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Die drei Mächte hatten den spanischen König nicht einmal um seine vorläufige Einwilligung zu dieser Verfügung über dessen eigenes Reich angegangen. Durch ein so rücksichtsloses Benehmen tief gekränkt, ernannte Karl II. am 28. November 1698 den baierischen Kurprinzen Joseph zu seinem einzigen Erben. Kaiser Leopold verwahrte seine dadurch verleßten Rechte, König Ludwig seine vorgeblichen Ansprüche, indem beide Monarchen gegen Karls II. Verfügung protestirten. Doch dieselbe wurde ohnehin durch den zu Brüssel am 16. Februar 1699 erfolgten Tod des Kurprinzen aufgehoben.

Schon bei dem ersten Theilungsprojekte war es einer der geheimen Zwecke Ludwigs XIV. gewesen, die Spanier durch die angedrohte Zerstückelung ihres Reiches so zu ängstigen, daß sie sich freiwillig Frankreich in die Arme werfen müßten. Nun wurde dieses Schreckbild noch einmal angewendet. Die Gesandten der drei Mächte unterzeichneten zu London am 3. und im Haag am 25. März 1700 einen zweiten Theis lungsvertrag. In diesem wurde der Haupttheil der spanischen Monarchie dem Erzherzoge Karl. zus gedacht. Nur die italienischen Besißungen Spaniens follten dem Dauphin überlassen werden; so daß Neapel, Sizilien und Sardinien an Frankreich kämen, Mailand an den Herzog von Lothringen im Tausche gegen die Herzogthümer Lothringen und Bar abgetre ten, und diese letteren beiden Landschaften ebenfalls mit Frankreich vereiniget würden. Dieser Vertrag wurde bald darauf dem Kaiser Leopold vorgelegt, und er zu dessen Genehmigung eingeladen. Am 17. August erklärte der Monarch den Vertrag als unschicklich

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und anmaßend, weil Karl II., Spaniens Herr, noch am Leben sey, als ungerecht, weil das Haus Öst

reich dadurch beraubt würde, - und versagte seinen. Beitritt.

Der durch die willkürlichen Verfügungen frem. der Mächte über sein Reich zum zweiten Male in seinen innersten Gefühlen tief verlegte König entschied sich nun für den Prinzen, für welchen ohnehin die heilig ften Rechte sprachen. Er ersuchte den Kaiser, den Erzs herzog Karl sogleich nach Madrid zu senden, und 15,000 Ostreicher in das Herzogthum Mailand einrü. cken zu lassen. Da hoben die drei Mächte England, Frankreich und Holland den Schleier von einem, dem zweiten Theilungsvertrage angehängten, geheimen Ar tikel, und erklärten: „sie würden es nicht zugeben, daß so lange Karl II. lebe, der Erzherzog nach Spanien, östreichische oder andere fremde Truppen nach Mailand kämen." — 3u gleicher Zeit wurden durch eine Reihe von verwickelten Intriguen die Räthe des spanischen Königs gewonnen. Statt des am 20. Mai von Madrid abgerufenen Marquis von Harcourt war nun der neue französische Gesandte Blecourt die Seele dieser lis stigen Umtriebe. Durch die zudringlichen Vorstellun gen der für Frankreich gewonnenen Minister wurde des schwer erkrankten Königs gebeugter Geist ganz betäubt, und ihm die richtige Ansicht der Verhältnisse getrübet. So that dann Karl II. einen entscheidenden Schritt, zu welchem er nicht das mindeste Recht hatte. Allen Staats- und Familienverträgen zuwider, ernannte er durch ein am 2. Oktober 1700 verfaßtes Testament den zweiten Enkel Ludwigs XIV., den Herzog Philipp von Anjou, zu seinem Thronfolger und zum Erben

der ganzen spanischen Monarchie. — Zwar trat einige Tage später eine scheinbare Besserung des Königs ein. Vor dem sich erhellenden Sinne schwand nun zwar die ihm aufgezwungene Täuschung. Karl begriff die schreiende Ungerechtigkeit jenes Schrittes. Er ahnete die Schrecknisse, welche der von ihm selbst durch einen unseligen Federzug begründete Bürgerkrieg nach seinem Tode über Spanien verbreiten würde. Er schrieb sogar an seinen Gesandten in Wien, den Herzog von Moles, in diesem Sinne, und trug ihm auf, „dem Kais ser zu sagen, daß nur der elende Zustand, in welchem Spanien und seine Gesundheit sich befänden, die Ursache des genommenen Entschlusses sey; daß er aber noch Zeit zu gewinnen hoffe, die Sache wieder gut zu machen." Aber hierzu fehlte es dem Könige an Entschloßfenheit. Auch waren seine Tage gezählt. Er überließ sich der schmerzlichsten, doch einer unthätigen und frucht-· lofsen Reue. Sie erschöpfte schnell des Königs leßte Kräf te, und brach schon am 1. November sein Herz. — Am 16. November wurde Philipp von Anjou zu Verfailles, am 24. in Madrid als König ausgerufen, und als solcher Anfangs von den überraschten Völkern in Spanien, Neapel, Sizilien, Sardinien, Mailand, und in den Niederlanden erkannt.

Kaiser Leopold protestirte wiederholt und feierlichst gegen jenes Testament und gegen alle darauf gegründeten ufurpatorischen Handlungen. Zugleich beschloß er, die Rechte seines Hauses mit den Waffen zu behaupten, ordnete in allen seinen Ländern die Rüstungen an, ließ mit verschiedenen Mächten über Bünd niffe unterhandeln, und suchte, das deutsche Reich zur Theilnahme an dem bevorstehenden Kriege zu bewegen.

Die beiden Seemächte England und Holland fanden sich durch den Bruch des Theilungsvertrages schwer beleidigt, und begriffen nun zu spät, welch durchdachtes Spiel Ludwig der XIV. mit ihnen getrieben. Sie fürchteten von der Übermacht, welche das Haus Bourbon durch die Erwerbung der spanischen Monarchie gewann, für sich selbst die nachtheiligsten Folgen: die Erste für ihren Handel, von welchem die Wohlfahrt beider Nazionen großen Theils abhing; Holland eine Zweite für die Sicherheit des eigenen Gebietes, und zunächst für die dasselbe schüßende Barriere der zehn den holländischen Truppen seit dem Ryswicker Frieden zur Besetzung anvertrauten niederländischen Grenzfesten. Die spanischen Niederlande wurden seit 1691 von dem Kurfürsten Maximilian II. Emanuel von Baiern verwaltet. Der König Wilhelm III. von England hatte diesen tapfern Fürsten in jener Zeit, wo die Niederlande von den Franzosen auf das gefährlichste bedroht wurden, zum Statthalter vorges schlagen. Da der Kaiser sich vorwortlich für seinen Schwiegersohn verwendete, so bekleidete der König von Spanien den Kurfürsten mit dieser Würde. Marimilian verpflichtete sich in dem am 10. Dezember 1691 abgeschlossenen Vertrage, gegen gewisse Subsidien seine eigenen Truppen zur Vertheidigung der Niederlande zu verwenden. Wenn aber die versprochenen Geldsummen ihm nicht sogleich und vollständig ausgezahlt wür. den, sollte er die niederländischen Provinzen, gleichfam pfandweise, mit größeren Prärogativen, bis zur gänzlichen Berichtigung aller feiner Forderungen besigen. Ludwig XIV. hatte schon im Sommer 1693, unter den damals von ihm den Alliirten vorgelegten Frie

densbedingungen, auch darauf angetragen, daß nach Karls II. Tode der Kurfürst von Baiern die Niederlande erblich behalten solle. Doch alle Vorschläge des französischen Königs wurden damals von den Alliirten verworfen.Jeht aber hatte der König, für sich und seinen Enkel Philipp, durch einen am 7. November 1700 unterzeichneten Vertrag dem Kurfürsten den Besit der spanischen Niederlande zugesichert. Dann fchloß Ludwig XIV. mit diesem Fürsten im Dezember 1700 in Geheim ein off- und defensives Bündniß, in welches auch Maximilians Bruder, Johann Klemens Kurfürst von Köln und Bischof von Lüttich, aufgenommen wurde. Der König versprach in diesem Vertrage dem Kurfürsten von Baiern die erbliche Statthalterswürde in den Niederlanden, und zu deren Behauptung ein französisches Hilfsheer. Dage= gen verpflichtete sich dieser Kurfürst, mit 20,000 Mann seiner baierischen Truppen, gegen französischen Sold, für die Sache der beiden Kronen Frankreichs und Spaniens zu kämpfen, die deutschen Reichskreise zu einer Associazion wider das Haus Ostreich zu bewegen, und Philipp von Anjou, welcher der Sohn einer Schwes ster des Kurfürsten, der Dauphine Maria Anna von Baiern war, im Besiß der svanischen Monarchie auf jede Weise zu unterstüßen. Beide Kurfürsten sollten französische Truppen in ihre Länder aufnehmen. — Wirklich überlieferte der Kurfürst von Baiern in der Nacht des 6. Februars 1701 die zehn Barrierepläße Oftende, Antwerpen, Mons, Brugge, Ath, Namur, Oudenarde, Charleroi, Nieuport und Luxemburg, sammt den in denselben zur Besaßung gelegenen 10,000 Hol ländern, französischen Truppen.

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