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Andere Batteriebauten, darunter eine rechts neben dem St. HelenenKirchhof, erfolgten in der Nacht vom 8. zum 9.

Die Aushebung der dritten Parallele.

(In der Nacht vom 9. zum 10. September.)

Bei den schnellen Fortschritten der Artillerie befand man sich bereits am 9. September in der Lage, aus der zweiten Parallele an drei Stellen mit den Laufgräben debouchiren zu können; aber noch mehr: in der Nacht vom 10. zum 11. konnten alle drei Sappentêten mit der »gemeinen Sappe« 300 Schritt lang hergestellt, in der folgenden Nacht sogar ein über 700 Schritt langes Stück der dritten Parallele mit der gemeinen Sappe vollendet werden. Dies Unternehmen steht in der Kriegs- und Belagerungsgeschichte ohne Beispiel da. Das Verdienst desselben gebührt dem Ingenieur en chef, Generalmajor v. Mertens. In wenigen Stunden gelang es mit Hülfe der gemeinen") oder flüchtigen Sappe ebensoviel zu fördern, wie sonst (unter Anwendung der »völligen Sappe«) in einer Reihe von Tagen.

Etwa gleichzeitig mit Aushebung der dritten Parallele erfolgte auch eine Umgestaltung des artilleristischen Kampfes. Bis dahin war der selbe von hüben und drüben im Wesentlichen mit Rohrgeschüßen geführt worden. Vom 9. ab gab der Feind, von Einzelfällen abgesehen, diese Kampfesweise auf und trat unseren Angriffsarbeiten nur noch mit Bomben aus schweren Mörsern entgegen. Es mußte nunmehr auch unsererseits Bedacht darauf genommen werden, den Mörsern, deren Aufstellung sich dem Auge gänzlich entzog, wiederum durch Mörserfeuer in genügender Menge

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*) Man unterscheidet die gemeine Sappe, die flüchtige Sappe und die völlige Sappe. Die beiden lehteren Sappenarten unterscheiden sich von der ersteren dadurch, daß bei ihnen zur Herstellung der Deckung sogenannte Sappen körbe aufgestellt werden, hinter welchen man sich eingräbt, indem man die erste gewonnene Erde zum Vollfüllen der Körbe benugt. Man erhält auf solche Weise von vorn herein eine bessere Deckung, während bei der gemei. nen Sappe die vorwärts geworfene Erde jedem einzelnen Manne erst allmälig Deckung gewährt. Die flüchtige Sappe ist insofern der gemeinen Sappe ähnlich, als auch bei ihr auf der ganzen herzustellenden Sappe gleichzeitig gearbeitet wird und daß Infanterie dabei angestellt werden kann. Die völlige Sappe ist diejenige langsame Form des Vorwärtsarbeitens, wobei sich die zu dieser Arbeit eingeübten Sappeurs auf eine künstliche, im Sappeur Reglement genau vorgeschriebene Art maulwurfartig weiterwühlen. Die völlige Sappe charakterisirt sich dadurch, daß sie unter fortwährend vorzuwälzender Deckung vorschreitet. Bisher benußte man hierzu in der Regel einen großen Korb, den sogenannten Wälzkorb. Neuerdings wälzt man nur die Erde vor sich her und nennt diese Sappenart die Erdwalze. Die Anwendbarkeit der einen oder andern dieser Sappenformen hängt von der geringeren oder größeren Nähe, in welcher feindliches Feuer zu erwarten ist, ab. Bisher nahm man allgemein an, daß schon die zweite Parallele nicht mehr mit der gemeinen, sondern wenigstens mit der flüchtigen Sappe gearbeitet werden müsse, für alle Arbeiten vorwärts der zweiten Parallele aber war die Noth. wendigkeit des völligen Sappirens anerkannt.

antworten zu können. Drei große Mörser - Batterieen traten alsbald in Thätigkeit:

Batterie Hüger von der Westphälischen Festungs- Artillerie, mit sechs 25pfündigen Mörsern,

Batterie Trüstedt, mit vier 50pfündigen Mörsern,

Batterie Meier vom Magdeburgischen Feld Artillerie - Regiment (dieselbe die Lünette 44 zum Schweigen gebracht hatte), mit zwei gezogenen 21 Centimeter - Mörsern armirt.

Diese drei Batterieen richteten ihr Feuer gegen die eigentliche Angriffsfront: die Bastionen 11 und 12, und erzielten eine solche Wirkung, daß schon nach wenig Tagen beide Bastionen kaum noch einem für die Vertheidigung eingerichteten Festungswerke glichen.

Die Aushebung der vierten (Halb.) Parallele und des Couronnements. (In der Nacht vom 12. zum 13. und vom 13. zum 14. September.)

Am Abend des 12. September war man bereits so weit, auch aus der dritten Parallele weiter vorgehen zu können. Vor Lünette 53 batte man den Fuß des Glacis mit der dritten Parallele erreicht; dagegen war dieselbe vom Fuße des Glacis der etwas zurückspringenden Lünette 52 noch etwa 50 Schritt entfernt. Es wurde aus diesem Grunde die Anlage einer halben Parallele projektirt, welche das Glacis beider Lünetten berühren sollte. Vor der Spiße der Lünette 52 mußte daher zu dieser Halbparallele vorwärts sappirt werden.

Wenn man sich in so großer Nähe der Festungswerke befindet, können die Annäherungswege nicht mehr im Zickzack geführt, sondern müssen durch Traversen (Querwälle) defilirt werden. In der mondhellen Nacht vom 12. zum 13. war diese Traversensappe theilweise nicht anders als mit der Erdwalze herzustellen, wo es indessen irgend möglich war, arbeitete man flüchtig, so daß bereits in der Nacht vom 13. zum 14. September die Halb, parallele zu Stande kam und sogar der Anfang zum Vorgehen aus der Halbparallele gemacht werden konnte. In dieser oder der folgenden Nacht glückte es vor jeder Face der Lünette 53 ein etwa funfzig Schritt langes Stück des » Couronnements « mittelst der flüchtigen Sappe zu Stande zu bringen. Man versteht unter » Couronnement « den legten vor einem angegriffenen Werke anzulegenden Parallelen Laufgraben, welcher auf dem höchsten Theile des Glacis liegt und daher auch Krönung des Glacis genannt wird. Man befand sich also den beiden Lünetten 53 und 52 nunmehr bis auf 100 Schritt gegenüber. Dennoch verging noch eine volle Woche, ehe beide Lünetten in unsern Händen waren.

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Von

Das Brescheschießen

und die Wegnahme der Lünetten 53 und 52.

Don Erdarbeiten haben wir nun nicht weiter zu berichten. Was noch zu thun war, war Brescheschießen und - Sturm, zunächst der Lünetten, dann der Bastionen, dann der Stadt.

Bis zum 13. hatte der artilleristische Angriff einen so zu sagen regelrechten Verlauf genommen; von diesem Tage an überschritt die Artillerie mit kühnen Sprüngen die Grenzen der Regel.

Während man, selbst als es nur glatte Geschüße gab, die zweite Parallele im Allgemeinen als lezte Position betrachtete, über welche hinaus die Artillerie, wenigstens mit Rohrgeschüßen, nicht nöthig habe weiter vorzudringen, und aus welcher hinaus nur in den legten Stadien der Belagerung Rohrgeschüße vorgebracht zu werden brauchten, um die Breschbatterieen und die den Sturm der Bresche vorbereitenden Contre- Batterieen zu armiren, so war es, auch nach Einführung gezogener Geschüße, der preußischen Artillerie vorbehalten, vorwärts der zweiten Varallele mit Demontir Batterieen aufzutreten.

Aber in noch anderer, wichtigerer, in gewissem Sinne dem Vorstehenden entgegengesetter Beziehung bezeichneten diese Tage (vom 13. bis zum 17.)) den Eintritt in eine neue Epoche des artilleristischen Angriffs. Der indirekte Brescheschuß, der, bis dahin nur theoretisch berechnet, noch keine Kriegsprobe bestanden hatte, kam zu voller Geltung. Zum ersten

*) In eben diesen Tagen waren innerhalb der Stadt, zu der ihnen der Zutritt ge stattet worden war, die schweizer Delegirten thätig, eine Emigration von Frauen, Kindern und Altersschwachen ins Werk zu sehen. Am 15. September verließen 500, am 17. September 568 Personen die Stadt. Generallieutenant v. Werder hatte, im Gegensag zu einer auf S. 658 erwähnten Aeußerung, dies Zugeständniß gemacht. Spätere Gesuche wurden abgelehnt.

Male seitdem es Belagerungen giebt, sah der Vertheidiger einer Festung die Mauern seiner Wälle durch Geschüße zertrümmert, welche 1000 Schritt entfernt an Punkten aufgestellt waren, von denen aus jene Manern nicht einmal gesehen werden konnten.

Die Schwierigkeit des indirekten Brescheschießens wird um so größer, je näher die das Mauerwerk deckende Brustwehr vor demselben liegt und je tiefer der Graben ist, dessen Böschung die Mauer bekleidet. In beiden Beziehungen waren die Verhältnisse für das Breschiren der Escarpe der Lünette 53 möglichst ungünstig. Wenn nun troßdem bereits nach dem ersten Schießtage die Ueberzeugung gewonnen wurde, daß eine gangbare Bresche zu Stande kommen werde, so konnte doch die Beobachtung der Wirkung durchaus nicht in solcher Weise erzielt werden, wie es zu wünschen gewesen wäre.

Aber vom 17. ab ermöglichte sich auch dies. Schon in der Woche, die dem eigentlichen Brescheschießen vorausging, hatte Hauptmann Ledebour vom Ingenieur-Corps, indem er sich in dem Graben vor der Spitze der Lünette 53 an Stricken niederließ, das Vorhandensein von Minengängen constatirt, deren Eingänge sich an der Contre-Escarpe dieses Grabens be fanden. Es wurde demnächst versucht, diesen Minengängen mit einem. Schleppschacht von der dritten Parallele aus entgegenzugehen. Am 14. früh fand man dieselben auf, und nachdem sie entladen und an den zerstörten Stellen gangbar gemacht waren, konnten diese Gänge dazu dienen, um gedeckt bis zum diesseitigen Nande desjenigen Grabens vorzudringen, dessen gegenüberstehende Mauer in Bresche gelegt wurde. Wie aus der Prosceniumsloge eines Theaters konnte von hier aus der ganze fernere Verlauf des Brescheschießens beobachtet werden. Hauptmann Müller vom Kriegsministerium, der seitens des Generallieutenants v. Decker mit der Leitung des Feuers in den Breschbattericen. beauftragt worden war, benußte diese »Prosceniumsloge« sofort und konnte von hier aus am 17. die ganz bestimmte Ueberzeugung gewinnen, daß die Bresche ersteigbar sei.

Die Entscheidung rückte immer näher; es mußte auf einen Sturm Bedacht und daher der Bau von Contre- Batterieen in Angriff genommen werden. Zugleich hatten in der Nacht vom 18. zum 19. Pionier Compagnicen vor den Lünetten 53 und 52 Graben- Descenten hergestellt. Diese beiden Lünetten fortzunehmen, um dann von hier aus gegen Bastion 11 und 12 vorzugehen, war unsere nächste Aufgabe.

Die Contre- Escarpe von Lünette 53 war weggesprengt; in der folgenden Nacht begann der mühsame Dammbau durch den Wassergraben vor

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der Bresche im feindlichen Feuer. Der Dammbau glückte; die Lünette wurde unter geringen diesseitigen Verlusten besett.

Der Bericht eines Betheiligten giebt die Vorgänge, die zu dieser Besetzung führten, in sehr anschaulicher Weise.

Die Besehung von Lünette 53.

(Vom 20. Jum 21. September.)

»>Unsere Mineurs waren seit dem 19. Abends an der Contre- Escarpe thätig, hatten immer tiefer hineingearbeitet, dann geladen und verdämmt.

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