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II.

Allgemeine Grundsäße der Befestigungskunst, dargestellt in Bezug auf die Erdre terung verschiedener BefestigungsManieren.

Mit einer Kupfertafel.

Von dem Ingenieur Hauptmann W.

Wenn man zugeben muß, daß in der neuesten Zeit

der einzig wahre Weg für die Befestigungskunst betre ten ward, indem man bestimmte Normal-Formen und Umrisse aufgegeben, und statt selber allgemeine Grunde fäße zusammen gestellt hat, nach welchen Befestigungswerke, den jedesmaligen Umständen gemäß, anzulegen sind; so ist man ferner bemüßigt, einzugestehen, daß Erörterungen über Befestigungsmanieren am bequemsten geschehen können, wenn jene Grundfäße mit Bes ziehung auf die in Betrachtung zu nehmenden Manies ren beleuchtet und entwickelt werden. Dieß ist ein Uns ternehmen, das dem Manne vom Fache freilich nur in Bezug auf die dabei beobachtete Zusammenstellung von Interesse seyn mag, jedem andern Militär aber, welcher die Ingenieur-Wissenschaft nicht unmittelbar zum Gegenstande seines Nachforschens gemacht hat, um so angenehmer seyn dürfte, als er einerseits (die nachstebenden, aus der Natur der Sache entwickelten, und somit an sich verständlichen, Grundsäße nicht leicht in Öftr. milit. Zeitsch. I. 1835, D

Werken der Befestigungskunst, welche sich größten. theils mit Entwickelung bestimmter Systeme beschäf= tigen, finden dürfte, und andererseits hier zugleich die neueren und neuesten Befestigungsmanieren, zumal jene mit kasemattirten Werken in mehreren, vom AuBenfelde sichtbaren Stockwerken, und jene mit detaschir ten Werken von thurmähnlicher Form berücksichtiget wurden; Manieren, welche bereits vielfältig die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, und der Gegenstand von Streitfragen geworden sind.

In letterer Beziehung darf jedoch ja nicht übersehen werden, daß der Gegenstand hier rein wissenschaftlich und abstrakt aufgefaßt wurde; wobei es sich nur um die in der Theorie unbedingt gültigen Grundsäge handelt, und alle jene Berücksichtigungen folglich ausge schlossen bleiben, welche eintreten, wenn entweder auf den höchsten Grad gesteigerte Leistungen für einen spe= ziellen Fall unnöthig werden, oder wenn beschränkende Verhältnisse unabwendbar sind, und somit in der Anwendung die Verzichtleistung auf einen oder den anderen jener Grundsäge oft erlaubt, oft auch gebieterisch herbeigeführt wird. Man vergleiche z. B. die Zwecke einer Festung mit denen eines verschanzten Lagers, übersehe auch nicht die politischen und finanziellen Rücksichten, welche oft wesentlichen Einfluß bei Erbauung von Festungen haben, u. s. w.; so wird man finden, daß Manches relativ gut und zweckmäßig seyn kann, was nicht durchweg den allgemeinen Regeln entspricht.

Eine weitere Bemerkung, vor Erörterung solcher Regeln, sen noch, daß, obgleich die Kürze dieses Auffa: hes eine ganz erschöpfende Herleitung der nachstehen

den Grundsäße nicht erlaubt, sie doch in so weit ents wickelt wurden, als es nöthig war, um die ihnen eige, ne, großentheils auf ihrer Einfachheit beruhende, Evidenz hinlänglich hervor zu heben..

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Der Umstand, welcher die Befestigungen in zwei wesentlich verschiedene Klassen fondert, in solche nämlich, welche zu ihrer Eroberung, außer einer kräftigen Beschießung von der Ferne her, keine eis gentlichen Belagerungsarbeiten nöthig machen, und in folche, welche nur nach Ausführung wirklicher Belage rungsarbeiten eingenommen werden können, dieser unterscheidende Umstand erörtert und bestimmt den wahren Sinn des ersten Grundsatzes der Befesti gungskunst: alle eigentlichen Festungswerke sturmfrei zu erbauen. Solche Werke nämlich müssen immer zu Leßterer der oben gedachten Klassen gehören, und die Sicherheit gewähren, daß ihre Er oberung nur mittelst Belagerungsarbeiten erreicht werden könne. Die Mittel, dem angegebenen Grundsaße zu entsprechen, sind verschieden. Ihre nähere Würdie gung hier würde zu weit führen. Aber im Allgemeinen sey es erwähnt, „daß 30 Fuß hohe gewöhnliche, oder 22 bis 24 Fuß hohe, gut flankirte und mit Schießlöchern versehene kasemattirte Eskarpe- Mauern, gleich wie 20 Fuß hohe freistehende, krenellirte und flankirte Mauern, ferner auch bloße Erdböschungen, mit das vor liegenden, gut, wo möglich aus Kasematten, bestris chenen Waffergraben, - und endlich, bei Werken, welche vorwärts anderer stärker versicherten, als Hilfs= punkte dienenden, Anlagen angebracht sind, selbst nur

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zweckmäßig pallifadirte Erd- Böschungen, ohne vorliegenden Wassergraben, daß also alle diese Mittel, je nach Umständen, vollkommen zum Zwecke führen, wenn nur das aus ihnen Erwählte durch andere Vorkehrungen auf eine Weise gedeckt wird, welche jeder Möglichkeit vorbeugt, solches von Ferne her zerstören zu können."

Die so eben gemachte Bemerkung enthält einen Theil des zweiten Grundsaß es der Befestigungskunst, welcher durch den Zusatz vervollständigt wird, daß mittelst der Befestigungs- Anlagen auch die Vertheidigungs- Materialien und die sonstigen Bedürfnisse der Besaßung, dann die Vertheidiger, und zwar nicht nur jene, welche in Ruhe befindlich sind, sondern auch jene, welche den Angreifer unmittelbar bekämpfen, und von diesen vorzüglich die bei den Geschüßen Wirkens den, so wie die Geschüße selbst, jede mög liche Deckung vor dem feindlichen Feuer zu erhalten haben. Dieses Feuer ist dreierlei, nämlich: Gerades, Rikoschet- und Wurffeuer. Das enfilirende Feuer gehört streng genommen, selbst wenn es von der Seite kömmt, immer zu der ersteren Art.

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Gegen gerades Feuer deckt man sich mittelst verschiedener Holzwände aus Pallisaden, Bohlen und Balken; mittelst verschieden gestalteten massiver oder von Scharten durchbrochenen Mauern, ferner mit: telst Erdmassen, welche, wenn sie als Emplacement für Vertheidigungs-Geschüße dienen sollen, bei der Anwendung hoher Wall-lafetten am zweckmäßigsten voll

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gehalten, und nur in Ermanglung solcher Lafetten nach Bedarf mit Scharten durchschnitten werden, und endlich hinter natürlichen Stein- oder Felswänden. Der Erfahrung zu Folge bleibt es unbestreitbar, daß von allen diesen Deckungsmitteln gegen umfassendes und überlegenes Kanonenfeuer nur die vollen aus guter Erde hergestellten Wälle und Brustwehren, und nur jene natürlichen Felswände genügenden Schuß und entsprechend andauernden Widerstand gewähren, deren Steinart den Kugeln so troßt, daß die Gefährdung der Vertheidiger durch abgeschlossene Steinsplitter nicht in bedeutendem Grade zu besorgen ist. Freilich modi fizirt sich diese Behauptung, wenn anderweitige Umstände oder Kombinazionen die kräf tige Beschießung unvollkommener Des ungsmittel unmöglich machen, oder die Übermacht an Kanonenfeuer dem dahinter stehenden Vertheidig er dergestalt & us sichern, daß er den Bau von Kontre-Bats` terien wohl nie ganz zu verhindern, aber doch auf eine Weise zu verzögern hoffen kann, welche sehr reichen, sonstige Nachtheile ausgleichenden, Zeitgewinn ver spricht.

Dem Rikoschetfeuer kann man sich gänzlich nur dadurch entziehen, daß man die Linien der Werke auf dem Feinde nicht zugängliche Punkte allignirt. Dem enfilirenden Feuer aber entgeht man durch an= gemessene Anwendung der Defilirungs-Ebenen; indem man diese, das Wesen der Lehre vom Defilement bil denden Ebenen über jene Punkte wegstreichen läßt, von welchen dem Feinde sonst die Möglichkeit gestattet

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