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Partei hoffte, daß der Kaiser nun Steins Entlassung bewirken werde. In der That beeilte sich Napoleon, von diesem Vorfall Nußen zu ziehen. Schon vorher hatte er durch die Drohung, den preußischen Staat ganz zu vernichten, den Prinzen Wilhelm, Bruder des Königs, welcher als Bevollmächtigter Preußens in Paris weilte, dahin gebracht, daß er (am 8. September 1808) einen Vertrag als Erläuterung des tilsiter Friedens unterzeichnete, in welchem Preußen den Abzug der Franzosen durch ungeheure Opfer erkaufte: es sollte troß der erpreßten Kontributionen noch 140 Millionen Francs zahlen, in den Festungen Glogau, Küstrin und Stettin bis zur Abzahlung dieser Schuld 10.000 Mann Franzosen ernähren, sieben Militärstraßen bewilligen und sich verpflichten, selber nicht mehr als 42 000 Soldaten zu halten, auch die Bildung einer Landwehr und Volksbewaffnung nicht vorzunehmen; ja es sollte sogar für den drohenden Krieg mit Österreich den Franzosen Hilfstruppen stellen. Die Frage war, ob Friedrich Wilhelm diesen Vertrag genehmigen werde. Da kam es nun dem Kaiser ganz gelegen, daß jener Brief Steins ihm den Vorwand gab, eine noch schroffere Haltung anzunehmen und zu thun, als ob er über Gebühr milde gewesen. Denn er wußte recht gut, wie gern der König Frieden halte. Seine Berechnungen trafen zu. Vergebens rieten Stein, Scharnhorst und ihre Genoffen aufs eifrigste dem Könige, diesen schimpflichen Vertrag zurückzuweisen und sich eng mit Österreich zum Kriege zu verbinden. Die Friedenspartei überwog.

Sie bestand aus sehr verschiedenen Elementen. Da war zuerst die „ritterschaftliche“ (sogenannte „Junker") Partei, ein großer Teil des begüterten Landadels, vornehmlich der Kurmark. Sie kämpfte gegen die Reform offen und ehrlich. Sie war bereit, für den Staat Opfer zu bringen, aber sie hielt fest an ihren Standesvorrechten: GrundsteuerFreiheit, ausschließlichem Besiß der Offizierstellen, Stiftsstellen, Hofämter und anderer einträglicher Pfründen; sie wünschte eine repräsentative Verfassung, aber nur die alte ständische, die im Grunde bloß den angesessenen Adel berücksichtigte. An ihrer Spiße stand der Oberstleutnant von der Marwit, ein tapferer Soldat und ehrenwerter Charakter, aber in der Politik einer der verstocktesten Aristokraten, der in den staatlichen Reformen nichts als verwerfliche Revolution und den Ruin des Landes sah. Er und die ihm Gleichgesinnten wollten vor allem mit dem Minister dessen politisches System stürzen, und da der Krieg nur möglich war als ein Volkskrieg, da Stein gar abscheulich zu sagen! vorschlug, beim Ausbruch des Krieges den Adel aufzuheben und nachher nur den Adel derer anzukennen, die fich im Kriege auszeichnen würden, so waren die Junker gegen den Krieg, wie gegen alles, was von Stein ausging und seine Stellung stüßen mußte.

Noch weit wirksamer ward Stein von der französischen" Partei angefeindet. Diese bestand teils aus jenen Mittelmäßigkeiten, die der König gern hatte, den Köckriz, Zastrow, Kaldkreuth, Graf Lottum, Hofprediger Ancillon, welche Ruhe und Frieden um jeden Preis wünschten und das Heil nur in der Nachgiebigkeit gegen Napoleon sahen, teils aus feilen Knechtseelen oder blöden Schwächlingen, die sich von den Franzosen hatten erkaufen oder geistig wie leiblich unterjochen lassen. Sie hatten in Königsberg und in Berlin, am preußischen Hofe und bei den französischen Marschällen ihre Verbindungen; sie kämpften insgeheim, indem sie die Absichten der Reformminister verdächtigten und auf alle Weise das Gemüt des Königs und der Königin gegen Stein einzunehmen suchten.

Endlich waren da noch einige persönliche Neider, welche auf Kosten des leitenden Ministers und seiner Anhänger höhere Amter zu erlangen wünschten und daher gegen ihn intrigirten; unter ihnen besonders eifrig der Geheimrat v. Nagler, ein Mann, der in späteren Zeiten, als Leiter des preußischen Postwesens (seit 1821) sich einige Verdienste erworben hat, damals aber durch seine Ränke sehr schädlich wirkte.

Alle diese bildeten so zu sagen eine große Verschwörung der Friedens- und Reaktionspartei. Es verbreitete sich vom Hofe aus die Ansicht, Stein sei ein guter Minister für das Volk, aber nicht für den König; und bei den Franzosen die Überzeugung, Stein sei Napoleons gefährlichster Feind. Die Nachteile des pariser Vertrages gab man dem unbesonnenen Kriegseifer des Ministers Schuld; es schien ratsam, den Groll des gewaltigen Kaisers zu besänftigen und mit Klugheit das Joch zu tragen, damit es leichter werde; es wurde vor allem auf den Zaren gewiesen, der eben mit Napoleon zu Erfurt freundschaftlich verkehrte (27. September), und auf die ungeheure Macht des abendländischen Kaisers, der dort die Huldigungen seiner gekrönten Vasallen, der Rheinbundfürsten und seiner Brüder, der Könige von Holland, Neapel, Spanien, entgegennahm. Andrerseits unterstüßte der wiener Hof die Anstrengungen der preußischen Kriegspartei nicht, sondern benahm sich mit zaudernder Unentschloffenheit.

So gab denn Friedrich Wilhelm nach; er genehmigte den pariser Vertrag, verzichtete damit auf jene kühnen Gedanken des Widerstandes und unterwarf sich der franzöfifchen Diktatur. Darin bestärkte ihn der Zar, der auf dem erfurter Kongreß einen förmlichen Bund mit Napoleon geschloffen und für die Zusicherung Finnlands und der Donaufürstentümer es übernommen hatte, den König von Preußen in friedlicher Stimmung zu erhalten.

Steins Entlassung war nun notwendig geworden, sie erfolgte am 24. November 1808. Sein Lohn war die allgemeine Trauer des Volkes

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um ihn und die Liebe der Besten. Sie tröstete ihn über den Undank und die Unwürdigkeit der kleinen, aber mächtigen Partei, welche nun jubelte. Merkwürdiger Weise gehörte zu dieser auch ein Mann, den seine Großthaten später zu einem der Heroen des Befreiungskrieges gemacht haben, York! Jetzt war er noch so sehr in der kurzsichtigen, engherzigen Junkerpolitik befangen, daß er beim Sturze des großen Reformers schadenfroh ausrief: „ein unsinniger Kopf sei schon zertreten, und das andere Natterngeschmeiß werde sich wohl in seinem eigenen Gifte auflösen." *) Wenn sich nun auch die Hoffnungen der Reaktionären nicht ganz erfüllten, so geriet doch das Reformwerk allerdings ins Stocken. Stein hatte vor seinem Rücktritte ein von dem Staatsrat v. Schön entworfenes Schriftstück unterzeichnet, das gleichsam sein politisches Testament war und den Plan angab, nach welchem der Ausbau der begonnenen Reform weiter erfolgen müsse. Aber die mittelmäßigen Leute, denen der König nun wieder mehr sein Ohr lieh, waren ohne die Kraft oder ohne den Willen, Steins Arbeit fortzusehen. Er selbst konnte nicht einmal als Privatmann in dieser Richtung mehr nüßen. Denn am 16. Dezember erschien ein kaiserliches Dekret, durch welches Napoleon „einen gewissen Stein, der Unruhen in Deutschland zu erregen suche," für einen Feind Frankreichs und des Rheinbundes erklärte und zu verhaften befahl. Diese Ächtung, vor der das gedemütigte Preußen den edeln Mann nicht schüßen konnte, trieb Stein ins Ausland. Er entkam glücklich nach Böhmen und fand später in Rußland eine Freistatt, wo er fortfuhr, für die Wiedererhebung Deutschlands zu wirken.

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Das Ministerium, welches nun Steins Erbschaft antrat, war ohne innere Einheit; es gehörten ihm Männer der Reform an - v. Altenstein als Vorsitzender und für die Finanzen, Scharnhorst für den Krieg, W. v. Humboldt für den Unterricht, Graf Dohna-Schlobitten für das Innere- und Männer der alten Schule, nämlich Graf Golz für das Auswärtige, Beyme für die Justiz. Daher kam es, daß die Geschäfte nun wieder mit Halbheit und Schwäche betrieben wurden. Zwar davon konnte keine Rede sein, daß Preußen den Franzosen, wie der pariser Vertrag forderte, ein Hilfscorps stellte; aber ebenso wenig trat der König für Österreich auf. Er wartete ab, und so geschah es, daß Österreich wieder allein in den Kampf ging und der französisch - deutschen Kraft erlag; denn die Heere, mit denen Napoleon die Schlachten an der Donau von Hausen bis Wien schlug, bestanden zumeist aus Rheinbundstruppen. Eine Volkserhebung größerer Art fand nur in Tirol statt. In Mittelund Norddeutschland war sie möglich, wenn Preußen an die Spiße trat und die Massen mitfortriß. Da der König zauderte, so handelten

*) Droysen, York, 4. Aufl. I. 135. Pierson, preuß. Geschichte. II.

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einzelne kühne Männer auf eigene Hand. In Hessen suchte Oberst von Dörnberg einen Aufstand zu entzünden, in Preußen brach Ferdinand von Schill los.

Dieser verwegene Reitersmann glühte, wie so viele in Preußen, vor Kampfesungeduld. Sie wurde gesteigert durch die Überfülle des Dankes und Lobes, die ihm in Berlin, wo er jezt als Husaren-Major in Garnison stand, für seine Thaten zu teil wurde. Denn er fühlte, so viel nicht verdient, dafür nicht genug gethan zu haben; er meinte mehr thun zu müssen, damit er des erworbenen Heldenruhms vollwürdig wäre. Als nun Österreich im Frühling 1809 das Schwert zog und die deutschen Völker zur Erhebung aufrief, als sich schnell die übertriebensten Nachrichten von Siegen des Erzherzogs Karl, von Volksbewaffnung in Hessen und anderwärts verbreiteten; da hielt Schill die Zeit für reif. Es waren zwei Dorfschulzen aus Westfalen zu ihm gekommen; er glaubte gern, was sie eifrig berichteten: das ganze Reich des „grusligen“ Königs Jerome sei in brausender Gährung, in mancher Gegend schon blutiger Aufstand; es bedürfe nur eines Führers, um der Rettung, der Befreiung gewiß zu sein*). Dem Rufe, dieser Führer, dieser Retter zu sein, war er begeisterungsvoll bereit zu folgen. Durch frische wagende That hoffte er die ganze deutsche Nation zum Aufstande mitzureißen. Auch anderen. schien er die rechte Persönlichkeit; überall in Preußen verehrte man den berühmten Parteigänger; in Berlin war er fast der Abgott des Volkes: ,,der stattliche, lebensfrische Mann von 36 Jahren in dem malerischen Husarenkleid war nicht nur eine martialische, sondern zugleich eine liebenswürdige Erscheinung. Sein feuriges schwarzes Auge, sein freundliches und wohlwollendes Wesen imponirte und gewann zugleich. Sparsam und mäßig in seinen eigenen Bedürfnissen, großmütig gegen den Bedürftigen, freigebig gegen seine Waffengefährten, von unübertroffener Tapferkeit und einem frischen, feurigen Wesen, auch mit einer natürlichen Gabe populärer Beredsamkeit ausgestattet, war er ganz dazu geschaffen, ein Liebling des Volkes zu werden.“ Man übersah gern eine krampfhafte Unruhe in seinem Wesen, ein Abspringen von einem aufs andere und neben der Neigung zu kecken Husarenstreichen den Starrsinn, den er besonnenem Rat entgegenseßte. Man übersah auch seinen Mangel an Scharfblick und Geist, der bei einem Parteigänger durch Tapferkeit und List ersehbar war, aber es undenkbar machte, daß er je hätte ein guter Feldherr sein können.

Am 28. April 1809 zog er mit seinem Regiment aus Berlin zum Halleschen-Thore hinaus, anscheinend, um draußen auf dem Ererzierplage eine Übung vorzunehmen. Plößlich ließ er halt machen und verkündete

*) Gubit, Erlebnisse I. 152.

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seinen Entschluß, den Kampf gegen den fremden Tyrannen aufzunehmen. Mit freudigem Hurrahruf folgte ihm die Mannschaft. Nun ging's der Elbe zu; in Dessau erließ er einen feurigen Aufruf zum Aufstande; am 3. Mai drang er in Halle ein. Aber die Deutschen waren keine Spanier; nur hie und da rührte sich einer, die große Masse blieb still. Auch Dörnbergs Unternehmung war rasch erstickt worden. So kehrte Schill denn wieder um. Bei Dodendorf unweit Magdeburgs stellte sich ihm (5. Mai) eine Abteilung westfälischer Truppen in den Weg; sie wurde zersprengt. Am 12. Mai stießen bei Arneburg noch 160 Infanteristen, geführt von Leutnant Quistorp, zu ihm, die sich heimlich aus Berlin aufgemacht, Schills Schicksal zu teilen. Aber sonst war kein namhafter Zuzug zu rühmen. Denn der König mißbilligte in den schärfsten Ausdrücken Schills „unglaubliche That“ und befahl jedem preußischen Soldaten sich ruhig zu verhalten. Dagegen rückten von allen Seiten französische und rheinbündische Truppen heran. Nach planlosem hin- und Herziehen stürmte Schill zulezt mit 1500 Mann durch Mecklenburg, warf sich mitten durch die Feinde nach Stralsund und gedachte, sich hier zu halten. Aber schon waren rings die Schergen Napoleons im Anzuge, und am 31. Mai berannten 6000 Mann holländischer, oldenburgischer, dänischer Truppen den schwach befestigten Plat. Ein erbitterter Kampf Mann gegen Mann entbrannte in den Straßen. Die Schillschen verkauften ihr Leben teuer; ein par hundert schlugen sich durch und retteten sich nach Preußen; die Mehrzahl fiel oder wurde gefangen. Zu den Gefallenen gehörte auch Schill; im Handgemenge war er erschoffen worden. Die Franzosen und ihre Handlanger behandelten die Besiegten mit wilder Grausamkeit. Napoleon erklärte Schill für einen Räuberhauptmann und seine Truppe für eine Bande. Er ließ vierzehn von den Gemeinen und alle gefangenen Offiziere elf an der Zahl kriegsrechtlich erschießen. Am 16. September erfolgte zu Wesel das Blutgericht. Die Namen der elf Offiziere waren: von Wedel I und II (Brüder), von Keller, Jahn, Gabain, von Flemming, von Kessenbringk, von Trachenberg, drei Berliner: Schmidt, Felgentreu, Galle. Sie starben mit heroischem Mute. Die übrigen Gefangenen (543) wurden in französische Kerker oder auf Galeren geschleppt. Selbst an Schills Leichnam ließen die Sieger ihre Rachsucht aus; die Holländer schnitten ihm das Haupt ab und bewahrten es später in Leyden als Merkwürdigkeit. Nach den Befreiungskriegen drangen Nettelbeck und andere vergebens in die preußische Regierung, das Heldenhaupt zurückzufordern; erst 1837 wurde es nach Deutschland zurückgebracht und bei seinen Waffengefährten zu Braunschweig bestattet. Als man aber gar des Königs Einwilligung nachsuchte, die Stelle in Stralsund, wo Schill seinen braven Reitertod gefunden, mit einem Stein zu bezeichnen, schlug Friedrich Wilhelm es

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