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ritorium hatte, oder einige derselben einem anderen Herrn zustanden 12). Subordinirt hiess die Landeshoheit, wo sie nur unter der Oberhoheit eines anderen Reichsstandes ausgeübt werden konnte, wie dies bezüglich der mediatisirten Reichsstände in ihren Mediatherrschaften oder Exemtionen der Fall war. Nicht selten wurde die Landeshoheit, oder ein und das andere landesherrliche Recht in einem Bezirke (sog. Condominat) von mehreren Herren gemeinschaftlich ausgeübt und das Einkommen nach idealen Theilen getheilt.

VII. Es fehlte nie an Landeshoheitsstreitigkeiten, die, abgesehen von den zahlreichen Versuchen der Selbsthilfe und den dadurch veranlassten Fehden und Kriegen, zu unzähligen petitorischen und possessorischen Processen Veranlassung gaben, und zu deren Beurtheilung sich die Publicisten in der Aufstellung und Bestreitung von Vermuthungsgründen überboten. Ausser dem Besitze der hohen Gerichtsbarkeit, welcher immer als der stärkste Beweis der Innehabung einer Landeshoheit galt, rechnete man hierher die Grundherrlichkeit an einem Bezirke 13), da diese doch häufig die Grundlage der Landeshoheit bildete, die Lage eines Ortes innerhalb eines landesherrlichen Gebietes, die Ausübung des sog. jus collectandi, d. h. die Erhebung von Steuern, die Ausübung des jus reformandi, die Leistung eines Treueides (homagium) durch die Einwohner und das Erscheinen der Prälaten, Ritter und Städte auf den fürstlichen Landtagen 14).

VIII. In den weltlichen Territorien bildete die Erblichkeit der Landeshoheit die Regel. Bei den allodialen Territorien verstand sie sich von selbst; bei den lehenbaren hing der Umfang derselben von dem Inhalte der Lehenbriefe ab. Regelmässig war, wie bei den Lehen überhaupt, auch bei den Lehen mit Landeshoheit der Mannsstamm des ersten Erwerbers zur Folge berufen; doch finden sich Beispiele der Verleihung

12) So z. B. war in Franken die Landeshoheit nicht ein „complexus omnium regalium," sondern nur possessio quorundam regalium eminentissimorum," wohin man dort nur die Fraisch (Criminaljurisdiction), den Wildbann und das Landgericht rechnete. Schneidt, Thesaurus jur. Francon. Abschn. I. Hft. 18. S. 3291. Mitunter wurde sogar die Criminaljurisdiction oder Zentgerichtsbarkeit und der Blutbann unterschieden und von verschiedenen Herren in Anspruch genommen. Meine Alterthümer, Bd. II. 54.

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13) Es gab kleine Territorien, wie namentlich die reichsritterschaftlichen Güter, in welchen der Landesherr auch Grundherr in seinem ganzen Gebiete war. „Land und Leute" bezeichnete übrigens bald ein Gut mit den dazu gehörigen Hintersassen, welche der Patrimonialgerichtsbarkeit des Gutsherrn unterworfen waren, bald ein politisches Territorium und die politischen Unterthanen. Meine Alterthümer, Bd. I. 108. 194. 213; Bd. II. 57. 73. 82. 108. 112. 14) D. G. Struben, vom Beweis der Landeshoheit, in dessen Nebenstunden. Bd. IV. Abth. XXV. S. 142. - Pütter, instit. §. 476. Schon Ersitzung in dreissig Jahren wurde im Verhältnisse eines deutschen Landesherrn zum andern für genügend erachtet. Leist, Staatsr. §. 45 Note 8.

von Territorien als Weiberlehen 15). Im Allgemeinen war auch die Theilbarkeit der Länder unter gleich nahen Erben zulässig; doch sahen sich die meisten landesherrlichen Häuser allmählig im eigenen Interesse veranlasst, den Grundsatz der Untheilbarkeit der Länder, welcher reichsgrundgesetzlich (in der goldenen Bulle) nur für die kurfürstlichen Häuser ausgesprochen worden war, durch Hausverträge oder andere hausgesetzliche Normen bei sich einzuführen, und ihre verschiedenen Besitzungen durch Errichtung von Familienfideicommissen in eine bleibende Verbindung zu bringen. Die Landeshoheit und die sonstigen auf dem Territorium haftenden politischen Rechte, wie z. B. die Reichsstandschaft, wurden demnach in den weltlichen Territorien von dem durch die Successionsordnung berufenen Herrn ausgeübt. In Folge der damals allgemein verbreiteten Rechtsansicht von der Natur der Stammguts-, Lehenund Familienfideicommissfolge betrachtete man aber insgemein die Landeshoheit in den weltlichen Territorien als im allodialen oder feudalen Eigenthum (dominium directum vel utile) der landesherrlichen Familie liegend und den jeweilig regierenden Herrn als einen Nutzniesser 16) und sprach demnach in demselben Sinne von landesherrlichen, und bez. reichsständischen Häusern, wie man heut zu Tage von souverainen regierenden Häusern spricht 17).

IX. Der Kaiser war nach der Wahlkapitulation verpflichtet, den Landesherren die nöthige Unterstützung zu gewähren, um ihre Unterthanen zu schuldigem Gehorsam anzuhalten, sie nicht von der landesherrlichen Botmässigkeit und Gerichtsbarkeit zu eximiren, gegen deren ,,unziemliche hässige Verbindungen," Aufruhr und Empörung einzuschreiten und den Landständen nicht zu gestatten, ihre Befugnisse ungebührlich auszudehnen. Auch durften die Landesherren durch ,,Selbstmanutenz“ ihre Unterthanen zum Gehorsam bringen 18). Auf der anderen Seite gewährte die Reichsverfassung aber auch den Unterthanen und Landständen insofern Schutz gegen den Missbrauch der landesherrlichen Gewalt, als sie sich deshalb, sowie wegen Verweigerung und Verzögerung der Rechtspflege und Verletzung ihrer Rechte und Freiheiten an die Austrägalinstanz und die obersten Reichsgerichte wenden konnten 19); doch sollten solche Klagen nicht leichtlich angenommen, und wenn sie nicht für begründet erkannt würden, sofort ohne weitere Verhandlung abgewiesen werden 20). Auch sollten auf Klagen der Unterthanen und Reichsstände

15) So z. B. das Erzherzogthum Oesterreich.

16) Leist, Staatsr. §. 24. Schmid, Staatsr. §. 158. III.

17) Siehe meine Schrift: das reichsständische Gesammthaus Seinsheim. Heidelberg 1871.

18) W.-K. Art. XV. §. 1-8.

19) W.-K. Art. XV. §. 9. Ueber die Anbringung von Civilklagen, welche die landesherrliche Kammer antreffen, bei den Landesgerichten, s. §. 73d. III. 20) W.-K. Art. XV. §. 4.

Zoepfl, deutsche Rechtsgesch. 4te Aufl. II.

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keine unbedingten Mandate und Rescripte erkannt werden, welche in der Sache selbst (in meritis causae) eine Entscheidung enthielten, sondern wo sich fand, dass die Unterthanen oder Landstände billige Ursache zu klagen hätten, sollte mit Beobachtung der substantialia processus im schleunigen Verfahren Abhilfe geschehen. War die Sache einmal gerichtlich anhängig, so hatte sich die Regierung des eigenmächtigen Vorgehens zu enthalten, die Unterthanen aber sollten von den Reichsgerichten,,inmittelst," d. h. bis zur richterlichen Entscheidung der Sache, zum schuldigen Gehorsam gegen ihre Obrigkeit angewiesen werden 21). Die Unterthanen konnten sich aber auch aussergerichtlich mit Bitten um Abhilfe ihrer Beschwerden gegen den Landesherrn an den Kaiser wenden 22). Die Anrufung des Schutzes, der Vermittelung und der Garantie fremder Mächte war aber untersagt; doch stand darauf keine Strafe, sondern es war nur den Schutzbriefen fremder Staaten rechtliche Bedeutung abgesprochen 28).

X. Unverkennbar war das Bestreben der Landesherren seit dem XVI. Jahrhundert darauf gerichtet, mit möglichst absoluter Gewalt zu regieren. Durch den Luxus der landesherrlichen Höfe und die Bedürfnisse der von ihnen gehaltenen stehenden Heere kam es aber bald dahin, dass die fürstlichen Domänen zur Bestreitung der Kosten des Hofes und der Regierung nicht mehr hinreichten. Indem hiernach die Landesherren immer mehr zur Besteuerung der Unterthanen schreiten mussten, entwickelte sich von selbst die Idee, dass von der Regierung auch den Lasten des Volkes Entsprechendes im öffentlichen Interesse geleistet werden müsse, und so machte sich, zum Theile durch die Fürsten selbst hervorgerufen, zugleich aber auch von der sich immer mehr verbreitenden allgemeinen politischen Bildung getragen, in Deutschland allmählig die eigentliche Staatsidee geltend.

§. 78.

Schicksale der landständischen Verfassung*).

I. Schon seit dem XIV. Jahrhundert liessen sich die Landstände in den einzelnen Ländern über ihre Rechte und ihre Vereinbarungen mit

21) W.-K. Art. XIX. §. 6. 7. 9; vergl. mit Art. XV. §. 9.

22) Moser, von den kaiserl. Regierungsrechten und Pflichten. Th. I. S. 219. 23) W.-K. Art. XXVII. §. 1-3. Kaiserliche Resolution v. 12. Febr. 1671, bei Schmauss, S. 1079. Leist, Staatsr. §. 23.

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*) Siehe die oben §. 54 angeführten Schriften von Unger, v. Lerchenfeld, v. Campe u. s. w. Vergl. auch Moser, von der deut. Reichsstände Landen, deren Landständen etc. 1769. Pütter, instit. §. 197 flg. - Dessen Beiträge z. deut. Staats- und Fürstenr. Th. I. Nr. VI. Gönner, Staatsrecht Posse, über das Staats eigenthum u. Rostock u. Leipzig 1794. - F. A. Lemgo 1841. C. Th. Perthes,

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§. 250 flg. Leist, Staatsr. §. 33 flg.
das Repräsentationsr. deutscher Landstände.
(v. Kamptz), die Lehre v. d. Landständen.
das deut. Staatsleben vor der Revolution. Hamburg u. Gotha 1845.

ihren Landesherren häufig urkundliche Versicherungen geben, sog. Freiheiten, Privilegien, Reversalen, Landesverträge, Landes-Ordnungen, Abkommen etc. Seitdem erscheinen auch die Stände immer mehr als privilegirte geschlossene Corporationen.

II. Die Landstände waren zur Reichszeit keine Volksrepräsentanten, sondern im Wesentlichen nur eine Aristokratie des grossen geschlossenen Grundbesitzes, und daher erklärt sich auch ihre Bezeichnung als das Land oder die Landschaft. Jedoch drang das Repräsentativ-Prinzip, d. h. die Idee einer Vertretung der gesammten Landesbevölkerung, allmählig in die alte ständische Verfassung ein, besonders seitdem man in einigen Ländern anfing, auch Abgeordnete der Städte auf den Landtagen zuzulassen. Aber auch da, wo dies nicht der Fall war, galt es als anerkannter Grundsatz, dass durch die Zustimmung der Landstände zu den landesherrlichen Vorlagen die gesammte Landesbevölkerung verpflichtet werde 1).

III. Die Landstandschaft ruhte grösstentheils als ein Realrecht auf bestimmten Gütern, vorzugsweise auf den Rittergütern. Gemeinrechtlich konnte die Landstandschaft daher auch von bürgerlichen Personen ausgeübt werden, wenn sie dergleichen Güter erwarben. Particularrechtlich wurde aber mitunter als Bedingung der Ausübung der Landstandschaft das Indigenat, oder das Bekenntniss der im Lande herrschenden christlichen Confession, oder der Nachweis einer bestimmten Anzahl ritterlicher Ahnen erfordert 2). In einigen Ländern konnte auch der Landesherr selbst als Besitzer von Rittergütern durch einen Beamten mit den Landständen tagen. Ausser diesem Falle war er in der Regel nicht befugt, an den landständischen Berathungen, sei es in Person, oder durch einen Bevollmächtigten, Theil zu nehmen 3).

IV. Es bestand keine reichsgesetzliche Vorschrift, dass in allen Territorien Landstände sein sollten. Es gab viele, besonders kleinere Territorien, welche keine landständische Verfassung hatten; selbstverständlich fehlte sie da, wo keine Prälaten und keine ritterlichen Grundherren im Lande sassen. Wo jedoch eine landständische Verfassung bestand, nahmen die Reichsgrundgesetze sie in der Art in ihren Schutz, dass sie den Landesherren die Achtung der mit ihren Landständen getroffenen Vereinbarungen und ihrer hergebrachten Freiheiten zur

1) Moser, von der Reichsstände Landen, Landständen u. s. w.

S. 716.

2) So z. B. bei der Paderbornischen Ritterschaft. (Siehe die Streitschriften bei Leist, Staatsr. §. 54 Note 9.) Wo solche Ahnenprobe gefordert wurde, gingen mitunter die Landstände durch Aussterben unter.

3) G. A. Rudloff, über die Zulässigkeit u. s. w. landesherrlicher Bedienten bei landständischen Versammlungen. Schwerin 1774.

Pflicht machten 4); dies geschah auch noch kurz vor der Auflösung des deutschen Reiches im Reichsdeputations hauptschluss vom 25. Febr. 1803, Art. 605). Auf der anderen Seite traten aber die Reichsgesetze ebenso entschieden einer übermässigen Ausdehnung der landständischen Befugnisse entgegen 6).

V. Die Organisation der Landstände war sehr verschieden. Meistens bestanden drei in ihren Beschlüssen von einander unabhängige Collegien, sog. Curien, der Prälaten, Ritter und Städte 7). Letztere erschienen nur in Folge besonderer Privilegien; sie hatten häufig nur geringen Einfluss und zeigten daher oft nur geringes Interesse; sie erschienen allmählig seltener auf den Landtagen und blieben mitunter in der letzten Zeit ganz hinweg, wie z. B. in Lüneburg. In manchen Ländern bestand eine besondere Curie der Herren, d. h. des höheren Landesadels, getrennt von der Rittercurie, so dass es daselbst vier Curien gab, wie z. B. in Steiermark; in anderen Ländern gab es nur zwei Curien, indem Prälaten und Ritterschaft zusammen eine Curie bildeten, Städte und Märkte die andere, wie z. B. in Kurhessen; mitunter blieb nur eine Curie übrig, namentlich wenn in der Zeit der Reformation die Prälaten-Curie ganz eingegangen war, oder die Prälatur nur noch von einem adeligen Herrn als Titulatur wegen gewisser Renten fortgeführt wurde und die Städte sich theilnahmlos verhielten. Der Bauernstand hatte nur in sehr wenigen Ländern eine Vertretung auf den Landtagen,

W.-K.

4) I. P. O. Art. V. §. 35; X. §. 16; XI. §. 11. 12; XIII. §. 4. (1792) Art. II. §. 3 a. E. Auch die Kaiser sprachen sich bei einzelnen Anlässen sehr entschieden hierüber aus; so z. B. erklärte K. Ferdinand III. bei Bestätigung des anhaltischen Landtagsabschieds v. 1652, wie er aus kaiserlicher und väterlicher Sorgfalt bedacht und erwogen:,,wie Uns als römischer Kaiser und Oberhaupt, sowie auch dem ganzen Vaterlande nicht wenig daran gelegen, dass des hl. Reiches Fürsten und Glieder und derselben Landschaften conservirt, und zu des hl. Reiches Nutzen und Wohlfahrt bei sicheren Verfassungen, gutem Vermögen und wachsendem Aufnehmen erhalten werden." Vergl. Protokoll d. deut. Bundesversammlung v. 23. März 1854, Sitz. 8, §. 88 S. 185. Ueber das Beschwerden- und Klagerecht der Landstände wegen Verletzungen durch die Landesregierung, s. §. 77. IX.

5) Siehe oben §. 66.

6) W.-K. (1792) Art. XV. §. 3:,,(Wir wollen) auch nicht gutheissen noch zugeben, dass die Landstände die Disposition über die Landessteuer, deren Empfang, Ausgabe und Rechnungsrecessirung mit Ausschliessung des Landesherrn privative von und an sich ziehen, oder in dergleichen und anderen Sachen ohne der Landesherren Vorwissen und Bewilligung, Convente anstellen und halten." Vergl. §. 77.

7) Wo eine gelehrte Körperschaft (Universität) Landstandschaft hatte, erschien ihr Vertreter in der Prälaten-Curie. Hausen, von dem Prälatenrechte der Universitäten, 1788, in Koppe's! nieders. Archiv f. d. Jurisprudenz. Bd. I. Nr. VI.

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