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wofür die Bezeichnung,,Länder des sächsischen Rechts und Länder des fränkischen Rechts" gebräuchlich geworden war 7).

IV. Ueber die Grenzen beider Vicariatsbezirke bestand ein Vergleich vom 9. Juni 17508).

V. Die Reichsvicarien konnten in Thätigkeit treten: 1) sede plena, d. h. bei Verhinderung des lebenden Kaisers, z. B. wegen seiner Unmündigkeit 9), sowie auch nach vorgängigem Comitialschluss bei langer Abwesenheit, Altersschwäche u. dergl. des Kaisers, sofern nicht schon ein römischer König erwählt war 10). In diesem Falle waren sie eigentliche Regierungsvormünder oder „,administratores" der kaiserlichen Gewalt und handelten stets ,, im Namen" des Kaisers, und daher auch durchaus und nothwendig gemeinschaftlich, sowie auch alle Reichsgerichte hier in ununterbrochenem Gange blieben. 2) Sede vacante, d. h. wenn ein wirkliches Interregnum eintrat, ging im Allgemeinen alle Reichsgewalt an die Reichsvicarien als ihr grundgesetzliches Recht interimistisch über. VI. Es nennt zwar die goldene Bulle cap. V. §. 1 nur vier Rechte ausdrücklich als den Reichsvicarien zuständig; dies erklärt sich aber daraus, weil nur die Zuständigkeit dieser Rechte früher bezweifelt worden war: nämlich 1) Potestas judicia exercendi. Hierunter verstand man seit der Einrichtung des Reichskammergerichtes und des Reichshofrathes a) das

servantur."

illustrem Ducem Saxoniae . . . frui volumus in his locis, ubi Saxonica jura Auf das rheinische Vicariat machte Bayern seit der Erwerbung der pfälzischen Kurwürde im dreissigjährigen Kriege (§. 68) Anspruch, da der westphälische Frieden nicht bestimmte, ob Pfalz darin restituirt sein solle: 1742 verglichen sich diese beiden Hauptlinien des Wittelsbachischen Hauses über eine gemeinschaftliche, und später nach dem Tode K. Karl's VII. (1745) über eine abwechselnde Führung des Reichsvicariates; dieser letztere Vergleich wurde vom Reiche durch Reichsschluss vom 7. u. 21. Aug. 1752 genehmigt. (Schmauss, S. 1345.) Dabei blieb es bis zum Erlöschen der kurbayerischen Linie (30. Dec. 1777), womit die Bedeutung dieser Vergleiche von selbst hinwegfiel. Mehrere Reichsstände behaupteten eine Befreiung von der Reichsvicariatsgewalt, so Oesterreich mit Böhmen und Burgund, Kurmainz, Salzburg und Bayern. Haeberlin, III. 596.

7) Mit Unrecht würde man aber in dem Gegensatze von Ländern des fränkischen und des sächsischen Rechtes eine durchgreifeude Eintheilung Deutschlands in sämmtlichen juristischen Beziehungen sehen; sind doch in der G.-B. cap. V. §. 1 selbst die Rheinlande und Schwaben von den Ländern des fränkischen Rechts (dem Frankenlande) unterschieden.

8) Ein Extract dieses Vergleichs, der niemals vollständig veröffentlicht worden zu sein scheint, findet sich bei Schmauss, S. 1626. Gerstlacher,

Handb. III. 406.

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Er sollte nach der W.-K. (1792) Art. III. §. 17, dem Reiche zur Genehmigung vorgelegt werden, was aber nicht geschehen ist. J. F. C. v. Lynker, hist. publ. Anmerkungen und Erläuterungen zu dem 1750 geschlossenen Vicariats-Grenzvergleich. Hildburghausen 1791. v. Krenner, über den kur

pfälz. Reichsvicariatssprengel. Ingolstadt 1793.

9) Vergl. die Bestimmungen in der W.-K. Joseph's I. Art. 47 (s. oben) §. 67 Note 4.

10) W.-K. (1792) Art. III. §. 14.

Recht, das Reichskammergericht gemeinschaftlich zur Fortsetzung seiner Amtsthätigkeit zu ermächtigen und dasselbe zu visitiren 11); b) anstatt des durch den Tod des Kaisers jeweilig suspendirten Reichshofrathes durfte sogar jeder der beiden Reichsvicarien für seinen Sprengel ein sog. reichsvicariatisches Hofgericht für die Dauer des Interregnums einrichten 12); 2) Jus ad beneficia ecclesiastica praesentandi, d. h. das kirchliche Präsentationsrecht bezüglich der Königspfründen auszuüben 13); 3) das Recht, die Reichseinkünfte während des Interregnums zu beziehen, und 4) Jus investiendi de feudis, et juramenta fidelitatis jure et nomine sacri imperii recipiendi. Eigentlich war hierunter nur das Recht der Lebenserneuerung bei Veränderungen in der Person der Vasallen (in der dienenden Hand) zu verstehen. Allein das Herkommen legte den Reichsvicarien auch das Recht bei, heimgefallene Reichslehen weiter zu verleihen. Ausgenommen waren nach der goldenen Bulle nur Fürstenthümer und Fahnlehen, d. h. Lehen mit eigentlichen hohen Regierungsrechten 14). Die neueren Wahlkapitulationen beschränkten diese Ausnahme sogar auf eigentliche Thronlehen 15).

VII. Nach dem Herkommen galten die Reichsvicarien auch für befugt, während der Dauer ihrer Zwischenregierung Privilegien, Pfalzgrafenrechte und Standeserhöhungen zu ertheilen. Sie konnten auch Reichstage ausschreiben und fortsetzen 16) und Commissarien zu den Bischofswahlen abordnen.

VIII. Ausser der bereits erwähnten Verleihung von Fahnlehen war den Reichsvicarien nur noch die Verpfändung und Veräusserung von Reichsgütern untersagt 17).

11) Pütter, inst. §. 481.

12) W.-K. (1792) Art. III. §. 15.

13) Nicht zu verwechseln mit dem jus precum primariarum, welches nur dem Kaiser ausschliesslich zustand; siehe oben §. 67 Note 22.

14) Gold. Bulle cap. V. §. 1:

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feudis principum duntaxat exceptis et illis, quae Vanlehen vulgariter appellantur, quorum investituram et collationem soli Imperatori vel Regi Romanorum specialiter reservamus.“ Ueber den Begriff von Fahnlehen s. oben §. 13. 47.

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15) W.-K. (1792) Art. XI. §. 7: als worin die von einem jedesmaligen römischen Kaiser coram throno zu empfangenden Lehen allein ausgenommen sind."

16) Ausdrücklich bestimmt dies die W.-K. Art. XIII. §. 9.

17) Gold. Bulle cap. V. §. 1:,,Ipse tamen Comes Palatinus omne genus alienationis seu obligationis rerum Imperialium hujusmodi provisionis tempore, expresse noverit sibi interdictum."

§. 67 h.

Von den Reichsständen und ihren Collegien im Allgemeinen*).

I. Reichsstand, status imperii, im allein reichsgrundgesetzlichen Sinne ) war nur, wer auf dem Reichstage wirklich Sitz und Stimme (sessionem et votum) führte 2), oder doch zu führen berechtigt war 3). Diese Berechtigung setzte seit dem J. 16534) ausser der kaiserlichen Verleihung der Reichsstandschaft eine reichscollegialische Cooptation und gehörige Habilitation oder Qualificirung voraus"). Ob sodann die wirkliche Admission (auch sog. Introduction)

*) Moser, Staatsr. Th. VIII. IX. XLIII. — Derselbe, von den deutschen Reichsständen, der Reichsritterschaft, auch den übrigen unmittelbaren Reichsgliedern, 1767. Pütter, inst. §. 26. 71 flg. Leist, Staatsr. §. 71. Gönner, Staatsr. §. 133. Schmid, Staatsr. §. 136. Meine Schrift: Ueber hohen Adel und Ebenbürtigkeit. Stuttgart 1853, §. 74 flg.

von

1) In neuerer Zeit spricht man mitunter auch von Ständen des Reichs in weiterem Sinne, und will darunter alle reichsunmittelbaren Landesherren begreifen, wenn sie auch keinen Sitz und Stimme auf dem Reichstage hatten. Allein die Unrichtigkeit und praktische Bedeutungslosigkeit eines solchen Begriffes, und dass Landeshoheit allein zur Reichsstandschaft nicht genügte, war den besseren Publicisten des vorigen Jahrhunderts übereinstimmend anerkannt. S. meine Schrift über hohen Adel (1853) §. 74 Note **). Leist, Staatsr. §. 57. Scheidemantel, Repert. Bd. IV. S. 654. Schmid, Staatsr. §. 136, Note*). Genau unterschied auch der Reichsdeputationsabschied von 1564 §. 29 ,,die so nicht Stände des heil. Reichs, jedoch dem heil. Reich immediate unterworfen."

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2) So wenig wie Landeshoheit und Reichsunmittelbarkeit, ebenso wenig genügte ein Sitz auf dem Reichstage ohne Votum, um Reichsstand zu sein. Solchen Sitz ohne Stimme hatten einige Reichsbeamte, wie z. B. die Grafen von Pappenheim, als Reichserbmarschälle, und die Grafen von Werthern als Reichserbthürhüter.

3) Ueber den Begriff und die Voraussetzungen dieser Berechtigung siehe meine Schrift: Ueber hohen Adel (1853) §. 76 flg.

4) Ueber die betreffenden Verhandlungen auf dem Reichstage zu Regensburg 1653 u. 1654, siehe meine Schrift: Ueber hohen Adel (1853) §. 64.

5) W.-K. (des römischen Königs Ferdinand IV. 1653 Art. 47) 1792 Art. I. §. 5:,,Auch keine Fürsten, Grafen und Herren in fürstlichen oder gräflichen Collegiis an- oder aufnehmen, sie haben sich dann vorher dazu mit einem Immediatfürstenthum, resp. Graf- oder Herrschaft, genugsam qualificirt, und mit einem standeswürdigen reichs- und kammergerichtlichen Matrikularanschlage . . . in einem gewissen Kreise eingelassen und verbunden und über solches Alles neben dem kurfürstlichen auch dasjenige Collegium oder Bank, darin sie aufgenommen werden sollen, in die Admission ordentlich gewilliget, also dass sothane Admission erst nach vollständig bewirkter Qualificirung erfolgte, am wenigsten aber selbige von blossen Personalisten, die nicht mit vorbeschriebenen an sich bereits unmittelbaren Besitzungen versehen sind, stattfinden soll." Vergl. den jüngsten

bereits erfolgt war oder nicht "), oder ob sich der cooptirte und gehörig habilitirte Reichsstand etwa seines Rechtes nicht bediente, sei es, weil er nicht wollte 7), oder weil er in Folge einer Mediatisirung, d. h. wegen Subjection unter einen anderen Reichsstand (als sog. status exemtus) zur Zeit nicht konnte S), kam nicht weiter in Betracht.

II. Nur mit diesen Reichsständen handelte der Kaiser: nur diese machten das Reich aus, und durften dem kurfürstlichen Collegium Wünsche und Monita bei Gelegenheit der Abfassung der kaiserlichen Wahlkapitulation vortragen: nur diesen galten auch die kaiserlichen Zusicherungen, welche zu Gunsten von Kurfürsten, Fürsten und,,Ständen" in die Wahlkapitulationen oder in andere Reichsgesetze aufgenommen wurden 9).

III. Sollten in einzelnen Beziehungen noch andere reichsunmittelbare Herren, wie die Reichsritterschaft, unter solchen reichsgesetzlichen Bestimmungen mitbegriffen werden, so wurde dies in den Reichsgesetzen

Reichsabschied (1654) §. 197 bei Schmauss, S. 1025. Vergl. über die Personalisten unten §. 67k. IV.

6) Ueber den Unterschied von Cooptation und Admission eines Reichsstandes vergl. meine Schrift: Ueber hohen Adel (1853) §. 77.

7) Wiederholt wurde in den Reichsgesetzen und Reichstagsverhandlungen darauf gedrungen, dass solche „nicht beihaltende Mitstände," welche sich durch die Unterlassung der Ausübung ihres reichsständischen Sitz- und Stimmrechts auch den Beiträgen zu den Reichslasten zu entziehen suchten, unter Androhung der Entziehung ihres Rechtes beigezogen werden sollten. R.-A. v. 1548 §. 73; Beschluss der wetterauischen Grafen v. 12. Febr. 1696 (Moser, Staatsr. Th. 19 S. 376); Protokoll des fränkischen Grafentags v. 24. Mai 1785 (Reuss, deutsche Staatskanzlei, Bd. X. S. 306).

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8) Ueber den Begriff von status exemti und exemtionen s. Scheide mantel, Rep. I. S. 904 flg. Moser, v. d. deutschen Reichsständen, Bd. I. c. 10 §. 12. Gönner, deutsch. Staatsr. §. 225. Pütter, inst. §. 475. Meine Schrift über hohen Adel (1853) S. 8 flg. Der Reichsstand, welcher einen Mitstand unter seine Landeshoheit gebracht hatte, hiess eximens; man unterschied exemtiones cum onere und sine onere, je nachdem der eximens die ordentlichen Reichslasten für die exemtio übernommen hatte oder nicht. Alle solche Exemtionen betrachtete das Reich als eine bedauerliche Verminderung seiner Mitglieder, und daher schrieb auch der westphälische Frieden ausdrücklich vor, dass baldigst auf ihre Wiederherstellung Bedacht genommen werden sollte. I. P. O. Art. VIII. §. 3: „In proximis comitiis de reducendis statibus exemtis agatur." Solche eximirte Stände heissen in der W.-K. Art. IX.

§. 10. 11 auch ,,Mediatstände" oder ,,mittelbare Stände."

9) Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass es diesen Reichsständen erst bei den Verhandlungen auf dem Reichstage zu Regensburg 1653 gelang, die Aenderung durchzusetzen, dass in der Wahlkapitulation des römischen Königs Ferdinand IV. 1653 zum erstenmale da, wo früher bei kaiserlichen Zusicherungen nur der Kurfürsten Erwähnung geschehen war, nunmehr diese Zusicherungen auf Kurfürsten, Fürsten und Stände gestellt wurden. J. G. v. Meiern, acta comitial. Ratisbon. Tom. I. p. 118. Meine Schrift über hohen Adel (1853) §. 74 a. E.

Zoepfl, deutsche Rechtsgesch. II. 4te Aufl.

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jederzeit besonders ausgesprochen 10). Insgemein gebrauchen die Reichsgesetze, wenn sie etwas auf sämmtliche Reichsstände Bezügliches aussprechen wollen, die Formel: „Kurfürsten, Fürsten und Stände des Reichs" 11). Mitunter werden aber, ohne dass damit etwas anderes ausgedrückt werden soll, noch Grafen, Prälaten und Herren dabei ebenfalls genannt 12).

IV.

Alle diese Classen hatten katholische und protestantische Mitglieder.

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V. Auf dem Reichstage verhandelten die Reichsstände nach Herkommen regelmässig in drei Collegien: dem Collegium der Kurfürsten, dem Collegium der Fürsten, Grafen und Herren, oder sog. Fürstenrathe und dem Collegium der Reichsstädte. Man rechnet die Bildung dieser drei Collegien gewöhnlich von dem XIV. Jahrhundert an, indem sich die Kurfürsten zuerst bei einzelnen Veranlassungen, dann regelmässig besonders versammelten 19), und die Reichsstädte, welche seit Wilhelm von Holland (1255) auf den Reichstagen erschienen, jederzeit besonders beriethen. Ein Zusammentritt der drei Collegien fand nur bei feierlichen oder sonst ausserordentlichen Veranlassungen statt, nicht aber zur Fassung eines Beschlusses in Reichsangelegenheiten.

§. 67 i.

Rechte der Reichsstände*).

I. Das wichtigste und auszeichnende Recht der Reichsstände war Sitz und entscheidende Stimme (sessio et votum) auf dem Reichstage 1). Diese Stimme konnte aber Viril- oder Curiat - Stimme sein: es hatte nämlich nicht jeder Reichsstand eine volle selbstständige Stimme, sondern sehr häufig nur Antheil an einer mit mehreren Anderen gemeinschaftlichen Stimme 2).

II. Die Reichsstände konnten von der Reichsstandschaft und Landesregierung nur nach vorgängigem Comitialbeschluss entsetzt oder sus pendirt werden "). Handelte es sich dagegen nur um den Missbrauch des

10) So z. B. in der W.-K. Art. I. §. 2:,,Fürsten, Prälaten, Grafen, Herren und Stände (die unmittelbare Reichsritterschaft mitbegriffen)." Siehe unten §. 72 VI., und hier oben §. 20 Note 4 u. §. 67 Note 19.

11) Vergl. z. B. W.-K. (1792) Art. IV. §. 1.

12) Siehe oben Note 10.

13) Siehe unten §. 68 Note 15.

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2) So z. B. hatten die Reichsprälaten zwei, die Reichsgrafen vier Curiatstimmen. Siehe unten §. 68 a.

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