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desbeschluss mit dem Geiste der Bundesacte im Widerspruche stehen oder von ihrem Grundcharakter abweichen.

II. Der deutsche Bund war in der Bundesacte Art. 1 und in der Wiener Schlussacte Art. 1 erklärt als ein „völkerrechtlicher Verein der souverainen Fürsten und freien Städte Deutschlands" zu einem ,,beständigen" Bunde. Die Wiener Schlussacte Art. 5 erklärte diesen Bund ausdrücklich für „un auflöslich, so dass der Austritt keinem Mitgliede frei stehen dürfe❝ 2).

III. Als Zweck des Bundes ist in der Bundesacte Art. 2 und in der Wiener Schlussacte Art. 1 angegeben,,die Erhaltung der inneren und äusseren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletztheit der einzelnen deutschen Staaten". Es war somit jedem Bundesgliede der Besitzstand garantirt, mit welchem es in den Bund getreten war 3).

IV. Der deutsche Bund war geschlossen als ein Staatenbund; er sollte weder ein blosser (persönlicher) Fürstenbund, noch auch ein Bundesstaat sein 4).

V. Der deutsche Bund betrachtete sich niemals als Staatssuc

cessor des deutschen Reiches 5). Diese Eigenschaft kam vielmehr jeder deutschen Staatsregierung innerhalb ihres Gebietes zu. Da der deutsche Bund aber neue Gesetze machen konnte, so konnte er allerdings auch Gesetze und Staatsacte des deutschen Reiches für fortdauernd verbindlich erklären, auch sie authentisch interpretiren, jedoch nicht mit rückwirkender Kraft und also auch nicht mit Einfluss auf die richterliche Entscheidung bereits anhängiger Processe 6).

VI. Bei der Errichtung der Bundesacte waren 38 Mitglieder des Bundes vorhanden. Nach verschiedenen Veränderungen durch Erbfälle und Abtretungen von Ländern an verwandte Bundesglieder waren zuletzt (1866) noch 33 Mitglieder vorhanden 7). Neue Mitglieder sollten nach der Wiener Schlussacte nur aufgenommen werden durch einstimmigen Beschluss in Pleno. Es geschah dies aber in einem einzigen Falle, durch die nachträgliche Aufnahme von Hessen-Homburg im J. 18178).

2) Wie bedeutungslos solche Bestimmungen in Staatsverträgen mächtigen Bundesgliedern gegenüber sind, hat das Jahr 1866 gezeigt.

3) Vergl. auch B.-A. Art. 11: „Alle Mitglieder des Bundes versprechen, sowohl ganz Deutschland, als jeden einzelnen Bundesstaat gegen jeden Angriff in Schutz zu nehmen und garantiren sich gegenseitig ihre sämmtlichen unter dem Bunde begriffenen Besitzungen."

4) Bundespräsidialvortrag, 5. November 1816. Protok. der Bundesvers. §. 4. 5) Vergl. z. B. Bundesbeschluss v. 28. Jan. 1858, Protok. §. 39 bei G. v. Meyer, 1. c. II. 676.

6) Ueber die Fälle, in welchen dieser Grundsatz praktisch wurde, s. meine Grundsätze des Staatsrechts, 5. Aufl. (1863) §. 113.

7) Ebendas. §. 114.

8) Ebendas. §. 115.

VII. Das Bundesgebiet begriff die den Bundesgliedern gehörigen deutschen Staatsgebiete. In diesem Sinne war ein Deutschland als politischer Begriff vorhanden. Oesterreich und Preussen waren Mitglieder des Bundes nur für ihre früher zum deutschen Reiche gehörigen Länder; Dänemark nur für die Herzogthümer Holstein und Lauenburg; der König der Niederlande nur für das Grossherzogthum Luxemburg, und (seit 1839) das Herzogthum Limburg, welches dem durch den Londoner Vertrag vom 19. April 1839 an Belgien abgetretenen Theile von Luxemburg substituirt worden war. Die Aufnahme der Provinzen Ost- und Westpreussen und der Festung Posen in den deutschen Bund (1848) wurde am 3. October 1551 wieder rückgängig gemacht 9). Nach der Wiener Schlussacte Art. 6 durften ohne Zustimmung der Gesammtheit keine Bundesländer an Auswärtige abgetreten werden 10).

VIII. In Art. 3 der Bundesacte war die Rechtsgleichheit aller Bundesglieder ausgesprochen. Nach Art. 4 und 6 bestand aber vielmehr eine Verhältnissmässigkeit der Rechte und Pflichten nach der Seelenzahl der Bevölkerungen. Die Rangverschiedenheiten der Bundesglieder äusserten auf das Bundesverhältniss keinen Einfluss 11).

§. 79b.

2) Organisation des deutschen Bundes.

I. Subject der Bundesgewalt waren die Bundesglieder in ihrer Gesammtheit, repräsentirt durch ihre Bevollmächtigten, die Bundestagsgesandten, in einer permanenten Versammlung zu Frankfurt a. M., die Bundesversammlung oder der Bundestag genannt. Diese „stellte den Bund in seiner Gesammtheit dar" und war das beständige verfassungsmässige Organ seines Willens und Handelns". Die einzelnen Bundestagsgesandten waren von den Instructionen ihrer Committenten „unbedingt abhängig, und diesen allein verantwortlich" 1). Den Vorsitz (Präsidium) in der Bundesversammlung führte Oesterreich als primus inter pares 2).

II. Die Bundesversammlung hatte eine Organisation in zwei Verhandlungsformen: a) der sog. engere Rath und b) das Plenum. Der engere Rath war die regelmässige Form; das Plenum bildete die Ausnahme. Die Unterschiede waren: 1) im Plenum hatte jedes Bundesglied mindestens eine Stimme; grössere Staaten aber zwei, drei und als Maximum vier Stimmen. Anfänglich bestanden im Plenum 69, zuletzt

9) Ebendas. §. 116. 117.

10) Ebendas. §. 117.

11) Ebendas. §. 118-120.

1) W. S. A. Art. 7—10.

2) B.-A. Art. 5.

Meine Grundsätze des Staatsr. §. .121.

Meine Grundsätze §. 121. 134.

noch 64 Stimmen. Im engeren Rathe waren sämmtliche Bundesglieder in 17 Stimmen eingetheilt, so dass nur elf derselben Virilstimmen hatten; die übrigen (kleineren) waren in sechs Curiatstimmen eingetheilt. 2) Sodann bestand ein Unterschied in der Berechnung der Majorität. Im engeren Rathe genügte dazu nach der Bundesacte Art. 7 die einfache oder absolute Majorität der abgegebenen Stimmen i im Plenum aber war eine Mehrheit von zwei Drittheilen der abgegebenen Stimmen zur Gültigkeit eines Beschlusses erforderlich. 3) Im Plenum durfte nur abgestimmt, aber nicht berathen werden; im engeren Rathe konnte sowohl berathen, als abgestimmt werden 3).

III. Für die Geschäftsführung bestand zuerst eine vorläufige Geschäftsordnung vom 14. November 1816, dann die revidirte Geschäftsordnung vom 16. Juni 18544). Die Bundesversammlung hielt regelmässige Sitzungen jeden Donnerstag, im Taxis'schen Palais. Man unterschied förmliche und vertrauliche Sitzungen. Wurde wegen Wichtigkeit einer Sache allgemeine Instructionseinholung beschlossen, so wurde ein Termin für die Beibringung der Instructionen bestimmt. Versäumte Stimmen sollten der Majorität, bez. der Stimmeneinhelligkeit beigezählt werden. Die Bundesversammlung konnte bewilligen, dass sich ein Bundesglied der Abstimmung enthielt. In diesem Falle kam es bei der Stimmzählung nicht in Betracht 5).

IV. Bei Sachen von einigem Belange konnte man drei Hauptstufen der Verhandlung unterscheiden: 1) den ersten Antrag; diesen stellte das Präsidium, entweder ex officio, oder auf Antrag von Bundesgliedern, oder auf Anträge von Privatpersonen; 2) die Erörterung, d. h. Berathung, nach Umständen mit Instructionseinholung; 3) die Abstimmung, worauf die Schlussziehung durch das Präsidium erfolgte 6).

V. In den förmlichen Sitzungen wurde durch den Bundeskanzleidirector ein Protokoll geführt. Die Protokolle wurden in einer Folio-Ausgabe für die Regierungen gedruckt. Anfänglich erschien auch eine kürzere Quartausgabe für das Publikum, welche aber seit 1828 aus Mangel an Theilnahme aufhörte. Zuletzt (seit 1861) konnte die Original- (Folio-) Ausgabe durch den Buchhandel bezogen werden, mit Ausnahme der Separat-Protokolle 7).

VI. Die Bundesversammlung führte als Wappen den alten deutschen Reichsadler; am 20. März 1848 hatte sie auch Bundesfarben (schwarz,

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4) Sie war das einzige praktische Resultat der Dresdener Conferenzen von 1851!

5) Meine Grundsätze des Staatsr. §. 125-128.

6) Ebendas. §. 129.

7) Ebendas. §. 130. 131.

Zoepfl, deutsche Rechtsgesch. 4te Aufl. II.

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roth, gold) angenommen 8). Regelmässig fand alljährlich eine Vertagung (Ferien) von Juli bis October statt, doch so, dass einige Bundestagsgesandte zur Besorgung der laufenden Geschäfte anwesend bleiben mussten 9). VII. Das Bundespräsidium hatte nur ein einziges bedeutendes Vorrecht, nämlich die entscheidende Stimme, wenn im engeren Rathe Stimmengleichheit entstand 10). Dazu konnte es aber nur kommen, wenn wenigstens eine der 17 Stimmen nicht abgegeben wurde. Ausserdem hatte das Präsidium die Disciplinargewalt über die Angestellten der Bundeskanzlei. Für dieses Personal bestand eine eigene Dienstpragmatik vom 6. Mai 1841 11).

VIII. Zur Vorbereitung der Beschlüsse dienten die Bundes-Commissionen, oder Ausschüsse, welche von der Bundesversammlung aus ihrer Mitte selbst (aus den Bundestagsgesandten) gewählt wurden. Zum Theile waren diese Commissionen ständige, wie die Reclamations-Commission und die Executions-Commission des Bundes, theils wurden sie für einzelne Fälle bestellt. Verschieden von diesen Bundes commissionen waren jene auch Bundes commissionen genannten, aber aus Fachmännern gebildeten Commissionen, welche sich die Bundesversammlung mitunter von den Regierungen zur Bearbeitung gewisser Angelegenheiten erbat 12). IX. Das Verhältniss der Bundestagsgesandten, ihrer Familien, Gefolge und Dienerschaften zur freien Stadt Frankfurt war durch eine Vereinbarung mit derselben, bez. durch Beschlüsse vom 22. October 1816 und 29. November 1838 geordnet. Nach Art. 46 der Wiener CongressActe vom 9. Juni 1815 war die Bundesversammlung überdies befugt, die in der freien Stadt Frankfurt entstehenden Verfassungsstreitigkeiten zu entscheiden 18).

X. Förmlich eröffnet wurde die Bundesversammlung erst am 5. November 1816.

§. 79°.

3) Grundsätze für die Behandlung der Angelegenheiten des deutschen Bundes.

I. Hinsichtlich der Behandlung der Angelegenheiten des Bundes in der Bundesversammlung waren zu unterscheiden:

A. Gegenstände, worüber nur im Plenum beschlossen werden konnte. Dahin gehörten nach der Bundesacte Art. 6 und nach der Wiener Schlussacte Art 12: a) Abfassung und Abänderung von Grundgesetzen des

8) Ebendas. §. 132.

9) Ebendas. §. 133.

10) Ebendas. §. 134.

11) Ebendas. §. 137.

12) Ebendas. §. 135. 136.

13) Ebendas. §. 138.

Bundes;

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b) organische Einrichtungen;

c) gemeinnützige Anordnungen; d) Kriegs-Erklärungen und Friedensschlüsse; e) Aufnahme neuer Mitglieder in den Bund.

B. Gegenstände, welche weder im Plenum, noch im engeren Rathe durch Stimmen-Mehrheit erledigt werden konnten, sondern StimmenEinhelligkeit, oder doch bezw. Zustimmung des besonders betheiligten Bundesgliedes erforderten. Dahin gehörten: 1) alle Gegenstände, über welche im Plenum abzustimmen war, mit Ausnahme von KriegsErklärungen und Friedensschlüssen; 2) Religionsangelegenheiten; 3) Veränderung der Rechte und Pflichten eines Bundesgliedes wegen Veränderung seines Besitzstandes; 4) wenn ein Bundesglied seine Souverainetät oder einen Theil seiner Besitzungen an einen auswärtigen ausserdeutschen Staat abtreten wollte; 5) wenn einem Bundesfürsten durch Erbschaft etc. andere deutsche Bundesländer zufallen und nun die Frage entsteht: ob er die darauf haftenden Stimmen im Plenum seinen bisherigen Stimmen beifügen dürfe; 6) wenn es sich um jura singulorum handelte; 7) wenn einem Bundesglied eine besondere Leistung zugemuthet werden wollte 1).

II. Zu einzelnen dieser Punkte ist noch zu erwähnen:

1. Die Stimmen-Einhelligkeit wurde zur Interpretation nur erfordert, wenn sie als wirklich authentische (d. h. mit Kraft eines Gesetzes) eines Bundesgrundgesetzes erfolgen sollte, nicht aber, wenn es sich nur um den Sinn eines Bundesgrundgesetzes. in seiner Anwendung auf einen einzelnen Fall, oder nur um die Interpretation eines gewöhnlichen Bundesbeschlusses handelte 2).

2. Unter organischen Einrichtungen verstand man bleibende Einrichtungen für Bundeszwecke. Als solche bestanden nur die Austrägal-Instanz, das Bundesschiedsgericht und die Militär- Verfassung des deutschen Bundes 3).

3. Jura singulorum waren nach der Wiener Schlussacte Art. 15 solche Rechtsverhältnisse, hinsichtlich deren die Bundesglieder nicht in der Eigenschaft als solche, sondern als Einzelne in Betracht kamen, d. h. keine Verpflichtungen in den Bundesgrundverträgen übernommen hatten. Man verstand hierunter also die Regierungsrechte der einzelnen Bundesglieder überhaupt, soweit die Bundesgrundgesetze keine Beschränkung derselben enthielten 4).

64.

1) Bundesacte, Art. 7. Wiener Schlussacte; Art. 13. 15. 16. Meine Grundsätze des Staatsr. §. 139. 140.

2) Ebendas. §. 141.

3) Ebendas. §. 142.

4) Ebendas. §. 143. 144. Unverkennbar wollte sich die Bundesacte bei der Erwähnung und Auszeichnung der Religionsangelegenheiten und der jura singulorum an die Bestimmungen des westphälischen Friedens (I. P. O. Art. V. §. 52; oben §. 65 Note 11) anschliessen. Dabei wurde aber übersehen, dass eigentliche jura singulorum, im Sinne der Reichszeit, d. h. jura quae

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