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VII. Stimmten hierauf die Reichsstädte ebenfalls bei, so hiess der Beschluss commune trium (sc. collegiorum) und der Aufsatz darüber Reichsgutachten (consultum s. suffragium imperii). Stimmte das Collegium der Reichsstädte aber nicht bei, so war die Sache ebenfalls abgethan und beseitigt, da zwischen den drei reichsständischen Collegien unter sich keine Majorität galt und auch der Kaiser bei Meinungsverschiedenheit der Reichscollegien keine entscheidende Stimme hatte.

VIII. Auf dieses Reichsgutachten sollte der Kaiser schleunig nach Beirath des Reichsvicekanzlers durch eine sog. kaiserliche Resolution seine Genehmigung oder Nichtgenehmigung erklären is). Wenn der Kaiser das Reichsgutachten ratificirte, so war es hiermit in einen Reichsschluss (conclusum imperii) verwandelt, d. h. es war der Beschluss jetzt publikationsfähig und vollziehbar 16).

IX. Bevor der Reichstag zu Regensburg permanent geworden war, pflegte man die auf einem Reichstage zu Stande gekommenen Reichsschlüsse nicht sofort einzeln zu publiciren, sondern man verschob ihre Publikation regelmässig bis zu dem Ende des Reichstages und verkündete sie sodann zusammen und gleichzeitig in einer Urkunde, welche Reichsabschied (recessus imperii) genannt wurde. Der letzte, sog. jüngste Reichsabschied (recessus imperii novissimum) ist vom Jahre 1654 17).

§. 70.

Das Reichsregiment. Die ordentliche Reichsdeputation. Ausserordentliche Reichsdeputationen.

I. Im Jahre 1495 bei der Errichtung des ewigen Landfriedens wurde unter Maximilian I. beschlossen, jährlich einen Reichstag zu halten 1). Da dies aber nicht auszuführen war, wurde im Jahre 1500 ein sog. Reichsregiment errichtet, d. h. eine Commission der Reichsstände zur Beaufsichtigung des Landfriedens 2). Dieses Reichsregiment bestand aus Deputirten der Kurfürsten und sechs Deputirten der übrigen Reichsstände; es benahm sich aber so kräftig, dass es schon 1502 wieder aufgelöst wurde. Im Jahre 1521 wurde unter Karl V. wegen seiner längeren Abwesenheit von Deutschlaud abermals die Errichtung eines

15) Siehe oben §. 67c. I.

16) Ob ein Reichsbeschluss als Reichsgesetz publicirt werden konnte, hing von seinem Gegenstande ab.

17) Der J. R. A. ist von besonderer Wichtigkeit für den Civilprocess; siehe Band I. (Quellengeschichte) §. 58 Note 13; er steht in der Neuen Sammlung der R.-A. III. 640; bei Schmauss, N. 62.

1) Vergl. die Handhabung des Friedens und Rechtens, a. 1495 §. 1; Neue Samml. der R.-A. II. 12.

2) Regimentsordnung a. 1500 auf dem Reichstage zu Augsburg errichtet, ebendas. II. 56.

Reichsregiments beschlossen 3). Es bestand aus zwei fürstenmässigen Statthaltern des Kaisers und zwölf von den Ständen gewählten Beisitzern, erhielt sich aber nur bis 1530; alsdann ernannte Karl V. seinen Bruder, den Erzherzog und römischen König Ferdinand I. zum Statthalter. Seitdem wurde kein Reichsregiment mehr errichtet.

II. An die Stelle des Reichsregiments trat aber in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts die sog. ordentliche Reichsdeputation1). Sie bestand als ein selbstständiger Ausschuss der Reichsstände aus Abgeordneten der Kurfürsten und bestimmter, dazu ernannter Stände, theils zur Ueberwachung des Landfriedens, theils zur Erledigung unvollendeter Geschäfte des Reichstages und hatte überhaupt den Zweck, als ein permanenter reichsständischer Ausschuss die Stelle des Reichstages in der Zwischenzeit bis zu seinem Wiederzusammentritt zu vertreten. In den Zeiten, in welchen kein Reichstag versammelt war, musste daher der Kaiser die „vorgehende Bewilligung“ der ordentlichen Reichsdeputation nachsuchen 5). Die ordentliche Reichsdeputation verhandelte in zwei Collegien, dem kurfürstlichen unter dem Vorsitze von Mainz, und dem Collegium der Stände unter dem Vorsitze von Oesterreich. In diesem letzteren Collegium waren zuerst zehn, dann vier und zwanzig Mitglieder. Im Jahre 1663 hörte die ordentliche Reichsdeputation auf, weil seitdem der Reichstag zu Regensburg permanent wurde. Seit dieser Zeit wurden nur noch sog. ausserordentliche Reichsdeputationen als reichsständische Commissionen für einzelne Geschäfte ernannt 6).

§. 71.

Die Kreisverfassung des Reiches *).

I. Bei dem Mangel einer organischen politischen Eintheilung des Reiches war die Handhabung des Landfriedens in der älteren Zeit kaum möglich. Die erste Idee zu einer solchen politischen Eintheilung des Reiches sprach K. Wenzel im Jahre 1383 auf dem Reichstage zu Nürnberg aus, WO er eine Eintheilung der Städte und Ritterschaft in vier Parteien zur Erhaltung des Landfriedens vorschlug 1).

3) Regimentsordnung a. 1521; ebendas. II. 172.

4) R.-A. a. 1555 §. 65. I. P. O. Art. V. §. 51.

5) W.-K. Art. II. §. 3; siehe oben §. 69 Note 7.

6) Pütter, instit. §. 164 flg. Gönner, Staatsr. §. 194.

Staatsr. §. 141.

Schmid,

*) Pütter, Lit. III. 177; Klüber, Lit. 204. Treuer, vom wahren Ursprung der Reichskreise, 1722. (Hofmann), Versuch einer staatsrechtlichen Theorie der Reichskreise, II Bde. 1788. Moser, Staatsr. Bd. 26, 27, Dessen neues Staatsr. Bd. X. Gönner, Staatsr. §. 220, Pütter, Schmid, Staatsr. §. 143.

32.

inst. §. 106.

Leist, Staatsr. §. 75.

1) Neue Sammlung der R.-A. I. 88.

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Der nächste Vorschlag geschah unter Albrecht II. 1438 zu Nürnberg. Er beabsichtigte zuerst vier, dann sechs Landfriedenskreise für die Städte und Ritterschaft zu errichten2). Auch dies kam nicht zur Ausführung.

II. Als aber unter Maximilian I. im Jahre 1500 das Reichsregiment errichtet wurde), theilte man die Reichsstände (ausser den Kurfürsten) zum Behufe der Wahl ihrer Abgeordneten zu demselben in sechs Kreise: nämlich in den fränkischen, bayerischen, schwäbischen, (nieder-) sächsischen, westphälischen und (ober-) rheinischen Kreis. Diese sechs Kreise wurden nachher die sechs alten Kreise (sex pristini circuli) genannt.

III. Im J. 1512 wurde beschlossen, dass jeder Kreis einen Kreisobersten als Director der Kreisversammlungen und der (militärischen) Execution der reichsgerichtlichen Urtheile haben solle; zugleich traten auch der Kaiser und die Kurfürsten für ihre Länder der Kreisverbindung bei. Demnach entstanden noch vier neue Kreise, der burgundische (in den österreichischen Niederlanden), der österreichische, der kurrheinische und der kursächsische Kreis), so dass also seitdem zehn Reichskreise bestanden.

IV. Im Jahre 1555 wurde eine Executionsordnung beschlossen, worin dem Kreisobersten als dem Leiter der militärischen Execution eine grosse Gewalt beigelegt wurde "). Zugleich wurde die Aufstellung eines kreisausschreibenden Fürsten und einiger Beigeordneten als Kreisdirectorium angeordnet 7).

2) Neue Sammlung der R.-A. I. 154.

3) Siehe oben §. 70. I.

4) Regimentsordnung, auf dem Reichstage zu Augsburg errichtet, a. 1500 §. 5; Neue Sammlung der R.-A. II. 56.

5) Der kurrheinische Kreis umfasste die Länder der vier rheinischen Kurfürsten der kursächsische Kreis die Länder von Kurbrandenburg, Kursachsen und die übrigen östlichen sächsischen Stände. Böhmen und der deutsche Orden in Preussen waren nicht in der Kreisverbindung. Im J. 1521 wurde unter dem Namen,,Ordnung der zehn Crayss" ein Verzeichniss der zu jedem Kreis gehörigen Stände angefertigt. Neue Sammlung der R.-A. II. 211. Schmauss, p. Manche Landesherren hatten Kreisstandschaft erlangt, obgleich sie keine Reichsstandschaft hatten.

81.

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6) Siehe die Executionsordnung im R.-A. v. 1555 §. 31 flg. Die Bestimmungen dieser Executionsordnung über die Einrichtung der Reichskreise (ibid. §. 56 flg) wurden dem Entwurfe einer verbesserten Kreisverfassung nachgebildet, welche die Mitglieder des ober- und kurrheinischen, fränkischen und schwäbischen Kreises bei Gelegenheit der Fehde verabredet hatten, welche der Markgraf Albert von Brandenburg-Culmbach ungeachtet des Passauer Vertrages (1552) gegen die katholischen Reichsstände fortsetzte.

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7) Vergl. Gönner, Staatsr. §. 121. 122. Der Kreisoberste konnte auch zugleich kreisausschreibender Fürst sein. In einigen Reichskreisen stellte man zwei kreisausschreibende Fürsten auf, einen geistlichen und einen weltlichen. Dieses Amt galt als fest mit bestimmten Ländern verbunden. Noch im westphälischen Frieden (I. P. O. Art. XVI. §. 2) werden die kreisausschreibenden Für

V. Die zehn Kreise bestanden dem Namen nach bis zur Auflösung des Reiches. Wirklich ausgeführt war die Kreisverfassung aber nur in dem fränkischen, niedersächsischen, schwäbischen und oberrheinischen Kreise. Der fränkische, oberrheinische, schwäbische und österreichische Kreis (die sog. vier vorderen Reichskreise) hatten überdies unter sich eine besondere Association zur Stellung ihrer Contingente bei Reichskriegen 8).

§. 72.

Politische Stellung der Reichsritterschaft*).

I. In Franken, am Rheine und in Schwaben hatte sich eine grosse Anzahl von ritterlichen Familien, die mit Reichsgut belehnt waren, die sog. Reichsdienstleute1), von alter Zeit her in voller Reichsfreiheit erhalten, d. h. sie hatten sich wenigstens in persönlicher Beziehung keinem Landesherrn unterworfen und wurden daher schon im XIV. Jahrhundert in ihrer Gesammtheit als Reichsritterschaft bezeichnet 2). Mit diesen ritterlichen Familien verband das gemeinsame Interesse an der Erhaltung der Reichsfreiheit seit dem XIII. Jahrhundert auch viele freie Herren, welche sich nicht in der Reichsstandschaft erhalten und nach Einrichtung der Kreisverfassung auch nicht zur Kreisstandschaft gelangen konnten oder wollten 3). Die Reichsfreiheit

sten neben dem Kreisobersten erwähnt; später hörte das Amt des Kreisobersten ganz auf und wurde die Execution der reichsgerichtlichen Urtheile den kreisausschreibenden Fürsten aufgetragen. J. R. A. (1654) §. 160.

8) J. A. Kopp, von der Association der vordern Reichskreise. furt 1739.

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Frank

*) J. St. Burgmeister, (sic!) reichsritterschaftl. Corp. Jur. oder Codex diplomaticus etc. Ulm 1707. J. St. Burgermeister, Thesaur. jur. equestr. III Thle. Ulm 1718. Dessen Cod. dipl. equestr. oder Archiv, II Thle. Ulm 1721; Status equestris. 1709; Bibliotheca equestris II. 1721; Grafen- und Rittersaal, 1715 (1721). J. G. Kerner, Staatsr. der unmittelb. fr. R.-Ritterschaft. III. Th. Lemgo 1786-89. Moser, von den deut. Reichsständen, S. 1241. Dessen vermischte Nachrichten von R.-Ritterschaftl. Sachen. Nürnberg, 1772. - Dessen Beitr. zu einer Gesch. der R.-Ritterschaft. Leipz. 1775, und dessen neueste Geschichte der R.-Ritterschaft. 1775. Mader, Samml. reichsritterschaftlicher Erkenntnisse. XXV Hfte. 1776-90; dessen ritterschaftl. Magazin 1780-1790. XIII Hefte. Lünig, Reichsarchiv. Part. spec. contin. III. die freie Reichsritterschaft, etc. Klüber, isagoge in elementa jur. publici, quo utuntur nobiles immediati. Erlang. 1793. Pütter, instit. §. 460. - Gönner, Staatsr. §. 263. Leist, §. 56. K. H. Freiherr Roth von Schreckenstein, Geschichte der ehemaligen Reichsritterschaft in Schwaben, Franken und am Rheinstrom, Bd. I. Tübingen 1859.

1) Siehe §. 30a. III.

-

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2) Vergl. oben §. 17 Note 7.

3) Siehe oben §. 20 Note 7.

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Dies scheint die Veranlassung gegeben zu

haben, dass später fast allgemein von den Mitgliedern der Reichsritterschaft der

der Reichsritterschaft wurde zuerst unter Kaiser Friedrich III. positiv anerkannt; die Anerkennung lag in der Aufforderung des Kaisers, dem schwäbischen Bunde zur Erhaltung des Landfriedens beizutreten 4).

II. Im XVI. Jahrhundert theilte sich die Reichsritterschaft, deren Mitglieder schon seit dem XIII. Jahrhundert verschiedene Gesellschaften oder Ritterbünde unter sich errichtet hatten, in drei Parteien (die freie Reichsritterschaft in Schwaben, Franken und am Rhein). Diese drei Parteien traten im J. 1577 unter dem Namen Ritterkreise in eine geschlossene urkundliche Verbindung (corpus) zur Erhaltung ihrer Reichsfreiheit 5). Im Jahre 1650 wurde diese Einigung erneuert und eine Eintheilung der Ritterkreise in Cantone und Orte oder Quartiere (Viertel) beschlossen 6). In jedem Canton war ein Ritterhauptmann aufgestellt, dem einige Ritterräthe und ein Cantonsausschuss zur Seite standen. Im schwäbischen Ritterkreise präsidirte immer der Canton Donau, in den anderen wechselte das (Special-) Directorium. Versammlungen der drei Ritterkreise hiessen Correspondenztage; dabei wechselte das (General-) Directorium unter den drei Kreisen.

III. Ueber die zur Reichsritterschaft gehörigen Personen und Güter wurde ein Verzeichniss (Ritter matrikel) geführt. Es konnte keine Familie aufgenommen werden, welche nicht mindestens dem reichsfreien ritterlichen Adel angehörte 7); vasallitische Verbindung derselben zu einem Landesherrn war aber hierdurch nicht ausgeschlossen 8). Zur Reception eines neuen Mitgliedes war Stimmenmehrheit, sowohl der Mit

Reichsfreiherrntitel geführt wurde. Ausserdem waren mitunter auch wirkliche Reichsstände Mitglieder der Reichsritterschaft, nämlich als Besitzer von Gütern, welche bei der Reichsritterschaft immatrikulirt waren.

4) Siehe oben §. 19 Note 3.

5) Die schwäbische Ritterordnung ist von 1560; die erste fränkische von 1590, zuletzt revidirt 1718; die rheinische ist von 1652.

6) Die Cantone hiessen: I. in Schwaben: 1) an der Donau; 2) im Hegau, Algau und am Bodensee; 3) am Neckar, am Schwarzwald und an der Ortenau; 4) am Kocher; 5) im Craichgau ; II. in Franken: 1) Odenwald; 2) Gebürg; 3) Rhön-Werra mit dem in besonderer Verfassung bestehenden Quartier Buchen; 4) am Steigerwald; 5) an der Altmühl; 6) an der Baunach; III. am Rhein: 1) Oberrhein; 2) Mittelrhein und 3) Unterrheinstrom. Die beiden Cantone Ober- und Niederrhein waren schon durch den Lüneviller Frieden (1801) hinweggefallen.

7) Der Kaiser konnte wohl den reichsritterlichen oder reichsfreiherrlichen Stand, wie jeden anderen Adel verleihen; die Aufnahme in die reichsritterschaftliche Corporation konnte aber nur durch diese selbst geschehen.

8) Nach der Regel:,,Vasallagium non involvit homagium." Es war also auch bezüglich eines zu immatrikulirenden Gutes kein Hinderniss, wenn es ein kaiserliches oder auch ein landesherrliches Lehen, z. B. in Folge 'einer Lehensauftragung war. Dass ein Reichsritter neben seinen immatrikulirten reichsfreien Besitzungen auch landsässige Güter besitzen konnte, verstand sich von selbst. Siehe Note 11. Ein zu immatrikulirendes reichsfreies Gut musste mindestens 6000 Thaler Werth haben.

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