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Situation, in die wir uns gesezt sähen, anzuerkennen. Der König bewilligte darauf, mich diesen Morgen zu empfangen. Dieser Empfang hat stattgefunden und ich berichte darüber.

Im Einklang mit Ihren Weisungen habe ich vom Könige eine Entschließung, die uns ohne weiteren Aufschub völlig zufrieden stellen kann, zu erhalten gesucht und bin in ihn gedrungen, mich zu der Erklärung gegen Sie zu autorisiren, daß er den Prinzen von Hohenzollern auffordern wolle, seine Candidatur zurückzunehmen. Um Se. Majestät günstig für den Wunsch zu stimmen, den ich ihm ausdrückte, habe ich ihm weder den Argwohn noch die Erregtheit der öffentlichen Meinung in Frankreich verborgen, habe ihm die Ungeduld des Senats, wie des gesetzgebenden Körpers gezeigt und unsere Verpflichtung, dieser Ungeduld gerecht zu werden, geschildert; habe ihm endlich die Gefahren mitgetheilt, welche jeder Tag weiterer Verzögerung hervor. rufen müsse.

Der König unterbrach mich oft, um mir die schon mehrerwähnten Entgegnungen zu machen. Er bestand darauf, daß er nur als Chef der Familie befragt worden sei, ein Titel, der weder den Souverain von Preußen, noch sein Gouvernement irgendwie berühre. Ich beschränkte mich diesmal nicht darauf, ihm zu erwiedern, daß dieser Dualismus nicht verstanden werden würde, ich fügte hinzu, daß er nach allen Richtungen hin unzulässig sei; der König sei Chef der Familie, weil er Souverain sei, eine Trennung beider Qualitäten erweise sich als unmöglich, und der Prinz von Hohenzollern schulde ihm einen unbedingten Gehorsam, weil Se. Majestät die eine und die andere Eigenschaft in seiner Person vereinige. Man könne die Dinge nicht wohl anders ansehen, und so sei es denn leicht begreiflich, warum die Erhebung des Prinzen Leopold in Frankreich wie eine Wiederherstellung des Reiches Karls V. angesehen würde.

Der König bestritt diese Auffassung, bemerkend, daß die Erwählung des Prinzen Leopold keine neue Verbindlichkeit schaffen, kein Band zwischen Spanien und Preußen knüpfen werde. Nach seiner Meinung übertriebe ich die Tragweite einer Combination, die er seinerseits niemals gewünscht habe. Es sei ihm im Uebrigen unmöglich (und die Ausdrücke, die er wählte, lassen mich annehmen, daß er es als unvereinbar mit seiner souverainen Würde ansieht), seine Haltung zu ändern und vom Prinzen Leopold einen Verzicht auf die Krone Spaniens zu fordern, nachdem er demselben erklärt, daß er gegen die Annahme derselben nichts einzuwenden habe. Wenn ich mich nicht irre, so ist das, was der König vermeiden will, vor allen Dingen die Verantwortlichkeit für einen Rückzug oder eine Nachgiebigkeit, die die öffentliche Meinung in Deutschland verlegen würde. Seine Absicht geht dahin, dies dem Vrinzen Leopold und seinem Vater zu überlassen, zudem«, so etwa bemerkte

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der König, liegt keine Gefahr in einem Aufschub, und ein oder zwei Tage Verzögerung werden die Situation in nichts erschweren. «

Ich erwiederte ihm, daß ich ihm nichts verhehlen wolle. Die Aufregung in Frankreich sei groß. Um diese zu zerstreuen, müßten die Minister des Kaisers zu Erklärungen schreiten, da ihnen die Haltung der Volksrepräsentanten wie des Volkes überhaupt nicht erlaube, länger zu warten. Die Erklärung müsse abgegeben werden, daß der Prinz Leopold freiwillig seine Zustimmung, die er den Eröffnungen des Cabinets von Madrid gegeben habe, zurückzöge.

Der König verhehlte nicht den Eindruck, den meine Worte auf ihn gemacht hatten. Er bemerkte, daß unsere Dringlichkeit, da er doch nur einen sehr kurzen Aufschub fordere, um sich der Intentionen der beiden Prinzen von Hohenzollern zu versichern, ihn glauben lassen könnte, daß wir die Absicht hätten, einen Conflict zu provociren. Ich lehnte mich gegen diese Annahme auf und fügte hinzu, daß ich ihm das Mittel böte, sich von unseren wahren Gesinnungen zu überzeugen, indem ich ihn ersuchte, uns den Verzicht des Prinzen von Hohenzollern zu garantiren. In diesem Augenblicke sagte der König: ich kenne die Vorbereitungen, welche man in Paris trifft und ich will Ihnen nicht verhehlen, daß ich auch meinerseits Vorkehrungen treffe, um nicht überrascht zu werden.« Se. Majestät versuchte dann, das Gewicht dieser Worte wieder abzuschwächen, indem er mir zu beweisen trachtete, daß er noch ein volles Vertrauen in die Erhaltung des Friedens seze; er wird nicht gestört werden,« so sagte er, wenn man in Paris warten will, und mir die Zeit läßt, die nothwendig ist. Ich antwortete ihm, daß wir unsererseits in der Lage seien, die Aufklärungen geben zu müssen, die das Land von uns fordere, und daß wir nicht, ohne uns den gerechtesten Vorwürfen auszusehen, ihm Bestimmteres zu sagen wüßten, als daß Prinz Leopold auf Reisen sei, und daß der König seine Rückkehr erwarte, um danach Partei zu nehmen. Ew. Majestät können Alles verhüten, Alles versöhnen, wenn Sie mir gestatten, dem Gouvernement des Kaisers die Mittheilung zu machen, daß der nach Madrid geschickten Annahme seitens des Prinzen keine Folge gegeben werden soll; ich beschwöre Sie noch einmal, mich dazu zu autorisiren.« Der König wiederholte mir, daß er meinem Wunsche nicht willfahren könne. Ich meinerseits machte eine letzte Anstrengung, aber vergeblich. Se. Majestät antwortete mir, daß er noch heute Abend oder aber morgen eine Mittheilung des Prinzen Leopold, der inzwischen bei seinem Vater in Sigmaringen eingetroffen sein werde, zu empfangen hoffe, und daß er sich beeilen werde, mir alsdann einen definitiven Bescheid zu geben. Ich erwarte Ihre Befehle. Benedetti.

So standen die Dinge am 11. Juli Abends. Nicht ungünstig. Der König war zu jeder Concession, die sich mit seiner Würde vertrug, bereit. Er hatte dem Erbprinzen Leopold kein Hinderniß in den Weg gelegt, die spanische Krone anzunehmen, er legte ihm jezt kein Hinderniß in den Weg, bei einer ungünstig veränderten Situation sie auszuschlagen. Die Prinzen von Hohenzollern, Vater und Sohn, waren von dieser Stellung des Königs zu der so viel Unruhe schaffenden Frage unterrichtet, und es ließ sich mit größter Bestimmtheit annehmen, daß sie bereit sein würden, die entstandenen Verlegenheiten durch einfachen Verzicht aus dem Wege zu räumen. Dann hatte Frankreich, was es wollte. Das beständig mit so viel Vorliebe heraufbeschworene Gespenst Karls V. war dann endlich gebannt und der europäische Friede aufs Neue gesichert. Gestört war er nur dann, wenn - wie freilich mehr und mehr zu Tage trat Frankreich mehr. wollte, als diesen Verzicht, wenn es entschlossen war, diesen Verzicht nur in Form einer Unterwerfung zu acceptiren. Die nächsten Stunden schon gaben Gewißheit, daß dies der Fall war, daß Frankreich, wenn es den Krieg nicht haben könne, wenigstens die Demüthigung des Königs wolle.

Am 11. Abends hatte Benedetti in dem zuleht von uns mitgetheilten Schreiben dahin berichtet, daß, nach Meinung des Königs, die Entschlüsse des Erbprinzen (deren voraussichtliche Friedfertigkeit sich wohl auch dem französischen Botschafter nicht entziehen konnte) in dieser Frage maßgebend sein müßten.

Am 12. Abends traf, vielleicht schon als eine Antwort darauf, folgendes Telegramm des Herzogs v. Gramont in Ems ein:

»Wir haben eben seitens des spanischen Gesandten die Nachricht von dem Verzicht des hohenzollernschen Prinzen empfangen. Um diesem Verzicht eine volle Wirkung zu geben, erscheint es indessen nöthig, daß der König von Preußen sich hinzugesellt und uns die Versicherung ertheilt, daß er auch zu keiner anderen Zeit dieser Candidatur seine Autorisation ertheilen wolle. Die Erregung der Gemüther, troß des erfolgten Rücktritts (renonciation), ist hier nach wie vor eine solche, daß wir nicht wissen, wie wir ihrer Herr werden sollen. Paraphrasiren Sie dies Telegramım derartig, daß es sich zur Mittheilung an den König eignet.«<

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Dies war das eigentliche Kriegstelegramm. In den zwei Zeilen: >>Il paraît nécessaire, que le roi s'y associe, et nous donne l'assurance, qu'il n'autoriserait pas de nouveau cette candidature« steckte der Krieg. Hierdurch waren die eigentlichen, ausdrücklichen Intentionen des französischen Gouvernements, die bis dahin vielleicht selbst für den Grafen Benedetti nicht klar dalagen, unzweifelhaft enthüllt: Der Rücktritt des

Prinzen sollte so viel heißen wie politischer Rückzug des Königs, eine vor dem Zusammenstoß verlorene Schlacht, ein sich Beugen vor der superioren Macht Frankreichs und dadurch vor aller Welt eine Anerkennung dieser Superiorität.*)

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Wer König Wilhelm kannte, wußte, daß dies nicht von ihm zu erpressen sein werde.

Also Krieg!

Wir nehmen nun, auch Behufs Schilderung der lezten Phase dieser Entwicklung, die in den Benedettischen Schriftstücken gegebene Darstellung wieder auf.

Die Darstellung der Ereignisse in Ems in Briefen und Depeschen des Grafen Benedetti vom 12. bis 14. Juli.

Ems, 13. Juli 1870. Herr Herzog! Um Mitternacht habe ich Ihr Telegramm von gestern 7 Uhr Abends empfangen, in welchem Sie mir den Rücktritt des Prinzen von Hohenzollern von der Throncandidatur mittheilten und mir auftrugen, vom Könige zu fordern, daß er sich dieser Entschließung anschließe und zugleich die Versicherung gebe, daß er ein Zurückkommen auf diese Candidatur dem Prinzen Leopold nicht gestatten wolle.

Zu früher Stunde war ich auf der Brunnenpromenade, um mich Sr. Majestät dem Könige zu nähern und Ihre Befehle auszuführen. Ich theilte ihm den Ihnen durch den spanischen Gesandten, Herrn Olozaga, zuerst gemeldeten Verzicht des Prinzen mit, zugleich hinzufügend, daß dieser Verzicht keinen Werth für uns habe, wenn er nicht durch Se. Majestät gebilligt, an erkannt (approuvé) würde, und daß wir außerdem versichert sein müßten, daß ein spätres Zurückkommen auf das eben aufgegebene Project seinerseits nicht erlaubt werden würde.

Der König ebenso erstaunt über den Schritt des Prinzen von Hohenzollern, wie über den Auftrag, dessen ich mich zu entledigen hatte, ant wortete mir, daß er den Entschluß des Prinzen Leopold noch nicht kenne, und daß er schon deshalb mir weder Aufschlüsse geben noch zu der weitren Erklärung, die ich fordere, mich autorisiren könne.

Ich erwiederte, daß der Verzicht des Prinzen nicht zweifelhaft sei, daß wir indessen, bis zur Bestätigung der Nachricht, die Frage annahme

*) Ueber dies Superioritäts, Gelüst Frankreichs sagte Garibaldi später in einem

an den Professor Lazzarini gerichteten Briefe:

»Ich bin alt und krank, aber ich werde glücklich sein, wenn ich noch jenen Fana. tismus der Suprematie bezwungen sehe welcher die Hauptursache des Unglücks von Frankreich ist und war.«

weife (par hypothèse) behandeln und auch in diesem Augenblick schon feststellen könnten, daß Se. Majestät vorkommenden Falls gewillt sei, jeden neuen Versuch, auf diese Combination zurückzukommen, kraft seiner Autorität zu hindern.

»So fordern Sie denn«, entgegnete der König, ein mich Binden ohne Ende und für alle Fälle; ich kann darauf nicht eingehen.<< Um diese seine Anschauungsweise zu rechtfertigen, führte Se. Majestät aus, daß er seine Freiheit der Entschließung nicht aufgeben dürfe und daß er sich unter allen Umständen der Fähigkeit nicht berauben wolle, bei vielleicht ver änderter Sachlage den Verhältnissen Rechnung zu tragen; von versteckten Absichten könne keine Rede sein, zudem habe diese Angelegenheit zu schwere Verwicklungen heraufbeschworen, als daß er nicht wünschen solle, ein für allemal davon befreit zu sein; nichtsdestoweniger sei es ihm unmöglich, so weit zu gehn, als wir es von ihm forderten.

Ich suchte nunmehr meinerseits mich über diese Punkte zu verbreiten, der König lehnte aber so entschieden ab, daß ich mich unschwer überzeugen konnte, es werde unmöglich sein, die Entschlüsse Sr. Majestät zu ändern. Er brach zudem unsre Unterhaltung (auf der Brunnenpromenade) ab und drückte mir sein Bedauern aus, daß es ihm unmöglich sei, uns eine solche neue und unerwartete Concession zu machen.

In mein Hôtel zurückgekehrt, fand ich, Herr Herzog, Ihr zweites Telegramm. Nach Allem durfte ich annehmen, daß binnen wenigen Stunden, und zwar nach Eintreffen einer direkten Nachricht aus Sigmaringen, Gelegenheit gegeben werden würde, nicht nur den Inhalt dieser Nachricht (wie mir Se. Majestät in Aussicht gestellt hatte) durch ihn selber kennen zu lernen, sondern auch mich von Neuem über die Frage und die Unerläßlichkeit unsrer Forderungen auslassen zu können. Aber die Situation veränderte sich im Laufe des Vormittags, und Se. Majestät, anstatt mich zu empfangen, schickte mir, nach Eintreffen der sigmaringer Nachricht, seinen Flügeladjutanten, den Prinzen Radziwill, mit der Meldung: daß Prinz Leopold seine Candidatur zurückgezogen habe, und daß er, der König, mich bäte, an meine Regierung zu telegraphiren, wie er nunmehr die ganze Angelegenheit als definitiv beigelegt ansähe.“)

*) Oberstlieutenant Prinz Radziwill hat über diese seine erste Meldung an den Grafen Benedetti, wie über eine zweite und dritte Mittheilung, die er in den Stunden von 2 bis 51⁄2 dem Grafen Benedetti zu machen hatte, einen genauen Bericht gegeben, den wir, bei der Wichtigkeit der Sache, hier folgen lassen. Uebrigens decken sich beide Berichte (der Radziwill'sche und der Venedetti'sche) beinah vollkommen. Prinz Radziwill schreibt d. d. Ems 13. Juli 1870: »Se. Majestät der König hatte die Gnade, mich gegen 2 Uhr Nachmittag mit folgendem Auftrag zu dem Grafen zu schicken: Se. Majestät hätte vor einer Stunde durch schriftliche Mittheilung des Fürsten zu Hohenzollern aus Sigmaringen die vollkommene Be

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