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z. B. in Tyrol.

Ein

Unter den mehreren Curien galt keine Majorität. Beschluss gesammter Landschaft konnte daher nur durch Uebereinstimmung der Beschlüsse sämmtlicher Curien erzielt werden. Häufig bestanden landständische Ausschüsse, welche gewisse Berechtigungen im Auftrage oder im Namen der Landschaft auszuüben hatten, oder auch die Stelle der Landschaft vertraten, wo deren Zusammentritt für zu beschwerlich, oft von deren Mitgliedern selbst, gehalten wurde. Diäten der Landstände waren nämlich nicht üblich; nur in einigen Staaten, z. B. in Bayern, wurde ihnen während des Landtags Unterhalt vom fürstlichen Hofe verabfolgt. An der Spitze der Landstände stand mitunter ein Landdrost oder Landmarschall, welche Würde meistens in einer adeligen Familie erblich war. Ausserdem gab es landschaftliche Beamte (Landsyndicus, Kanzlei- und Archiv-Personal); auch oft eine eigene landschaftliche Kasse, in welche die von den Landständen bewilligten Gelder eingezahlt wurden und von welcher auch die Verausgabung zu den bestimmten Zwecken geschah 8).

VI. Die Rechte der Landstände waren in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Gegenstand der landständischen Verhandlungen waren hauptsächlich die landesherrlichen Anträge (Propositionen oder Postulate); doch konnten sie (gemeinrechtlich) auch über Anträge, die in ihrer Mitte gestellt wurden, verhandeln und Wünsche (Petitionen) an den Landesherrn richten. Es galt als Grundsatz, dass die Landstände nur bei bestimmten Regierungssachen mitzuwirken und bestimmte Rechte auszuüben hätten, wobei aber alles auf den Inhalt ihrer Privilegien, der Landesverträge und das Landesherkommen ankam. Im Allgemeinen hatten die Landstände in Bezug auf die vom Landesherrn proponirten Verordnungen oder Gesetze nur eine berathende Stimme. Dagegen war bei Verpfändung des Landes oder einzelner Landestheile und zur Aufnahme von Landesschulden meistens ihre Zustimmung erforderlich. In Bezug auf die Steuern war reichsgesetzlich ausgesprochen, dass die Stände die Reichssteuern zu bewilligen schuldig seien 9); die Bewil

8) Die Rittercurie hatte in mehreren Ländern ein eigenes Vermögen, Grundbesitz und Capitalien, über dessen Erträgnisse sie nach ihrem Ermessen verfügte, namentlich auch zur Beförderung wissenschaftlicher Ausbildung junger Adeligen

u. S. W.

9) Die vom Reiche ansgeschriebenen Steuern unterlagen hinsichtlich der Frage ihrer Nothwendigkeit der landständischen Berathung nicht. J. R. A. von 1654 §. 180 a. E.:,,sonderlich aber sollen jedes Churfürsten und Stands Landsassen, Unterthanen und Bürger zu Besetz- und Erhaltung der einem oder anderm Reichsstand zugehörigen (für die Erhaltung des Friedens dem Reiche) nöthigen Vestungen, Plätzen und Garnisonen, ihren Landesfürsten, Herrschaften und Obern mit hülflichem Beytrag gehorsamlich an Hand zu gehen schuldig sein“. — Eine kaiserliche Entschliessung von 1670 dehnte das Besteuerungsrecht der Landesherren auf die Legationskosten der Deputationen und Kreisversammlungen aus. Schmauss, Corp. Jur. p. 1076.

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ligung anderer Steuern aber beruhte auf ihrem freien Willen, wenn nicht durch die Landesverfassung oder das Herkommen in Bezug auf eine oder die andere Steuer das Gegentheil festgestellt worden war. Allgemein war anerkannt, dass den von den Landständen bewilligten Steuern nur der Charakter einer subsidiären Beihülfe zu den Kosten der Landesregierung zukam. Selten erhielten sich die Landstände noch in dem Rechte der Selbstversammlung 10); auch konnten sie in der Regel nur verabschiedet oder vertagt, nicht aber aufgelöst werden, weil sie zum grössten Theile aus persönlich und ihrer Güter wegen berechtigten Mitgliedern und nicht aus Abgeordneten bestanden. Hieraus erklärt sich, dass mitunter Landständen das Recht zustand, sich durch Bevollmächtigte auf den Landtagen vertreten zu lassen.

VII. Seit dem XVII. Jahrhundert, besonders seit der Bildung stehender Heere, nahm die Bedeutung der Stände in den meisten Ländern fortwährend ab: ihre Versammlungen sanken grossentheils zu reinen Postulatenlandtagen herunter, so dass sie nur die landesherrlichen Forderungen zu bewilligen und über die Aufbringung der Mittel zu ihrer Befriedigung zu berathen hatten, und ihre Zustimmung häufig nur noch eine Formalität war. Im Jahre 1670 wurde sogar von dem Reichstage ein förmlicher Antrag an den Kaiser Leopold I. gestellt, den Landesherren ein unbeschränktes Besteuerungsrecht (jus collectandi) über ihre Unterthanen zu bewilligen, womit die Landstände ganz ausser Wirksamkeit gesetzt worden wären. Jedoch machte hier der Kaiser von seinem Veto Gebrauch 11). In manchen Ländern hatte man allmählig aufgehört, die Landstände zu berufen, ohne jedoch die Aufhebung der landständischen Verfassung ausdrücklich zu erklären.

VIII. Mit der Auflösung des deutschen Reiches wurden die Landstände fast überall ausser Thätigkeit gesetzt 12). Erst die deutsche Bun

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10) Privilegia der Braunschweig. Landschaft von 1770, Art. 18:,,Getreuer Landschaft ist gestattet, sich zur Berathschlagung der Landesnothdurft, vermöge alter hergebrachter Freiheit, in zugelassenen Fällen zu bescheiden, welches für keine verbotene Conventicula und Conspirationes gehalten werden soll." J. J. Moser, von der deut. Landstände Conventen ohne landesherrliche Bewilligung (s. 1.) 1765. Leist, Staatsr. §. 55 Note 4. Vergl. oben Note 6. 11) Schmauss, 1. c. p. 1077: „Dass aber Ihre kaiserl. Majestät in obangezogenen neuen Vorschlag und prätendirte Extension des §. Und gleichwie etc. ohne einigem Unterschied, und zwar Ihrer der Churfürsten und Stände, Mediatstände, Landsassen und Unterthanen habenden Behelffs, gantz zumalen ungehört und unvernommen, willigen und sogar die rechtshängige Prozess in dergl. Materiis cassiren, und sonderlich denselben, wann sie sich über die Billigkeit beschwert zu sein achten sollen, noviter et sine cognitione causae an die hohe Reichsdicasteria entziehen solten, darzu können Dieselbe in Erwägung der hierbey vorgefallenen hochwichtigen Bedenken einmahl nicht entheben“ etc.

12) Ueber die. Versuche der Einführung landständischer Verfassungen in einigen Staaten während der Zeit des Rheinbundes und insbesondere deren Einrichtung in dem Königreiche Westphalen, s. meine Grundsätze des Staatsrechts, 5. Aufl. (1863) §. 329.

desacte vom 8. Juni 1815 Art. 13 schrieb allgemein die Wiedereinführung der landständischen Verfassung vor.

§. 79.

Die Auflösung des deutschen Reiches.

Die Rheinbundsacte.

Die deutsche Bundesacte.

I. Nach dem Verluste des linken Rheinufers im Lüneviller Frieden (§. 66) konnte sich das Reich von der hiermit erlittenen Erschütterung nicht mehr erholen. Da Oesterreich und Preussen überdies keine einheitliche Politik verfolgten, konnten die deutschen Mittel- und Kleinstaaten, namentlich in Süddeutschland, ferner keine Stütze in der Reichsverbindung finden. Zu gleicher Zeit von Frankreich gedrängt, welches eine grössere Spaltung Deutschlands beabsichtigte 1), blieb diesen Staaten zu ihrer Selbsterhaltung keine andere Wahl, als unter dem Protectorate des Kaisers Napoleon I. ein besonderes Bündniss, den sog. Rheinbund (12. Juli 1806) abzuschliessen 2), und gleichzeitig ihren Austritt aus dem Reichsverbande zu erklären 3).

II. Die Rheinbundsacte vom 12. Juli 1806 besteht aus vierzig Artikeln. Sechszehn deutsche Fürsten (Art. 1) sagten sich hiernach

1) Wie sehr Frankreich darauf hinarbeitete, das Band zwischen dem Kaiser und den süddeutschen Reichsständen zu lockern, zeigt schon der Pressburger Frieden v. 26. Dec. 1805, worin (Art. 7) den Kurfürsten von Bayern und Württemberg, welche nebst Baden, in dem Kriege mit Oesterreich als Alliirte des K. Napoleon I. aufgetreten waren, bereits der Königstitel beigelegt, und das deutsche Reich nur noch als „, confédération germanique" bezeichnet worden war.

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2) Siehe die Rheinbundsacte v. 12. Juli 1806 in G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Frkf. 1858 flg. I. 79. Vergl. Marchese Lucchesini, histor. Entwickelung der Ursachen und Wirkungen des Rheinbundes. Aus dem Italienischen von B. J. F. v. Halem. Leipz. 1821, II Thle. v. Gagern, mein Antheil an der Politik (II Thle. Stuttg. 1823, 26) Th. II. p. 140. Actenstücke aus der Zeit des Rheinbundes enthält die Zeitschrift: P. A. Winkopp, der rheinische Bund. 66 Hefte u. 4 Suppl. Frankf. 1806 flg.- Die (wenig bedeutenden) Schriften über das Staatsrecht des Rheinbundes aus der Rheinbundszeit, siehe in meinen Grundsätzen des Staatsr. 5. Aufl. (1863) Bd. I. p. 150.

3) Die Lossagungsurkunde der Rheinbundsfürsten vom 1. Aug. 1806, siehe bei G. v. Meyer, 1. c. I. 70. Es heisst darin:,,Sie hätten zwar den leeren Schein einer erloschenen Verfassung beibehalten können, allein sie haben im Gegentheile ihrer Würde und der Reinheit ihrer Zwecke angemessener geglaubt, eine offene und freie Erklärung ihres Entschlusses und der Beweggründe, durch welche sie geleitet worden sind, abzugeben. Vergeblich aber würden sie sich geschmeichelt haben, den gewünschten Endzweck zu erreichen, wenn sie sich nicht zugleich eines mächtigen Schutzes versichert hätten, wozu sich nunmehr der nämliche Monarch, dessen Absichten sich stets mit dem wahren Interesse Deutschlands übereinstimmend gezeigt haben, verbindet."

von dem deutschen Reiche los 4) und errichteten unter sich einen eigenen Bund unter dem Namen des Rheinbundes. Sie erklärten (Art. 2) alle Gesetze des deutschen Reiches, die bisher sie selbst, ihre Unterthanen und Staaten hätten verpflichten können, für forthin unverbindlich, mit Ausnahme der Rechte der Gläubiger und Pensionäre aus dem Reichsdeputations hauptschluss vom 25. Febr. 1803 und der Bestimmungen über den Rheinschifffahrts-Octroi in dem §. 39 dieses Gesetzes. Jedes Rheinbundsmitglied legte (Art. 3) die Titel ab, welche auf seine bisherige Verbindung mit dem Reiche hinwiesen. Dagegen wurden (Art. 4 u. 5) einigen Rheinbundsfürsten neue Titel beigelegt, nämlich dem Reichs-Erzkanzler der Titel als Fürst-Primas, dem Kurfürsten von Baden, dem Herzog von Berg und Cleve und dem Landgrafen von Hessen der Titel als Grossherzoge mit königlichen Ehren; der regierende Graf von Nassau erhielt den Herzogstitel, der Graf von der Leyen den Fürstentitel. Die Mitglieder des Rheinbundes sollten von jeder fremden Macht unabhängig sein (Art. 7) und durften daher in keine Dienste eines Souverains treten oder darin verharren, der nicht Bundesglied wäre. Kein Rheinbundsfürst sollte (Art. 8) seine Staaten ganz oder zum Theile veräussern dürfen, ausser an ein Bundesglied. Die Angelegenheiten des Bundes sollten (Art. 6) durch eine Bundesversammlung besorgt werden, deren Sitz in Frankfurt sein sollte. Sie sollte sich in zwei Collegien theilen, das Collegium der Könige und das der Fürsten. Den Vorsitz der Versammlung in ihrer Gesammtheit sollte (Art. 10) der Fürst-Primas führen; desgleichen sollte derselbe, wenn in gesonderten Collegien verhandelt wurde, in dem Collegium der Könige, der Herzog von Nassau aber in dem Collegium der Fürsten den Vorsitz führen. Alle Streitigkeiten, die sich unter den Rheinbundsfürsten erheben würden, sollten (Art. 9) von der Bundesversammlung geschlichtet werden. Die weiteren Bestimmungen über den Geschäftskreis und die Verhandlungsart in der Bundesversammlung wurden (Art. 11) späterer Beschlussfassung vorbehalten; diese ist jedoch nie erfolgt, sowie auch ein Zusammentritt der Bundesglieder zu einer Bundesversammlung niemals stattgehabt hat. Der Kaiser der Franzosen wurde (Art. 12) zum Protector des Bundes ernannt und ihm in dieser Eigenschaft das Recht beigelegt, nach dem Abgange des jeweiligen Fürsten-Primas dessen Nachfolger zu ernennen. Ein grosser Theil der folgenden Bestimmungen (Art. 13-24) bezieht sich auf die Regulirung der Territorial-Verhältnisse der Bundesglieder und betrifft theils Länderabtretungen, welche sie unter sich machten, theils die Einverleibung (sog. Mediatisirung) einer grossen Anzahl von Territorien

4) Die Fürsten, welche zuerst den Rheinbund abschlossen, waren: Bayern, Württemberg, der Kurerzkanzler, Baden, der Herzog von Cleve und Berg (Joachim Murat), Hessen-Darmstadt, Nassau-Usingen und Nassau-Weilburg, Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen, Salm-Salm und Salm-Kyrburg, Isenburg-Birstein, Arenberg, Liechtenstein und der Graf v. d. Leyen.

anderer bisherigen Reichsstände, sowie des deutschen Ordens, der Reichsritterschaft und der Reichsstädte Nürnberg und Frankfurt in ihre Staaten. Insbesondere wurde (Art. 25) die Unterwerfung der reichsritterschaftlichen Gebiete unter die Hoheit der Rheinbundsfürsten, von deren Ländern sie eingeschlossen sind, als durchgreifender Grundsatz ausgesprochen, und die möglichst gleiche Theilung der Souverainetät über jene reichsritterschaftlichen Gebiete angeordnet, welche zwischen den Staaten mehrerer Rheinbundsfürsten in der Mitte lagen. Als die Rechte, welche in dem Begriffe der Souverainetät liegen und demnach den Rheinbundsfürsten über die ihrer Hoheit unterworfenen Gebiete zustehen, wurden erklärt (Art. 26): die Gesetzgebung, die Gerichtsbarkeit der höchsten Instanz, die hohe Polizei, das Recht der Militär-Conscription und das Besteuerungsrecht. Den mediatisirten Fürsten und Grafen wurde (Art. 27) der ruhige Besitz ihrer Herrschaften in der Eigenschaft von Patrimonial- und Privatgütern, sowie aller ihrer grundherrlichen und lehnrechtlichen Befugnisse, insbesondere die niedere und mittlere Gerichtsbarkeit in Civil- und Criminalsachen, Forstgerichtsbarkeit und Forstpolizei, Jagd, Fischerei, Bergwerke, Zehnten und Feudalabgaben, das Patronatsrecht u. dergl. und alle hieraus fliessenden Renten zugesichert. Ihre Herrschaften sollten auf gleichem Fuss mit den Domänen der Mitglieder der regierenden Häuser, denen sie unterworfen wurden, in deren Ermangelung gleich den privilegirtesten Besitzungen im Lande behandelt werden : sie durften aber nicht an einen Fürsten veräussert werden, der nicht Bundesglied war, und mussten auch bei sonst beabsichtigter Veräusserung zuerst dem Fürsten angeboten werden, unter dessen Hoheit sie lagen. In strafrechtlicher Beziehung wurde den mediatisirten Fürsten und Grafen und ihren Leibeserben (d. h. überhaupt ihren Familiengliedern) das Recht bewilligt (Art. 28), durch Standesgleiche gerichtet zu werden, welches Recht jedoch hier irrthümlich als Recht der Austräge (droit daustrègues), bezeichnet wird: auch sollte niemals eine Confiscation über ihr Vermögen verhängt, sondern nur eine Sequestration der Renten während des Lebens des Verurtheilten ausgesprochen werden dürfen. Den mediatisirten Fürsten und Grafen wurde (Art. 31) auch das Recht eingeräumt, ihren Wohnsitz nach Belieben in einem der Bundesländer oder auf jenen Besitzungen aufzuschlagen, welche ihnen ausserhalb des Bundesgebietes verbleiben: auch können sie ihre Renten und Capitalien daraus hinwegziehen, ohne deshalb irgend einer Abgabe unterworfen zu sein. Für die mediatisirten Mitglieder der Reichsritterschaft waren keine ähnlichen Begünstigungen in die Rheinbundsacte aufgenommen worden. Die Rheinbundsstaaten verpflichteten sich (Art. 29), zur Zahlung der Kreisschulden nicht nur für ihre alten, sondern auch für ihre neuerworbenen Länder beizutragen: die Schulden einer mediatisirten Herrschaft sollten aber (Art. 30) zwischen dem alten Besitzer und dem nunmehrigen Souverain nach dem Masse vertheilt werden, wie die Renten derselben auf den letzteren übergehen. Den Staatsdienern

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