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zweitens aber auch jene Reservatrechte, welche der Kaiser eben sowohl als die Landesherren, also mit diesen concurrirend, in den einzelnen Territorien ausüben konnte. Im ersteren Falle hiessen sie jura reservata exclusiva, im zweiten Falle jura reservata communia oder cumulativa. VI. Als jura reservata illimitata und zugleich exclusiva wurden betrachtet: 1) das Recht der Standeserhöhung, d. h. das Recht, den Adel in seinen verschiedenen Abstufungen zu verleihen 5); 2) das Recht, gelehrten Körperschaften das Universitätsprivilegium zu verleihen, d. h. das Recht, akademische Würden zu ertheilen.

VII. Jura reservata limitata waren 1) das Recht, Zölle anzulegen und Zollgerechtigkeiten zu ertheilen, d. h. das Recht, die an bestimmten Zollstätten zu erlegenden Zölle ganz oder theilweise zu erheben und zu beziehen 6), welches Recht durchaus nicht als in der Landeshoheit liegend betrachtet wurde, aber von den Kaisern theils als Gnade, theils durch onerose Geschäfte, wie Kauf, oder als Pfandschaft, datio in solutum u. dgl., theils für immer, theils für bestimmte Jahre oder auf Widerruf, sowohl an Landesherren, wie an einzelne Privatpersonen, auch eben sowohl an Landstädte, wie an Reichsstädte verliehen wurde "); 2) das Recht, das Münzregal in ähnlicher Weise wie die Zollgerechtigkeiten zu verleihen ).

VIII. Als jura reservata communia wurden betrachtet: 1) das Recht, Volljährigkeit (venia aetatis) zu ertheilen, uneheliche Kinder durch Rescripte zu legitimiren, oder sie von dem Ehren-Makel der unehelichen Geburt zu befreien (sog. legitimatio minus plena); 2) Notarien zu ernennen,

5) W.-K. Art. XXII. §. 1: „Wie die Standeserhöhungen zu ertheilen. Bei Collation fürstlicher, gräflicher, auch anderer Dignitäten sollen und wollen Wir dahin sehen, damit inskünftige auf allen Fall dieselben allein denen von Uns ertheilt werden, die es vor Anderen wohl meritiret, im Reiche gesessen und die Mittel haben, den affectirten Stand pro dignitate auszuführen."

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6) W.-K. Art. VIII. §. 1: Wir sollen und wollen auch . . . hinfüro, jedoch unbeschädigt der vor Aufrichtung weiland Kaisers Karl's VI. Wahlkapitulation . . gewilligten Zollconcessionen keinen Zoll von neuem geben, noch einige

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alte erhöhen oder prorogiren . . . (§. 2). Es sei dann nicht allein mit aller und jeder Kurfürsten Wissen und Willen, Zulassen und Collegialrathe durch einhelligen Schluss also in diesem Stücke verfahren" etc. Nach §. 3 sollten auch die benachbarten Kreise, insbesondere derjenige, in welchem der neue Zoll aufgerichtet, oder ein alter erhöht u. s. w. werden sollte, darüber vorerst gehört werden.

7) Vergleiche: Das Zollwesen in Deutschland, geschichtlich beleuchtet. Frankfurt a. M. 1832. Interessante Urkunden enthält: (Longard I.) Ausführung der Ansprüche des H. Grafen Jakob zu Eltz-Kempenich aus dem Rheinzolle zu Engers. Coblenz 1842.

8) W.-K. Art. IX. §. 6: Wir sollen und wollen auch hinfüro ohne Vorwissen und absonderliche Einwilligung der Kurfürsten und Vernehmung, auch billige Beobachtung desjenigen Kreises Bedenken, darin der neue Münzstand gesessen, niemanden mit Münzfreiheiten oder Münzstätten begaben und begnadigen."

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Lehensfähigkeit und Wappen zu ertheilen (zum Wappengenossen zu machen).

IX. Der Kaiser übte sowohl die jura reservata exclusiva, als die communia regelmässig durch besonders angestellte Beamte aus, welche Hofpfalzgrafen hiessen: ihre Befugniss hiess Comitiva. Man unterschied die niedere und die höhere. Comitive (Comitiva minor et major). Die erstere begriff die Befugniss, die zuletzt genannten jura reservata communia auszuüben: die letztere überdies das Recht zu adeln und die niedere Comitive zu ertheilen 9). Die Würde eines Hofpfalzgrafen nebst der niederen Comitive wurde aber auch häufig an Landesherren, sogar auch an nicht regierende Personen verliehen 10), oder mit gewissen Aemtern ein für allemal verbunden 11).

§. 67.

Anfang und Ende der kaiserlichen Regierung*).

I. Die kaiserliche Regierung begann mit der Beschwörung der Wahlkapitulation, welche reichsgrundgesetzlich vor der Krönung geschehen musste 1). Die Krönung wurde in den letzten Zeiten von dem Erzbischofe von Mainz (als Kurerzkanzler) 2) zu Frankfurt (dem Wahlorte) vorgenommen 3).

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9) Pütter, inst. §. 138; Schmid, Staatsr. §. 145. Die höhere Comitive wurde selten ertheilt. Erblich hatten sie das Haus Pfalz und das Haus Schwarzburg. Schmalz, Staatsr. §. 180.

10) Z. B. in den Grafendiplomen einiger Titularreichsgrafen.

1) So z. B. hatte sie der jeweilige Procancellarius und der juristische Decan der Universität Heidelberg durch ein Reichsvicariatsdiplom vom 23. August 1745. Aus diesem ist auch der oben angeführte Inhalt der Comitiva minor hier mitgetheilt. · Vergl. meine Alterthümer d. deutsch. Reichs u. Rechts. Bd. I. (1860) S. 356 flg.

*) Pütter, inst. §. 495.

Gönner, Staatsr. §. 106.

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1) W.-K. (1792) Art. XXX. §. 5. 6. Wir versprechen und geloben aber sothane Beschwörung der Kapitulation noch vor Empfang der Krone in eigener Person selbst zu leisten auch ehe wir solches gethan uns der Regierung nicht zu unterziehen.“ Ebendas. Art. III. §. 18. ,Bis Wir die W.-K. in Person beschworen, folglich das Regiment wirklich angetreten." Vergl. die Gold. Bulle c. 2 §. 8.

2) Ueber die Krönungsfeierlichkeiten, die dabei gebrauchten Reichskleinodien, die Ableistung des kaiserlichen Regierungseides u. s. w. s. Leist, Staatsr.

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§. 65. Gönner, Staatsr. §. 113. Pütter, inst. §. 496 und die daselbst angeführte Literatur. In früheren Zeiten concurrirte Köln mit Mainz in der Ausübung des Krönungsrechts. Goldene Bulle c. 4 §. 4; Vergleich v. 16. Juni 1657, bei Schmauss, S. 1028; W.-K. (seit 1658) Art. 3 §. 9. Pütter, inst. §. 497.

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3) Ursprünglich war Aachen die Krönungsstadt gewesen; seit K. Ferdinand I. geschah die Krönung aber immer an dem Wahlorte. Pütter, inst. §. 497. S. oben §. 45 Note 14. 15.

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II. Der Kaiser musste, um selbst regieren zu können, das achtzehnte Jahr erreicht haben), und seine Residenz im Reiche halten 5).

III. Eine förmliche Reichshuldigung leisteten nur die Reichsstädte; die übrigen Reichsstände leisteten den Huldigungseid zugleich mit dem Lehenseid bei der Belehnung mit ihren Reichslehen und Hoheitsrechten 6).

IV. Die kaiserliche Regierung endigte: 1) durch den Tod des Kaisers; 2) durch Resignation (Abdankung), d. h. durch freiwillige Niederlegung der Krone 7); 3) durch Absetzung, worüber es jedoch an ausreichenden gesetzlichen Bestimmungen fehlte). Zwar spricht noch die goldene Bulle Karl's IV. mit unverkennbarer Beziehung auf den Sachsen- und Schwabenspiegel 9) von einer Jurisdiction des Pfalzgrafen bei Rhein über den Kaiser 10). Diese galt aber später entschieden für unpraktisch, obschon die betreffende Stelle der goldenen Bulle durch kein neueres Reichsgesetz ausdrücklich aufgehoben war. Die Theoretiker aus der letzten Zeit des Reiches hielten zur Absetzung eines Kaisers mindestens einen Comitialschluss für nothwendig 11).

§. 67.

Der römische König *).

I. Wenn bei dem Leben eines Kaisers ein Nachfolger dessel

4) So musste K. Joseph I. in der W.-K. (1690) Art. 47 versprechen: ,,Uns auch keiner Regierung zum Präjudiz der Reichsvicarien, welche inmittelst die Reichsadministration führen, die Expedition aber in Unserem Namen verfügen sollen, unterziehen, bis Wir das achtzehnte Jahr Unsers Alters erreicht und angefangen haben." Gerstlacher, Handb. X. S. 1794.

5) W.-K. Art. XXIII.

6) Leist, Staatsr. §. 66; besonders Gönner, Staatsr. §. 279.

7) So Karl V.

8) Beispiele: K. Heinrich IV.; K. Adolf v. Nassau; K. Wenzel v. Böhmen.

9) Sachsensp. III. 52 §. 3. Schwabensp. c. 121. 128. Siehe oben §. 46 Note 13. 14.

10) Gold. Bulle c. V. §. 3:,,Et quamvis Imperator sive Rex Romanorum super causis, pro quibus imperator impetitus fuerit, habeat, sicut ex consuetudine introductum dicitur, coram comite Palatino Rheni . . respondere, illud tamen judicium comes Palatinus ipse non alibi, praeterquam in imperiali curia, ubi Imperator seu Romanorum Rex praesens extiterit, poterit exercere." A. Schulze, de jurisdictione principum, praesertim Comitis palatini in imperatorem exercita. Jena 1847. J. Löher, das Rechtsverfahren bei K. Wenzel's Absetzung in Münchener Jahrb. f. 1865.

11) Man bezog sich auf die Analogie der W.-K. Art. I. §. 3. 4, wonach auch kein Reichsstand ohne Comitialbewilligung entsetzt oder suspendirt werden durfte. Gönner, Staatsr. §. 106. 310. - Leist, §. 67. 143. Moser, Staatsr. Th. VII. S. 71 flg.

*) Pütter, inst. §. 504 flg. Leist, Staatsr. §. 69. 70. Gönner,

ben gewählt wurde, so führte dieser den Titel römischer König (Rex Romanorum) 1).

II. Die Frage, wer über die Nothwendigkeit, einen solchen römischen König zu wählen, entscheiden solle, war im westphälischen Frieden unerledigt geblieben. Später kam auf dem Reichstage in den Jahren 1691 und 1711 ein Vergleich zwischen den Kurfürsten und den übrigen Fürsten zu Stande, dessen Inhalt seitdem auch in die Wahlkapitulation aufgenommen wurde. Hiernach sollten die Kurfürsten nur bei dem Vorhandensein besonderer Gründe zur Wahl eines römischen Königs bei dem Leben des Kaisers schreiten.

III. Ueber das Vorhandensein eines solchen Grundes entschieden jedoch die Kurfürsten allein. Sie mussten von ihrem Beschlusse, eine römische Königswahl vorzunehmen, dem Kaiser Anzeige machen, und dessen Genehmigung zur Vornahme der Wahl nachsuchen, konnten aber damit doch vorschreiten, wenn sie die Verweigerung der kaiserlichen Zustimmung nicht für hinreichend begründet erachteten 2). Es lag jedoch in dem Interesse der Kaiser selbst, einem ihrer Söhne oder einem anderen Mitgliede ihres Hauses durch Veranlassung der Kurfürsten zur römischen Königswahl schon bei ihrem Leben die Nachfolge in der kaiserlichen Würde zu sichern.

IV. Die Rechte des römischen Königs waren: 1) der Majestätstitel; 2) der einköpfige Adler als Wappenträger; 3) der Vorrang vor allen Reichsständen. 4) Er war Reichsverweser bei Verhinderung des Kaisers zur Ausübung der kaiserlichen Regierung, durfte sich aber ausser

Staatsr. §. 116 flg.
Moser, vom römischen Kaiser, §. 671 flg.

Schmid, Staatsr. §. 134.

Schmalz, Staatsr. §. 154.

1) I. P. O. Art. VIII. §. 3. Ueber die früher übliche Bezeichnung des erwählten Kaisers selbst vor der Krönung durch den Papst als Rex Romanorum, s. oben §. 46. III.

2) W.-K. Art. III. (1711 §. 11) 1792 §. 10:,,Und nachdem von Kurfürsten und Fürsten zu Regensburg, nach Anleitung articuli VIII. Instrumenti Pacis, von der Wahl eines römischen Königs bei Lebzeiten eines erwählten römischen Kaisers gehandelt und verglichen worden, dass die Kurfürsten nicht leichtlich zur Wahl eines römischen Königs vivente imperatore schreiten, es wäre dann, dass entweder der erwählte und regierende römische Kaiser sich aus dem römischen Reich begeben, und beständig oder allzulang aufhalten wollte, oder derselbe wegen seines hohen Alters oder beharrlicher Unpässlichkeit der Regierung nicht mehr vorstehen könnte, oder sonst eine anderweitige hohe Nothdurft . . . erforderte einen römischen König noch bei Lebzeiten des regierenden Kaisers zu erwählen, und dann dass in solchem ein und andern angeregten, wie auch erstgedachtem Nothfalle die Wahl eines römischen Königs durch die Kurfürsten, mit oder ohne des regierenden Kaisers Consens, wenn derselbe auf angelegte Bitte ohne erhebliche Ursache verweigert werden sollte, vorgenommen, und damit . . . frei und ungehindert verfahren werden solle; so wollen und sollen Wir diesen der Kurfürsten und Fürsten unter einander verfassten Schluss, wie hiermit geschieht, für genehm und Uns demselben gemäss und conform halten."

dem ohne dessen Auftrag in die Reichsregierung nicht einmischen 3); bei dem Tode des Kaisers oder bei Resignation desselben ging die Reichsregierung ipso jure an ihn über, und zwar ohne neue Krönung und Beschwörung der Wahlkapitulation, da dies alles gleich bei der römischen Königswahl selbst stattfand.

§. 67%.

Die Reichsvicarien*).

I. Eine Reichsverwesung war zur Reichszeit schon darum oft nothwendig, weil das Reich Wahlreich war, und daher leicht ein kaiserloser Zustand, sog. Zwischenreich, interregnum, eintreten konnte.

II. Durch Herkommen ') und dessen ausdrückliche Bestätigung in der goldenen Bulle 2) und in den kaiserlichen Wahlkapitulationen 3) waren Kurpfalz und Kursachsen die Reichsverweser (provisores sive vicarii imperii) in den deutschen Landen. In Italien war (dem Namen nach) Savoyen Reichsverweser +).

III. Kurpfalz und Kursachsen behandelten als Reichsverweser in Deutschland, wenn kein Kaiser vorhanden war, nur jene Reichsgeschäfte gemeinschaftlich, welche ihrer Natur nach untheilbar waren 5): im Uebrigen führten sie die Reichsverwesung in getheilten Districten 6),

3) Z. B. W.-K. Joseph's II. (1764) Art. XXX. §. 3: Wir sollen und wollen auch keine Regierung und Administration im heil. Römischen Reich, so lange ihre kaiserliche Majestät im Leben, ohne Dero ausdrücklichen Auftrag und Einwilligung Uns unterziehen, noch Ihro an der Hoheit und Würde des Kaiserthums einigen Eintrag thun."

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Leist,

*) Pütter, inst. §. 478 flg. Moser, v. d. röm. Kaiser, S. 737. Staatsr. §. 95 flg. Gönner, Staatsr. §. 118 flg. Schmid, Staatsr. §. 135 flg. Schmalz, Staatsr. §. 190. Jos. v. Sartori, reichsvicariatisches Staatsrecht. Augsburg 1790. Danz, Betrachtungen über die Justizverf. während eines Zwischenreichs. Stuttg. 1790. v. Abele, Versuch über das Staatsrecht während eines Zwischenreichs. Kempten 1792. v. Roth, pragmatische Interregnumsgesch., insbes. des Reichserzcancellariates. Frkf. 1794. - J. Ch. Knötschker, Versuch einer Geschichte des Reichsvicariats durch Deutschland und Italien in den Zwischenreichen vor der goldenen Bulle. Leipzig 1796.

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1) Der Schwabensp. Ldr. (Lassb.) c. 125 weiss nur erst von einem, Reichsvicariate des Pfalzgrafen bei Rhein aus speciellem kaiserlichen Auftrag während einer Abwesenheit des Kaisers. Siehe oben §. 47 Note 19.

2) Gold. Bulle cap. V.

3) W.-K. (1792) Art. III. §. 14—18; XI. §. 7; XIII. §. 9.

4) W.-K. Art. XXVI. §. 2.

5) So z. B. die Fortsetzung eines Reichstags, die Bestätigung des Reichskammergerichts in seiner Function u. dgl.

sacrum vacare

6) Goldene Bulle, cap. V. §. 1:,,Quoties insuper continget imperium, illustris Comes Palatinus Rheni . . . ad munus futuri Regis Romanorum in partibus Rheni ac Sueviae et in Jure Franconico esse debet provisor ipsius imperii." Ibid. §. 2: ,,Et eodem Jure provisionis

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