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Ich stellte, nach Empfang dieser Meldung, dem Flügeladjutanten vor,

daß erneute Weisungen aus Paris mich verpflichteten, auf den zwei Punkten zu bestehn, über die ich bereits am Morgen die Ehre gehabt hätte, zu Sr. Majestät zu sprechen.

Prinz Radziwill, nachdem er dem Könige meinen Wunsch vorgetragen, kehrte zu mir zurück, um mir zu erklären, daß Se. Majestät keine Schwierigkeit sehe, mir die Mittheilung zu erlauben, daß er den Rücktritt des Prinzen Leopold gebilligt habe (qu'il approuvait la renonciation du prince Léopold). Hierüber hinaus indessen ging der König nicht. Auf mein erneutes Audienz - Gesuch wurde mir durch Prinz Radziwill die Meldung, daß Se. Majestät eine Discussion über die von uns geforderten »Garantieen für die Zukunft« nicht wieder aufnehmen wolle, vielmehr sich auf die Auseinandersehungen beziehe, die er mir bereits am Morgen gemacht habe.

Alles läßt mich glauben, daß Se. Majestät fest entschlossen ist, die

stätigung dessen erhalten, was ihm der Graf des Morgens in Betreff der Verzichtleistung des Prinzen Leopold auf die spanische Throncandidatur, als direkt aus Paris erfahren, mitgetheilt hätte. Se. Majestät sähe hiermit diese Angelegenheit als abgemacht an. (Erste Meldung.)

Graf Benedetti, nachdem ich ihm diesen Auftrag ausgerichtet, äußerte, er hätte seit seiner Unterredung mit dem Könige eine neue Depesche des Herrn v. Gramont erhalten, in der er beauftragt würde, sich eine Audienz von Sr. Majestät zu erbitten und nochmals Sr. Majestät den Wunsch des französischen Gouvernements nahe zu legen: 1. die Verzicht. leistung des Prinzen zu Hohenzollern zu approbiren und 2. die Versicherung zu ertheilen, daß auch in Zukunft diese Candidatur nicht wieder aufgenommen werden würde.

Hierauf ließ Se. Majestät dem Grafen durch mich erwiedern, daß Se. Majestät die Verzichtleistung des Prinzen Leopold in demselben Sinne und in demselben Umfange approbirten, in dem Se. Majestät dies vorher mit der Annahme dieser Candidatur gethan hätten. Die schriftliche Mittheilung der Verzichtleistung hätten Se. Majestät von dem Fürsten Anton zu Hohenzollern erhalten, Höchstwelcher hierzu vom Prinzen Leopold autorisirt worden sei. In Betreff des zweiten Punktes, der Versicherung für die Zukunft, könne sich Se. Majestät nur auf das berufen, was Allerhöchstderselbe dem Grafen des Morgens selbst erwiedert hätte. (Zweite Meldung.)

Graf Benedetti nahm diese Rückäußerung Sr. Majestät dankbar entgegen und äußerte, er würde dieselbe, wie er hierzu autorisirt sei, seinem Gouvernement zurückmelden.

In Betreff des zweiten Punktes (Garantie für die Zukunft) müsse er aber, weil er durch die lezte Depesche des Herrn v. Gramont die ausdrückliche Anweisung hierzu hätte, seine Bitte um eine nochmalige Unterredung mit Sr. Majestät aufrecht erhalten, und wäre es auch nur, um dieselben Worte Sr. Majestät wieder zu vernehmen, um so mehr, als sich in dieser legten Depesche neue Argumente vorfänden, die er Sr. Majestät unterbreiten möchte.

Hierauf ließ Se. Majestät dem Grafen Benedetti durch mich zum dritten Male (dritte Meldung) nach Tisch, etwa um 31⁄2 Uhr, erwiedern, Se. Majestät müsse es entschieden ablehnen, in Betreff dieses leßten Punktes (bindende Versicherungen für die Zukunft) sich in weitere Discussionen einzulassen. Was er heute Morgen gesagt, wäre Allerhöchstsein leytes Wort in dieser Sache, und er könne sich lediglich darauf berufen.

Auf die Versicherung, daß auf die Ankunft des Grafen Bismarck in Ems auch für den nächsten Tag bestimmt nicht zu rechnen sei, erklärte Graf Benedetti, sich seinerseits bei dieser Erklärung Sr. Majestät des Königs beruhigen zu wollen.

Satisfaction, die wir fordern, uns zu verweigern. Ew. Excellenz mögen ver- sichert sein, daß ich keine Anstrengung unversucht lassen werde, Ihren Instructionen und den Befehlen des Kaisers nachzukommen, und daß ich entschlossen bin, alle nöthige Energie daran zu sehen . . . Ich erwarte Ihre Aufforderung, Ems zu verlassen und brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß ich mich in diesem Falle, so es Ihnen genehm, direkt nach Paris begeben werde. Benedetti.

Ems, 14. Juli 1870. Mittags 124 Uhr.

An den Minister des Auswärtigen (Herzog v. Gramont) in Paris. Ich habe diese Nacht Ihr Telegramm von gestern Abend erhalten. Nachh der Erklärung, die mir der König durch seinen Flügeladjutanten hatte zugehen. lassen, konnte ich mich nicht aufs Neue an Se. Majestät wenden. Ich hatte von ohngefähr ein Gespräch mit dem Minister des Innern, Grafen Eulenburg, und benußte die Gelegenheit, ihm klar zu legen, was wir unter »Garantie« verständen, discutirte auch mit ihm die verschiedenen Formen, die derselben gegeben werden könnten. Der Minister drückte mir seine Absicht aus, meine Bemerkungen Sr. Majestät zu unterbreiten und versprach, mich wiederzusehen. Er kam indessen nur, um mich wissen zu lassen, daß er mir nichts mitzutheilen habe.

Um es schließlich an allem Schicklichen nicht fehlen zu lassen, habe ich den Flügeladjutanten vom Dienst gebeten, dem Könige Mittheilung zu machen, daß ich diesen Abend noch abzureisen vorhabe und bei Sr. Majestät mich verabschieden möchte. Der König ließ mir antworten, daß er mich auf dem Bahnhof in dem für Sc. Majestät reservirten Salon zu sehen gedenke. Der König reist um 3 Uhr, wie es heißt, nach Coblenz zur Königin. Wird er hierher zurückkehren, oder sich direkt nach Berlin begeben? Ich weiß es nicht.

Morgen früh 10 Uhr 15 Minuten werde ich in Paris sein, und mich direkt ins Ministerium begeben. Einen Extra- Zug zu nehmen, empfiehlt sich nicht, da er nicht früber eintreffen würde.

Benedetti.

Ems, 14. Juli 1870. 3 Uhr 45 Minuten.

An den Minister des Auswärtigen (Herzog v. Gramont) in Paris. Ich sah eben den König am Bahnhof. Er beschränkte sich darauf, mir zu sagen, daß er mir nichts weiter mitzutheilen habe, und daß alle weitere Verhandlungen nunmehr seitens seiner Regierung geführt werden würden. Se. Majestät hat mir bestätigt, daß seine Abreise nach Berlin morgen früh (15.) stattfinden wird. Benedetti.

Die wirklichen Ursachen des Krieges.

So o die Vorgänge in Ems. Sie zeigen, nach unserem Ermessen, deutlich, daß man in Frankreich den Krieg wollte, und daß die hohenzol lern'sche Throncandidatur nur ein lang ersehnter Vorwand war. Bis zum 12. Juli konnte darüber für Optimisten ein Zweifel bestehen. Nachdem indessen der gewünschte Verzicht geleistet und durch den König (schon im Voraus) gutgeheißen war, drückte die peremtorische Forderung weiterer Concessionen ersichtlich das Verlangen einer Demüthigung Preußens aus, so daß sich eine mildere Auffassung verbot. In der That haben, nach den Vorgängen des 12. Juli, europäische Mächte, auch die uns abgeneigtesten, die von französischer Seite erfolgte Provocation zugeben müssen. Selten sprachen Thatsachen klarer.

Nichtsdestoweniger unterzieht sich Graf Benedetti an den verschiedensten Stellen seines Buches der undankbaren Aufgabe, die friedfertigen Gesinnungen des Kaisers und seines Gouvernements zu beweisen. Wie wenig ihm das glückt, in welche Widersprüche er sich dabei verwickelt, mag sich aus folgender Stelle ergeben. Wir forderten, daß der König den Prinzen Leopold zur Verzichtleistung auf die spanische Krone veranlassen möge; der König hingegen beschränkte sich darauf, jeder Entscheidung des Prinzen seine Zustimmung geben zu wollen. Konnten wir uns damit begnügen? Nach meiner Meinung »ja«, auch lag nichts vor, woraus ich hätte schließen können, daß das Gouvernement des Kaisers anders darüber denke. Woran uns liegen mußte, das war, den Verzicht des Prinzen durch den König anerkannt zu sehen, und dies Resultat waren wir sicher, zu erhalten.«

Diese Erklärung, von der wir einfach Act nehmen, räumt unzweideutig ein, daß man französischerseits schließlich mehr forderte, als nöthig. Dies "mehr als nöthige enthielt aber die Provocation; Benedetti selbst giebt es zwischen den Zeilen zu. Nichtsdestoweniger macht er im Verlauf seiner

Auseinandersehungen einen nicht glücklichen Versuch, das schon Zugegebene wieder in Zweifel zu stellen, sein Gouvernement oder doch die Intentionen des Kaisers zu exculpiren und einen am 13. Vormittags in Ems eingetroffenen Bericht des Freiherrn v. Werther als wahrscheinliche Ursache des Bruches zu bezeichnen.*) Wenn er damit beweisen will, daß der König nicht in Folge der von ihm (Benedetti) geforderten »neuen Bewilligungen«, sondern erst in Folge der Mehrforderung, wie sie der Herzog v. Gramont im Gespräche mit Herrn v. Werther präcisirt hatte, den Entschluß faßte, jede weitere Verhandlungen als nußlos abzulehnen, so mag er darin Recht haben; dies ändert aber in der Hauptsache nichts, in der Frage nämlich, auf welcher Seite die Provocation lag, ob bei Frankreich oder bei Deutschland. Im Gegentheil, das ohnehin klar Daliegende wird durch den Hinweis auf den v. Werther'schen Bericht nur noch klarer gelegt, denn Alles, was der Herzog v. Gramont im Gespräch mit dem preußischen Botschafter als unerläßliche Forderung geltend machte, war eine einfache Steigerung oder richtiger noch ein unverschleierter Ausdruck dessen, was in Depeschen und Instructionen an demselben Tage nach Ems hin befördert worden war oder noch befördert wurde. Die Andeutung endlich (um auch dies zu berühren), daß Herr v. Werther die in seinem Bericht geschilderte Unterredung seinerseits nicht correct wiedergegeben habe, ist wohl kaum ernsthaft zu nehmen. Ollivier (vergleiche den hier unmittelbar folgenden Werther'schen Bericht)

*) Die Stellen in dem v. Werther'schen Bericht, auf die sich dieser Hinweis Benedetti's bezicht, sind die folgenden: »Der Herzog v. Gramont bemerkte dann, er sehe die (nunmehr erfolgte) Entjagung des Prinzen von Hohenzollern auf den spanischen Thron als Nebensache an, denn die französische Regierung würde seine Thronbesteigung doch niemals zugelassen haben; aber er fürchte, daß aus unserem Verfahren eine bleibende Verstimmung zwischen unseren beiden Ländern fortdauern werde. Der Keim dazu müsse vertilgt werden, und er ginge dabei von dem Gesichtspunkte aus, daß wir in unserem Verfahren gegen Frankreich kein freundliches Procedé beobachtet hätten. Wir müßten daher zusammen überlegen, ob es ein Mittel gebe, wiederum zu freundlichen und guten Beziehungen zu gelangen, und stellte er seinerseits anheim, ob dazu nicht ein Brief des Königs an den Kaiser der richtige Ausweg wäre. Es könnte darin nur gesagt werden, daß Ew. Majestät, indem Sie den Prinzen Leopold zur Annahme der Krone Spaniens ermächtigten, nicht hätten glauben können, den Interessen oder der Würde der französischen Nation dadurch zu nahe zu treten; der König schlösse sich der Entsagung des Prinzen von Hohenzollern an, und zwar mit dem Wunsche und der Hoffnung, daß jeder Grund des Zwiespaltes zwischen unseren beiden Regierungen nunmehr verschwunden sein würde. Solche und äbuliche Worte, die im Allgemeinen durch Publicität zur Beschwichtigung der allgemeinen Volksstimmung beitragen könnten, dürfte dieser Brief enthalten.<<

»..... Unterdessen kam Herr Ollivier zu unserer Unterredung. Er hob dringend die heilsame und im Interesse des Friedens nothwendige Wirkung eines solchen Briefes hervor und bat mich inständigst, dies Ew. Majestät auszusprechen. Beide sagten, im Falle daß ich nicht glaubte, es übernehmen zu können, würden sie sich genöthigt sehen, mit der Anregung dieser Frage den Grafen Benedetti zu beauftragen.«

nahm die Brief-Frage, als sie eben geschlossen war, wieder auf, so daß von Mißverständnissen nicht wohl die Rede sein kann. Zudem hat der ganze Verlauf des Krieges so ziemlich ohne Ausnahme gezeigt, daß die germanische Berichterstattung in allen streitigen Fällen der Wahrheit näher lag als die französische.*)

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Die spanische Throncandidatur, wie die Entrüstung über die dem Grafen Benedetti wiederholentlich verweigerte Audienz, Beides, indem man den Bruch dadurch zu motiviren trachtete, war nur Vorwand für etwas bereits Geplantes; selbst der viel verklagte Chauvinismus, dieser eigenthümliche Mischling von Händelsucht, Gloire Bedürfniß und eitlem aber tiefgewurzeltem Glauben an eine überkommene Mission, auch selbst dieser Chauvinismus, sagen wir, kann nicht als der eigentlichste Kriegsgrund betrachtet werden. Der Macht desselben und seiner »seit einem Jahrhundert von den Völkern und Regierungen der civilisirten Welt gleichmäßig gebrandmarkten Traditionen Ludwigs XIV. und des ersten Empire«, würde der Kaiser, wie er ihnen jahrelang widerstanden hatte, auch ferner widerstanden haben, wenn seine eigene Macht noch die alte, widerstandsfähige gewesen

*) Benedetti, indem er die Correctheit des Werther'schen Verichtes (S. 21) leise in Zweifel stellt, bezieht sich auf eine Circular-Depesche Gramont's vom 24. Juli 1870. Es heißt darin: "Herr v. Werther, in der Unterhaltung, die wir führten, hatte besonders hervorgehoben, daß dem Könige bei der Throncandidatur des Prinzen von Hohenzollern die Absicht fern gelegen habe, den Kaiser zu verlegen. Darauf hin bemerkte ich, daß eine derartige Versicherung (une pareille assurance) die Wiederherstellung eines guten Einvernehmens sehr erleichtern würde. Aber nicht habe ich gefordert, daß der König einen Entschuldigungs brief schriebe, wie seitens der Berliner Journale commentirt worden ist.« So der Herzog. Auf die Berliner Journale kommt es nicht an, sondern auf den im Wortlaut vorliegenden Werther'schen Bericht. In diesem wird an vier Stellen, und zwar in eingehendster Weise, von dem Hochwünschens. werthen eines Briefes gesprochen, noch dazu eines Briefes, dem man in den französischen Blättern » Publicität« zu geben gedenke. Das ist dann ein Entschuldigungsbrief. Der Herzog v. Gramont, was Graf Benedetti übrigens am ehesten hätte wissen können, nahm es in seinen Circular- Depeschen (vielleicht überhaupt in nichts) nicht eben sehr genau. So erklärte er beispielsweise in einer voraufgehenden Eircular Depesche vom 21. Juli: »Graf Bismarck habe nicht nur die Candidatur eines Prinzen von Hohenzollern für unausführbar erachtet, sondern Herrn v. Thile sogar sein Ehrenwort abgegeben, daß an solche Candidatur gar nicht zu denken sei,« eine Erklärung, die seitens der genannten beiden Staatsmänner einfach die Gegenerklärung hervorrief, daß, »seitdem ihnen von dem an den Fürsten von Hohenzollern gerichteten Antrag etwas bekannt geworden sei, die spanische Candidatur des Prinzen niemals, auch nur mit einer Silbe, amtlich oder privatim besprochen worden ist.« Man mag nach diesem Vorgange — dem sich andere gesellen ließen — entscheiden, auf welcher Seite die Exactheit zu suchen ist.

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