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und zur Erweiterung und Vervielfältigung der Sturmlücken seine Zuflucht nehmen. Wie viel Zeit wird aber dieses nicht erfordern? und wie sehr wird dieß nicht die Belagerung verlängern? Erst wenn auf mehreren Seis ten zugleich gestürmt werden kann, wenn ganze Abtheilungen über die breiten sehr gangbaren Sturmlücken. eindringen können, und die Besaßung nicht mehr zur Vertheidigung zureicht, wird der Plag übergeben were den müssen, wenn nicht früher bereitete Abschnitte eine neue Vertheidigung, eine neue Verlängerung der Bes f Lagerung möglich machen. Ich würde die Abschnitte, die während der Belagerung dem Feinde unbewußt ges macht werden, obgleich minder fest, denen vorziehen, die man mit den Festungen zugleich erbaut, die der Belagerer kennt, und die nicht als ein unerwartetes Hinderniß, sondern nur als eine Vervielfachung der Werke wirken. Stürmende, die in die Stadt zur Plünderung und Beute zu dringen hoffen, werden ganz anders zurückprallen, wenn sie plöglich aus nahen mit. Scharten versehenen und verrammelten Häusern mit einem Kugelregen begrüßt werden, als Truppen, die auf einen Abschnitt gefaßt sind, und Schanzzeug, um sich einzugraben, bei sich haben, wenn es ihnen miß. lingt, sich in der Verwirrung des Sturmes auch bes Abschnitts zugleich zu bemächtigen.

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Das Unerwartete macht immer, vorzüglich im Kriege, die entscheidendste Wirkung. Wer die größte Gefahr, mit der er sich in Gedanken vertraut gemacht hat, Ealt und muthig besteht, geräth sehr oft in Schreck und. Verwirrung, wenn ihn plößlich die viel geringere überrascht. Daher die Wirkung einzelner Flintenschüsse, das Erscheinen einer kleinen Truppe in Flanke und Rücken.

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Daher der panische Schreck, der oft auch die Tapfersten überfällt. Wie tapfer erstürmten nicht die Franzos fen St. Jean d'Acre. Ein unerwartetes Hindernis stellt sich ihnen entgegen; sie verwirren sich, und wers den mit großem Verluste zurückgeschlagen. Wie heldenmüthig fochten nicht die Franzosen bei Waterloo, aber nun erscheint, statt Grouchy Bülow, statt Freun= den Feinde. Panischer Schrecken erfaßt das Heer, und bewirkt seine gänzliche Vernichtung. Es ist höchst gefährlich, seine Soldaten zu täuschen. Ein tapferer Mann, vertraut mit der Gefahr, bleibt tapfer. Ein tapferer Mann, von der Gefahr ahnungslos überrascht, Eann leicht sich selbst vergessen. Daher auch die große Wirkung der überfälle. Ein Junger von Adel, ich glaube ein Montmorenci, wollte versuchen, in wie weit der Connetable du Guesclin auch einer plöglich einbrechenden Gefahr zu trogen vermöge. Er kam zu dem Schlafenden, weckte ihn schnell, und kündete: „die Engländer seyen im Ort; Eeine Rettung bleibe als Flucht; das Pferd sen bereit." Du Guesclin, kaum erwacht, ergreift den Degen; erklärt, daß er fich vertheidigen, eher sterben, als fliehen wolle. Da eröffnete ihm der Andere: alles wäre nur Scherz, seia nen Entschluß zu erproben; kein Feind sen im Ort. "Junger Mensch," sprach nun du Guesclin mit furchts barer Stimme, „wäre ich so schwach gewesen, deinem Antrag zu folgen, so würde ich dich durchbohren, und mit deinem Blute das Andenken meiner Schwäche auss tilgen." Die verwegene Probe, die du Guesclin rühmlich bestanden, werden immer nur Wenige ohne Anfall von Schwäche bestehen, und Überfälle und plötzliche Ereignisse werden immer auch den Muth der Kühnsten erschüttern.

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Wie sehr zweckmäßig angelegte Abschnitte eine Bes Tagerung verzögern, hat Saragossa erwiesen. Haus vor Haus mußte erstürmt, durch Minen zerstört wer den. Hauptquartier St. Engracia," schrieb lakonisch Junot an Palafór, Kapitulation!" Noch bedeutender erwiederte dieser: „Hauptquartier Saragossa, Kampf aufs Messer," und die Franzosen, die diesen Mefferkampf nicht liebten, wurden aus St. Engracia und der schon halb eroberten Stadt wieder hinaus ges worfen. Eine tapfere Besaßung ist jeder Festung fe Alester Wall. Die Bajonette müssen sich auf einem Wallbruch gekreuzt haben, che von einer schönen Vertheidigung die Rede seyn kann. Die Türken haben hinter manchen halbverfallenen Mauern schon so manche kunstgerechte Vertheidigung durch ihren Widerstand beschämt.

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Wir sind in der Wahl der Vertheidigungsmittel viel ekler geworden, als es die Alten waren, und doch hätten wir mehr Ursache, die Vertheidigung auf alle Art gegen den Angriff zu stärken. Die Alten rollten nicht nur Balken und Steine von ihren Mauern und Wällen, was wir gelegentlich wohl auch noch thun; fie goßen glühenden Sand, siedendes Ohl und Wasser auf die Stürmenden herab, was wir, wohl mit uns recht, nicht mehr thun. Ist es wohl menschlicher und rit. terlicher, durch eine verborgene Mine Hunderte meuch lings in die Luft zu sprengen, als durch siedendes Öhl und brennenden Sand sich zu wehren, wenn die andern Mittel nicht zureichen. Der Plaß muß erhalten, der Feind abgetrieben werden. Jedes Mittel zu diesem Zwecke ist gut, es wäre denn Hinterlist; denn die List ist wohl erlaubt, aber nicht jene, die dem Betruge und Verrathe verwandt ist. Wenn wir die Belagerun

gen und Vertheidigungen der Alten betrachten, so müs sen wir gestehen, daß sie weit mehr künstliche Mittel als wir in beiden gebrauchten. Wie schwer ward es ihs nen nicht, sich einem Plage zu nähern? Wie künstlich war nicht ihr Niedersteigen in den Graben? Wie weit leichter erbauen wir unsere Batterien, als sie ihre Thürme? Wie weit schwerer ward es ihnen nicht, den Mauerbrecher anzubringen, und in Wirkung zu sehen, als uns, eine Sturmlücke zu schießen? Und wie vielers lei künstlicher Maschinen bedienten sich nicht die Belas gerten? Mit Zangen hoben sie die Widderköpfe, und machten sie unbrauchbar. Mir Haken faßten sie einzelne Belagerer, und zogen sie in die Mauern. Feuers körper wurden aus Ballisten und Katapulten auf die Maschinen der Ungreifenden geworfen. Jede Belas gerung, jede Vertheidigung hatte ihre ganz eigenthümliche Gestalt. Man konnte nicht einem hergebrachten Verfahren blindlings folgen. Man mußte sich den Gang und das Verfahren für jeden Fall erfinden, und es gehörte mehr dazu als in neuerer Zeit, um sich wie Demetrius den Namen eines Städtebezwingers (Poliors cetes) zu erwerben. Damals aber wie jeßt blieb persönlicher Muth, persönliche Kraft das Wesentlichste, obwohl man jest auf die persönliche Kraft wenig rechnet, und ganz auf die Entscheidung des Geschüßes vertraut.

Zum Beweise hievon dient wohl das Verfahren so vieler Festungskommandanten, die, sobald die Laufgráben eröffnet sind, die Besaßung auf strenge Diät seßen, und für den Feind recht viel zu erübrigen trachten. Eine große Festung muß nicht auf 3 Monate, fondern für eine doppelt so starke Zahl als die Besas hung, und auf 6 Monate verpflegt seyn, damit die zu ih Öft. milit. Zeitschrift. 1818. II. B

rem Entsaß vorrückende Armee gleich Verpflegung fine det, und ohne Aufenthalt die weitern Unternehmungen fortsehen kann. Sie muß ferner einem kleinern, vom Feinde verfolgten Korps eine Zuflucht bieten kön nen, und nicht gleich in die Gefahr kommen, sich früs her ergeben zu müssen, wenn einige tausend Mann sich in die Festung werfen, und die Verzehrer aber auch die Vertheidiger vermehren. Man sollte den Unterhalt des Mannes bei einer Belagerung vermehren, nicht beschränken. Die erhöhte physische Kraft zeigt höhern Muth. Wein und Branntwein wirken der schädlichen Kasematten Luft entgegen. Immer ist Brot und Wein wohlfeiler als China und Tissane. Es gibt keine theuerere Ersparung, als die auf Kosten der Nahrung und Bekleidung des Mannes bewirkt wird. Es haben Eng. Länder die Welt umsegelt, ohne einen Mann zu vers Lieren, ohne selbst einen Skorbutkranken zu haben. Ist eine Festung gegen ein Schiff nicht mehr als der größte Pallast gegen die ärmfte Hütte? - Der Schiffs= mannschaft wird einen großen Theil des Tages kaum Luft und Licht. Frisches Eleisch ist für sie ein Lecker= biffen, der sie oft in 3 Monaten nicht ein Mal erfreut, und wo hat irgend ein Schiff eines seekündigen Volkes verhältnißmäßig so viele Kranke als eine Besaßung, selbst wenn sie nicht belagert wird? Das macht der Rhum, das Sauerkraut, die Vorsorge für die Erhaltung des Mannes, wozu besonders die Reinlichkeit gehört. Hat eine Festung zwei Monate eine Belagerung ausgehalten, und die Besaßung zieht aus, ́so glaubt man wandelnden Leichen zu begegnen. Alles kriecht fort was kann, und doch sind die Spitaler meist alle voll von Kranken, nicht von Verwundeten. Der Feind chut sich

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