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the kennen, die Angaben derselben kritisch prüfen, und die gewonnenen einzelnen Thatsachen in die verschiede= nen Zweige und Abschnitte des historischen Entwurfes zweckmäßig vertheilen. Der Geschichtschreiber soll diese Materialien sorgfältig ordnen, und durch historische Kunst zum organischen Ganzen erheben. Mit diesem muß jeder Theil im richtigen Verhältnisse und genauen Zusammenhange stehen, damit der Leser eine leichte und vollständige Übersicht gewinne.

Außer den Thatsachen, müssen auch alle zu deren Verständlichkeit nöthigen Umstände in die Erzählung aufgenommen werden, jedoch nur die wichtigen und näher liegenden mit der erforderlichen Weitläufigkeit; indeß bei entfernteren oft kurze Andeutungen genűgen. Die drei Haupteigenschaften der Erzählung sind: Kürze. Sie sen gedrängt, so viel es die Umstände eřlauben. Sie schreite nicht weiter in die Vergangenheit zurück, als es nöthig ist, um einen klaren Grund für die Schilderung des Hauptereignisses zu legen. Auch breite sie sich nicht weiter aus, als es die Deutlichkeit der Handlung fordert. Anführung fremdartiger Gegenstände, überflüssige Worte, Wiederholungen; schaden dér Kraft der Darstellung. — Klarheit. Durch glückliche Wahl der Sätze und Worte wird die Erzählung deutlich und offen. Jede Angabe sey an gehöriger Stel· le, in natürlicher Ordnung angebracht. Kein nothwen ger Umstand werde ausgelaffen, — kein überflüssiger angeführt. Wahrheit. Die Thatsachen müssen so geschildert werden, wie sie wirklich vorgingen. Die Kas raktere, die Sitten und Eigenschaften der handelnden Personen, die Örtlichkeit des Schauplages, die Zeitfolge der Ereignisse, müssen getreu aus den Quellen

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aufgefaßt, und wahr und genau wiedergegeben werden. Lücken in den Quellen dürfen nicht mit Stillschweigen übergangen, noch weniger im Vortrage durch

erzwungene, die Thatsachen entstellende Verbindung, oder durch willkührliche Muthmassungen, ausgefüllt werden.

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Dieses sind die Grundsäße, auf welchen die Geschichtschreibung beruht. Wir gehen jeßt zu den Quellen über, aus welchen die Geschichtsforschung ihre Materialien sammelt. Dann wers den kurze Skizzen aller historischen Hilfswi ssenschaften folgen. Beispiele von Studien und Benützung der Quellen für historische und besonders Eriegsgeschichtliche Zwecke schließen diesen Auffah.

II. Die geschichtlichen Quellen.

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Stumme, doch den Wissenden verständliche Merkmale der ältesten Weltschicksale bezeugen die Verände rungen, welche mit der Oberfläche der Erde und ihren Bewohnern im Laufe der Jahrtausende vor sich gegan= gen. Die Spuren der Sündfluth, der Völkerwande rung, u. s. w. erkennt der Geologe, der Ethnographe, noch jest mit Sicherheit, und weiß sogar, jenen dunklen Zeiten einen chronologischen Maßstab anzulegen. Erinnerungen aus jenen Epochen der jugendlichen Welt haben sich in den mythischen Dichtungen der Urvölker, in den überlieferungen der Sagen und Gefänge erhalten. Staunen erregende Monumente lassen die Größe verschwundener Völker ahnen, und deren Bildwerke und Inschriften erlauben noch einzelne Blicke in das verschlossene Buch ihrer Ge

schichte. Chroniken späterer Zeiten zählen die Thatsachen einfach im rohen Umriß auf. Diesem fügte man allmählich auch die vorausgegangenen Gedanken und Plane der handelnden Personen, ihr Benehmen während, ihr Urtheil nach den Ereignissen hinzu. Dadurch erhob sich das trockene Jahrbuch zu einer vernünftigen Geschichte. Diese lehrt durch Beispiele alle Klassen der Menschen, sich auf der Bahn des Lebens nach den ewigen Gefeßen der Natur, nach den Kräften der See. le, nach den Empfindungen des Herzens, zu benehmen, und jenen Regeln zu folgen, welche die natürlice Moral, das angeborene Rechtsgefühl, die Religion des Landes, die gesellschaftlichen Pflichten und bürgerlichen Einrichtungen vorschreiben. —

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So mannigfaltig die Ereignisse an äußerer Ausdehnung und innerer Wichtigkeit seyn mögen, können sie doch alle, nachdem sie von den Menschen aufgefäßt, erkannt, und ihr Andenken, wenn gleich auf sehr verfchiedene Art, der Zukunft aufbewahret worden, als historische Quellen dienen. Aber eben diese Ungleichheit der Überlieferung macht, daß die Quellen oft nur für einen oder den anderen Zweig der Geschichte allein dienen können. Die Jahrbücher eines Klosters, die Annalen einer Hauptstadt, die politische und militärische Historie eines mächtigen Reiches, die Geschichten der Religion, der Gerechtigkeitspflege, des Handels, der Künfte und Wissenschaften eines Volkes, die Biographie eines Fürsten oder Helden, die Stammtas feln einer berühmten Familie, die Schilderungen einer Schlacht, einer Belagerung, eines Feldzugs, eines ganzen Krieges, bedürfen ganz verschiedener Materialien.

Dämine;

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Die geschichtlichen Quellen unterscheiden sich in ungeschriebene und geschriebene. Zu den Erften gehören die stummen Denkmale, z. B. Ruinen ganzer Städte oder einzelner Tempel, Schlösser und anderer Gebäude; Pyramiden, Obelisken, Grabmäler, Meilenzeiger; Reste alter Festungswerke, Lagerumwallungen, Heerstraßen, Wasserleitungen, Volksfeste und gefeierte Erinnerungstage; Nazionalgebräuche, ererbte Gewohnheiten gan jer Volksstämme und Landstriche, so wie einzelner Ortschaften; antike Statuen, Wandgemälde, Mosai ken, Waffen, Hausgeräthe, Münzen, u. dgl.; Namen von Ländern, Orten, Familien, die aus geschichtlichen Erinnerungen gescöpft worden; - mündliche Überlieferungen in religiösen und profanen Volksfagen, Erzählungen, Gedichten und Liedern. Ge schriebene Quellen sind: die Inschriften der Denkmale jeder Art, in bekannten Sprachen, Hieroglyphen, Keilschriften, u. s. m.; - religiöse Bücher der verschiedenen Mythen; - Urkunden; Geschlechtsta feln; Jahrbücher der Klöster, Städte und Staa. ten. Schriften, die von gültigen Augenzeugen verfaßt worden sind, und in welchen sie ihre eigenen Erfahrungen, die Begebnisse ihrer Zeit, niedergelegt has ben: Denkschriften, Tagebücher, Selbstbiographien, Briefe, heißen Quellen erster Ordnung. Die historischen Werke jener Autoren, die ihre Arbeiten nicht auf die Begebenheiten ihrer Zeit und auf den Kreis der eigenen Erfahrungen beschränkten, sondern aus geschriebenen Quellen erster Ordnung, und aus unge= schriebenen jeder Art, ihre Materialien gesammelt haben, werden Quellen zweiter Ordnung genannt.

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Die historische Kritik lehrt, alle Gattungen

der historischen Quellen,

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nach Anleitung der in der Folge dieses Auffahes näher bezeichneten Hilfswis senschaften, erforschen, die in denselben ent haltenen Angaben prüfen, die wahren Daten von' den nur wahrscheinlichen, von den zweifelhaften, von den ganz falschen unterscheiden, endlich, die gereinigten Ergebnisse dieser Forschungen nach einer richtigen Methode zu einem wohlgeordneten und pragmatischen Geschichtswerke verbinden.

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Von dem reichen Gehalte des aus den Quellen geschöpften Stoffes hängt die Ausführlichkeit eines Geschichtswerkes ab. Die Glaubwürdigkeit deffelben beruht auf dem Vertrauen in die Quellen, welche die Thatsachen und deren Umstände bezeugen. Je zahlreicher und echter die Quellen, je genauer die Übereinstimmung derselben in ihren einzelnen Angaben, einen um so höheren Grad von Gewißheit kann das aus denselben entstehende Geschichtswerk erreichen. Jedoch muß auch die Persönlichkeit des Historikers für die treue Benütung des Stoffes Bürgschaft ge= währen.

Es gab Leute, die sich in dieser Hinsicht durch überspannte Begriffe zu den ungereimtesten Forderungen verleiten ließen. Einen vollendeten Historiker dachten sie sich als einen allen Gefühlen und Leidenschaften fremd gewordenen Mann, der wie ein höheres Wesen über den zu schildernden Ereignissen schwebt, den kein Menschenelend rühret, keine Tugend gewinnt, keine Lasterthat empört, -der die fanften Gefühle des Sohnes, Gatten, Vaters nicht kennt, in dessen versteinertem Herzen nicht mehr das heilige Feuer der

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