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Siege. Mit einer Überlegenheit von nahe an 100,000 Mann und fast 300 Geschüßen mußten sie ihren Geg ner unfehlbar vernichten; wie sie es auch bei Water100 mit 60,000 Mann weniger wirklich gethan haben.

Es handelte sich daher für die preußische Armee mehr um diese Vereinigung mit der Wellingtonischen, als um Erhaltung ihrer Verbindungslinie nach dem Rhein. Denn bei dem nahe bevorstehenden Einrücken der gewaltigen Heere des Mittel- und Ober-Rheins in Frankreich konnten die Szenen in den Niederlanden nur wenige Tage dauern, und man war sicher, daß der Kaiser mit der Hauptmasse seines Heeres sich bald nach Frankreich zurückwenden, und, der preußischen Armee ihre Verbindungslinie über Mastricht freigeben mußte.

Wenn nach dem Rückzug hinter die Dyle die preußische Armee in den nicht wahrscheinlichen Fall gekommen wäre, am 17. den Kampf mit der französtschen allein zu bestehen, der sie dann um 45,000 Mann überlegen war, so erreichte der Kaiser, selbst bei einem für ihn glücklichen Ausgang der Schlacht; seinen Zweck, die Alliirten zu trennen, nicht; der ihm dagegen ge= wiß war, wenn er die vreußische Armee auf ihrer Verbindungslinie mit dem Rhein besiegte.

Die glückliche Ausführung des Rückzugs nach Wavre am 16. Morgens ist sehr wahrscheinlich. Ehe die französische Armee der preußischen folgen konnte, um sie zur Schlacht zu zwingen, mußte ste erst wissen, wohin sich diese zurückgezogen hatte. Darüber ging Zeit verloren. Vor der Mitragsstunde, oder wenigstens vor zehn Uhr Vormittags, konnten daher die Franzosen den Marfch nach der Dyle nicht antreten; dann aber hatte die preußische Armee den nöthigen Vorsprung gewon

nen.

Man vergleiche die Ereignisse vom 17. Juni War doch hier die französische Armee noch am Mits tag über die Richtung des Rückzugs ihres Gegners uns gewiß, mit dem sie sich Tages zuvor bis in die dunkle Nacht geschlagen hatte.

Es ist sehr die Frage, ob Marschall Blücher, bei all seiner Entschlossenheit und hingebenden Bereits willigkeit, die Versammlung der niederländischen Urmee. zu decken, - einer Schlacht bei Ligny nicht ausges wichen wäre, wenn er sicher gewußt hätte, daß der Kaiser den Angriff bis Mittags drei Uhr verschieben werde. Der Grundsaß, das nicht zu thun, was der Gegner will, forderte ihn gebieterisch auf, eine parzielle Schlacht zu vermeiden. Indessen erlaubten die Vorgänge am 15. und das bekannte rasche Ungestüm der Operazionen des Kaisers nicht, auf diese Zöge rung zu rechnen.

Die Annahme der Schlacht von Ligny zeugt von kühner Entschlossenheit, erscheint aber immer als gewagt.

Betrachtet man die Schlacht, wie sie wirklich statt fand, so zeigt sich, daß unter den ungünstigen Fällen noch der schonendste für die preußische Armee eingetreten ist, nämlich: taktische Erscheinung zu einer Stunde, wo der Gegner seinen Sieg nicht mehr benußen konnte.

Verderblich konnte die Schlacht für die Preußen ausfallen;

1.) Wenn sie, wie es sehr leicht möglich war, um zehn Uhr Vormittags, statt um drei Uhr Nachmittags anfing.

2.) Wenn das erste französische Korps, nach dem

Befehle des Kaisers, statt eines unnüßen Hin und Hermarsches, in den Rücken der preußischen Stellung bordrang, oder

3.) wenn dem erst während der Schlacht von Char leroi herangezogenen 6. Korps die für das 1. Korps bestimmte Rolle übertragen, und ihm ein Theil der Res serve-Reiterei zugetheilt wurde,

Die Voraussetzung, daß der sich sammelnden Wel= lingtonischen Armee so freie Hand gelassen werde; daß diese eine bedeutende Entsendung nach St. Amand machen könne, wie es kurz vor der Schlacht die alliirten Feldherren verabredeten; scheint, bei der stattgehab ten Überraschung in weitläufigen Kantonnirungen und bei einem Gegner wie Napoleon, etwas zu viel vom Glücke gefordert zu seyn.

Über die Schlacht selbst liegt die Frage vor: wie es kam, daß in einer sehr starken Stel lung 90,000 Mann wohldisziplinirter, ta pferer und Eriegsgewohnter Truppen von 60,000 Mann geschlagen wurden? Eine Fras ge, welche durch folgende Bemerkungen noch auffal lender wird:

1.) Durch die Nichtübereinstimmung der Operazios nen des Gegners wurde kein Hauptangriff auf den einzigen schwachen Punkt der Stellung, die in der Luft stehende, weit vorgeschobene rechte Flanke, gemacht.

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2.) Die Stellung hinter dem Ligny - Bach unweit Fleurus war seit dem 27. Mai, also seit drei Wochen, für den Fall eines feindlichen Angriffs zum Sammelplaß und Schlachtfeld der preußischen Armee ausgewählt.

3.) Nachdem durch den Übergang der Franzosen

über die Sambre die Benutzung der Stellung gewiß geworden war, befand sich der Kommandirende vom 15. Nachmittags fünf Uhr an in derselben, und hatte folglich Zeit, alle näheren Anordnungen nach dem Terrän zu treffen.

4.) Am Tage der Schlacht war die Aufstellung der Armee um neun Uhr Morgens beendigt. War diese theilweise mangelhaft; wie dieß bei der Eile wegen des früher zu besorgenden Angriffes leicht seyn konnte; so ließ das zögernde Benehmen des Feindes noch viet Stun den Zeit zur Verbesserung; denn erst um ein Uhr debouchirte er aus dem Walde hinter Fleurus. Die Zeit zum Entwerfen und zur Ausführung der zweckmäßigsten Anordnungen war also vorhanden.

Der Verlust der Schlacht scheint auf folgenden Ursachen zu beruhen:

1.) daß man die feindliche Armee für überlegen hielt,

2.) daß, nachdem sich die Absichten des Feindes entwickelt hatten, und man über den wahren Angriffspunkt in keinem Zweifel mehr war, die auf dem linken Flügel entbehrlichen Truppen nicht zur Unterstügung der Mitte verwendet wurden.

3.) Daß man zu einer Offensive übergehen wollte, ehe der Feind seine eigenen Kräfte aufgezehrt, noch seine Reserven ins Gefecht gebracht hatte. Endlich

4.) in dem taktischen Organismus der Armee. Vermöge dieses Lestern, war dem Kommandirenden keine abgesonderte Reserve von den Waffengattungen (Kavallerie und Artillerie) vorbehalten, welche zu diesem Zwecke mit dem meisten Erfolge verwendet wer den. Alle waren beinahe gleichmäßig in den Armeekorps vertheilt, und somit in die Hände der drei untergeord

neten Generale gegeben. Die Leichtigkeit, einzelne be drängte Theile der Schlachtordnung, schnell und kräftig zu unterstügen, mangelte also schon an und für ich; eben so jene, eine unzweckmäßige Verwendung und Zerstreuung der Truppen zu verhüten.

Schon beim ersten Anlauf des Feindes wurden da her von den Korpskommandanten und den Brigadiers, welche große Massen von Truppen zu ihrer Disposizion hatten, die bedrohten Punkte überfüllt, die Vertheidigung hierdurch selbst erschwert, und ein unnüßer Verlust an Mannschaft veranlaßt.

In Große St. Amand fochten am Ende 7 Ba= taillons, in Ligny mehr als zehn. (Die Stärke der Bataillons war im Durchschnitt 750 Mann.) Preußishes Militär-Wochenblatt von 1818 Nr. 85.

Bei der großen Schwierigkeit, die einmal zu Dorfgefechten aufgelösten, und darin verwickelten Truppen wieder aus dem Gefechte herauszuziehen, und zu sam meln, waren die eigenen Reserven des Korps de Ba taille schnell aufgezehrt, und man mußte schon, nachdem die Schlacht kaum begonnen, die Hauptreserve des 2. Korps ins Gefecht bringen. So kam es dann, daß um fünf Uhr, als der Gegner noch keinen Gebrauch von seinen Reserven gemacht hatte, die der preußischen Armee sich schon auf allen Punkten des Centrums und des rechten Flügels zersplittert, und ins Gefecht verwickelt befanden.

Eine Vergleichung der beiderseitigen Verwendung der Truppen zeigt dieß am deutlichsten.

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