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Opposition der Fortschrittspartei.

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will; aber über die Rechte des Königs könnte man stets einfach zur Tagesordnung übergehen. Sie widersprechen durch Ihr Verhalten nicht nur der Verfassung, sondern auch den Traditionen und der Geschichte, Sie widersprechen dem Volksgeist Preußens. Dieser ist Gott sei Dank durch und durch monarchisch und dabei wird es auch troß Ihrer Aufklärung, die ich Verwirrung der Begriffe nenne, bleiben. Sie widersprechen den ruhmvollen Traditionen unserer Vergangenheit, indem Sie die Großmachtstellung Preußens, welche durch schwere Opfer an Gut und Blut des Volkes errungen ist, desavouiren. Sie widersprechen der glorreichen Vergangenheit des Landes, indem Sie in einer Machtfrage zwischen der Demokratie und den kleinen Staaten auf der einen und dem preußischen Thron auf der andern Seite für erstere Partei ergreifen. Sie wollen Preußen einer Bundesmajorität unterwerfen, es mediatisiren lassen; damit thun Sie gerade, was Sie uns vorwerfen: Sie sehen den Parteistandpunkt über die Intereffen des Landes. Sie sagen: Preußen soll bestehen, wie wir es wollen, oder wenn nicht, so mag es zu Grunde gehen! Aber das preußische Volk denkt und fühlt so nicht. Die Souve= ränität des Königs, dieser rocher de bronce, steht noch heute fest; er bildet das Fundament der preußischen Geschichte, des preußischen Ruhms, der preußischen Großmacht und des verfassungsmäßigen Königtums. Diesen ehernen Felsen werden Sie nicht zu erschüttern vermögen durch Ihre Resolutionen, durch Ihr liberum Veto."

In der That, wenn die Fortschrittspartei gehofft, mit ihren Willensäußerungen irgend etwas zu erreichen, so irrte sie sich. Schon die erwartete Wirkung auf das Volk blieb aus.

Freilich den Beschlüssen hinsichts des Budgets stimmte fast jeder Liberale zu; sie schienen zum Schuß des Volksrechts notwendig. Aber jene Resolution in betreff der auswärtigen Politik stieß alle Gemäßigten wie alle Preußischgesinnten ab. Diese erblickten in ihr den Ausdruck blinder Parteiwut und verurteilten sie als eine ebenso unweise wie unpreußische Handlung.

Noch weniger ließ der König sich beirren. Also seine Politik von der Fortschrittspartei vor Europa gleichsam in den Bann gethan! Es war nicht das erste Mal in der Geschichte Preußens, daß der Landesherr dem Landtag zum Troß Großes und Gutes hatte vollführen müssen; auch unter dem großen Kurfürsten hatte die Landesvertretung so kurzsichtig und hartnäckig auf ihrem Schein bestanden. Nicht minder fest als der Ahnherr war König Wilhelm; seine Politik ging ruhig ihren Gang weiter. Er griff jezt zum Schwert; Österreich folgte wieder. Am 1. Februar 1864 überschritten die Truppen der beiden Mächte unter preußischem Oberbefehl die Eider; der schleswigsche Krieg begann.

Er fügte der ruhmreichen Geschichte Preußens ein neues glänzendes

Pierson, preuß. Geschichte. II.

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Blatt hinzu. Auch die Abgünstigen konnten nicht umhin, einzuräumen, daß der preußische Soldat in dem schweren Winterfeldzuge mit Ausdauer, Gewandtheit und Tapferkeit gefochten, und selbst die dänischen Bewohner der Halbinsel rühmten seine gute Mannszucht. Die Alten daheim aber, die einst den Befreiungskrieg mitgemacht, sahen mit Stolz die Söhne der Väter wert. In der That, wenn auch die Verhältnisse dieses Krieges unendlich kleiner waren, den stürmischen Mut, womit das Heer bei Düppel mehr that, als ursprünglich befohlen war, und an jenem Ehrentage, Montag den 18. April, in zwei Stunden (von 10-12 Uhr Vormittags) die schwarzweiße Fahne auf alle zehn Schanzen und auf den Brückenkopf am alsener Sunde pflanzte, diese Schwungkraft durfte man immerhin mit der selbstbewußten Energie der Kämpfer von 1813 vergleichen. *) Auch die Leistungen der Führer befriedigten. Der preußische General Prinz Friedrich Karl, Neffe des Königs, hatte sich durch den Schlei= übergang bei Arnis (6. Februar), der die Dänen nötigte, den Österreichern das Dannewirke zu überlassen, noch mehr dann durch die umsichtige Belagerung der düppeler Schanzen als tüchtigen Feldherrn erwiesen. Freilich an und für sich war der Sieg zweier Großmächte über einen so fleinen Staat wie Dänemark, der Sieg von 40 000 Preußen und 20 000 Österreichern über 40 000 Dänen noch nichts Bewundernswertes.

Selbst die kleine preußische Flotte zeichnete sich aus; bei Jasmund, am 17. März 1864, bestand sie ihr erstes Gefecht; drei preußische Schiffe kämpften dort tapfer mehrere Stunden lang gegen sechs dänische und fügten dem Feinde größeren Verlust zu, als sie selbst erlitten.

Aber man hatte in Preußen bald noch einen andern Grund zur Freude. Auch die preußische Diplomatie leistete offenbar weit Besseres, als viele erwartet hatten, und selbst diejenigen, welche Preußens Allianz mit Österreich als einen Haupt- und Grundfehler verurteilten und die Bismarcksche Politik nur mit künstlerischem Interesse betrachteten, konnten nicht umhin, ihr einigen Beifall zu spenden. Denn sie benutte die Um= stände mit einer Virtuosität, die wenigstens an einem preußischen Diplo= maten neu war. Der Tag von Düppel hatte es ihr freilich sehr erleichtert. An sich war er ein großer militärischer Erfolg: 5000 Dänen kampfunfähig, 118 Kanonen erbeutet, die feindliche Streitmacht gebrochen und vom schleswigschen Festlande verjagt; aber er verbesserte auch die

*) Eine alte Bauernwitwe im uckermärkischen Dorfe Flieth ließ damals durch den Ortsprediger ihren in Schleswig stehenden Sohn, von dem es (übrigens fälschlich) hieß, er habe wenig Mut gezeigt, zornig wissen, „fie wolle lieber, daß er tot als ein feiger Soldat sei.“ Der Hauptmann konnte ihr zum Trost schreiben, der betreffende Füsilier habe immer brav gefochten, was denn zur Genugthuung der Gemeinde und zur Rehabilitirung der Familie von der Kanzel herab verlesen wurde.

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politische Stellung Preußens ungemein. Denn die Österreicher hatten an diesem einzigen größeren Kampfe keinen Teil gehabt; dagegen gab das Blut von 1100 seiner Söhne, die bei Düppel getötet und verwundet waren, dem preußischen Staate ein Anrecht auf den Boden, den es tränkte, wenn anders große Opfer ihren Lohn verdienen. Um so entschiedener konnte nun Preußen bei den londoner Friedens-Konferenzen (vom 12. Mai bis 26. Juni 1864) für Schleswig-Holsteins dauernde Befreiung auftreten; nicht eingeschüchtert durch Englands Drohungen, sagte es sich am 15. Mai offen und völlig vom londoner Protokoll" los, und da der nationale Drang Deutschlands dem Auslande imponirte, so schloß sich Österreich auch jezt noch der Politik seines alten Nebenbuhlers an, damit dieser nicht die zu erwartenden Früchte allein ernte.

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Als darauf die Hartnäckigkeit der Dänen den Wiederausbruch der Feindseligkeiten (am 26. Juni) herbeiführte, gewannen die preußischen Waffen einen neuen und kaum weniger glänzenden Sieg. Es galt, den Dänen die lehte Position in Schleswig, die Insel Alsen, zu entreißen. Sie war durch den breiten alsener Sund geschüßt und von 11000 Dänen unter dem General Steinmann besetzt. Mittwoch am 29. Juni 1864 gingen die Preußen, 18 000 Mann, geführt vom General Herwarth von Bittenfeld, zuerst 3000 Mann auf 120 Böten, unter dem feindlichen Feuer hinüber, warfen den Feind rasch in die Flucht, trieben ihn von der Insel in seine Schiffe. 2800 Gefangene, 500 Tote oder Verwundete, 97 Kanonen ließ er zurück; die Sieger hatten nur 60 Tote, 300 Verwundete.

Dänemarks Troß war nun gebrochen. Es konnte sich von der See nicht mehr geschüßt wähnen, mußte eines Angriffs durch die vereinigte österreichisch-preußische Flotte und zugleich einer Landung der Verbündeten, die ganz Jütland schon besetzt hatten, auch in Fünen gewärtig sein. Es bot nun die Hand zum Frieden; am 1. August verhandelte es zu Wien mit den Bevollmächtigten Preußens und Österreichs um einen Waffenstillstand und trat nach den Präliminarien dieses Tages dann definitiv im Frieden zu Wien am 30. Oktober 1864 dem Kaiser von Österreich und dem Könige von Preußen die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg ohne Vorbehalt ab.

Es mußte sich nun entscheiden, ob Bismarcks Politik, die bereits so viel erreicht, nun in dem Punkte, welcher für Preußen die Hauptsache war, stich halten, ob sie das eroberte Schleswig-Holstein mit seinen großen maritimen Hilfsmitteln in einer oder der andern Weise an Preußen bringen werde. Konnte sie es, so hatte sie nicht bloß die materiellen Kräfte und das äußere Ansehn des Staates sehr vermehrt, sondern auch für die glückliche Lösung der deutschen Einheitsfrage mehr gethan, als seit fünfzig Jahren geschehen war. Dann erst kam auch die einheimische

Demagogie, die noch kürzlich, das Partei-Intereffe über das StaatsInteresse stellend, wider „Preußens Großmachtkißel" unpreußisch geeifert und dann über Bismarcks Erfolge sich geärgert hatte, um ihren Kredit.

Mit zweifelnder Besorgnis erwogen die Freunde, mit schadenfroher Erwartung berechneten die Feinde der Regierung, wie viel hier auf dem Spiele stand. Das fühlte ein jeder, der Staat war an einem großen Wendepunkte seiner Geschicke angelangt; aber ist es zu schönem Aufschwung oder zu schmählichem Niedergang? Die Maffe der Halbgebildeten im Volke holt sich von der Zeitungspresse die Drakel; sie verkündeten fast alle Unheil. Denn die Köpfe der Tagespolitiker benimmt so leicht der Streit der Parteien. Aber mit freudigem Vertrauen warteten der Zukunft, denen Klio die Pythia ist. Denn sie, die rückwärts gekehrte Prophetin, die aus der Vergangenheit die Gegenwart erklärt, sah in der Geschichte Preußens die Dynastie einer Aufgabe von seltener Größe oft mehr als gewachsen und nur zuweilen unter ihr bleibend; die Nation, von jener gebildet, reich wie ein altes Volk an Thaten und Ehren, doch troß ihrer Jugend nur ein-, zweimal sich verirrend; und sie schloß, daß die beiden in Zukunft vielleicht hin und wieder schwanken, aber sicherlich immer wieder sich finden würden, treu und wert der hohen Ziele, welche die Vorsehung so offenbar ihnen gesteckt hatte.

Neuntes Buch.

Die Einigung Deutschlands.

Die deutsche Frage.

Die Völker haben, eben wie die Einzelnen, in ihrem Charakter zugleich den Zug nach dem Gleichmäßigen, auf Regel, Gesez, Allgemeinheit hin, und die Neigung zum Eigenartigen, die sich am Wechsel, an der Ausnahme, an dem Besondern freut. Auf der Verbindung von Analogie und Anomalie beruht nicht bloß die Grammatik, sondern auch die Seelenlehre. So betrachtet hat die deutsche Vielstaaterei nichts Widersinniges, fie entspricht vielmehr der angestammten deutschen Sondersucht. Allein je älter die Menschen und die Völker werden, je mehr bei ihnen der Verstand über das Gefühl und die Phantasie, und die Bildung über die Natur emporkommt, desto höher steigt in ihrer Schäßung der Wert des Nüßlichen, während das Vergnügen an dem Absonderlichen sich verliert. Die politische Zersplitterung Deutschlands hatte daher, auch wenn Gewalt fern blieb, keinesweges die Aussicht auf eben so lange Dauer wie das deutsche Volk. Wohl aber konnte sie über das Bedürfnis hinaus noch viele Menschenalter hindurch künstlich konservirt werden.

Ein sehr wirksames Mittel hiezu war der 1815 geschlossene „deutsche Bund". Denn er legte den beiden Großmächten, welche sich als die natürlichen Erben des untergegangenen deutschen Reichs betrachten durften, die Pflicht auf, die deutschen Kleinstaaten in ihrem Bestande vielmehr zu schüßen. Eine so lästige Pflicht hätte vernünftiger Weise müssen durch große Vorteile aufgewogen werden. Aber weder waren die Be

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