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imposante und ritterliche Erscheinung, beredt und wißig, und durch Anmut und geselliges Talent so liebenswürdig, wie um seiner Verdienste willen der höchsten Ehre wert.

Ihm ähnlich an Kenntnis, Kühnheit und Feldherrntalent war der Major v. Grolmann, während der Major Hermann v. Boyen, ein Ostpreuße und Schüler Kants, in der ruhigen Innerlichkeit des Wesens Scharnhorst näher stand. An uneigennütziger Vaterlandsliebe, an freisinniger Denkungsart und an Eifer für das Reformwerk glichen fie alle einander. Der König selbst zeigte sich nicht allein willig, in die Entwürfe der Kommission ohne Vorurteil einzugehen, er gab auch viele dem Zeitgeist und den neuen Verhältnissen angemessene Ideen selbst an.

Zunächst galt es, den Offizierstand von allen unwürdigen Elementen zu reinigen. Alle Offiziere, die sich im Laufe des Krieges Fehler hatten zu Schulden kommen lassen, wurden bestraft, die unbrauchbaren und überalterten beseitigt, die tüchtigen nach Verdienst hervorgezogen. Die Soldaten erhielten eine einfachere, zweckmäßigere Kleidung; Zopf, Locken und Puder wurden verbannt, zu den Ausrüstungsfachen gutes Material angeschafft, die Heereskörper in eine beweglichere Gestalt gebracht. Das ausländische Werben hörte auf, das Heer sollte fortan nur aus Landeskindern gebildet werden. Am 3. August 1808 erschienen die neuen „Kriegsartikel"; sie stellten die Kriegszucht auf besseren Fuß, schafften die Strafe des Gaffenlaufens ab, erlaubten die Prügelstrafe nur gegen diejenigen Soldaten, die wegen eines schweren und entehrenden Verbrechens oder wegen wiederholter Vergehungen in eine Strafklasse waren degradirt worden; sie bestimmten ferner: jeder Soldat und Unteroffizier solle fortan nach Maßgabe seiner Fähigkeiten und Kenntnisse ohne Rücksicht auf die Geburt und bis zu den höchsten Offizierstellen befördert werden; der Offizier seine Untergebenen milde und freundlich, Zivilpersonen mit Achtung und Bescheidenheit behandeln; Ausschweifungen jeder Art machten zum Avancement unfähig. Das „Reglement über die Besetzung der Stellen der Portepee-Fähnriche und über die Wahlen zum Offizier" (vom 6. August) verordnete noch genauer: „Einen Anspruch auf Offizierstellen sollen von nun an in Friedenszeiten nur Kenntnisse und Bildung gewähren, in Kriegszeiten ausgezeichnete Tapferkeit und Überblick. Aus der ganzen Nation können daher alle Individuen, die diese Eigenschaften besißen, auf die höchsten Ehrenstellen im Militär Anspruch machen. Aller bisher stattgehabte Vorzug des Standes hört beim Militär ganz auf, und ein jeder hat, ohne Rücksicht auf seine Herkunft, gleiche Rechte und gleiche Pflichten."

Welchen Unwillen erregten diese volkstümlichen Neuerungen bei den Lobrednern der alten Zeit, die bisher für den Adel die Stellen,

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für den gemeinen Mann die Prügelstrafe gehabt hatten! Zum Glück war ihr Einfluß beim Könige noch nicht wieder groß genug, um Scharnhorsts Wirken mit Erfolg zu durchkreuzen.

Reform des Volksgeißtes.

Der alte Staat war gefallen durch die Schuld der Regierenden; aber auch die Regierten hatten viel gut zu machen; es gab nicht nur an der Monarchie, sondern auch an der Nation große Schäden. Diese Wahrheit brach sich im Elende der Zeit zum Bewußtsein des Volkes Bahn; es ging in sich, und mit der Reform von oben vereinigte sich die Reform von unten. Zuerst trat im Kreise der Gebildetsten ein Umschwung der Meinung ein. Die ästhetische Selbstgenügsamkeit, die Göthesche Freude an „ruhiger Bildung“ und kosmopolitische Gleichgiltigkeit gegen die Geschicke des heimischen Staatswesens verloren ihr Ansehen; dafür erfüllte man sich mit dem nationalen Pathos der Schillerschen Dichtungen, namentlich des Tell, und die „romantische Schule“, die jezt in der Literatur auffam, trug viel dazu bei, mit dem Interesse für das deutsche Mittelalter die Lust am Deutschtum überhaupt zu erwecken. Zugleich übte der sittenstrenge Ernst, die männliche Gesinnung der Kantischen Philosophie einen immer weiter greifenden Einfluß. So fielen die Worte des Propheten, der nun seine Stimme zu dem geschlagenen, beschimpften Volke erhob, auf einen fruchtbaren Boden. Johann Gottlieb Fichte's „Reden an die deutsche Nation", die er im Winter 1807/8 öffentlich zu Berlin unter den Augen der französischen Machthaber hielt, waren eine That, die für die Reform des Nationalgeistes bei den Gebildeten kaum minder folgenreich wirkte als der Eindruck, welchen beim Volke die Steinschen Reformwerke machten. Denn er zeigte klar und scharf, „kein Mensch und kein Gott und keins von allen möglichen Ereignissen kann uns helfen, sondern allein wir selber müffen uns helfen, falls uns geholfen werden soll." Und als das einzige Mittel lehrte er eine gänzliche Veränderung des bisherigen Erziehungswesens; den Willen, den Charakter zu bilden, das sei die Hauptsache; an die Stelle der Selbstliebe trete die Liebe zur Idee, zum Ganzen und Guten. Es thue nur ein jeder Einzelne seine Schuldigkeit, so wird es um das Ganze schon gut stehen. Bildung zur reinen Sittlichkeit sollte dann zur wahren Religion führen. Zugleich schilderte er mit kühnstem Freimut die fremde Despotie und die Schande der Gegenwart, aber auch mit hinreißender Beredsamkeit die hohen Vorzüge des deutschen Wesens. So strafte und lehrte, so tröstete und erhob er die zahlreiche und erlesene Zuhörerschaft, die sich begeistert um sein Katheder im runden Sale der berliner Akademie drängte, wäh

Die

rend draußen franzöfifche Trommeln lärmten und drinnen französische Aufpasser spähten. So groß und tief und stolz wie dieser Weberssohn hatte noch niemand von der deutschen Nation gesprochen, so volkstümlich und praktisch wie dieser ideale Philosoph noch keiner den Nagel auf den Kopf getroffen. Es war zum großen Teil seiner Anregung zu verdanken, daß man in Preußen begann, den Volksunterricht nach Pestalozzischer Methode zu verbessern, welche das Können und Wollen, nicht bloß das Wissen bezweckte.

Auf religiösem Gebiete arbeitete Schleiermacher, *) der tiefsinnige und vorurteilslose Gottesgelehrte, mit ebenso großem Erfolge auf eine Erneuerung des Volksgeistes hin. Seine frischen, geistvollen Predigten fesselten und bekehrten bald das bisher so frivole Berlin. Die Leichtsinnigen und die Ungläubigen wurden erweckt, erbaut und indem sie ihre Gesinnung läutern und das bessere Teil in sich obsiegen ließen, mit wahrhafter Frömmigkeit erfüllt. Starre Glaubensfäße thaten es nicht, sondern das aufrichtige, mannhafte Streben nach Heiligung des Herzens, wozu er anzuleiten wußte. Aber wie er das verknöcherte Dogmentum der Altgläubigen verwarf, so wollte er auch nichts wissen von den „übel zufammengenähten Bruchstücken von Metaphysik und Moral, die man jezt aufgeklärtes Christentum nenne.“. Den größten Wert legte er auf die praktische Bethätigung der Gottseligkeit, und als eifriger Patriot stellte er die Opfer fürs Vaterland oben an. Jeder rechte Preuße und gute Christ hielt damals Napoleon für das böse Prinzip, für einen Teufel in Menschengestalt.

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In demselben Sinne wie Fichte und Schleiermacher wirkten durch Wort und Schrift noch manche andere vortreffliche Gelehrte, namentlich) Wilhelm v. Humboldt, Niebuhr, der Staatsmann Graf Dohna, die aus dem abgetretenen Halle vertriebenen Professoren Friedrich August Wolf, Klaproth u. a. Sie bereiteten die Gründung einer neuen Hochschule in Berlin vor, welche (1810 eröffnet) im Geiste ihrer Stifter das Forschen und Wissen mit dem Leben in Verbindung sette und die Wissenschaft auf den Staat bezog, indem sie als eine Hauptaufgabe die Belebung und Pflege des deutschen, des vaterländischen Sinnes verfolgte. Ihre Jünger sollten nicht zu bloßen Gelehrten und Beamten, sondern zu deutschen Staatsbürgern erzogen werden. Zur Erhöhung des geistigen Lebens in Schlesien trug es in ähnlicher Weise bei, daß im folgenden Jahre die frankfurter Universität nach Breslau verlegt und mit der dort seit 1702 bestehenden katholischen Fakultät vereinigt wurde.

Einen großen Anteil an der Erweckung des vaterländischen Sinnes hatte schon damals ein Mann, dessen Name später in ganz Deutschland

*) Geboren 1768 zu Breslau, gestorben 1834 in Berlin.

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mit dem Begriffe des Deutschtums unauflöslich verbunden schien: Ernst Moris Arndt, ein Pommer aus Rügen, „der deutscheste Mann"; aus seinem Buche „Geist der Zeit“ sprühte der helle, tapferste Zorn wider alles Welsche, wider das Undeutsche und Schlechte, und befeuerte jedes männliche Gemüt mit leidenschaftlicher Vaterlandsliebe und grimmigem Hafse gegen die fremden Dränger.

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Denselben Geist atmeten des Dichters Heinrich von Kleist*) herzergreifende Oden; niemand hat den Franzosenhaß und den Rachedurst in wildschönere Form gebracht. Auch als Dramatiker groß, zeich= nete er in seinem „Prinzen von Homburg" die trefflichsten Bilder reiner Vaterlandsliebe und deutscher Soldatentugend. Ihn betrauerte, als er fich im Jahre 1811, von eignem und von dem allgemeinen Unglück bezwungen, selber das Leben nahm, mit dem preußischen Vaterland auch die deutsche Muse, zu deren Begabtesten er gehörte."

Franzosenhaß und Racheðurst, diese Gefühle vereinigten damals alle Tüchtigen in Preußen zu einem unsichtbaren Heere, das zum Volkskampf loszubrechen brannte. Das Mittel dazu sahen manche in einem Bunde, der die Gleichgesinnten eng zusammenführe. In dieser Absicht stifteten einige Vaterlandsfreunde im Sommer 1808 zu Königsberg, nach Berlin dem mächtigsten Brennpunkte der neuen geistigen Bewegung, einen „fittlich-wissenschaftlichen Verein", der dann den Namen „Tugendbund" erhielt und sich besonders in der Provinz Preußen, doch auch in anderen Teilen des Staates ausbreitete, ohne jedoch zu erheblicher Wirksamkeit zu gelangen. Seine eigentliche Aufgabe, eine Volksbewaffnung zum Kampf für die Unabhängigkeit und den zu ihrem Gelingen erforderlichen Geist vorzubereiten, war ja überhaupt das Ziel, worauf zunächst alle Reformen, die militärischen wie die politischen, die sittlichen wie die religiösen, hinsteuerten, und es bedurfte keiner Zeichen und Mysterien, um alle rechten Patrioten in demselben Gefühl des Haffes gegen die Fremdherrschaft zu vereinen. Daher waren denn auch gerade die Besten, Stein, Scharnhorst, Gneisenau u. a., nicht Mitglieder des Bundes. Immerhin war er für manche Gemüter eine heilsame Anregung und für alle klaren Köpfe ein erfreuliches Zeichen der Zeit.

Stillstand.

Was alle Reformer in Preußen verkündeten, nur die nationale Kraft der Völker könne den Bonapartismus bezwingen, das erhielt im Sommer

*) Geboren am 10. Oftober 1776 zu Frankfurt a. D., gestorben den 21. November 1811 am Wannsee bei Potsdam.

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1808 aus dem fernen Spanien eine glänzende Bestätigung. Mit leichter Mühe hatte Napoleon hier den Staat umgestürzt und die pyrenäische Halbinsel zu einem bonapartischen Vasallenreiche erklärt; aber einmütig und entschloffen erhob sich sofort das spanische Volk für sein nationales Dasein, warf in wütendem Kampfe die Eindringlinge wieder aus seinem Lande hinaus und bot mutig der ganzen Macht des Kaiserreichs Troß. „Ich weiß nicht, warum wir uns nicht den Spaniern gleich achten sollen?" schrieb Blücher damals an einen Gleichgesinnten, und dieselbe zornige Frage warfen alle energischen Vaterlandsfreunde in Preußen auf. Blücher, Stein, Scharnhorst, Gneisenau und viele andere drangen in den König, die günstige Stimmung des Volkes, die erneute Tüchtigkeit des Heeres zu benußen, außer den 80 000 Mann regelmäßiger Truppen, über die man durch Einberufung der Beurlaubten bereits verfügen konnte, in Preußen und in ganz Norddeutschland, wo man weithin Verbindungen angesponnen, eine allgemeine Volksbewaffnung anzuordnen und im Bunde mit Österreich loszubrechen. Aber der König mißtraute seinem Volke; es schien ihm unglaublich, daß der kleine preußische Staat so ungeheurer Kraftäußerungen, als Stein ihm zumute, fähig sei. Er mißtraute auch Österreichs Macht und Wohlgefinntheit und meinte, jener Staat würde am Ende die Hauptlast des deutschen Krieges auf Preußen wälzen und den Bundesgenossen im Stich lassen. Vor allem aber, er hielt es für unmöglich, ohne Rußlands Hilfe einen solchen Kampf gegen den auf dem Gipfel seiner Macht stehenden Feind durchzuführen, und der Zar war gerade jezt weit davon entfernt, mit Napoleon, von dessen Freundschaft er sich noch die größten Vorteile versprach, brechen zu wollen. Vielmehr riet er jeßt entschiedener als je zur Nachgiebigkeit, zu geduldigem Ertragen. Friedrich Wilhelm, von Natur großen Entschlüssen abgeneigt, aber seinem eigenen Urteil doch auch nicht recht trauend, schwankte, zauderte. Da ereignete sich ein Zwischenfall, der den König entschied. Stein hatte einem hohen preußischen Beamten, dem Fürsten Wittgenstein, der sich damals in Doberan aufhielt, einen Brief geschrieben, in welchem er unter anderm die Notwendigkeit eines allgemeinen und einträchtigen Widerstandes der beiden deutschen Hauptmächte gegen Napoleon besprach. Diesen Brief sandte er durch einen, wie es schien zuverlässigen, Boten, einen gewissen Koppe, von Königsberg über Berlin ab. Aber die einheimischen Feinde des Ministers lagen auf der Lauer; sie verrieten*) den französischen Befehlshabern in Berlin die Wichtigkeit der Papiere, die Koppe bei sich trage, der Bote wurde daher bei Spandau von den Franzosen angehalten, der Brief ihm abgenommen und an Napoleon ge= sandt, der ihn im Moniteur veröffentlichte. Die französisch gesinnte

*) Perz, Leben Gneisenau's I. 429.

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