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den tapfren Vertheidiger der Fröschweiler - Position, in seinem Blute fand.®) Dies war bald nach 4. Uhr. Um dieselbe Zeit waren, von allen Seiten her, die stürmenden Bataillone eingedrungen. In dem Kniepunkte des einen rech ten Winkel bildenden Dorfes stand die brennende Kirche. Ein grausiges Kriegsbild! Und doch Dank und Jubel auf allen Lippen, denn jeder war fich der Größe des Erfolges bewußt, den Nord- und Süddeutsche hier ver eint errungen hatten.

In den Dorfgassen ein wirres Gedränge. Endlich gelang es den Offizieren, was sie von Mannschaften ihrer Regimenter zur Hand hatten, in Trupps zu formiren und nach den Sammelplägen der Armee - Corps zu dirigiren.

Der Kronprinz ritt mit seinem Stabe an die einzelnen Abtheilungen heran und sprach ihnen seinen Dank aus. Die Soldaten drängten sich um ihn und warfen Helm und Müze triumphirend in die Luft.

*) General Raoult erlag später seinen Wundeu, nachdem er noch dem Hauptmann Ziegler, für die ihm gèwährte Hülfe und Pflege, seinen Degen verehrt hatte.†) Raoult war einer der tapfersten Offiziere der Armee; er galt (neben Bazaine) als ein leuchtendes Beispiel pafür, *daß es der französische Soldat zu den höchsten Staffeln bringen könne. Er diente eine Reihe von Jahren als Gemeiner, besuchte dann die Saint Cyr, und die Generalstabs - Schule, focht in Algier und nurde 1855 (in der Krim) Oberst. General Tottleben erklärte damals: Raoult habe bei der Einnahme Sebastopols das Meiste gethan. 1860 Brigadier. 1867 befehligte er eine Brigade der Division, welche Rom zum zweiten Male okkupirte. 1869 Divisionair. Das I. Corps hatte innerhalb 3 Tagen (von 4. bis 6.) zwei Divisionairs: Abel Douay und Raoult, verloren.

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†) Der Degen Raoults wurde später dem General v. Stephan übergeben, der ihn im Artillerie› Muscum des Zeughauses in München deponirte. General Stephan selbst, der, wenige Minuten nach Hauptmann Ziegler, den schwerver wundeten Raoult in der Dorfgasse traf, schreibt über diese Begegnung: Nicht weit von der brennenden Kirche in Fröschweiler fand ich, auf einem zugedeckten Brunnen und etwas Stroh liegend, den Divisionsgeneral Raoult. Sein Adjutant Dubousset (chef de bataillon) war bei seinem verwundeten General geblieben. General Raoult ein schöner Soldat mit weißem Bart und Haar - sagte mir, als ich mich nach seiner Wunde erkundigte, auf seinen Schuß in den rechten Oberschenkel deutend : Vous m'avez tourné, je ne pouvais plus resister. Er fragte noch ob ich den General Tottleben kenne. Auf meine Bes jabung gab er mir Grüße an ihn auf. Ich übergab dem Major Grafen Jonec vom Leibregiment die Sorge für General Ravult, da sehr viel in kürzester Zeit für mich zu thun war.

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Die Verfolgung.

Auf dem rubmvoll erftrittenen Terrain zwischen Fröschweiler, Wörth und Elsaßhausen bezogen alle Truppentheile, die an dem Kampfe unmittelbar Theil genommen hatten, ihre Bivouacs; einzelne Divisionen, die nicht mehr zur Aktion gekommen waren: die 2. baierische Division (Graf Pappenheim), die badensche Division und die würtembergischen Brigaden Hügel und Neißenstein, lagerten theils zwischen Preuschdorf und Gunstett, theils, Gunstett gegen über, bei Eberbach.

Die Verfolgung des Feindes, bei der totalen Erschöpfung aller Infanterie Truppen, fiel der preußischen Divisions Cavallerie, namentlich den 14. Husaren und 14. Dragonern, sowie einigen baierischen und würtembergischen Reiter-Regimentern zu. Alle diese Regimenter gingen in der Nichtung auf Reichshofen vor. Hier fiel der würtembergischen Cavallerie, Brigade v. Scheler, der Stabswagen der französischen Division artigue mit der Kriegskasse (220,000 Franken in Gold), sowie ein wohlausgestattetes Zeltlager, sammt dem Staatszelte Mac Mahons, in die Hände. Dies lettere zeigte jeden erdenkbaren Comfort und war, in zwei Abtheilungen, mit zwei Betten, ame rikanischen Schaukelstühlen und vielen anderen Lugusgegenständen versehen.

Das 2. baierische Ulanen Regiment ging, über Reichshofen hinaus, bis Niederbronn. Hier machte es zahlreiche Gefangene. Im Allgemeinen nahm die Verfolgung an dieser Stelle ein Ende.*)

Die etwa um 5 Uhr zur Unterstüßung eingetroffene Division Guyot de Lespart vom de Failly'schen Corps übernahm von hier an die Deckung des Rückzuges. Ihre Avantgarde wurde noch mit in den großen Rückwärts

*) Am folgenden Tage machten noch die hessischen (14.) Husaren einen guten Fang. Sie erbeuteten das bis dahin aus dem Zelte Mac Mahons gerettete Gepäck des Marschalls und seiner Damen, der Gräfin Clermont Tonnerre und der Madame Latour - Dupin. Seidene Kleider und Pariser Hüte, Chignons und Locken kamen zum Vorschein, mit deren Hülfe die ausgelassenen Husaren sofort eine Maskerade veranstalteten.

Strudel hineingerissen; aber die nachfolgenden Bataillone bildeten alsbald einen genügenden Damm. Die unsererseits am meisten vorgeschobene Truppe: Division Walther des II. baierischen Armee Corps, bivouakirte zwischen Reichshofen und Niederbronn.

Unsere Verfolgung ging nur bis Niederbronn; aber wenn wir auch dem flüchtigen Feinde nicht zu folgen vermochten, so folgte ihm doch der Schrecken und trich ihn, während das Failly'sche Corps längst die Siche. rung des Rückzuges hergestellt hatte, erst bis Zabern, dann dis Luneville und Nancy. Dies gilt namentlich von der Cavallerie. An leßtgenanntem Orte (Nancy) traf Mac Mahon am 7. cin. Ein Augenzeuge schreibt: »>Er eilte in das Café Brillot, wo für gewöhnlich die Offiziere zusam menkamen. Der Marschall war kaum wiederzuerkennen. Aufregung und die Folgen der gehabten Strapazen spiegelten sich in seiner ganzen Erscheinung. Von Kopf zu Fuß war er vom scharfen Ritt mit Staub und Schmuh bedeckt; ein Schuß hatte ihm eins seiner Epauletten weggerissen. Er aß und trank ein weniges; dann begab er sich weiter ostwärts, um die Reste seiner Armee im Lager von Chalons zu sammeln. «

Es liegen uns verschiedene Berichte, deutsche und französische, vor, die in sehr anschaulicher Weise die totale Deroute der Mac Mahonschen Armee schildern. Wir geben einiges daraus.

Ein österreichischer Offizier schrieb an die Wiener »Wehrzeitung« Folgendes:

Am 6. August befand ich mich in Niederbronn. Um vier Uhr Nachmittags galoppirte zuerst ein lediges Pferd, den Sattel unter dem Bauche schleppend, zum Stadtthore hinein. Vald darauf ein zweites, ein drittes. Dann folgte ein Cürassier auf blut und schaumbedecktem Pferde, ohne Cüraß, ohne Waffen, dann ein Artillerist auf ungesatteltem Pferde; auf den Gesichtern lag unaussprechliche Angst. Nach einigen Minuten jagte ein Schwarm von etwa 20 Reitern vorüber, worunter mir zwei Zuaven auf einem Vferde besonders aufgefallen sind. Die anderen waren Cürassiere in allen Stadien der Furcht, des Schreckens, einige ihre Säbel schwingend, andere wie wahnsinnig auf die armen abgeheßten Pferde dreinschlagend, viele obne Sattel, die meisten ohne Waffen. Ein Cürassier hielt unmittelbar neben mir sein Pferd an, nestelte seinen Cüraß los, warf seinen Helm, dann seinen

wuchtigen Säbel und endlich den schwerfälligen Panzer von sich und seßte dann zufrieden lächelnd langsam seinen Weg fort. Dann erfolgte eine etwa fünf Minuten lange Pause. Die Scene, welche nun folgte, ist unbeschreiblich. Jedes einzelne Individuum trat wieder hervor, nachdem die einförmige Ordnung, die militairische Disciplin ganz und gar gebrochen war; es waren keine Soldaten, die da vor uns vorbeirasten, es waren arme Menschenkinder, einzig und allein mit der Sicherung ihrer mehr oder minder schadhaften Haut beschäftigt. Immer größer ward der Tumult. Unter die Haufen der Cürassiere mischten sich einige Lanciers, dann kam die Husaren-Uniform, wenn auch selten genug, zum Vorschein; sie drängten sich in der Straße; ledige Pferde liefen, als wären sie von gleicher Furcht getrieben, an ́allen Orten mit dem Schwarme; Artilleristen im bloßen Hemde kamen heran und sehr häufig Zugpferde mit abgeschnittenen Zugsträngen, von Infanteristen oder Artilleristen geritten. Unter dem ganzen Vortrab der Flucht habe ich keinen Offizier bemerkt. Das muß ich konstatiren. Als der Schwarm am dichtesten war, sauste plötzlich ein Eisenbahntrain von Norden herüber. Der Eisenbahnzug sollte das Material bergen, welches noch bei Niederbronn ge. wesen war, er sollte wohl Verwundete transportiren — er war lediglich ein Mittel der Flucht. Es waren die ersten Infanteristen, welche sich da retteten. Alle Waggons überfüllt, auf den Dächern, an den Handhaben hängend, mit halbem Leibe in der Luft, auf den Trittbrettern, einige mit voller Rüstung, einige halb nackt, Verwundete keine so zog da ein neues Bild von Verwirrung vorüber und kreuzte den Unglücksstrom auf der Heerstraße. Wie die wilde Jagd eilten die Reiter der Stadt zu und passirten dieselbe ohne Aufenthalt. Um 5 Uhr versiegte der Strom der Cavallerie.

Nach einer Pause kam Fuhrwerk. Ich habe 4 bis 5 Prozen gesehen, alle noch komplett bespannt, aber ohne Geschüße; dann sauste und polterte ein zerbrochener Munitionskarren, mit Turcos bepackt, einher, dann kam ein Bauerwagen mit Bettzeug und allerlei Habseligkeiten bepackt, ohne ihre Besizer. Ein Zuave leitete die Pferde, zwei gräßlich verstümmelte Turcos lagen überquer oben, ein Haufe unbewaffneter Soldaten aller Waffen flammerte sich oben an.

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Nun kam Infanterie zu Fuß etwa um 5 Uhr. Noch immer kein Offizier! Im dichten Schwarme Kanzleikarren, die Wagen von drei Brigade - Generalen, das »Archiv« einer Truppen Division, vier bis fünf leere Munitionskarren, sodann allerlei »Ambulanzwagen« aber mit Gesunden bepackt. Auf einem Karren lagen drei Todte, während ein paar jämmerlich zugerichtete Turcos im Gewühle mit jener stumpfen Resignation einhergingen, welche diese Wüstensöhne in Wahrheit auszeichnet. Dann kamen verschiedene Marketenderwagen. Diese Marketenderinnen, eine Eigen

thümlichkeit der französischen Armee, habe ich jüngst für recht kokett und niedlich gehalten, als ich sie inmitten einer enthusiasmirten Truppe im Momente der Abreise beobachtete. Heute, in den Scenen der Verwirrung, ihre Kleider beschmußt, ihre Gesichter mit zerrauftem Haare eingerahmt, von Schmug starrend und von Angst verzerrt - schienen sie mir recht ekelhaft. Das macht der Eindruck des Augenblicks. Von den Infanteristen hatten alle ihr Gepäck weggeworfen, viele ihre Gewehre, viele gingen im Hemde, die meisten hatten von Allem nur etliche Brodlaibe an einem Säbel gespießt über der Schulter. Weitaus der größte Theil der Flüchtigen waren »des vieux soldats«, denen General Trochu jüngst jeden Werth abgesprochen hat.

Von 4 bis 7 Uhr zog ein aufgelöster Schwarm Menschen vorüber, so ganz mit sich selbst und mit ihrer elenden Existenz beschäftigt in dem ganzen Zuge blos 40 Mann geordnet — im Ganzen wohl 8-10,000 Mann, verhältnißmäßig wenige Verwundete und blos 3 bis 4 Cavallerie, 2 Artillerie und etwa 8 Infanterie - Offiziere im ganzen Schwarme; eine solche Deroute weist weder das Jahr 1859 noch 1866 auf.

Als ich in später Dämmerung nochmals vor die Stadt eilte, um zu erkunden, ob nicht doch noch ein Bahnzug gesendet würde, führten 5 bis 6 Soldaten mehrerer Truppengattungen einen gefangenen Preußen in ihrer Mitte stolz, als hätten sie die ganze preußische Armee mit sich. Ich konnte mich nicht enthalten, die Scene mit einiger Ironie zu betrachten. In solcher Verwirrung mit einem Gefangenen zu paradiren!«

Aehnlich schrieb Ed. Texier, der Kriegscorrespondent des »Siècle«: »Ich traf am 7. in Zabern ein, wo eben die traurige Nachricht von der Niederlage der Mac Mahonschen Armee bekannt geworden war. Truppen rückten ein, welche sich Tags vorher geschlagen hatten. Eine wahre Panik bemächtigte sich alsbald der Stadt. Alle Häuser geschlossen. Kaum war ich eine Viertelstunde in einem Zimmer eines kleinen Hotels am Bahnhofe untergebracht, als der Besizer mich ersuchte, schleunigst zu räumen, da er in das Gebirge flüchten wolle. So liege ich auf dem Pflaster und sehe die ganze Bevölkerung, fast wahnsinnig vor Furcht und Schrecken, sich auf die Straßen und Wege drängen, welche nach den Vogesen führen. Auch die französische Armee schickt sich zum Rückzuge an, sie geht nach Saarburg zurück. Da ich der Armee nicht folgen kann, só bin ich genöthigt, mich dem Auswanderungszuge der Bevölkerung anzuschließen; kein Wagen, kein Pferd, ich muß den Weg zu Fuß zurücklegen. Ich laffe mein Gepäck bei einem mir unbekannten. Manne, derselbe öffnete auf meine Bitte seine Hausthüre; ich warf meinen. Koffer in den Hausgang, die Thür ward wieder geschlossen, und nun geht es auf die Flucht. Ich kenne nicht einmal den Namen des freundlichen. Mannes; ich weiß absolut nicht, wohin man flicht, aber ich folge

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