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Die Vorgänge in Paris.

Am 15. früh war Benedetti in Paris eingetroffen; die Nachricht

davon hatte sich schnell in allen Theilen der Stadt verbreitet und schon im Laufe des Nachmittags, mit jeder Stunde sich steigernd, begannen die Demonstrationen. Mit verschwindenden Ausnahmen (einige Jünger der Internationale und der europäischen Friedensliga trugen rothe Laternen und wagten den lebensgefährlichen Ruf » Vive la Prusse«) war Paris einem chauvinistischen Rausch hingegeben. Zahllose Banden, von denen manche über tausend Köpfe stark waren, oft von Soldaten geführt und mit der dreifarbigen Fahne vorauf, durchzogen unter dem beständigen Rufen: "Es lebe der Krieg! Nieder mit Bismarck!« die Straßen; andere Tausende, die ihnen begegneten, schlossen sich an, klatschten Beifall oder stimmten in die Marseillaise mit ein. Die Polizei ließ Alles gewähren. Vor den Kasernen wurde fraternisirt; vor dem Ostbahnhofe lagerte, bis über Mitternacht hinaus, ein Haufe von Neugierigen, welche die ersten Regimenter abziehen sehn wollten; dann wurden Fackeln herbeigeholt, Andere zündeten Straßenbesen an, und diese schwingend und in die Bäume schleudernd (so daß einige Boulevard-Platanen an zu brennen. fingen) kehrten die Trunkenen mit dem Morgengrauen heim.

Ein Bild kaum geringerer Aufregung hatte im Lauf des Tages die Sihung des gefeßgebenden Körpers gezeigt. Minister Ollivier's Erklärung, die eine offene Ankündigung war, daß der Krieg da sei, war von der imperialistischen Majorität mit großem Beifall aufgenommen worden, aber es hatte doch nicht an Stimmen gefehlt, die selbst an dieser Stelle und in solchem Augenblicke noch den Muth gehabt hatten, die Unklugheit dieses Krieges zu betonen und das Recht zu diesem Kriege zu bestreiten. Es war der Ruhmestag des Herrn Thiers.

Wir geben die zweite Hälfte der Sihung

nachdem dieselbe, bald

nach Abgabe der Ollivier'schen Erklärung, auf eine Stunde unterbrochen worden unter Einführung der Personen in direkter Rede wieder. Nur so kommt die dramatische Lebendigkeit der Scene zur Erscheinung.

Minister Ollivier: Ich ergreife in dieser wichtigen Angelegenheit noch einmal das Wort. Die Regierung will vor Allem die ganze Wahrheit sagen. Eigentliche Depeschen haben wir nicht, sondern nur diplo matische Berichte, die zu veröffentlichen nicht der Brauch ist. Aber der Grund des Bruches sollte doch genügend dargelegt sein. Es kann vorkommen, daß ein König sich weigert, einen Botschafter zu empfangen; aber etwas Anderes ist es, wenn die Weigerung eine absichtliche, wenn sie den fremden. Cabinetten durch Telegramme und dem Lande durch Extrablätter notifizirt wird.") Dieses Verfahren war um so bedeutsamer, als der Adjutant, welcher unserm Botschafter eröffnete, daß er nicht empfangen werden könne, es an keiner Höflichkeitsform fehlen ließ, so zwar, daß unser Botschafter selbst von der beleidigenden Absicht keine Ahnung hatte.

am

* Es beziehen sich diese Worte Ollivier's auf folgendes Communiqué, das 13. Juli an alle deutschen und fremdländischen Zeitungen telegraphirt — innerhalb weniger Stunden in ganz Europa gelesen und als Beweis eines vollzogenen und irreparablen Bruches angesehen wurde. Das Telegramm lautete:

»13. Juli Nachmittags. Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der kaiserlich französischen Regierung von der königlich spanischen amtlich mitgetheilt worden sind, hat der französische Botschafter in Ems an Se. Majestät den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisiren, daß er nach Paris telegraphire, daß Sc. Majestät sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Candidatur wieder zurückkommen sollten. Se. Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen und dem französischen Botschafter durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß Se. Majestät der König dem Botschafter nichts weiter mitzutheilen habe.<<

So das Telegramm, von dem Minister Ollivier irrthümlich hervorhob, es sei den »fremden Cabinetten notificirt« worden. Das war nicht geschehen. Eine Circular- Depesche des Grafen Bismarck vom 18. Juli machte deshalb auf diesen Irrthum aufmerksam und hob hervor, daß jenes Telegramm einfach ein Zeitungs- Telegramm gewesen sei, »das den deutschen Regierungen und einigen unserer Vertreter bei außerdeutschen Regierungen, nach dem Wortlaute der Zeitungen, mitgetheilt worden sei.« Die Anklage Ollivier's wurde dadurch widerlegt. Im Uebrigen darf gern zugegeben werden, daß Graf Bismarck, als er obiges Telegramm das man ihm persönlich zuschreibt — nach aus Ems eingetroffenen Mittheilungen redigirte, die Absicht hatte, den Bruch zu firiren, ein abermaliges Friedens, Flick werk unmöglich zu machen. Wenigstens würde das Gegentheil ihn uns minder groß erscheinen lassen. Er wußte ganz genau, daß Frankreich den Krieg entweder wollte oder ihn wollen mußte, was für uns dasselbe bedeutete. Die Unvermeidlichkeit des Krieges war also gewiß, und dieser Gewißheit gegenüber konnte es sich für uns nicht darum bandeln, eine mit Einbuße an Ehre und Ansehen zu erkaufende Frist zu gewinnen, sondern kam vielmehr Alles darauf an, einen günstigsten Moment zu erfassen. Ein solcher war für uns am 12. und 13. Juli gegeben. Momentan unvorbereitet, wurde doch diese äußerliche Ungunst durch die moralische Gunst der Situation mehr als aufgewogen und deshalb griff Graf Bismarck zu. Sein Telegramm schuf nicht den Krieg, sondern zwängte ihn nur in die richtige Stunde.

Herr Thiers: Da möge nun Jedermann richten! Herr v. Choiseul: Man kann unmöglich aus solchem Grunde den Krieg erklären!

Herr Garnier Pagès: Das sind Redensarten!

Herr Arago: Wenn man dies hören wird, wird die civilisirte Welt Ihnen Unrecht geben, und wenn Sie darauf hin den Krieg erklären, so wird man wissen, daß Sie ihn um jeden Preis haben wollten (Lärm rechts, Zu stimmung links).

Herr Emil Ollivier: Man wollte uns demüthigen und uns eine Schlappe beibringen, um sich für die Verzichtleistung des Prinzen von Hohen zollern zu entschädigen.

Herr Grevy: Wo haben Sie die Beweise für diese Behauptung?

Herr Ollivier: Wenn Sie eine solche Situation vor den Augen Europa's annehmen wollen, wir können es nicht. Wann hat man jemals in der Geschichte es gewagt, sich hinter unserm Rücken zu verschwören, um einen preußischen Prinzen auf den spanischen Thron zu erheben? Dies hätte allein uns schon auf's Acußerste bringen sollen und wir haben noch unterhandelt und nur Zusicherungen für die Zukunft verlangt. Man verweigerte uns dieselben. Haben wir gedroht, beleidigt? Nein, wir unterhandelten. weiter und zum Lohn für unsere Mäßigung werden die Unterredungen in hochmüthiger Weise abgebrochen. Wer dies rechtfertigen möchte, kennt nicht das seit Jahren zwischen beiden Nationen bestehende gereizte Verhältniß. Hat nicht gerade die Opposition seit 1866 alljährlich wiederholt, daß Sadowa die französische Nation gedemüthigt und von dem ersten Rang in Europa herabgestürzt hätte. Gleichwohl bewahrte die Regierung die größte Langmuth gegen Preußen. Haben wir nicht noch in der Angelegenheit der GotthardBahn das Verfahren Preußens als ein rechtmäßiges respectirt und vertheidigt? Wie oft hat man nicht unsere Aufmerksamkeit auf das unglückliche Loos der Dänen von Schleswig gelenkt, wie oft darauf gedrängt, daß wir die Ausführung des Prager Friedens verlangen sollten! Ich habe es stets abgelehnt; rühren wir nicht, sagte ich, an diesen brennenden Fragen; sie könnten erst zu Animositäten und dann zu einem Zusammenstoß führen, den wir nach Kräften vermeiden wollen. Und während wir so mit eifrigster Sorge über den euro päischen Frieden wachten, forderte Preußen uns heraus mit einem Anspruch, der einen Elementarsat der französischen Politik, für welchen wir unter Ludwig XIV. Jahre lang gekämpft haben, umstoßzen würde. Noch vor wenigen Wochen war Europa glücklich und in Frieden. Haben wir etwa diese gefährliche Streitfrage aufgeworfen? Haben wir etwa ein Recht jenes großen und edlen Deutschlands verkannt, dessen Feinde wir nicht sind? Haben wir etwa das Feuer in die Nähe des Pulvers gebracht, um uns dann

nach Abgabe der Ollivier'schen Erklärung, auf eine Stunde unterbrochen worden unter Einführung der Personen in direkter Rede wieder. Nur so kommt die dramatische Lebendigkeit der Scene zur Erscheinung.

Minister Ollivier: Ich ergreife in dieser wichtigen Angelegenheit noch einmal das Wort. Die Regierung will vor Allem die ganze Wahrheit sagen. Eigentliche Depeschen haben wir nicht, sondern nur diplo matische Berichte, die zu veröffentlichen nicht der Brauch ist. Aber der Grund des Bruches sollte doch genügend dargelegt sein. Es kann vorkommen, daß ein König sich weigert, einen Botschafter zu empfangen; aber etwas Anderes ist es, wenn die Weigerung eine absichtliche, wenn sie den fremden. Cabinetten durch Telegramme und dem Lande durch Extrablätter notifizirt wird.) Dieses Verfahren war um so bedeutsamer, als der Adjutant, welcher unserm Botschafter eröffnete, daß er nicht empfangen werden könne, es an keiner Höflichkeitsform fehlen ließ, so zwar, daß unser Botschafter selbst von der beleidigenden Absicht keine Ahnung hatte.

*) Es beziehen sich diese Worte Ollivier's auf folgendes Communiqué, das -am 13. Juli an alle deutschen und fremdländischen Zeitungen telegraphirt innerhalb weniger Stunden in ganz Europa gelesen und als Beweis eines vollzogenen und irreparablen Bruches angesehen wurde. Das Telegramm lautete:

» 13. Juli Nachmittags. Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der kaiserlich französischen Regierung von der königlich spanischen amtlich mitgetheilt worden sind, hat der französische Botschafter in Ems au Se. Majestät den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisiren, daß er nach Paris telegraphire, daß Se. Majestät sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zu stimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Candidatur wieder zurückkommen sollten. Se. Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen und dem französischen Botschafter durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß Se. Majestät der König dem Botschafter nichts weiter mitzu theilen habe.<<

So das Telegramm, von dem Minister Ollivier irrthümlich hervorhob, es sei den » fremden Cabinetten notificirt« worden. Das war nicht geschehen. Eine Circular - Depesci des Grafen Bismarck vom 18. Juli machte deshalb auf diesen Irrthum aufmerksam und & hervor, daß jenes Telegramm einfach ein Zeitungs- Telegramm gewesen sei, »das deutschen Regierungen und einigen unserer Vertreter bei außerdeutschen Regierungen, ne dem Wortlaute der Zeitungen, mitgetheilt worden sei.« Die Anklage Ollivier's wurde dadu. widerlegt. Im Uebrigen darf gern zugegeben werden, daß Graf Bismarck, als er e Telegramm das man ihm persönlich zuschreibt — nach aus Ems eingetroffenen Mitthe:! redigirte, die Absicht hatte, den Bruch zu firiren, ein abermaliges Friedens - Fliḍwe unmöglich zu machen. Wenigstens würde das Gegentheil ihn uns minder groß ericv. lassen. Er wußte ganz genau, daß Frankreich den Krieg entweder wollte oder ihn ... mußte, was für uns dasselbe bedeutete. Die Unvermeidlichkeit des Krieges n gewiß, und dieser Gewißheit gegenüber konnte es sich für uns nicht darum handeln Einbuße an Ehre und Ansehen zu erkaufende Frist zu gewinnen, sondern kam vielwehr darauf an, einen günstigsten Moment zu erfassen. Ein solcher war für uns am 12. und 1.. gegeben. Momentan unvorbereitet, wurde doch diese äußerliche Ungunst durch die Gunst der Situation mehr als aufgewogen und deshalb griff Graf Bismard 3. Telegramm schuf nicht den Krieg, sondern zwängte ihn nur in die richtige Stunde.

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