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Der deutsch-französische Krieg und die Wiederaufrichtung des deutschen Kaiserreichs 427 Innere Kämpfe .

Der Kampf mit den Ultramontanen
Der Kampf mit den Sozialdemokraten

Die äußere Lage

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Siebentes Buch.

Preußens Wiedergeburt und Befreiungskrieg.

Die Steinsche Reform.

Einen Linen Segen hat das maßlose Elend von Jena bis Tilfit doch gehabt, einen Segen von Gott: es brach den hoffärtigen Sinn der Regierenden; und der furchtbare Druck, den die Franzosen auch nach dem Frieden noch verübten, er ward nicht minder zum Segen, denn er zerstörte die Frivolität der Gebildeten und die stumpfe Gleichgiltigkeit der Massen. Das Unglück erwies fich in Preußen als der beste Arzt, es deckte die Schäden auf und predigte Befferung. Die Not der Zeit zwang auch die Widerstrebenden zu dem, was allen am meisten gebrach, zur Selbsterkenntnis und zu der Einsicht, daß es nur besser werden könne, wenn man selber beffer werde.

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Es wird mir immer flarer" schrieb die Königin Luise im Frühling 1808 ihrem Vater, dem Herzog von Streliß ,daß alles so kommen mußte, wie es gekommen ist. Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein, und es soll eine andere Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat und als abgelebt in sich zusammenstürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbern Friedrichs des Großen, welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, und deshalb überflügelte fie uns. Von Napoleon können wir vieles lernen, und es wird nicht verloren sein, was er gethan und ausgerichtet hat. Es wäre Lästerung zu sagen, Gott sei mit ihm; aber offenbar ist er ein Werkzeug in des Allmächtigen Hand, um das Alte, welches kein Leben mehr hat, das aber mit den Außendingen fest verwachsen ist, zu begraben." Auch der König nahm sich die furchtbare Lehre zu Herzen; aber doch war es nur der

Fierson, preuß. Geschichte. II.

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beharrlichen Einwirkung Luisens zu danken, daß er nicht nur eine Reform anordnete, sondern sie auch troß des Abmahnens seiner Vertrauten, der Köckriz, Kalkreuth, Zastrow, durchführte.

Als den Einzigen, der den Staat wiederherstellen könne, betrachteten alle Einsichtigen den Mann, den der König noch jüngst in Ungnade von sich gestoßen: den Freiherrn vom Stein. Diesen berief der König jezt zum Retter der Monarchie; Stein vergaß, wie man ihn behandelt hatte, und folgte dem Rufe. Am 30. September 1807 traf er in Memel bei Hofe ein, am 4. Oktober ward er an die Spiße der ganzen Zivilverwaltung gestellt.

Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein war ein Rheinländer, geboren am 25. Oktober 1757 auf der Burg Stein bei Nassau an der Lahn, aus einem alten Reichsrittergeschlechte. Seit mehr als zwanzig Jahren hatte er in deutschen, zuletzt in preußischen Staatsdiensten als Diplomat und Verwaltungsbeamter eine reiche Geschäftserfahrung zu dem staatsmännischen Genie gefügt, welches ihn auszeichnete. Denn voll idealen Schwunges traf sein durchdringender Geist doch stets den Kern der Wirklichkeit, den Mittelpunkt der reellen Bedürfnisse, und begeistert für alles Edle und Große, für Recht und Freiheit, für Deutschlands Glück und Ehre, ftrebte er nie über das Erreichbare und Zweckmäßige hinaus. Er besaß eine vielseitige Bildung, gleichmäßig durch das Leben und durch Studium erworben, er besaß eine seltene Harmonie von Theorie und Praxis, aber er besaß noch eins, was seltener war, als Wissen, Bildung, Jdeale, nämlich einen Charakter, wie ihn der Reformator seiner Zeit haben muß: kühn durchgreifend mit mächtiger Willenskraft, streng bis zur Härte gegen alles Verkehrte und Entartete, zäh ausdauernd im Kampf mit dem Unverstande und der Bosheit und durchaus unzugänglich irgend welcher Menschenfurcht; ein zorniger und starker Eiferer wider den Mißstand alter und neuer Zeit und ein kluger Erfinder, bedachtsamer Pfleger des Besseren. In Haß und Liebe ernsthaft und energisch, wollte er immer die Sache, nie fich selbst; all sein Streben war selbstlos und rein und galt nur dem großen Ganzen; kein Fürstendiener, vielmehr schroff und knorrig in seinem Benehmen, wie in seinem eichenfesten Charakter; aber ein Staatsdiener und ein Edelmann im besten Sinne des Worts. Schlicht und gerade, von altväterischer Sitte, fromm und glaubenstreu, stolz und freigesinnt wie ein echter alt= deutscher Ritter, war er zugleich voll hochherzigen Gemeinsinns; er hielt für das wahre Merkmal des Adels, daß dieser es den andern Ständen zuvor thue in wirklichen Verdiensten um den Staat, in reellen Leistungen für das Vaterland. So dachte und strebte er selbst; Schwierigkeiten und Unfälle irrten ihn nicht, auch nicht der Undank; er blieb sich und seinen Zielen treu. Was er verfolgte, war großartig wie die Ideen von 1789,

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aber deutsch wie er selbst; nicht französische Gleichmacherei und Masseneinung, sondern deutsche Entwickelung des Besondern und Mannigfachen durch gleichmäßige Berechtigung und Befreiung zu rechter Harmonie, das war die Absicht seiner Staatskunst. Aber das Geschichtliche, Überlieferte galt ihm nur so lange für ehrwürdig, als es ihm noch eigenes Leben zu enthalten schien: die toten Formen zerbrach er unbedenklich, wenn sie auch deutsch und altersgrau waren; er zerbrach sie ebenso unbedenklich) wie die neuen welschen Mißbräuche; das Leben, das reiche, vielfarbige, das in den Eigentümlichkeiten der deutschen Sonderwesen pulsirte, konnte sich dann erst wieder schön entfalten. Er schonte und pflegte es, er gab jedem das Seine, aber ein jeder sollte auch dem Ganzen das Seine geben. Die Rechte und Freiheiten der Wenigen sollten weichen vor dem allgemeinen Recht, vor der allgemeinen Freiheit; der Unterthan sich veredeln zum Staatsbürger. Denn das war ihm klar, die Wurzel des Übels lag in der Teilnahmlosigkeit des eigentlichen Volkes, in dessen Überbürðung und Bevormundung. Es mußte mitraten, wenn es mithandeln sollte. Es galt, eine Monarchie mit demokratischer Grundlage, „ein wahrhaft deutsches Staatswesen herzustellen, gegründet auf ein freies Bürgertum, gestüßt und getragen durch die Selbstregierung der Gemeinden und Provinzen, vergeistigt durch die echte Freiheit auf den Fundamenten der Gefeße." Der absolutistisch-feudale Staat mußte in ein monarchisches Gemeinwesen, der Militärstaat völlig in einen Rechtsstaat verwandelt werden. Dann erst, wenn die drückenden Vorrechte der Wenigen abgeschafft, und vor dem Geseze alle gleich gestellt würden, wenn jeder an der Verwaltung der Gemeindesachen und dadurch an der Lenkung der Geschicke des ganzen Staates mit Rat und That teil nehme, und eine ständische Volksvertretung den Thron umgebe, dann werde die ganze Nation rechte Liebe zum Vaterlande und unbezwingliche Kraft zu dessen Verteidigung bekommen. So war Stein kein Revolutionär, aber ein Reformator; ein liberaler Politiker, aber zugleich im besten Sinne ein konservativer; kurz der deutsche Gegensatz gegen den Napoleonismus, dieses welsche Gemisch von Jakobinertum und Despotie. Er war auch dessen erbittertster Feind, und wenn seine Staatskunst, wie er selbst sagte, den Endzweck hatte, „einen sittlichen, religiösen, vaterländischen Geist in der Nation zu heben“, so sollte sie ihr zugleich wieder Mut, Selbst= vertrauen, Bereitwilligkeit zu jedem Opfer für die Unabhängigkeit und für die Nationalehre einflößen, um bei der ersten günstigen Gelegenheit den blutigen, wagnisvollen Kampf für beides zu beginnen." Steins Reformen waren daher auch ein Anfang zu rechter Kriegsrüstung.

Mit außerordentlicher Vollmacht betraut, das Staatswesen volkstümlich umzugestalten, fand Stein für sein großes Werk auch treffliche Gehilfen. Es gab unter der preußischen Beamtenschaft tüchtige Männer

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genug; fie waren nur bisher nicht zu gehöriger Geltung und Verwendung gekommen. Stein wußte sie zu würdigen, und sie arbeiteten ihm sofort aufs beste in die Hände; vor allem die Minister und Räte v. Schrötter, v. Schön, v. Vincke, Stägemann, v. Klewiß, meist Aristokraten von Geburt, Demokraten von Gesinnung. Sie hatten die Reformen, die not thaten, längst gewußt und gar manche zur Sprache oder zu Papier ge= bracht; aber das Gewünschte war Wunsch, das Vorgenommene Entwurf geblieben; jezt bekam alles Wirklichkeit und Leben. Denn Stein konnte durchsetzen, was er wollte; er stand allein und fest am Steuer. Die Königin verehrte in ihm den Retter, und der König überwand sich selbst, indem er ihm mit unbedingtem Vertrauen entgegenkam und die Schroffheiten dieses Ministers, der kein Höfling war, geduldig ertrug. Sein Mut richtete sich vielmehr an diesem großartigen Charakter auf, und er fing wieder an zu hoffen. Denn auch durch seine persönliche Erschei= nung übte Stein eine große Gewalt aus. „Auf Steins Angesicht" so schildert ihn Moritz Arndt waren zwei Welten. Auf dem oberen Teile desselben wohnten fast immer die glanzvollen und sturmlosen Götter. Seine prächtige breite Stirn, seine geistreichen, freundlichen Augen, seine gewaltige Nase verkündeten Ruhe, Tieffinn und Herrschaft. Davon machte der untere Teil seines Gefichts einen großen Abstich. Der Mund war offenbar der oberen Macht gegenüber zu klein und fein geschnitten, auch das Kinn nicht stark genug. Hier hatten gewöhnliche Sterbliche ihre Wohnung, hier trieben Zorn und Jähzorn ihr Spiel und oft die plößlichste Heftigkeit, die, Gottlob, wenn man ihr begegnete, sich bald wieder beruhigte. Aber das ist wahr, daß wenn dieser schwächere untere Teil im Zorne zuckte, und der kleine, bewegliche Mund mit ungeheurer Geschwindigkeit seine Aussprudelungen vollführte, die oberen Teile wie ein schöner, sonniger Olymp noch zu lächeln und selbst die blizenden Augen nicht zu dräuen schienen, so daß, wenn man vor der unteren Macht erschrak, man durch die obere getröstet ward. Sonst sprach aus allen Zügen dieses herrlichen Mannes Redlichkeit, Frömmigkeit und Mut. Stein glich ganz auffallend dem Philosophen Fichte. Dieselbe Stirn, nur noch breiter und mehr zurückgebogen, dieselben kleinen, scharfen, funkelnden Augen; fast dieselbe, nur noch mächtigere Nase; die Worte derb, klar, fest, mit kurzer Geschwindigkeit, gleich Pfeilen von dem Bogen, gerade in das Ziel geschnellt. Dieselbe Fichtesche unerbittliche sittliche Strenge."

Die erste große Verbesserung galt dem Zustande der Landesbevölkerung, die noch größtenteils in mittelalterlicher Unfreiheit schmachtete. Am 9. Oktober 1807 erschien das „Edikt über den erleichterten Besiz und den freien Gebrauch des Grundeigentums." E3 war bereits vor Ankunft Steins, und zwar von dem Minister v. Schrötter

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