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gegen die Politik des Cabinets Rechberg-Esterhazy zu Felde zog? . . . Man berufe nicht die Reserven, man berufe die Repräsentanten des Landes. . . . Wenn jetzt Desterreich säumt, seine gesetzgebenden Körperschaften zu versammeln, so wird man glauben müssen, es wolle nicht hören, wie die gewaltigste Mehrheit seiner Bürger denkt; dann aber sei man chrlich und nehme uns nicht Zeit und Geld für einen constitutionellen Firlefanz, der in solcher Zeit nicht beachtet wird.«

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Das war damals die Sprache in Deutsch - Oesterreich; man stand ganz zum Reiche«; Nache ist ohnehin nicht Wienerisch. Dies deutsch-nationale Empfinden aber, es wurde damals für uns zu einem politischen Factor von nicht leicht zu überschäßender Bedeutung.

An der Einmüthigkeit solcher Neutralitäts - Forderungen, wie wir sie vorstehend citirt haben, an der sich aufdringenden Erkenntniß, daß das ganze Deutsch-Oesterreich hinter solchen Forderungen stand, scheiterte die Revanche Lust der Kriegspartei.

Die französische Kriegserklärung.

Proclamation und Manifeste.

In der Reichstagssitzung vom 19. Juli (vergl. Seite 43) hatte sich Graf Bismarck erhoben, um der Versammlung anzuzeigen, daß ihm seitens des französischen Geschäftsträgers Le Sourd im Laufe des Vormittags die Kriegserklärung Frankreichs überreicht worden sei. Donnernde Bravos hatten darauf geantwortet: Jedes Herz war froh, daß dieses unerträgliche Nergeln endlich ein Ende haben, der Appell an die Waffen gewagt, der unvermeidliche, wie ein Gewitter in der Luft liegende Streit ausgetragen werden sollte.

Die Kriegserklärung selbst aber lautete wie folgt:

"Der unterzeichnete Geschäftsträger Frankreichs hat in Ausführung der Befehle, die er von seiner Regierung erhalten, die Ehre, folgende Mittheilung zur Kenntniß Sr. Excellenz des Herrn Ministers der auswärtigen Angelegenheiten Sr. Majestät des Königs von Preußen zu bringen:

Die Regierung Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen, indem sie den Plan, einen preußischen Prinzen auf den Thron von Spanien zu erheben, nur als ein gegen die territoriale Sicherheit Frankreichs gerichtetes Unternehmen betrachten kann, hat sich in die Nothwendigkeit versett gefunden, von Sr. Majestät dem Könige von Preußen die Versicherung zu verlangen, daß eine solche Combination sich nicht mit seiner Zustimmung verwirklichen könnte.

Da Se. Majestät der König von Preußen sich geweigert, diese Zusicherung zu ertheilen, und im Gegentheil dem Botschafter Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen bezeugt hat, daß er sich für diese Eventualität, wie für jede andere, die Möglichkeit vorzubehalten gedenke, die Umstände zu Rathe zu ziehen, so bat die kaiserliche Regierung in dieser Erklärung des Königs einen Frankreich eben so wie das allgemeine europäische Gleichgewicht bedrohenden Hintergedanken erblicken müssen. Diese Erklärung ist noch ver schlimmert worden durch die den Cabinetten zugegangene Anzeige von der

Weigerung, den Botschafter des Kaisers zu empfangen und auf irgend eine neue Auseinandersetzung mit ihm einzugehen.

In Folge dessen hat die französische Regierung die Verpflichtung zu haben geglaubt, unverzüglich für die Vertheidigung ihrer Ehre und ihrer verlegten Interessen zu sorgen, und, entschlossen zu diesem Endzweck alle durch die ihr geschaffene Lage gebotenen Maßregeln zu ergreifen, betrachtet sie sich von jest an als im Kriegszustande mit Preußen.

Der Unterzeichnete hat die Ehre, Sr. Excellenz die Versicherung seiner hochachtungsvollen Ergebenheit auszudrücken.

Berlin, den 19. Juli 1870.«

Le Sourd.

Die geschraubte, den eigentlichen Sachverhalt absichtlich verdunkelnde Begründung dieser Kriegserklärung, machte überall denselben ungünstigen Eindruck. Die Wiener Zeitungen bezeichneten dieselbe als »die frivolste Motivirung eines Krieges, welche die Welt je erlebt habe«; nicht anders stellten sich die Urtheile in England. Den Franzosen selbst wurde nicht Zeit gegönnt über den Werth oder Unwerth dieser Begründung nachzudenken; am Tage der Ueberreichung der Kriegserklärung (19.) überschritten französische Chasseurs d'Afrique die Grenze bei Saarbrücken, plänkelten mit preußischen Ulanen, Schüsse wurden gewechselt und die Nachricht von diesem Rencontre, weil sie die Phantasie anregte, sprach lebhafter zu den Parisern als der Wortlaut einer nüchternen Motivirung. Ohnehin folgte die »Proclamation des Kaisers an das französische Volk« der Kriegserklärung beinahe unmittelbar und die Farblosigkeit dieser verschwand hinter dem Farbenglanze jener. Die Proclamation aber, vom 22. Juli datirt, lautete wie folgt:

"Franzosen!

Es giebt im Leben der Völker feierliche Augenblicke, wo die Nationalchre in gewaltiger Erregung sich als eine unwiderstehliche Macht erhebt, die alle Interessen beherrscht und die Leitung der Geschicke des Vaterlandes allein in die Hand nimmt. Eine dieser entscheidenden Stunden hat soeben für Frankreich geschlagen.

Preußen, dem wir während und seit dem Kriege von 1866 die versöhnlichsten Gesinnungen bezeugt haben, hat unserm guten Willen und unserer Langmuth keine Rechnung getragen. Indem es sich in eine Bahn des gewaltthätigen Angriffs stürzte, hat es überall Mißtrauen erweckt, überall übertriebene Rüstungen aufgenöthigt und aus Europa ein Heerlager gemacht, in welchem die Ungewißheit und die Furcht vor dem nächsten Tage herrschen.

Ein letter Zwischenfall hat dann die Unhaltbarkeit der internationalen Beziehungen offen gelegt und den ganzen Ernst der Lage gezeigt. Den neuen Anmaßungen Preußens gegenüber ließen sich unsere Einsprüche vernehmen. Man hat ihrer gespottet und sie mit Bezeigungen des Hohnes beantwortet. Unser Land hat darüber eine tiefe Erbitterung empfunden und sofort hat sich ein Kriegsgeschrei von einem Ende Frankreichs bis zum anderen erhoben. Es bleibt uns jezt nur übrig, unsere Geschicke der Entscheidung der Waffen anzuvertrauen.

Wir führen den Krieg nicht gegen Deutschland, dessen Unabhängig. keit wir achten. Wir sind von dem Wunsche beseelt, daß die Völker, welche die große germanische Nationalität ausmachen, frei über ihre Geschicke verfügen sollen.

Was uns angeht, so verlangen wir die Herstellung eines Standes der Dinge, der unsere Sicherheit gewährleistet und die Zukunft sichert. Wir wollen einen dauerhaften, auf die wahren Interessen der Völker begründeten Frieden erobern und diesem prekären Zustande ein Ende machen, in welchem alle Nationen ihre Hülfsquellen darauf verwenden, sich gegeneinander zu rüsten. Die glorreiche Fahne, die wir noch einmal denen gegenüber entfalten, die uns herausfordern, ist dieselbe, die durch Europa die civilisatorischen Ideen unserer großen Revolution trug. Sie vertritt dieselben Prinzipien; sie wird dieselben Gefühle der Hingebung einflößen.

Franzosen!

Ich will mich an die Spitze dieser tapfern Armee stellen, welche von der Liebe zur Pflicht und zum Vaterlande beseelt ist. Sie weiß, was sie werth ist, denn sie hat in den vier Welttheilen den Sieg sich an ihre Schritte heften sehen.

Ich nehme troß seiner Jugend meinen Sohn mit mir. Er kennt die Pflichten, die sein Name ihm auferlegt; er ist stolz, an den Gefahren derer Theil zu nehmen, die für das Vaterland kämpfen.

Gott segne unsere Anstrengungen! Ein großzes Volk, das eine gerechte Sache vertheidigt, ist unüberwindlich!

Napoleon. «

Sechs Tage später, am 28. Juli, begab sich der Kaiser zur Armee nach Meß, um, unmittelbar nach seiner Ankunft daselbst, den Oberbefehl über die französische Armee zu übernehmen. Wir werden ihm später daselbst begegnen.

Eine preußische Kriegserklärung als Antwort auf die französische scheint unsrerseits weder übergeben noch überhaupt abgefaßt worden zu sein. Wenigstens sind wir nirgends der Mittheilung eines solchen Actenstücks oder oder auch nur seiner Erwähnung begegnet.

Die bereits am 19. thatsächlich eröffnete Kriegführung, so geringfügig diese Scharmüßel sein mochten, überhob uns dessen; was aber den Ausschlag geben mochte, war die Erwägung, daß ein Krieg, dessen Motivirung ebenso schwach auftrat wie seine Provocation stark gewesen war, eine ernste Auseinandersehung oder auch nur die Innehaltung herkömmlicher Formalien gar nicht verdiene. König Wilhelm begnügte sich mit zwei kurzen Manifesten, von denen das eine an das große deutsche Vaterland gerichtet war. Es trug das Datum: Berlin den 25. Juli, und lautete:

»Aus allen Stämmen des deutschen Vaterlandes, aus allen Kreisen des deutschen Volkes, selbst von jenseits des Meeres, sind Mir aus Anlaß des bevorstehenden Kampfes für die Ehre und Unabhängigkeit Deutschlands von Gemeinden und Corporationen, von Vereinen und Privatpersonen so zahlreiche Kundgebungen der Hingebung und Opferfreudigkeit für das gemeinsame Vaterland zugegangen, daß es Mir ein unabweisliches Bedürfniß ist, diesen Einklang des deutschen Geistes öffentlich zu bezeugen und dem Ausdruck Meines königlichen Dankes die Versicherung hinzuzufügen, daß Ich dem deutschen Volke Treue um Treue entgegenbringe und unwandelbar halten werde. Die Liebe zu dem gemeinsamen Vaterlande, die einmüthige Erhebung der deutschen. Stämme und ihrer Fürsten hat alle Unterschiede und Gegensäge in sich beschlossen und versöhnt, und einig, wie kaum jemals zuvor, darf Deutschland in seiner Einmüthigkeit, wie in seinem Recht, die Bürgschaft finden, daß der Krieg ihm den dauernden Frieden bringen und daß aus der blutigen Saat eine von Gott gesegnete Ernte deutscher Freiheit und Einigkeit sprießen werde.

Wilhelm.«

Das zweite Manifest (Berlin den 31. Juli) war eine Ansprache an das preußische Volk, zugleich ein Amnestie Erlaß. Es lautete:

» An Mein Volk!

Indem Ich heute zur Armee gehe, um mit ihr für Deutschlands Ehre und für Erhaltung unserer höchsten Güter zu kämpfen, will Jch), im Hinblicke auf die einmüthige Erhebung Meines Volkes, eine Amnestie für politische Verbrechen und Vergehen ertheilen. Ich habe das Staats - Ministerium beauftragt, Mir einen Erlaß in diesem Sinne zu unterbreiten.

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