zu wachen. Heute muß Jeder nach Maßgabe seiner Kräfte wachen über dem Heile des Vaterlandes.<< Dies war sein leßter Erlaß von St. Cloud aus. Er bezeugte der Nationalgarde sein Vertrauen wohl gerade deshalb, weil er es nicht hatte. Er wußte, daß ihn nur seine Siege halten konnten, unter allen Stüßen aber, die er zurückließ, war die Nationalgarde eine der schwächsten. Sie sollte sich bald in dieser ihrer Schwäche zeigen.

Jene Abschiedszeilen waren seine Abschiedsworte an die Hauptstadt überhaupt. Er zeigte sich nicht persönlich; er vermied eine Fahrt durch die Straßen, weil er die ihm feindliche Stimmung der untersten Gesellschaftsschicht, der schon damals ihren communistischen Projecten mit erneuter Leidenschaft hingegebenen Arbeiterklassen, sehr wohl kannte.

Er benutte die Gürtelbahn und, Paris im Halbkreise umfahrend, ohne Gruß, ohne daß ein einziges vive l'empereur ihn begleitet hätte, zog er an die Grenze.

Kein Auge wurde feucht. Er hat seine Hauptstadt nicht wiedergesehn!

Die Abreise König Wilhelm's.

Wie anders der Abschied König Wilhelm's! Ein Vater schied von den Seinen.

In der Mittagsstunde, Sonntag den 31. Juli hatte das 2. GardeUlanen Regiment seine Fahnen abgeholt. Der König war freundlich ernst wie immer. Als beim Abmarsch der Commandeur (Prinz Heinrich von Hessen) des Regiments an der Rampe vorbeiritt, lehnte sich der König über das Gitter binab und reichte dem Prinzen die Hand. Dieser ergriff sie und beugte sich, um sie zu küssen. Der Anblick war ergreifend und die versammelte Menschenmasse brach in stürmische Lebehochs auf den König aus. Schon von dieser Mittagsstunde an war das königliche Palais fortdauernd von vielen Tausenden umgeben. Als um 4 Uhr die königliche Proclamation

(siehe S. 65) an den Anschlagsäulen erschien und dadurch die Abreise als bestimmt bekannt wurde, wuchs die Menschenmenge dergestalt an, daß sie sich vom Palais die Linden entlang durch das Brandenburger Thor bis zum Bahnhof erstreckte. Hier stand Alles Kopf an Kopf gedrängt; auf dem Plaz vor dem königlichen Palais mochten allein an 50,000 Menschen versammelt sein: jedes Alter, alle Stände waren vertreten.

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Um 5 Uhr öffnete sich das Gitter zum Seiteneingange des Palais und König und Königin fuhren in dem gewöhnlichen zweispännigen offnen Wagen des königlichen Herrn heraus. Ein nicht enden wollendes Hoch und Hurrah empfing den greisen, aber wunderbar rüstigen Herrscher, der unter den Segenswünschen seines Volkes ins Feld zog. Der König, in Mantel und in der Feldmüze, saß mit ernstem Antlig im Wagen und dankte durch stilles Neigen des Hauptes auf den jubelnden Zuruf. Die Königin war sichtlich ergriffen. Langsam nur konnte anfangs der Wagen sich fortbewegen, so dicht stand die Menschenmenge, von der jeder Einzelne noch einmal den geliebten König sehen, ihm aus tiefbewegtem Herzen den Abschiedsgruß und den Wunsch auf glückliches Wiedersehen zurufen wollte. Ein Menschenstrom, brausend von Liebe und Begeisterung, umwogte Schritt um Schritt das königliche Paar durch die Straßen zum Bahnhof hin. Mit dem schlichten Wagen des königlichen Feldherrn zog das Herz des Landes; die patriotische Stimmung der Berliner Männer und Frauen, die hier standen, weinten und jubelten, war im Einklang mit dem allgemeinen Gefühl. Von den Dächern flaggten die Fahnen, aus den Fenstern wehten die Tücher; zum Himmel auf stieg aus tausend Herzen die Bitte um Sieg und frohe Heimkehr. Wer am Bahnhof einen Plaz gefunden hatte, hörte schon von ferne her den Hurrahruf. Die Liebe des Volkes (wie 14 Tage vorher bei dem Eintreffen des Königs von Ems) hatte die ganze Auffahrt zum Eingang des Wartesalons mit Blumen und Kränzen geschmückt, die preußischen und norddeutschen Fahnen wehten. darüber und zwischen ihnen leuchtete weit hinaus, dem königlichen Helden entgegen, auf weißer eichenbekränzter Tafel der Wunsch und Gruß: Mit Gott!

Als der König aus dem Wagen stieg und jezt an die Rampe trat, um noch einmal winkend sein Volk zu grüßen, erscholl weithin ein donnerndes Hoch, ein Hurrah, wie es nie lauter und herzlicher ausgebracht worden ist. Der König war tief bewegt. Als er sich zurückwandte, erschütterte noch ein Zug treuer Liebe sein Herz. Einer der Tapfern von 1866, der Lieutenant v. Sierakowski, der damals in den Trümmern einer brennenden Fabrik beide Füße verlor, hatte sich auf seinem Wägelchen die Rampe hinauf schieben lassen, um noch einmal seinen Kriegsherrn zu sehn. Der König trat zu dem

jungen Invaliden und reichte ihm die Hand, und als der Offizier sie an seine Lippen zog, traten die Thränen in Vieler Augen.

Im Wartesaal harrten des königlichen Herrn bereits seine Begleiter in diesem Kampf: Generalfeldzeugmeister Prinz Karl, Graf Bismarck, Minister v. Roon, General v. Moltke. Aus den Händen der Gräfin Jhenpliz nahm der König noch einen Blumenstrauß entgegen.

Nach dem Abschied von der Königin trat er hinaus auf den Perron und auf den Waggon zu, rechts und links die Hände zum Abschied reichend, die viele Damen und Herren mit ihren Thränen beneßten.

Die feuchten Blicke hingen

An seinem Antlig stumm
Und fromme Sprüche gingen
Als Kriegesloosung um.

Er grüßte zu uns nieder,

Er grüßt mit Herz und Hand,

Und alle Herzen wieder

Ergriff der heilge Brand;

Der Brand, der einst in Flammen

Zum Sieg die Väter trug,

Und einmal schon zusammen

Die Kaiserwirthschaft schlug.

Der König blieb innen am offnen Fenster des Waggons stehn und

winkte noch lange grüßend zurück zu den Getreuen.

as Vorspiel.

Recognoscirungen und Scharmüßel.

Bis zum 2. August.

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