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Weg, den die Halbbataillone zurücklegten, durch Todte bezeichnet, der lange, lange Weg bis zur nächsten Deckung, die theils aus dem Walde bestand, theils aus Hohlwegen und vorspringenden Felsen. Die diesseitige Lisière des Waldes wurde von uns mit Hurrah genommen, ebenso die schroff abfallenden Felsen rechts von der Schlucht. Von Halten und Besinnen war keine Rede; was fiel, fiel; immer vorwärts ging's die Höhe hinauf, die sich einige hundert Fuß über dem Saarspiegel erheben mag. Kameraden anderer rechts neben uns stürmender Regimenter schlossen sich uns an dieser Stelle an und bald war das ganze Waldterrain, wie auch rechts die höchste Kuppe genommen. Aber das so mühsam Errungene zu halten, sollte uns noch schwer gemacht werden. Kaum hatten wir die erste Berglinie beseßt, als von einem dahinter liegenden Höhenrücken aus, der völlig von den Franzosen verschanzt war, ein solches Feuer auf uns gerichtet wurde, daß das Feuer von Königgräz daneben zu verschwinden schien. Was thun in diesem Kugelregen? Da ertönte unser Signal: »Schnell avanciren«; eine Batterie hatte die Höhe erreicht und fuhr neben uns auf; vorwärts, vorwärts; die Franzosen wurden geworfen und flohen in Unordnung nach Süden zu. «

Diesem Berichte eines 48ers,*) der unsere Darstellung des Gefechts am feindlichen rechten Flügel in sehr anschaulicher Weise vervollständigt, lassen wir den Brief eines Offiziers vom 12. Regiment folgen, der, rechts daneben, den Sturm in der Front, den beinahe kahlen Abhang hinauf, mitmachte.

»Ich glaube, ich hatte Dir geschrieben, daß ich seit einiger Zeit Fourier Offizier war. Folge davon war, daß ich nachgerade etwas marode

*) Der Briefschreiber gehörte dem 2. Bataillon genannten Regiments (des 48.) an, das unter allen bei Spicheren engagirten Truppentheilen wahrscheinlich die enormsten Verluste hatte. Ueber das glänzende todesmuthige Vorgehen dieses Bataillons finden wir noch Folgen. des: »Unser 2. Bataillon traf am Nachmittag um 24 Uhr in Saarbrücken ein, legte das Gepäck ab und ging um 34 Uhr unter Major v. Mellenthin zum Gefecht gegen die südlich von Saarbrücken gelegenen waldigen Höhen vor. Das Bataillon gerieth sofort in ein heftiges Feuer, in welchem Hauptmann v. Kracht von der 7. Compagnie den Tod fand. Mit ungeheuren Verlusten erklomm es die Höhe, besezte die Lisière des Waldes und unterhielt ein 24 Stunden stehendes Feuergefecht. Mehrfache feindliche Angriffe wurden von ihm zurückgewiesen und ein glücklicher Vorstoß gemacht gegen die stark verschanzte Stellung. Major v. Mellenthin gab das Zeichen zum gemeinsamen Vorgehen gegen diese Position. Ein Kugelregen, der hageldicht fiel. Die Franzosen wichen zurück und flohen gegen Forbach zu. Die Mitrailleusen spielten fortwährend, und da diese Maschine, wie jede Mitraille, da, wo sie wirklich einschlägt, verheerend wirkt, so erhielten z. B. Hauptmann Werner fünf, Fähnrich v. Briesen vier Schüsse. Von den 17 Offizieren waren im Bataillon 2 todt, 11 verwundet, außerdem 1 Fähnrich, ein Vicefeldwebel verwundet und 287 Mann auf dem Playe geblieben oder ver. mißt. Am meisten hatte die 5. Compagnie verloren: 131 Mann, also über die Hälfte.<

wurde; speciell die lezten drei Nächte vor der Schlacht hatte ich gar nicht geschlafen. Am 6., Mittags um 11 Uhr, kam mein Regiment in Neuen. kirchen an. Ich hatte noch im leßten Augenblick ein sehr gutes Quartier bekommen. Mein Wirth, ein Prediger, empfing mich sehr freundlich. Mit mir zusammen wohnte dort in meiner Stube noch ein Divisionsprediger. Mit Beiden unterhielt ich mich und frühstückte wenig, um mir nicht das auf 1 Uhr angesezte Mittag zu verderben. Dann ging ich in mein Zimmer und legte mich etwas nieder, um endlich zu ruhen. Ich war jedoch zu abgespannt und konnte nicht schlafen. Etwa eine halbe Stunde mochte ich gelegen haben, als das Alarmsignal durch die Straßen ertönte. Ich rückte nach dem Bahnhofe, wo ich mich in ein Coupé erster Classe sezte und wohl. gemuth nach Saarbrücken fuhr. Dort angekommen, konnte ich mit meinem Glase schon Einiges vom Gefecht sehen. Sofort, nachdem die Leute ausgeladen waren, trat das Bataillon den Marsch nach dem Gefechtsfelde an. Das erste Bataillon unseres Regiments, das mit uns in Neuenkirchen zusammen. gelegen hatte, war bereits vor einer Stunde mit der Bahn in Saarbrücken angelangt und schon im Feuer. Es herrschte unter unsern Leuten eine derartige Begeisterung, daß der Marsch vom Bahnhofe nach dem Gefechtsfelde fast im Laufschritt zurückgelegt wurde. Eine halbe Meile südlich von Saarbrücken erstreckt sich von Westen nach Osten eine gegen Saarbrücken steil abfallende bewaldete Höhenkette Das Vorterrain gewährt nirgends eine gedeckte Annäherung. So bildet diese Höhenkette eine scheinbar uneinnehm bare Position. Daß sie jedoch nicht absolut uneinnehmbar, das haben preußische Truppen am 6. bewiesen. Bei ungeheurer Hiße unter immerwährendem Hurrahgeschrei legten unsere Compagnieen, troßdem sie Vormittag einen anstrengenden Marsch gemacht hatten und troß des schweren Gepäcks den Weg bis zur Wahlstatt in fabelhaft kurzer Zeit zurück. Drei Nächte nicht geschlafen, kein Mittag gegessen und dann ein Eilschritt von einer Stunde, bringen auch den kräftigsten Menschen in eine für ein Gefecht wenig geeignete Verfassung. So kam es denn auch, daß ich schon beim Ausgang der Stadt - es ging immer bergan vollkommen erschöpft war. Da, wo die Straße auf die erwähnte Bergkette hinaufführt, kämpfte schon feit beinahe einer Stunde unser erstes Bataillon mit großen Verlusten. Das zweite Bataillon, bei dem ich stand, erhielt den Auftrag, den Angriff desselben zu unterstüßen. Zu diesem Zwecke mußte nun das Bataillon in einer Entfernung von 1500 Schritt von der feindlichen Stellung einen Flankenmarsch machen. In der Höhe unseres Angriffspunktes angekommen, bekamen wir, troß der Entfernung, bei der Flankenbewegung schon wirk sames Feuer. Die 5. und 6. Compagnie wurden zum Gefecht vorgezogen; meine Compagnie auf dem äußersten linken Flügel. Inzwischen war nämlich

Oberst v. Reuter durch einen Schuß in den Fuß verwundet worden und hatte Oberstlieutenant v. Kalinowsky das Commando des Regiments, Hauptmann Johow das des Bataillons übernommen. Die 5. und 6. Compagnie gingen sodann zur Attake vor; das erste Bataillon attakirte soeben wieder und diesmal mit Erfolg. Bereits hatte mich die Nachricht erreicht, daß Oppen und Hobe schwer verwundet, wenn nicht schon todt, Graf Reventlow todt sei (vom 1. Bataillon).

Mein einziges Bestreben war, meine Krafte so weit anzuspannen, um vor der Compagnie bleiben zu können. Bei der lezten Attake .des ersten Bataillons hatte der Feind bereits die erste Position, da, wo der bewaldete steile Abhang und der sanfter ansteigende Vergesfuß sich begrenzen, verlassen und sich die Bergwand hinangezogen, von wo er auf uns feuerte. An jener ersten Position des Feindes angelangt, ließen wir das Gepäck ablegen, denn was ich befürchtete, war eingetroffen. Die Leute waren bereits so erschöpft, daß es mir fast unmöglich erschien, sie auch ohne Gepäck bis auf den Kamm des Berges zu führen.

Nun beginnt die schrecklichste Viertelstunde meines Lebens. Nicht die feindlichen Kugeln waren es, die mir Schrecken einflößten mit Dank hätte ich jede begrüßt, die mich schwer getroffen, zum Niedersinken gezwungen hätte das vollständige Aufhören aller Kräfte, die immer klarer mir vor Augen tretende Unmöglichkeit, den Kamm persönlich zu erreichen, waren es, die mich mit Grauen erfüllten. Was ich in jenen Minuten ausgestanden, kann ich Dir nicht beschreiben. Denke Dir, wenn ich hätte liegen bleiben müssen, wenn meine Compagnie ohne mich angekommen wäre!

Ich faßte den festen Entschluß, nicht lebend liegen zu bleiben. Mancher Mann blieb liegen, der gewiß noch mehr Kräfte hatte, als ich. Meine Beine vermochten nicht mehr zu steigen. An den Sträuchern klammerte ich mich an und zog mich an ihnen empor. So unter namenloser Anstrengung näherten wir uns dem Kamm. Auf jedem dieser Männergesichter las man den festen Entschluß, denselben zu erreichen, koste es, was es wolle. auch der Feind muß es verstanden haben, diese Schrift zu lesen, denn bei dem mit Aufwendung der lezten Kräfte ausgestoßenen Hurrah der Unseren räumte er die Position. Auf dem Kamme des Bergrückens zieht sich eine Straße entlang, an der sich der Wald scharf abgrenzt. Dahinter führt in einer freien leichten Böschung das Terrain wieder nach einer bewaldeten Schlucht hinein. Dorthin wandte sich der Feind, von den Unsern wirksam beschossen. Nur an der Stelle, wo ich mit einem Theil meiner Compagnie den Kamm erreichte, liegt jenseit des Berges noch ein keilförmiger Waldfleck. In dem wollten sich einige Nothhosen noch halten, wurden aber nach kurzem Handgemenge daraus vertrieben. Einem verwundeten Franzosen, der auf mich in

nächster Nähe, ohne daß ich es bemerkt, geschossen hatte, rettete ich das Leben. Ich sah, daß einige Leute ihn niederstoßen wollten, und nicht wissend, daß er noch soeben feindliche Absicht gezeigt, verhinderte ich sie an ihrem Vorhak 1. Ich glaube, zur Belohnung dafür hat mich Gott auch noch nachher in dem mörderischen Feuer beschüßt. Um mich herum fiel Alles (unser Regiment verlor 32 Offiziere); aber meine eigenen Kräfte waren von dem Augenblick, wo wir die Höhe hatten, vollständig wiedergekehrt. Etwas Wein aus meiner Feldflasche erfrischte mich. Es kam jezt nur darauf an, die eroberte Stellung so lange zu behaupten, bis ein Flankenangriff auf die Hauptposition des Feindes zur Ausführung kommen konnte. Dieser Angriff geschah und glückte. .. Ich habe ein solches Feuer auf einer so ausgedehnten Linie nicht für möglich gehalten.<<

Die Niederlage des französischen II. Corps war vollständiger, als wir diesseits nach einem so schwer errungenen Siege glaubten annehmen zu dürfen. General Frossard zog sich zwar zunächst, wie schon hervorgehoben, in immer noch bewahrter Ordnung auf Saargemünd zurück (wo er nach einem beschwerlichen Nachtmarsch am 7. früh eintraf), aber unsere Plänkler ließen ihm keine Ruhe und bestimmten ihn zu einer raschen, weiteren Retraite, die alsbald die bis dahin bewahrte gute Haltung verlor und mannigfach in Flucht ausartete. Der Rückzug ging auf Meg.

Unsere I. Armee folgte am Morgen des 7. schon auf der Straße. Saarbrücken-Forbach; die Avantgarde der II. Armee überschritt in der Nacht vom 7. zum 8. die feindliche Grenze. Das Gros folgte rasch.

So stand denn am 8. August bereits der größte Theil unserer drei Armeen auf französischem Boden.

Vom 7. bis 14. August.

Eine rückgängige Bewegung der französischen »Rheinarmee«, die

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vielleicht schon am 5. beschlossene Sache war, war am 7., nach dem unglücklichen Ausgange der Kämpfe bei Wörth und Spicheren, zu einer Unvermeidlichkeit geworden. Anfänglich gedachte man im Armee Hauptquartier auf Châlons zurückzugehen und hier eine Concentrirung der gesammten Streitkräfte, also der Mac Mahon'schen und der Rheinarmee, eintreten zu lassen; durch Nachrichten von Paris her beeinflußt, gab der Kaiser indessen diesen Plan wieder auf und beschloß die Beibehaltung zweier Heerkörper, von denen sich die Rheinarmee (die uns in den nächsten Abschnitten ausschließlich beschäftigen wird) unter Heranziehung des 6. Corps, Canrobert, bei Meß concentriren solle. In etwa vier Tagen wurde diese rückgängige Bewegung, ohne unsererseits erhebliche Störungen erfahren zu haben, ausgeführt und am 11. August standen die fünf Corps, aus denen sich die Rheinarmee nunmehr zusammenseßte, am rechten (diesseitigen) Moselufer in folgenden Stellungen um Meß herum:

Das 4. Corps, l'Admirault, zwischen St. Julien und St. Barbe, Linker Flügel.

Das 3. Corps, Bazaine, rechts daneben, in Front von Borny und Grigy. Linkes Centrum.

Das 2. Corps, Frossard, rechts daneben, zwischen Grigy und Peltre. Rechtes Centrum.

Das 6. Corps, Canrobert, rechtwinklig daneben, im Süden von Mey. Rechter Flügel.

Die Garden standen hinter dem 3. Corps, zunächst der Stadt. Soviel über die Aufstellung der Rheinarmee. Innerhalb dieser legteren waren inzwischen in Allem, was Führung angeht, erhebliche Veränderungen vorgenommen worden. Marschall Leboeuf, Chef des

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