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Scheuerlenhof zurückgeblieben. Ohne Menschen nach dem Wege fragen zu dürfen, im Gegentheil diesen und den Ortschaften ausweichend, mußte er sich durch rauhes, unwegsames Waldgebirge durchsuchen. Einen von den Chasseurs ihm gestellten Cordon gelang es zu durchbrechen. Heftige Gewitter mit sündfluthigen Regenströmen brachen mit Eintritt der Dunkelheit hernieder. In tiefer Nacht erreichte er in Sulzthal die einsam, mitten im Walde gelegene Behausung eines Quäkers. Personen und Zustände dort berechtigten ihn zu der, auch nicht getäuschten, Hoffnung, daß er den Rest der Nacht hier, ohne Furcht vor Verrath, werde verbringen können.

Die Steilhänge des Lauterthals zwischen Weißenburg und Bitsch nöthigten Graf Zeppelin am nächsten Morgen, durch das Dorf Niedersteinbach und eine ziemlich lange Strecke auf der stark von feindlichen Patrouillen begangenen Straße Bitsch Weißenburg zu reiten. Wenn ihm dort keine schärfere Aufmerksamkeit gewidmet wurde, worauf er stets gefaßt sein mußte, so kam ihm ohne Zweifel zu statten, daß er ein Pferd mit französischer Ausrüstung ritt und ferner, daß damals die Uniformen aller Truppentheile der französischen Armee in dieser Armee selber noch nicht allgemein aus Anschauung bekannt waren, so daß er für den Angehörigen einer französischen Waffengattung angesehen werden konnte; auch eine Täuschung, welche er durch unbefangene und zuversichtliche Haltung zu bestärken, selbstverständlich bestens bemüht war.

Voll Dankes gegen Gott für seine Rettung betrat er bei Schönau in Rheinbaiern den deutschen Boden wieder. Er traf dort auf baierische Vorposten. Von da hatte er noch beinahe acht Meilen bis Karlsruhe zurückzulegen, wo er noch am Abend des 26. Juli seine Meldungen erstattete.

Erst als Graf Zeppelin nach dem Friedensschlußz den Schauplah obiger Erlebnisse wieder besuchte, erhielt derselbe aus dem Munde von Landkeuten Aufschluß darüber, wie es gekommen war, daß seine, wie er damals anzunchmen berechtigt war, untrüglichen Berechnungen ihn dennoch nicht vor dem Ueber falle gesichert hatten. Als sie durch Wörth geritten waren, hatten sich zwei französische Gendarmen in den Sattel geworfen und waren mit der entsprechenden Meldung zu General Vernis nach Reichshofen gejagt, der sofort das 12. Chasseur - Regiment aufsigen ließ, um in ganzen Schhadronen nach dem Trupp zu suchen. So war eine dieser Schwadronen, bei welcher sich der General selbst befand, schon ganz in der Nähe des Scheuerlenhofes angelangt, als die Recognoscirungspatrouille erst auf dem Nitte dorthin begriffen war.

Saarbrücken am 2. August.

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Am 28. Juli war der Kaiser in Metz eingetroffen am 29. hatte er den Oberbefehl übernommen. Um die Erwartungen der Pariser zufrieden zu stellen, ihre Ungeduld zu versöhnen, mußte etwas geschehen; so erhielt denn das am weitesten vorgeschobene Corps (das II. unter General Frossard), das schon seit dem 19. den kleinen Krieg« an der Saar geführt hatte, bestimmten Befehl: am 2. August Saarbrücken anzugreifen und zu nehmen. Die Unterstützung eines Theils des III. Corps war dabei in Aussicht gestellt. Unsere 40er hatten also in den voraufgegangenen Rencontres den Gegner über ihre Zahl derartig zu täuschen gewußt, daß man es für nöthig erachtete, mit ganzen Divisionen gegen sie und die von ihnen vertheidigte Stadt vorzugehen.

Die Action verlief wie folgt.

Am 2. Morgens war dem diesseitigen Commandanten, Oberstlicutenant v. Pestel, *) durch vorgeschickte Cavallerie- und Infanterie-Patrouillen das Anrücken starker feindlicher Colonnen auf der Chaussee von Forbach gemeldet worden. Oberstlieutenant v. Pestel hatte sofort seine Anordnungen danach getroffen. Das Vorposten Bataillon (das 2. vom 40. Regiment) nahm mit 3 Compagnieen Stellung, westlich der Stadt, woselbst das Terrain einer Vertheidigung noch am günstigsten war, eine Compagnie blieb in der Stadt als Reserve. Das zur Aufnahme bestimmte Detachement von zwei Bataillonen (das 1. und 3. genannten Regiments; in den letzten Tagen

*) Dieser ausgezeichnete Offizier (er war am Tage vorher — wohl schon in Anerkennung des bis dahin Geleisteten vom Major zum Oberstlieutenant ernannt worden) hatte in den lezten Tagen des Juli die Weisung erhalten, sich von seinem gefährdeten Posten zurück zuziehen. Unsere Rüstungen näherten sich ihrem Ende, und es schien nicht mehr geboten, das tapfere Häuflein dem Wohl des Ganzen zum Opfer zu bringen. Der Commandirende hatte aber zurücktelegraphirt: »er bäte, ihn auf diesem Posten zu belassen,« hinzufügend: »Das Benehmen der Franzosen zeigt, daß sie sich vor uns fürchten.« Die Einwilligung zu diesem Ausharren war denn mit Freuden gegeben worden.

von Trier und Saarburg herangezogen) formirte sich auf dem rechten Ufer der Saar. Sehr bald zeigte es sich, daß der Feind in der That sehr bedeutende Kräfte entwickele. Vier Rohr und eine MitrailleusenBatterie desselben fuhren auf den Höhen des linken Thalrandes auf und beschossen, jedoch ohne besonderen Effect, die diesseitigen Truppen. Oberstlieutenant v. Pestel konnte nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, daß eine Durchführung des Gefechts unmöglich sei und der Rückzug angetreten werden müsse, sobald sich die feindlichen Massen in Bewegung sezten. So lange dies indessen nicht geschah, wollte er auch der jedem vorgeschobenen Posten obliegenden Aufgabe genügen: durch sein Stehenbleiben den Feind zur Entwickelung seiner Kräfte zu zwingen.

Abgesehen vom Artilleriefeuer deuteten die feindlichen Maßnahmen zunächst mehr auf eine Revue, als auf die Absicht eines ernsten Gefechtes hin. Erst gegen 11 Uhr stiegen mehrere feindliche Bataillone von den Höhen herab, hielten jedoch auf eine kolossale Entfernung und gaben Salven und Schnellfeuer ohne irgend welchen Erfolg ab. Um doch auch preußischerseits thätig zu sein, wurden die Schüßenzüge der drei Compagnicen vorgeschoben und unterhielten ein fast einstündiges Tirailleurgefecht. Gegen 12 Uhr rückten auf dem rechten feindlichen Flügel neue Massen an. Die drei preußischen Compagnieen erhielten Befehl, nunmehr den Rückzug anzutreten.

Ohne vom Feinde gedrängt zu werden und in voller Ordnung wurde

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der Abmarsch ausgeführt. Um 12 Uhr wurde die Stadt geräumt. Der feindliche rechte Flügel sette indessen den Vormarsch fort und dirigirte sich gegen den plateauartig der Stadt vorgelegenen Exercirplay. Man konnte deutlich die formirten Massen dreier feindlicher Divisionen erkennen. Der Zweck des Haltens war somit unsererseits erreicht, eine Fortsetzung des Gefechts konnte keinen Nußen bringen. Das gesammte Detachement trat daher nach 1 Uhr den Abmarsch an und bezog eine Meile nordwestlich, vom Feinde unverfolgt, das Bivouac. Die Cavallerie behielt Fühlung am Feinde. Der Gesammtverlust an Todten, Verwundeten und Vermißten betrug 2 Offiziere, 73 Mann.

»Gegen 4 Uhr,« so fährt ein anderer Bericht fort (muthmaßlich aus der Feder eines Saarbrücker Bürgers), »kamen die Franzosen in die Stadt. Die ersten, welche ich sah, waren ein Tambour und mehrere Infanteristen vom 40. französischen Regimente. Einzelne waren unbewaffnet, der Tambour hatte anstatt einer Trommel eine Gießkanne mit gestohlenem Gemüse am Bandelier. Vor Allem verlangten sie nach Brod; sie hätten seit fünf Uhr Abends vorher nichts gegessen und seien durch den Kampf sehr ermüdet. Bald drängte sichs von allen Waffengattungen auf Plaß und Straßen. Es waren Truppen vom 24., 40., 66. und 67. Infanterie, vom 12. Chasseur und 7. Dragoner Regiment. Sie benahmen sich zu größerem Theile gut. Die Excesse, die vorkamen, wurden meist von Soldaten aus dem benachbarten Lothringen begangen. Sie drangen in die Felsenkeller einer großen Brauerei, betranken sich und ließen 15,000 Quart Bier aus den Fässern laufen. Die Brode, die sie kauften oder nahmen, steckten sie nach französischer Sitte auf das Bajonet ihrer Chassepot- Gewehre und hiel ten ihren Umzug. Um Mittag des folgenden Tages erschien General Frossard mit großer Escorte und ritt durch die Straßen. «

Diese Auszüge aus uns vorliegenden Berichten mögen genügen. Wir leisten Verzicht auf Mittheilung detaillirterer Gefechts Relationen, wie sie beispielsweise von jeder der betheiligten Compagnieen, wenn auch nicht von diesen selbst, veröffentlicht worden sind. Wir werden bei Darstellung dieses Krieges so vielfach Größerem begegnen, daß es geboten ist, den Raum dieser Blätter auch hier schon dem Maße des Geleisteten anzupassen. Also von unserer Seite nichts weiter. Aber wenn wir uns gebunden erachten, über diesseitige ausführlichere Schilderungen der Saarbrücker Vorgänge hinwegzugehen, so können wir doch nicht eine gleiche Zurückhaltung in Betreff der französischen Bresse üben, die es für gut befand, ihren Lesern über die "große Schlacht bei Saarbrücken« zu berichten. Militairisch nichtig (wie die Sache selbst) haben diese Berichte eine wirkliche Bedeutung doch insoweit erhalten, als sie gewisse Fehler unseres Gegners: bombastische Sprache, Eitel

keit und Ruhmesbedürfniß von vornherein in das hellste Licht stellten. Die Unseren lachten und ihr Respect vor dem Feinde war erschüttert.

So lautete beispielsweise der officiöse Bericht*) des »Moniteurs« : »Um 10 Uhr 20 Minuten Morgens konnten wir von den einschließen. den Höhen sehen, wie sich die 2. Division des II. Corps (General Frossard) concentrirte. Auf unserer Rechten bereitete sich die 3. Division vor, durch den Wald von St. Arnual die Höhen zu besehen, welche Saarbrücken beherr schen; auf unserer Linken sammelten sich andere Truppen des II. Corps, um nach Forbach zu marschiren und von dort die Hügel zu gewinnen, welche die Saar und Saarbrücken umgeben. Um 10 Uhr 20 Minuten begleiteten wir eine Zwölfpfünder-Batterie des 5. Artillerie-Regiments, welche die Batterie beschießen sollte, die von den Preußen auf unserer Linken zur Seite eines kleinen Hauses am Waldessaume errichtet worden war.

Um 10 Uhr 40 Minuten entfalteten sich unter uns in der Ebene unsere beiden ersten Regimenter (das 67. und das 66., Brigade Bastoul) als Tirailleurs. Die Preußen, welche in den Gräben liegen, erwarten sie. Hinter uns kommen lange Züge von Infanterie, welchen eine halbe Schwadron Jäger voranreitet und eine halbe Schwadron folgt.

10 Uhr 50 Minuten: Das Feuer beginnt auf 400 Meter Entfernung. Die preußischen Kugeln pfeifen uns um die Ohren. Unser erster Tirailleur fällt todt zu Boden. Unsere Tirailleure rücken vor; die des Feindes ziehen sich zurück. Um 11 Uhr 10 Minuten haben die Unseren die Höhen besezt, zu deren Füßen die Saar fließt; unsere Batterieen seßen sich in Marsch und fahren in die Ebene hinab, um dort Position zu nehmen. Die 8. Batterie des 5. Regiments fährt nach den Anhöhen, auf denen sich unsere Tirailleurs befinden, und stellt sich dem Feinde zur Rechten auf; eine Zwölfpfünder- Batterie fährt nach rechts und nimmt dem Ludwigswalde gegenüber Position, wo sich die festen Batterieen des Feindes befinden, die zugleich von fliegenden Batterieen unterstützt werden. Eine erste preußische Bombe schlägt

*) Der officielle Schlachtbericht, wie übrigens bemerkt werden muß, ist maßvoller gehalten. Auch seine Sprache entspricht nicht der Action selbst; doch war man in der Vorstellung befangen, einen starken Gegner bekämpft zu haben. Dies entschuldigt Manches. Es heißt in der officiellen Relation: » Ungeachtet der Stärke der feindlichen Position reichten einige unserer Bataillone aus, um die Höhen wegzunehmen, die Saarbrücken beherrschen. Der kühne Anlauf unserer Truppen war so groß, daß unsere Verluste nur gering sind. Der Kaiser wohnte der Operation bei; ebenso der kaiserliche Prinz. Seine Geistesgegenwart, sein kaltes Blut in der Gefahr, waren des Namens würdig, den er trägt. (General Frossard war Erzieher des kaiserlichen Prinzen.) Ueber die Theilnahme dieses Leyteren an der Action meldet der Kaiser selbst an die Kaiserin: »Louis hat die Feuertaufe erhalten. Er war be wundernswerth in seinem kalten Blut, nicht im Mindesten aufgeregt. Er hob sich eine Kugel auf, die bei ihm niederfiel. Die Soldaten vergossen Thränen, als sie ihn so ruhig sahen.«

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